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Stille

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Der neuseländische Mapourika Lake in Ruhe

Die Stille (v. althochdt.: stilli ohne Bewegung, ohne Geräusch) bezeichnet in der deutschen Sprache die Lautlosigkeit und die Abwesenheit jeglichen Geräusches, auch Bewegungslosigkeit. Gegenbegriffe sind Geräusch, Lärm u.ä. Stille ist bedeutungsverwandt, aber zu unterscheiden vom Schweigen.

Vom Wort "Stille" ist das Verb "stillen" abgeleitet, da der Säugling beim Trinken ruhig wird.

Physikalische Beschreibung

Die komplette Stille beträgt theoretisch 0 dB.

Diese Stille wird nur in schalltoten Räumen erreicht. Auch in schalltoten Räumen kann das menschliche Ohr noch Geräusche des eigenen Körpers wahrnehmen. Als "still" für menschliche Maßstäbe wird umgangssprachlich eine Geräuschumgebung unter 20-40 dB bezeichnet.

Wirkungen von Stille auf den Menschen

Stille kann durch die Abwesenheit von störenden Geräuschen beruhigend wirken, die erwünschte Konzentration auf eine Tätigkeit, einen Gegenstand oder sich selbst und fördern die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden.

Der Mensch ist Geräuschen ausgeliefert (er agiert in seiner Geräuschkulisse). Der Hörsinn ist durch den Menschen nicht ohne weiteres beeinfluss- oder abschaltbar. Stille ist eine Rahmenbedingung für vielerlei Tätigkeiten/Bewußtseinzustände: 1. Tätigkeiten, die vorwiegend auf den auditiven Kanal (Hörsinn) aufbauen, benötigen häufig Stille, obwohl sie selbst die Stille stören: Musizieren, Telefonieren etc. 2. Stille ist auch eine Voraussetzung für die Konzentration des menschlichen Gehirns bei intensiven Denkprozessen (z.B. Lernen). 3. Stille ist eine Rahmenbedingung für Entspannungszustände (Autogenes Training) – Geräuschkulissen stören die Entspannung, Besinnung und Beschaulichkeit (Kontemplation). Stille spielt deshalb eine wichtige Rolle in Religion und Meditation.

Ebenso wird in Bibliotheken Stille geboten, um die Konzentration auf das Lesen nicht zu stören. Pädagogen gehen davon aus, dass die Stille dem Lernprozess förderlicher ist als eine ablenkende Geräuschkulisse.

Eine dramaturgische Wirkung erfüllt die bewußt eingesetzte Stille in spannungsreichen Theaterstücken oder Filmen – oder als rhetorisches Element beim Vortrag von Reden oder Gedichten. Stille wird zuweilen auch als beängstigend empfunden: Stille symbolisiert die Vorahnung auf ein nahendes (negatives) Ereignis (Ruhe vor dem Sturm) oder die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod.

Das Marketing sagt der Stille eine konsumhemmende Wirkung nach. Um den Konsum zu motivieren, wird deshalb in Verkaufslokalen die Stille mit Hintergrundmusik überdeckt.

Literarisch umschrieb man besonders lautlose Situationen mit "Grabesstille" oder "Totenstille" (nicht zu verwechseln mit dem juristischen Begriff der Totenruhe), da man verschiedene sehr geräuscharme Momente mit der Atmosphäre eines menschenleeren Friedhofs oder einer Gruft in Verbindung brachte.

Bedeutung der Stille in der Religion

In vielen Religionen, beispielsweise im Buddhismus und im Daoismus wird der Stille eine große Bedeutung beigemessen, vor allem, wenn sich der Priester oder die Gläubigen konzentrieren müssen, etwa beim stillen Gebet und der Meditation.

Im Pietismus des 18. Jahrhunderts wurde die Stille als ein mystisches Element der Frömmigkeit entdeckt. In Anknüpfung an Luthers Übersetzung "Vnd suchen falsche Sachen widder die stillen jm Lande" (Psalm 35,20) zog man sich bewusst und durchaus vernehmlich artikuliert aus der herrschenden Gegenwartskultur "in den stillen Winkel" zurück. Die als Stille im Lande bekannten Pietisten fanden ihre Basis in der 1780 gegründeten Christentumsgesellschaft. Die heute geläufigen Begriffe Andachtsstille oder Gebetsstille stammen aus dieser Bewegung.

In der Liturgie der katholischen Kirche spielt die Stille nach der Liturgiereform infolge des 2. Vatikanischen Konzils als eigenes Element eine Rolle, etwa vor dem Schuldbekenntnis, nach den Lesungen und der Predigt, bei der Gabenbereitung und nach der Kommunion.

In Taizé hat jede Gebetszeit eine lange Stillephase von 5-10 Minuten.

Anachoreten machten sich die Wirkung von Stille zunutze, um sich auf große spirituelle Zusammenhänge konzentrieren zu können.

Inzwischen formalisiert ist bei weniger aufwändigen Bestattungen im kleinen Kreis der Zusatz "in aller Stille", der vor allem in Traueranzeigen gebraucht wird.

Stille als Thema in der Kunst

Die Seltenheit der Lautlosigkeit in der Natur hat sie zum Thema zahlreicher unterschiedlicher Interpretationen, so bei Goethe::

Über allen Wipfeln ist Ruh;
in allen Gipfeln spürest du
kaum einen Hauch.
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
ruhest du auch.

Viele Formen der Stille wurden zum Gegenstand

  • Bergesstille (Johann Wolfgang Goethe: Über allen Wipfeln ist Ruh ...); Meeresstille (Goethe, "Meeresstille und glückliche Fahrt"); Windstille (Arnfrid Astel: WINDstille | in der Mittagshitze. | Das Zittergras | zittert nicht | vor seinem Schatten.); Winterstille (Friedrich Hebbel: "Winter-Landschaft": Unendlich dehnt sie sich, die weisse Fläche, | bis auf den letzten Hauch von Leben leer; | die muntern Pulse stocken längst, die Bäche, | es regt sich selbst der kalte Wind nicht mehr.); auch im Sinn von Vegetationsruhe gebraucht.
  • Morgenstille (Korea wurde poetisch oft "Land der Morgenstille" genannt); Mittagsstille (Theodor Storm, "Abseits": Es ist so still. Die Heide liegt Im warmen Mittagssonnenstrahle - vgl. auch den Panischen Schrecken); Abendstille (Fritz Jöde, "Abendstille überall": Rings Stille herrscht, es schweigt der Wald, Vollendet ist des Tages Lauf); Nachtstille (Friedrich Gottlieb Klopstock, „Die frühen Gräber“: „Willkommen, o silberner Mond, | Schöner, stiller Gefährt' der Nacht!, Robert Prutz, "Nachtstille").

Siehe auch Eva Strittmatters Gedichtband: "Ich mach ein Lied aus Stille".

In der bildenden Kunst ist ein Stillleben das Abbild eines leblosen und bewegungslosen Arrangements von Gegenständen.

Vor allem in der Neuen Musik hat die Beschäftigung mit der Definition von Musik auch zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der Thematik der Stille geführt. Das mit Abstand bekannteste Beispiel ist John Cages Klavierstück 4'33". Es setzt sich aus drei Sätzen zusammen, die nur aus Pausen bestehen, welche insgesamt die Länge von vier Minuten und dreiunddreißig Sekunden haben. Der Gedanke einer "Musik der Stille" - hier wieder im übertragenen Sinne - hat auch andere Komponisten angeregt, wie z.B. Federico Mompou.

Stille in technischem Kontext

Siehe auch

Wiktionary: Stille – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen