Dramentheorie
Dramentheorien beschäftigen sich mit der Frage, inwiefern Inhalt, Struktur und Darstellungsform für ein Drama charakteristisch sind. Solche Theorien wurden zu verschiedenen Zeitpunkten von verschiedenen Autoren oder Dramaturgen aufgestellt, wobei sich oftmals gegenseitige Bezüge oder Abgrenzungen voneinander aufzeigen lassen.
Grundsätzlich sind die antiken und klassischen Dramen als geschlossenes Drama gemäß Gustav Freytags Definition vom pyramidalen Aufbau zu sehen. Erst ab Heinrich von Kleist und in der Folge Büchner und schlussendlich Brecht entsteht offenes Drama.
Die Dramentheorie nach Aristoteles
Diese Theorie stellte Aristoteles für das antike griechische Theater nach dem Verständnis der Tragödien der Dichter seiner Zeit auf.
Im Gegensatz zum Epos soll bei der Tragödie die Nachahmung einer Handlung in Form von Rede dargebracht und gehandelt also gespielt, nicht berichtet werden. Die szenische Darstellung einer Handlung, in der Großes gestürzt und Niedriges erhöht wird, soll dabei Mitleid und Furcht beim Zuschauer auslösen und somit eine Reinigung (Katharsis) von ebendiesen Affekten hervorrufen.
Des Weiteren fordert er für das Drama die Einheit des Ortes (kein Ortswechsel), der Zeit (Handlungsablauf innerhalb eines Tags) und der Handlung. Laut Aristoteles soll ein Theaterstück eine abgeschlossene Haupthandlung aufweisen, die einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende hat, d.h. an keinem beliebigen Punkt anfängt oder endet und eine stringente Entwicklung vollstreckt. Dabei muss jedes Handlungselement notwendig für deren Entwicklung sein. Was keine Funktion hat, ist nach Aristoteles überflüssig und damit nicht Teil des Ganzen.
Viele Autoren waren bis hin ins 19. Jahrhundert bestrebt ihre Dramen durch die Übereinstimmung mit den aristotelischen Kriterien zu legitimieren. Selbst bis in die heutige Zeit basieren die meisten Dramentheorien auf der Auseinandersetzung mit der aristotelischen Theorie.
Die Dramentheorie nach Corneille
Corneille schuf seine Dramentheorie aus der Beschäftigung mit dem barocken Märtyrerdrama heraus. Diese Märtyrertragödien wiesen extrem polare Personenkonstellationen auf: Einerseits waren sich die Helden ihres Heils so sicher , dass sie eigentlich gar nicht in eine Katastrophe gestürzt werden konnten. Andererseits waren ihre Gegenspieler dermaßen böse, dass der Untergang des Helden von vornherein für den Zuschauer vorraussehbar wurde.
Diese Problematik führte Corneille zum Gedanken, dass die von Aristoteles geforderte Katharsis durch das Hervorrufen von Furcht und Mitleid als "Reinigung von Leidenschaften" zu verstehen ist. Die Affekte müssen aber nicht gleichzeitig auftreten: Einerseits kann der Held ein Bösewicht, der durch seine Leidenschaften Angst und Schrecken verbreitet, sein, mit dem der Zuschauer zwar kein Mitleid empfinden, vor dem und dessen Leidenschaften er sich aber fürchten kann. Andererseits kann der Held auch ein Heiliger und Märtyrer, der durch seine Tugend über allen Leidenschaften steht, sein, der vom Zuschauer bemitleidet und gleichzeitig auch für seine Erhabenheit bewundert wird. Somit erweitert Corneille das Affektpaar Furcht und Mitleid, das den Zuschauer von seinen Leidenschaften reinigen soll, um einen dritten Affekt, nämlich die Bewunderung.
Die Dramentheorie nach Lessing
Lessing orientiert sich in seiner Theorie vor allem an seiner Kritik am barocken Märtyrerdrama und der aristotelischen Dramentheorie, deren Ständeklausel er verwirft. Er kritisiert auch deren stereotypische Charaktere, die nach seiner Sicht in ihrem unerschütterlichen Glauben und ihrer Gewissheit auf Erlösung die menschlichen Fähigkeiten bei weitem überschreiten und damit ihr Martyrium zu einer Selbstverständlichkeit machen.
Lessing fordert Charaktere, die nicht stereotyp und polar wirken, sondern die Vielfalt menschlicher Emotionen und Gedanken in sich vereinen, also nicht nur böse oder nur gut sind. Dadurch werden ihre Motive psychologisch begründbar, folglich für den Zuschauer nachvollziehbar und nicht willkürlich zu nennen. Anstelle des zuvor im Mittelpunkt stehenden Verhältnisses zwischen Mensch und Gott, wird nun der psychologische Prozess im Menschen selber für den Handlungsverlauf ausschlaggebend.
Dieser Umbruch soll beim Zuschauer bewirken, dass dieser im Stande ist mit allen Charakteren Mitleid zu empfinden, wodurch er aus deren Scheitern dazulernt und so seine Tugenden weiterentwickeln kann.
Lessing veröffentlichte seine Theorie in Form von regelmäßig erscheinenden Magazinen, der Hamburgischen Dramaturgie.
Die Dramentheorie nach Goethe
Auch Goethe beschäftigte sich mit dem gekonnten Aufführen von Dramen. Er stellte allerdings keine beeinflussenden Regeln wie die des Aristoteles auf, sondern kritisierte vornehmlich die Schauspieler und die Art des Schauspielerns. Zu jenem Zeitpunkt hatten Schauspieler noch andere Vorstellungen von gekonntem Auftreten in Deutschland, was z.B. in Rülpsern und Nießern auf der Bühne resultierte. Diese Missstände zeigte Goethe auf und versprach sich Besserung. Außerdem wandte sich Goethe von der von Aristoteles und Lessing geformten Regelpoetik ab. Er wollte die Fesseln der formalen Einheiten brechen und dem Beispiel Shakespeares folgen. Demnach sollte der Dichter nicht nur mit dem Verstand arbeiten, sondern vielmehr mit den Empfindungen eines Individuums, welche schließlich zur totalen Welterkenntnis führen würden.
Episches Theater
Die von Bertolt Brecht aufgestellte Dramentheorie zum epischen Theater (offenes Drama) wird in einem eigenen Artikel behandelt.
Absurdes Theater
Die Dramentheorie zum absurden Theater wird in einem eigenen Artikel behandelt.