Die Resistenz gegen Antibiotika ist die Fähigkeit eines Mikroorganismus sich gegen Antibiotika zu wehren. Ein Protein oder Enzym, das durch ein bestimmtes Gen auf der Bakterien-DNA codiert wird, unterstützt diesen Mechanismus. Bekanntestes Beispiel ist die Penicillinase, welches das Penicillin neutralisiert. Die Bakterien, die Penicillinase herstellen können, sind gegen dieses und ähnliche Antibiotika immun.
Resistenzgene haben sich schon vor dem Einsatz von Antibiotika entwickelt. Sie sind die ökologische Antwort der Bakterien auf jene Pilze, die antimikrobiell wirksame Stoffe produzieren. Durch Plasmide werden genetische Informationen inklusive der Resistenzfaktoren von einem Bakterium zum anderen weitergegeben. Die auf diese Weise entstehenden multiresistenten Bakterien haben mehrere Resistenzgene und stellen eine besondere Gefahr dar. Bakterien können zu resistenten "Supererregern" werden, auch ohne mit den verschiedenen Antibiotika selbst Kontakt gehabt zu haben. Die üblichen, gegen solche multiresistenten Bakterien eingesetzten Antibiotika bleiben wirkungslos.
Diese Unempfindlichkeit trat in dem Eiterkeim Staphylococcus aureus auf, einer Bakterienart, die schon gegen viele andere Antibiotika Resistenzen entwickelt hat.
Resistente Bakterien sind eine große Bedrohung für Säuglinge, Kleinkinder und Personen mit geschwächtem Immunsystem.
Arten der Antibiotikaresistenz
- Primäre Resistenz: Als primär wird eine Resistenz bezeichnet, wenn ein Antibiotikum bei einer bestimmten Gattung oder Spezies eine Wirkungslücke besitzt. So wirken beispielsweise Cephalosporine nicht bei Enterokokken und Ampicillin nicht bei Pseudomonas aeruginosa
- Sekundäre oder erworbene Resistenz: Diese Form der Resistenz zeichnet sich durch den Verlust der Wirksamkeit eines Antibiotikums bei einem primär nicht resistenten Bakterium aus. Sie kann spontan durch Mutation oder durch Übertragung entstehen.
- Resistenz durch Mutation: Mutationen im Genom finden in einer Größenordnung von ca. 10-7 statt und sind rein zufällig. Sie können zur Resistenz gegen ein Antibiotikum führen, welche sodann bei Exposition zum entsprechenden Antibiotikum zu einem Selektionsvorteil führt.
- Resistenz durch Übertragung: Bakterien können über die Vorgänge der Transformation, Transduktion und Konjugation untereinander genetische Informationen übertragen, die auf Plasmiden lokalisiert sind. So können auch Resistenzgene (mit-)übertragen werden.
Resistenzmechanismen
- Effluxpumpen: membrangebundene Transporter die in der Lage sind eine Vielzahl von Antibiotika aktiv aus der Zelle zu transportieren.
- β-Lactamase: Von den Bakterien gebildetes Enzym β-Lactamase spaltet β-Lactam-Antibiotika noch vor Entfaltung ihrer Wirkung.
- Veränderte Zielstruktur: Der Angriffspunkt des Antibiotikums (z.B. die Ribosomen) ist verändert.
- Stoffwechsel-Bypass: Der Stoffwechselschritt, den ein Antibiotikum behindert oder aufhebt wird durch einen anderen ersetzt.
- Membranpermeabilität: Die Zellmembran wird so verändert, dass die antibiotische Substanz sie nicht mehr durchdringen kann.
- Penicillinbindungsproteine: Die Penicillinbindungsproteine werden verändert (z.B. MRSA).
Resistenzbestimmung
Die Resistenzbestimmung erfolgt in einem mikrobiologischen Labor. Es werden in der Regel automatisierte und in jedem Fall standardisierte Verfahren angewendet. Nach der Resistenzbestimmung werden die nachgewiesenen Keime als S - sensibel, I - Intermediär oder R - resistent bezeichnet. Die Resistenzbestimmung dient dem Mikrobiologen und dem behandelnden Arzt zur Auswahl einer gezielten antibiotischen Therapie.
Vorkommen
In den USA sind etwa 70 % der in Krankenhäusern erworbenen infektiösen Keime resistent gegen mindestens ein Antibiotikum. Oft sind Patienten mit Bakterienstämmen infiziert, die gegen mehrere Antibiotika resistent sind (Multiresistenz).
Sogenannte Problemkeime sind dabei vor allem der Methicillin-resistente S. aureus (MRSA), Pseudomonas spec. und Escherichia coli. Schätzungen des Centers for Disease Control and Prevention gehen für die USA von zwei Millionen im Krankenhaus erworbenen Infektionen für das Jahr 2004 aus, mit etwa 90.000 Todesfällen.
Für andere Industrienationen gelten im Moment niedrigere Zahlen. In England und Wales verstarben 1992 51 Patienten an Infekten mit resistenten Mikroben, im Jahre 2002 waren es 800. In Schweden, Norwegen, den Niederlanden und Dänemark fallen die Resistenzquoten wesentlich besser aus, weil hier weniger großzügig verschrieben wird.
Besonders anfällig sind Patienten mit Immunschwächen wie Schwerkranke oder mit HIV infizierte Personen. Auch bei Transplantationen liegt eine Gefährdung vor, weil diese Patienten Immunsuppressiva einnehmen, um der Gefahr entgegenzuwirken, dass das Immunsystem des Körpers das Transplantat abstößt.
Im Jahr 2005 infizierten sich rund drei Millionen Europäer mit Keimen, die gegen bekannte Antibiotika resistent sind – 50.000 von ihnen starben daran. [1]
Entstehung
Beunruhigend sind Resistenzen gegen Vancomycin, das bei manchen Infektionen als letztes Mittel (last resort antibiotica) und wirksame Waffe auch gegen hartnäckige Krankenhaus-Keime gilt. 1986 wurde das erste Vancomycin-resistente Darmbakterium (VRE) entdeckt, 1997 trat dann der erste teilweise resistente Stamm von S. aureus auf, der ernste Wund- und Operationsinfektionen verursacht. In den USA wurde erstmals 2002 über den ersten vollständig Vancomycin-resistenten S. aureus-Stamm berichtet. Mittlerweile gibt es S. aureus-Stämme (MRSA), die gegen nahezu alle Antibiotika resistent sind. Fachleute warnen davor, dass diese Situation zu einer weltweiten Krise bei der Behandlung von Infektionskrankheiten eskalieren könnte[2] .
Gegen manche Antibiotika bilden sich schneller Resistenzen als gegen andere. So bilden sich z. B. gegen Makrolide schnell Resistenzen, weil sie nur ein bestimmtes Enzym (die Translokase) hemmen (Einschritt-Resistenzmuster). Ist die Translokase mutiert, wirken sie u. U. nicht mehr. Deshalb gibt es gegen Makrolide bereits zunehmend Resistenzen, obwohl sie erst in den 90er Jahren entwickelt wurden. Dagegen greift Penicillin an sechs verschiedenen sog. Penicillin-binding-Proteins an. Es wird heute noch für viele Indikationen verwendet, obwohl es schon seit Jahrzehnten existiert.
Bisweilen setzt man Kombinationen von Antibiotika ein, um die Entwicklung von Resistenzen unwahrscheinlicher zu machen und die Wirkung zu verstärken. Dabei gilt als Faustregel, dass bakterizide Antibiotika nicht mit nur bakteriostatischen Antibiotika kombiniert werden sollen, weil diese durch langsameres Bakterienwachstum die bakterizide Wirkung schwächen würden. Dagegen ist es sinnvoll, denselben Stoffwechselweg an unterschiedlichen Stellen zu hemmen. Deshalb kombiniert man Sulfonamide mit anderen Folsäureantagonisten.
Ursachen
Unkritische Anwendung
Eine wichtige Ursache ist die unkritische Verschreibung von Antibiotika. Beispielhaft ist die Verschreibungspraxis bei Bronchitis, bei der nur fünf Prozent der Hustenfälle auf Bakterien zurückzuführen sind, der Rest wird durch Viren verursacht, gegen die Antibiotika keinerlei Wirkung zeigen. Durch diesen breiten Einsatz bilden sich Resistenzen, bei einem echten Bedarf wirken die Antibiotika dann nicht mehr. Antibiotika dürfen deshalb nur eingesetzt werden, wenn sie eindeutig indiziert sind. Dies gilt zum Beispiel für Lungenentzündung und fieberhafte Harnwegsinfektionen. Die Therapie muss konsequent zu Ende geführt werden. Ein weiterer kritischer Punkt ist der unzureichende Abbau von Antibiotika im Körper. Dadurch gelangen Antibiotikareste ins Abwasser und Bakterien können in den Abwasserkanälen bzw. Kläranlagen durch den dauernden Selektionsdruck Resistenzen ausbilden. Auch durch unterdosierte Antibiotika können Bakterien Resistenzen ausbilden und Resistenzgene untereinander austauschen. Dieser Gen-Austausch findet insbesondere in Krankenhäusern statt, wo unterschiedliche Bakterienstämme in Kontakt miteinander kommen können und von Bett zu Bett getragen werden. So wird die Bildung von Resistenzen gefördert und auch die Verbreitung resistenter Keime (infektiöser Hospitalismus).
Einsatz in der Viehzucht
Eine weitere wichtige Ursache für die immer schnellere Verbreitung von Resistenzen ist die Verwendung von Antibiotika zum prophylaktischen Einsatz und als Wachstumsförderer in der landwirtschaftlichen Tierzucht. Mehrere europäische Länder haben diese Praktik deshalb in der Massentierhaltung zur Nahrungsmittelerzeugung seit Mitte der 90er Jahre untersagt. In Folge konnte die Resistenzrate zwar reduziert werden, dennoch bleibt die Ausbreitung der Resistenzen besorgniserregend[3]
Ab 2006 sind sogenannte Leistungsverstärker oder Mastbeschleuniger EU-weit verboten. Infektionen am Vieh dürfen weiterhin mit Antibiotika behandelt werden, was jedoch aus Tierschutzgründen auch nötig ist. Trifft es ein Geflügel, darf die gesamte Herde gleichzeitig behandelt werden. Die Schlachtung darf jedoch erst nach einer gewissen Zeit erfolgen, in der das Tier die Medikamente abgebaut hat (Wartezeit). Besonders über den Genuss roher Eier und ungenügend gebratenen Fleischs kommt es zur Infektion von Menschen. Vereinzelt kam es auch zu Übertragungen über Nutzpflanzen, welche mit der Gülle von mit Medikamenten behandelten Tieren gedüngt wurden.
Quellen
- ↑ heise.de: Mediziner warnen vor "Post-Antibiotika-Zeitalter"
- ↑ Leeb M: Antibiotics: a shot in the arm. Nature. 2004 Oct 21;431(7011):892-3. PMID 15496888
- ↑ Wegener HC: Antibiotics in animal feed and their role in resistance development. Curr Opin Microbiol. 2003 Oct;6(5):439-45. PMID 14572534
Literatur
VRE
- A. Simon, N. Gröger, S. Engelhart, G. Molitor, M. Exner, U.Bode, G. Fleischhack: Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) - Übersicht zu Bedeutung, Prävention und Management in der Pädiatrie. Hygiene und Medizin 29(7/8), S. 259 ff. (2004), ISSN 0172-3790
- Constanze Wendt, Henning Rüden, Michael Edmond: Vancomycin-resistente Enterokokken: Epidemiologie, Risikofaktoren und Prävention. Deutsches Ärzteblatt (Köln) 95(25), S. A1604 - A1611 (1998), ISSN 0012-1207
- G. Schulze, W. Schott, G. Hildebrandt: Vancomycin-resistente Enterokokken - Krankenhausküche als Vektor? Bundesgesundheitsblatt 44(7), 732 – 737 (2001), ISSN 0007-5914
- F. Dieber, G. Gorkiewicz, J. Kofer: Nachweis von Vancomycin-resistenten Enterokokken in der Tierproduktion der Steiermark. Arbeitstagung des Arbeitsgebietes Lebensmittelhygiene 44, S. 449 – 454 (2003), ISSN: keine
MRSA
- Frank Kipp, Alexander W. Friedrich, Karsten Becker, Christof von Eiff: Bedrohliche Zunahme Methicillin-resistenter Staphylococcus-aureus-Stämme. Deutsches Ärzteblatt (Köln) 101(28-29), S. A2045 - A2051 (2004), ISSN 0012-1207
Sonstige
- Hermann Feldmeier: Antibiotikaresistenz durch widernatürliche Fütterung. Naturwissenschaftliche Rundschau 57(11), S. 632 – 633 (2004), ISSN 0028-1050
- Thomas K. Ritter, Chi-Huey Wong: Kohlenhydrate in der Antibiotikaforschung: ein neuer Ansatz zur Resistenzbekämpfung. Angewandte Chemie 113(19), S. 3616 - 3641 (2001), ISSN 0044-8249
- Peter Heisig: Was ist neu an Ketoliden und Oxazolidinonen? Wirkungs- und Resistenzmechanismen. Pharmazie in unserer Zeit 33(1), S. 10 - 19 (2004), ISSN 0048-3664
- Michael Kresken: Wie wirksam sind Linezolid und Telithromycin? Resistenzsituation bei grampositiven Infektionserregern in Deutschland. Pharmazie in unserer Zeit 33(1), S. 20 - 27 (2004), ISSN 0048-3664
- Levy, Marshall: Antibacterial resistance worldwide: causes, challenges and responses. Nature Medicine 10, S122 - S129 (2004)