Langbogen

Mittelalterliche Kriegswaffe
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Der Langbogen ist eine Kriegswaffe des Mittelalters, die vor allem durch England zum Einsatz kam; seine Länge entspricht in etwa der Größe des Schützen – herkömmliche Bögen sind im Vergleich dazu deutlich kürzer.

Material und Herstellung

Langbögen wurden zumeist aus Eibenholz hergestellt. Da im Mittelalter die Eiben zum Bogenbau abgeholzt wurden, sind sie heute selten, sie stehen unter Naturschutz und sind deswegen heute relativ teuer. Ersatzweise wurde auch Esche und Ulme verarbeitet. Entgegen der weitläufigen Meinung wurde Haselnuss, obwohl zum Bogenbau geeignet, aufgrund seiner schlechten Wurfeigenschaften seltener verwendet. Im Haithabu-Fundkatalog sind Bögen aus Eibe, Esche und Ulme abgebildet, wo hingegen bei englischen Langbögen nur Funde aus Eibenholz existieren.

Der Querschnitt des klassischen Langbogens weist das schmale D-Profil auf, da sich das Kernholz zusammendrücken und das Splintholz (äußeres, unverkerntes Holz) dehnen lässt. Ein Langbogen stellt besonders hohe Anforderungen an die Druckfestigkeit des Holzes, denen nur ausgesuchte Holzsorten und -qualitäten gerecht werden. Vermutlich deshalb verbreiteten sich Bögen mit breiterem Wurfarm-Querschnitt – einem Layout, wie es auch aus steinzeitlichen Funden und von späteren amerikanischen Flachbögen bekannt ist.

Geeignete Äste oder geviertelte Stämme bilden das Rohmaterial für die Herstellung der Langbögen. Sorgfältig aus Herz und Korpus geschnitzt, verleihen die natürlichen Strukturen des Holzes dem Langbogen Eigenschaften, die schon fast mit denen heutiger Kompositbögen vergleichbar sind. Unter Erhaltung eines kompletten Jahresrings, der die Vorderseite des Bogens bildet („Rücken“), wird die dem Kernholz zugewandte „Bauchseite“ vorsichtig gleichmäßig ausgedünnt („getillert“), bis sich eine homogene Biegung ohne Knicke oder steife Regionen ergibt. Die einfache Form des Langbogens weist schon allein aufgrund der enormen Höhe nur eine leichte Krümmung mit geraden Enden auf, im Gegensatz zu dem an den Enden geschwungenen Reiterbogen der asiatischen Steppenvölker.

Einsatz des Langbogens

Nachweislich bereits um Christi Geburt verwendeten nordeuropäische Stämme den Langbogen; große Verbreitung fand er aber erst im hohen bis späten Mittelalter, etwa zeitgleich mit der Armbrust. Der massive Einsatz englischer und walisischer Langbogenschützen soll die Schlachten von Crécy 1346 und Agincourt 1415 wesentlich mit entschieden haben; das französische Heer unterlag. Der Langbogen erlangte eine gewisse Berühmtheit als kriegsentscheidende Waffe.

Die Zugkraft der Langbögen lag bei ca. 440 bis 580 N (100 bis 130 lbs); dies entspricht einem Gewicht von 44 bis 58 kg! Versuche mit Nachbauten alter Langbögen haben diese Werte ergeben. Bogenschützen waren deshalb großen körperlichen Belastungen ausgesetzt. Entsprechende Skelettfunde zeigen ausgeprägte Veränderungen des Knochenbaus am Schultergelenk und am Haltearm. Die hohe Zugkraft führt zu hoher Durchschlagskraft der Pfeile; Kettenrüstungen, Plattenrüstungen oder gar etliche Zentimeter dicke Eichenbohlen (nach neueren Schätzungen Eichenplatten von etwa 2,5 cm Dicke) können Berichten zufolge von Langbogenpfeilen durchschlagen werden. Der Pfeil erreicht hierbei eine Geschwindigkeit von bis zu 45 m/s (ca. 160 km/h).

Langbogenschützen waren hochspezialisierte und gut ausgebildete Einheiten. Angeblich galt ein Langbogenschütze nichts, wenn er nicht mit 10-12 Pfeilen in der Minute ein Ziel in 200 m Entfernung traf, wozu es jedoch einige Zeit der Ausbildung bedurfte (s.o. Zugkraft). Dabei wurde vermutlich mehr Wert auf die Menge als auf die Genauigkeit gelegt, da in einer Schlacht wohl eher Gebiete beschossen wurden als Einzelziele. 1.000 Schützen konnten so in der Minute 500 kg Pfeile verschießen. Dieser immense Verbrauch hielt einen ganzen "Industriezweig" am Leben, den Bogenbau, für den Bogner und Pfeilmacher zuständig waren. In England wurden in großem Umfang Eiben kultiviert, da ihr Holz am besten für Langbögen geeignet war.

In der Schlacht gefangene Langbogenschützen wurden häufig frei gelassen, nachdem man ihnen den Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand abgeschlagen hatte. Durch diese Verstümmelung waren sie für den Kriegsdienst am Langbogen nicht mehr geeignet. Das berühmte englische Victory-Zeichen hat ursprünglich nichts mit dem Buchstaben V zu tun, sondern ist die triumphierende Geste, mit der englische Langbogenschützen dem Feind ihre Finger zeigten.

Einige Kritiker halten zeitgenössische Berichte über die Vorzüge des Langbogens für stark übertrieben. Der Langbogen wurde seit dem späten 15. Jahrhundert von Feuerwaffen wie der Arkebuse verdrängt, die eine größere Durchschlagskraft entwickelten. Langbögen besaßen zwar eine größere Schussfolge, doch war die Ausbildung eines Arkebusiers deutlich weniger zeitaufwändig. Außerdem wurden die Plattenrüstungen in der beginnenden Frühen Neuzeit immer massiver, so dass sie leichter mit Hilfe eines Arkebusenschusses oder seit der Mitte des 16. Jahrhunderts vor allem durch einen Musketenschuss durchschlagen werden konnten.

Azincourt

Untersuchungen der letzten Jahre, die auf dem Schlachtfeld von Azincourt und andernorts durchgeführt wurden, legen die Vermutung nahe, dass die englischen Bogenschützen den schwer gepanzerten französischen Rittern in Wahrheit nur recht wenig mit ihren Pfeilen anhaben konnten, da man damals bereits dazu übergegangen war, für Rüstungen Stahl statt Eisen zu verwenden.

Allerdings muss man dabei berücksichtigen, dass diese begrenzten Untersuchungen vor dem Hintergrund einer Fernsehsendung über die Schlacht stattfanden.

Folgende Kritikpunkte hinsichtlich obigen Versuches ergeben sich:

  • Die Zugkraft der eingesetzten Langbögen könnte falsch gewesen sein. Es ist unwahrscheinlich, dass Bögen mit einer durchschnittlichen Zugkraft eingesetzt wurden, wie sie denen auf der Mary Rose gefundenen entsprachen.

Selbstverständlich kann heute kein Student eines gewissen Lehrstuhles einen heute üblichen Longbow als Referenz für eine historische Kriegswaffe heranziehen! Selbst im heutigen England, wo das „strongshooting“ noch von wenigen praktiziert wird, sind nur ganz außergewöhnlich starke Bogenschützen rein körperlich in der Lage einen, wenn auch nur durchschnittlich starken, „Warbow“ zu ziehen, geschweige denn mit ihm zu treffen. Hinsichtlich dieser Tatsache konsultiere man den international renommiertesten britischen Bogenbauer und Longbowspezialisten „Pip“ Bickerstaffe. Die auf der „Mary Rose“ gefundenen Longbows und deren Replica weisen trotz der heute verwendeten viel schlechteren Eibe Zugstärken bis 180 lbs. auf (Quelle: Robert Hardy), das bedeutet, dass selbst trainierte heutige Bogenchampions mit ihrer gewohnten Zugstärke von durchschnittlich 45 lbs. um ca. 300 % überfordert sind. Zur Zeit des engl. Königs Heinrich VIII. war die Hochzeit des „strongbow-shootings“ eigentlich vorbei, jedoch musste jeder Schütze, der in die Königliche Garde eintreten wollte (erforderliches Körpermaß six foot = 1,80 m), in der Lage sein in einer Minute zwölf Pfeile in eine Scheibe von einem yard (90 cm) Durchmesser auf 260 yards Entfernung zu setzen! Allein die physikalische Tatsache der Reichweite eines Bogens für die geforderte Entfernung setzt eine Zugkraft der benötigten Waffe von mindestens 90 lbs. voraus (Waffe für einen damaligen Halbwüchsigen mit Benutzung eines Flight-Pfeiles). Die physische Überforderung eines heutigen erwachsenen Schützen beträgt dann immernoch 100 %! Dies rührt daher, dass die Jugend Englands in der Zeit der Edwards I-III mit dem mitwachsenden Bogen groß wurde, (Beginn des Trainings im Alter von sieben Jahren).

  • Die für die Versuche benutzte Bodkin-Pfeilspitze war nur eine unter vielen möglichen.
  • Der Versuchsaufbau ging davon aus, dass die Mehrheit der Rüstungen aus Stahl einheitlicher Qualität und dass die Pfeilspitzen aus Eisen waren, obwohl es durchaus sein könnte, dass auch sie aus Stahl gefertigt waren. Nach den Quellen der heutigen wenigen Pfeilschmiede waren alle Bodkinspitzen gehärtet (also aus Stahl), schon allein wegen des geringen Durchmessers der langgezogenen nadelförmigen Spitze!
  • Es wurde nicht untersucht, was bei Bogenschüssen aus kurzer Entfernung auf Schwachpunkte der Rüstungen passierte. Dies ist auch gar nicht relevant , weil auf Grund des Fernschusses mit einem Warbow der Pfeil nach Überschreitung seiner Gipfelhöhe durch die Gravitation (Abwärtskurve) bereits auf kurzer Strecke (abwärts eben) eine Beschleunigung auf ca. 212 km/h erfährt, dieses Endtempo des Pfeils entspricht auch in etwa dessen   (Anfangsgeschwindigkeit) beim Verlassen des Bogens.

Diese Geschwindigkeit multipliziert mit der Masse des geschossenen Pfeils (ca. 75 g) ergibt einen Impuls, der jeden getroffenen, noch so schwer gepanzerten Ritter aus dem Sattel wirft, - selbst wenn der Pfeil hierbei die Rüstung nicht durchschlägt, was wohl bei den gerundeten Plattenpanzern sehr oft der Fall war. Deshalb kann ein Pfeilschuss auf die weiteste Distanz eine verheerendere Wirkung ausüben, als ein heutiges Gewehrprojektil auf Maximaldistanz (p = m × v). Die beim Aufprall eines von einem Bodkinpfeils umgewandelte Energie könnte als rein physikalische Arbeit betrachtet einen Körper mit der Masse von 1 kg 14 m hoch befördern : Ekin= 1/2 mv² = 1/2 mal Masse des Pfeiles (75g) mal 220km/h = 139,53 Joule. Vorausgesetzt wird dabei ein Warbow mit 90 lbs. der (als Replica getestet) auf 60 yards 9 cm massive Eiche durchschlug. Außerdem besitzt das „Mary Rose Institut Röntgenaufnahmen von authentischen Plattenpanzern, die von Pfeilen durchschlagen wurden, zum Teil stecken die Spitzen noch darin. (Phys. Anhang zu R. Hardy: The Longbow.) Zu diesem Thema sei noch erwähnenswert, dass ein indianischer Bogenschütze in den USA auf etlichen Events alljährlich die Durchschlagskraft des Cherokee-Kriegsbogens demonstriert ,indem er auf 60 yards einen mit Quarzsand gefüllten Eiseneimer mit seinem stahlspitzenbestückten Pfeil durchschlägt Er benutzt hierzu einen Longbow mit 200 lbs. Zugkraft. (Quelle: Hagen Seehase und Ralf Krekeler: Der gefiederte Tod, Die Geschichte des Englischen Langbogens).

  • Die Versuche ließen die Tatsache außer Acht, dass es sich bei den englischen Bogenschützen um Meister ihres Faches handelte, die in der Lage waren, kontinuierlich Ziele, die mehr als 200 m entfernt waren, zu treffen. Hierbei gilt es zu beachten, dass auf Grund der nachgewiesenen Zugstärke der Warbows aus der Hochzeit dieser Waffe, die Eröffnungsdistanz bei 400 m (und mehr) liegen konnte (Salvenbeschuss).

Es ist also durchaus möglich, dass die Bogenschützen hauptsächlich auf die wenig geschützten Pferde schossen, was dazu führte, dass deren Reiter zu Boden stürzten und wegen des schlammigen Untergrundes Schwierigkeiten hatten, sich wieder zu erheben. Des Weiteren mussten sich die französischen Truppen über das durch sie selbst verursachte schlammig-sumpfige Schlachtfeld kämpfen und kamen deshalb erschöpft und vereinzelt an der Kampflinie der Engländer an.