Die Aquilinae sind eine Unterfamilie der Familie der Habichtartigen innerhalb der Greifvögel. Ein deutscher Name ist bisher nicht etabliert. Gemeinsames Merkmal aller Vertreter der Aquilinae sind die bis zu den Zehen befiederten Beine, im Englischen wird das Taxon daher als „Booted Eagles“ (wörtlich übersetzt etwa: "Behoste Adler") bezeichnet.
Aquilinae | ||||||||
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Vorlage:Taxonomy | ||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||
Aquilinae | ||||||||
Gadow 1893 |
Beschreibung
Die Aquilinae sind mittelgroße bis sehr große Greifvögel. Die kleinsten Arten sind etwas größer als ein Mäusebussard, die größten Arten der Gattungen Aquila, Stephanoaetus und Polemaetus zählen zu den größten Greifvögeln. Alle Vertreter der Unterfamilie haben bis zu den Zehen befiederte Beine, ein großer Teil der Arten hat außerdem eine Federhaube (Gattungen Spizaetus, Oraetus, Spizastur, Stephanoaetus, Lophaetus).
Verbreitung
Die Unterfamilie ist weltweit verbreitet, unter den größeren Landmassen ist nur Antarktika nicht besiedelt. Der Schwerpunkt der Verbreitung liegt in den Tropen, nur wenige Arten besiedeln die kühleren, gemäßigten bis arktischen Klimazonen.
Lebensweise
Alle Arten der Aquilinae leben in erster Linie von kleinen bis mittelgroßen Wirbeltieren, die meist selbst erbeutet werden. Im Beutespektrum dominieren dabei Säuger und Vögel. Darüberhinaus wird auch ein breites Spektrum der übrigen Landwirbeltiere und von größeren Insekten genutzt. Soweit bekannt, nutzen alle Vertreter des Taxons zumindest gelegentlich Aas.
Alle näher untersuchten Arten sind monogam und streng territorial. Sie bauen große Nester auf Bäumen oder in Felswänden. Das Gelege besteht aus einem bis vier Eiern. Bei vielen Arten sind die Nestgeschwister untereinander aggressiv, die jüngsten Geschwister überleben daher oft nicht. Eine Reihe von Arten (zum Beispiel Schreiadler, Schelladler, Kaffernadler und Kronenadler) zeigt obligatorischen Kainismus, so dass immer nur ein Jungvogel flügge wird.
Externe Systematik
Eine Unterfamilie Aquilinae wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund morphologischer Merkmale vorgeschlagen. Ob die Aquilinae tatsächlich monophyletisch sind, war in der Folgezeit umstritten, bei Untersuchungen anhand morphologischer Merkmale wurde die Monophylie sowohl bestätigt[1] als auch abgelehnt[2]. Auch die Zugehörigkeit verschiedener Gattungen wurde immer wieder diskutiert. Neuere Untersuchungen der mitochondrialen DNA und der DNA des Zellkerns haben die Monophylie des Taxons innerhalb der Accipitridae bestätigt, ein eindeutiges Schwestertaxon war nicht identifizierbar.[3] [4]
Interne Systematik
Mit insgesamt 35 bis 36 Arten zählen die Aquilinae zu den artenreichsten Unterfamilien innerhalb der Habichtartigen (Accipitridae). Die folgende Zuordnung der Gattungen zur Unterfamilie Aquilinae folgt Lerner & Mindell (2005). Die Artbezeichungen folgen im wesentlichen Ferguson-Lees & Christie (2001)[5]; abweichend wird der morphologisch und genetisch gut differenzierte Spanische Kaiseradler als eigene Art geführt.[6]
- Haubenadler (Spizaetus): 10 Arten in den Tropen und Subtropen von Asien, Afrika und Amerika
- S. nipalensis
- S. alboniger
- S. nanus
- S. cirrhatus
- S. bartelsi
- S. lanceolatus
- S. philippensis
- S. africanus
- Tyrannenhaubenadler (S. tyrannus)
- Schmuckhaubenadler (S. ornatus)
- Spizastur: Monotypische Gattung; eine Art in Mittel- und Südamerika
- Elsteradler (S. melanoleucus)
- Oroaetus: Monotypische Gattung; eine Art in Südamerika
- Isidoradler (O. isidori)
- Stephanoaetus: Monotypische Gattung; eine Art in Afrika
- Kronenadler (S. coronatus)
- Polemaetus: Monotypische Gattung; eine Art in Afrika
- Kampfadler (P. bellicosus)
- Echte Adler (Aquila): 11 Arten, nur eine auch in Amerika
- A. gurneyi
- Keilschwanzadler (A. audax)
- Steinadler (A. chrysaetos)
- Kaffernadler (A. verreauxii)
- Östlicher Kaiseradler (A. heliaca)
- Spanischer Kaiseradler (A. adalberti)
- Raubadler (A. rapax)
- Steppenadler (A. nipalensis)
- Wahlbergsadler (A. wahlbergi)
- Schelladler (A. clanga)
- Schreiadler (A. pomarina)
- Lophaetus: Monotypische Gattung; eine Art in Afrika
- Schopfadler (L. occipitalis)
- Ictinaetus:Monotypische Gattung; eine Art in Südostasien
- Malaienadler (I. malayensis)
- Habichtsadler (Hieraaetus): 6 Arten in Europa, Asien, Afrika und Australien
- Rotbauchadler (H. kienerii)
- H. morphnoides
- Zwergadler (H. pennatus)
- Habichtsadler (Art) (H. fasciatus)
- H. spilogaster
- H. ayresii
Wink & Sauer-Gürth (2004) bezogen nur eine Art der Haubenadler (Gattung Spizaetus) in ihre Untersuchung mit ein. Lerner & Mindell untersuchten acht Spizaetus-Arten, im Ergebnis ist diese Gattung kein Monophylum. Nach Lerner & Mindell konnte auch die Sonderstellung der monotypischen Gattungen Spizastur, Oraetus, Lophaetus und Ictinaetus nicht bestätigt werden.
Die Monophylie der Gattungen Echte Adler (Aquila) und Habichtsadler (Hieraatus) wird schon seit längerer Zeit bezweifelt, unter anderem wegen der offensichtlichen morphologischen Ähnlichkeiten zwischen dem Wahlbergsadler (Aquila wahlbergi) und dem Zwergadler (Hieraaetus pennatus). Einige Autoren haben daher den Wahlbergsadler zur Gattung Hieraaetus gestellt [7] andere wiederum die Gattung Hieraaetus aufgelöst und deren Vertreter zu Aquila gestellt.[8] [9]
Sowohl nach Wink & Sauer-Gürth als auch nach Lerner & Mindell ist die Monophylie der bisherigen Gattungen Echte Adler (Aquila) und Habichtsadler (Hieraaetus) nicht gegeben. Insgesamt ist die Benennung der einzelnen Arten und Gattungen innerhalb der Aquilinae also stark revisionsbedürftig. Bestätigt wurden von Lerner & Mindell die systematischen Sonderstellungen von Kronenadler und Kampfadler als jeweils monotypische Gattung.
Die folgende Darstellung der Verwandtschaftsverhältnisse basiert auf Lerner & Mindell und berücksichtigt 29 Arten.[10] Wink & Sauer-Gürth haben insgesamt deutlich weniger Arten untersucht, kamen bezüglich der von ihnen untersuchten Arten aber zu gleichen Ergebnissen.[11]
Aquilinae ├─N.N. │ ├─Spizaetus cirrhatus lineatus │ ├─Spizaetus lanceolatus │ └─N.N. │ ├─Spizaetus nanus │ └─N.N. │ ├─Spizaetus alboniger │ └─Spizaetus nipalensis └─N.N. ├─N.N. │ ├─Spizaetus tyrannus │ └─N.N. │ ├─Spizastur melanoleucus │ └N.N. │ ├─Oroaetus isidori │ └─Spizaetus ornatus └─N.N. ├─Stephanoaetus coronatus └─N.N. ├─Hieraaetus kienerii └─N.N. ├─Polemaetus bellicosus └─N.N. ├─N.N │ ├─Lophaetus occipitalis │ └─N.N │ ├─Ictinaetus malayensis │ └─N.N │ ├─Aquila clanga │ └─Aquila pomarina hastata │ └─N.N. ├─N.N │ ├─Aquila wahlbergi │ └─N.N │ ├─Hieraaetus ayresii │ └─N.N. │ ├─Hieraaetus morphnoides morphnoides │ └─ N.N. │ ├─Hieraaetus pennatus │ └─Hieraaetus morphnoides weiskei └─N.N ├─N.N │ ├─Aquila nipalensis │ └─N.N. │ ├─Aquila heliaca │ └─Aquila rapax └─N.N ├─Aquila chrysaetos └─N.N. ├─Spizaetus africanus └─N.N. ├─N.N. │ ├─Aquila verreauxii │ └─N.N. │ ├─Aquila audax │ └─Aquila gurneyi └─ N.N. ├─Hieraaetus spilogaster └─Hieraaetus fasciatus
Wie hier dargestellt, bilden die Haubenadler (Spizaetus) der Alten Welt nach Lerner & Mindell ein Monophylum, das sich deutlich von den Haubenadlern der Neuen Welt abgrenzt. Das Taxon der neuweltlichen Haubenadler schließt auch die bisher als jeweils monotypische Gattungen betrachteten Spizastur melanoleucus und Oroaetus isidori ein.
Nach Wink & Sauer-Gürth unterstützen die Ergebnisse der genetischen Untersuchung die bereits vorgeschlagene Vereinigung der Gattungen Echte Adler und Habichtsadler (Aquila und Hieraaetus) zu einer Gattung Aquila, in dieses Taxon wäre nach Wink & Sauer-Gürth auch der Schopfadler (Lophaetus occipitalis) zu integrieren.[12] Nach den hier dargestellten Befunden von Lerner & Mindell wären zu dieser Gattung jedoch außerdem die monotypische Gattung Malayenadler (Ictinaetus) sowie Spizaetus africanus zu stellen.[13] Der Rotbauchadler (Hieraaetus kienerii) ist nach Lerner & Mindell nicht näher mit den anderen Vertretern der Gattung Hieraaetus verwandt und weicht auch morphologisch von dieser Gattung stark ab. Demnach wäre die Aufstellung einer monotypischen Gattung mit dem Rotbauchadler als einziger Art gerechtfertigt.
Quellen
Einzelnachweise
- ↑ M. Jollie: A contribution to the morphology and phylogeny of the Falconiformes, Part 2. Evol. Theory 2; 1977: S: 209-300.
- ↑ R. N. Holdaway: An exploratory phylogenetic analysis of the genera of the Accipitridae, with notes on the biogeography of the family. In: B.-U. Meyburg, R. D. Chancellor (Hrsg.): Raptor conservation Today. Berlin, London, Paris: S. 601-649.
- ↑ Wink & Sauer-Gürth, 2004
- ↑ Lerner & Mindell, 2005
- ↑ Ferguson-Lees and Christie; 2001
- ↑ vgl. I. Seibold, A. J. Helbig, B.-U. Meyburg, J. J. Negro & M. Wink: Genetic Differentiation and Molecular Phylogeny of European Aquila Eagles according to cytochrome b Nucleotide Sequences. In: B.-U. Meyburg & R. D. Chancellor: Eagle Studies. WWGBP; Paris, London, Berlin; 1996. ISBN 3-9801961-1-9: S. 1-16
- ↑ Ferguson-Lees and Christie; 2001
- ↑ P. H. Barthel & A. J. Helbig: Artenliste der Vögel Deutschlands. Limicola 19: S. 89-111.
- ↑ Theodor Mebs & Daniel Schmidt: Die Greifvögel Europas, Nordafrikas und Vorderasiens. Franckh-Kosmos, Stuttgart 2006. ISBN 3-440-09585-1
- ↑ Lerner & Mindell, 2005: Fig. 1, S. 337
- ↑ Wink & Sauer-Gürth, 2004: Fig. 2, S. 488
- ↑ Wink & Sauer-Gürth, 2004: S. 491
- ↑ Lerner & Mindell, 2005: S. 341
Literatur
- J. Ferguson-Lees, D. A. Christie: Raptors of the World. Christopher Helm, London 2001. ISBN 0-7136-8026-1.
- H. R. L. Lerner, D. P. Mindell: Phylogeny of eagles, Old World vultures and other Accipitridae based on nuclear and mitochondrial DNA. Molecular Phylogenetics and Evolution 37; 2005: S. 327-346.
- M. Wink, H. Sauer-Gürth: Phylogenetic Relationships in Diurnal Raptors based on nucleotide sequences of mitochondrial and nuclear marker genes. In: R. D. Chancellor, B.-U. Meyburg (Hrsg.): Raptors Worldwide. Berlin, Budapest, 2004: S. 483-498.