Dem Neoliberalismus wird eine Reihe von ökonomischen Theorien zugerechnet, die sich auf der Grundlage von Adam Smith und von neoklassischen Theorien mit den Problemen von Entwicklungsländern und dem Handel zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern beschäftigen. Der Neoliberalismus befürwortet eine Liberalisierung des Kapitalmarktes und wird in diesem Zusammenhang oft als neoliberale Reform bezeichnet.
Geschichte
Der Begriff "Neoliberalismus" wurde von den Ökonomen Friedrich Hayek, Wilhelm Röpke, W. Eucken, u.a. auf einer Konferenz in Genf im Jahre 1939 geprägt. Dass Wettbewerb im staatlichen Rahmen stattfinden solle, wurde keineswegs in Frage gestellt (Ordo-Liberalismus). Somit bedingt der Neoliberalismus in dieser ursprünglichen Form auch die sozialen Marktwirtschaft. Hayek entwickelte nach dem zweiten Weltkrieg den Neoliberalismus zu einer dynamischen Theorie sozialer Institutionen weiter und erhielt für seine Arbeit 1974 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Friedman war damals Berater des chilenischen Dikators Pinochet. Als erstes Land der Welt setzte Chile die Konzepte des Neoliberalismus mit der Härte eines despotischen Staates durch: Verbot der Gewerkschaften, Deregulierung der Wirtschaft, Privatisierung, Umverteilung von Arm zu Reich.
Im Allgemeinen bedeutet der Neoliberalismus eine Abkehr vom keynesianischen Wirtschaftsmodell, das unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg vorherrschend war. In Teilen der Dritten Welt, etwa in Lateinamerika entwickelte sich der Neoliberalismus als kritische Alternative zur Dependenztheorie.
Forderungen
Konkret fordert der Neoliberalismus eine
- stabile Währung (makroökonomische Stabilität)
- einen ausgeglichenen Staatshaushalt,
- die Deregulierung von Handel und Finanzen
- die Abschaffung der Grenzen der Nationalstaaten als Handelshemmnis
- eine Preisregulierung über den Markt
- Privatisierung
Wichtige Charakteristika sind darüber hinaus ständiger weltumspannender Handel im 24-Stunden-Rhythmus, kontinuierliche Neubewertung der Märkte, sowie existierende Terminmärkte (für Finanzderivate).
Der Neoliberalismus steht in Verbindung mit den Theorien von Friedrich Hayek, Milton Friedman und Arnold Harberger, sowie internationalen Organisationen wie dem internationalen Währungsfonds. Ronald Reagan und Margaret Thatcher waren die ersten bedeutenden neoliberalen Politiker in den Industriestaaten. In Deutschland vertritt vor allem die FDP neoliberale Positionen.
Themen des Neoliberalismus
Doch die Themen des Neoliberalismus sind so aktuell wie eh und je: Recht, Freiheit und Wettbewerb, um nur einige zu nennen. Neoliberale stehen für klare Kompetenzen sowohl hinsichtlich staatlicher Aufgaben und privater Initiative als auch in Bezug auf die Gremien und Körperschaften der verschiedenen Institutionen (beispielsweise die Neuordnung der Zuständigkeiten von Bund, Länder und Gemeinden).
"Privat kommt vor dem Staat": Neoliberal denkende Menschen sind der Ansicht, dass ein großer Staatsapparat dem Bürger zu weit entfernt sei und deshalb private Iniativen (Stichwort Freiwilligenarbeit) und Privatwirtschaft gefördert, staatliche Bürokratie und die Staatabeteiligungen eingeschränkt beziehungsweise ganz aufgegeben werden sollen.
Entscheidend für Neoliberale ist auch die persönliche Verantwortung für sich und sein Leben. Im Gegensatz zu Sozialisten vertrauen Neoliberale nicht auf die Allgemeinheit, sondern versuchen selbst etwas zum allgemeinen Wohlstand beizutragen
Der Neoliberalismus entfaltet (auch) produktive Kräfte, er überwindet die bornierten Grenzen des Nationalstaates, oder die extrem tayloristische Arbeitsteilung. Wie das Ergebniss der Neuverteilung zu bewerten ist, darüber gibt es jedoch heftige Diskussionen.
Kritik
Von Kritikern wird der Neoliberalismus auch als eine sich vor allem mit Wirtschafts-Aspekten beschäftigende Ideologie bezeichnet, die auf Deregulierung und den Rückzug des Staates bzw. verminderter staatlicher Kontrolle zugunsten freier Märkte setzt. Von Gewerkschaften und Globalisierungskritikern wird "neoliberal" vor allem als Vorwurf verwendet, da der Neoliberalismus staatliche soziale Sicherungssysteme zugunsten einer niedrigeren Steuerlast soweit wie möglich beschränken oder privatisieren will.
Es wird kritisiert, dass Neoliberalismus den freien Wolf im freien Stall der freien Hühner frei wildern lässt, also Ungleichgewichte und Unausgewogenheiten (Nord-Süd-Gefälle, Spaltung der Gesellschaft in arm und reich) verschärft, anstatt sie auszugleichen. Die Ansicht kommt aus der Idee, dass der Rückzug des Staates nicht gleichbedeutend mit einem Rückzug von Fremdbestimmung ist, vielmehr wird der Staat als Autorität durch andere Mächte (z.B. Konzerne) ersetzt. Diese unterliegen der gesamtstaatlichen demokratischen Kontrolle weniger und sind damit in aller Regel flexibler und Rendite-orienterter, was nicht prinzipiell abzulehnen ist. Allerdings besteht hier eine starke Tendenz, die Kapitalkraft der Entscheidungsträger als alleinigen Maßstab zu sehen und eine Kluft zwischen Arm und Reich entstehen zu lassen.
Die Kritiker sehen somit im Neoliberalismus die Ursache für den Verlust von Freiheit bis hin zur Existenzgefährdung eines (zu großen) Teils der Weltbevölkerung. Denn gerade der Neoliberalismus besteht auf einen unbehinderten Welthandel und die Abschaffung von Grenzen. Er befürwortet die Internationalisierung von Wirtschaft und Handel als notwendige Voraussetzung für globalen Wohlstand. Notwendigerweise werden damit die "Fähigsten" bevorzugt. Eine kritische Auseinadersetzung mit dem Begriff des Fähig-Seins werde jedoch nicht geführt.
Eine weitere Gefahr des Neoliberalismus sehen viele im Verlust demokratischer Einflussmöglichkeiten auf das Gemeinwesen. Je mehr öffentliche Bereiche in privates Konzerneigentum übergehen, desto geringer wird der Einfluss des Volkes (der Wähler und der Parteien) auf diese Bereiche.
Hinzu kommt der völkerrechtlich verbindliche Einfluss der WTO-Schiedsstelle, die bei Streitfällen vermittelt, auf die nationale Gesetzgebung: Wenn ein (privater) Konzern in einer gesetzlichen Regelung ( Umweltschutz, Verbraucherschutz, ...) ein Handelshemmnis sieht, drohen dem Staat Sanktionen. Eine Schlichtung durch ordentliche Gerichte ist nicht vorgesehen.
Opponenten des Neoliberalismus in Theorie und Praxis sind Ökonomen wie Joseph E. Stiglitz und Amartya Sen sowie die Globalisierungskritiker.
Diese Gegner können in zwei Gruppen eingeordnet werden: in Keynesianische Ökonomen und in Anti-Kapitalisten. Die Keynesianischen Ökonomen (wie Stiglitz) meinen, dass der Markt ein schlechtes Instrument sei: Er muss z.B. durch so genannte Regulierungsbehörde, etwa am Telefoniemarkt und andere ausgleichende, administrative Maßnahmen stabilisiert werden. Weiters unterliege er Fehlentwicklungen, da natürlich nur bei entsprechender Kaufkraft die jeweilige Nachfrage bedient werden könne. Es besteht die Gefahr, dass Bedürfnisse, hinter denen keine entsprechende Kaufkraft steht, nicht abgedeckt werden und dass es bei "berechtigten Forderungen" bleibt. Die sozialen Folgeschäden sind dann allerdings wieder von der Allgemeinheit zu tragen. Beispiele für derartige Problemkreise sind in den Bereichen Bildung, Altenpflege, Familienpolitik und zunehmend auch im Gesundheitssystem zu finden.
Zu den Gegnern des Neoliberalismus gehören auch die Freiwirtschaftler, nach deren Meinung schon eine dauerhaft stabile Währung ohne Umlaufsicherung unmöglich sei. Das wird jedoch von kaum einem Währungsexperten ernst genommen. Im Gegenteil handle es sich dabei um eines der wenigen Beispiele von Esoterik in den Wirtschaftswissenschaften.
Literatur
- Noam Chomsky:Profit over People -Neoliberalismus und globale Weltordnung ISBN 320376010X
Weblinks
- Der Neoliberalismus als neue Entwicklungsweise des Kapitalismus
- Michael Rösch: Was verstehen wir unter Neoliberalismus
- Dieter Lösch: Der verunglimpfte Neoliberalismus
- Die Konkurrenz: Brockhaus 1968
- Neoliberalismus und katholische Soziallehre
Siehe auch: Globalisierung, Marktwirtschaft, Wirtschaftsethik, Paläoliberalismus, Soziallehre, Sozialdemokratie,Public Private Partnership, Daseinsvorsorge, ICC, Aussetzung des Handels, Konsens von Washington