Als Gehirn (Hirn, Cerebrum) bezeichnet man den im Kopf gelegenen Teil des Zentralnervensystems (ZNS) der Wirbeltiere. Es liegt geschützt in der Schädelhöhle und wird umhüllt von der Hirnhaut.

Das Wirbeltier-Gehirn stellt einen vorläufigen Endpunkt in der Evolution der Nervensysteme dar, da es hochzentralisiert Sinneseindrücke verarbeitet und komplexe Verhaltensweisen koordiniert. Es ist somit der Hauptintegrationsort für alle überlebenswichtigen Informationen, die in einem Organismus verarbeitet werden.
Allerdings gelangt nicht jede Information bis zur Hirnrinde und damit zu Bewusstsein. Peripher liegende Nervengeflechte (Plexus) und vor allem Zentren im Hirnstamm dienen der unbewussten Vorverarbeitung von Signalen, Reflexbögen übernehmen Aufgaben, die mit höchster Geschwindigkeit und ohne bewusste Registrierung ablaufen müssen. Auch beim Menschen findet sich ein so genanntes autonomes Nervensystem, das der Koordination vegetativer Funktionen (Atmung, Kreislauf, Nahrungsaufnahme,Verdauung und Abgabe, Flüssigkeitsaufnahme und Ausscheidung, sowie der Fortpflanzung) dient. Die Regulation dieser Prozesse würde diejenigen Strukturen des Gehirns, die mit der bewussten Wahrnehmung beschäftigt sind, vollständig überfordern und damit blockieren.
Die Funktion des Gehirns basiert hauptsächlich auf der Interaktion von stark vernetzten Neuronen über elektrische Impulse. Ein Mittel zur Analyse von Gehirnaktivitäten stellt daher die Messung der Gehirnströme mittels eines EEG dar. Eine andere Methode der Messung ist das MEG.
Die Struktur und - in geringerem Maß - die Größe des Gehirns können als Anhaltspunkt für die Lernfähigkeit und Intelligenz eines Tieres herangezogen werden. Wiederum ist nicht das Gehirn alleine zu Lernleistungen in der Lage, neuronale Plastizität findet sich auf so gut wie allen Hierarchiestufen des Nervensystems.
Neben den Wirbeltieren besitzen auch Tintenfische hochkomplexe Gehirne, die sie zu gezielten Tätigkeiten befähigen. Im weiteren Sinne bezeichnet man daher auch die Zentralstelle des Nervensystems verschiedener wirbelloser Tiere, etwa der Ringelwürmer oder Insekten, als Gehirn. Je nach Gehirn-Typ spricht man hier von Cerebralganglion, Oberschlundganglion etc.
Aufbau des Wirbeltiergehirns
- Prosencephalon (Vorderhirn)
- Telencephalon (Endhirn)
- Diencephalon (Zwischenhirn)
- Mesencephalon (Mittelhirn)
- Rhombencephalon (Rautenhirn)
- Metencephalon (Hinterhirn)
- Cerebellum (Kleinhirn)
- Pons
- Myelencephalon (Nachhirn)
- Metencephalon (Hinterhirn)
- (Rückenmark)
Das menschliche Gehirn
Das menschliche Gehirn ist (neben einfachen Nervensystemen einiger Würmer) das am besten untersuchte Gehirn im Tierreich, trotzdem sind noch viele Fragen ungeklärt.
Durchschnittlich wiegt das Gehirn einer erwachsenen Frau bei 1245g, beim erwachsenen Mann 1375g. Zwischen Mann und Frau sind hinsichtlich der Intelligenz trotz dieser Gewichtsunterschiede keine siginifikanten Schwankungen festzustellen. Dies verdeutlicht, dass das Gewicht im Grunde nicht als Maß für die Leistungsfähigkeit des Gehirns gelten kann, wie es historisch von Seiten der Misogynie immer wieder behauptet wurde.
Das menschliche Gehirn besitzt Schätzungen zu Folge zwischen 10 und 20 Milliarden eng miteinander verschaltete Nervenzellen (Neuronen). Es ist das aktivste Organ des Menschen und hat dementsprechend einen enormen Sauerstoff- und Energiebedarf: Etwa 20% des Bluts werden vom Herzen ins Gehirn gepumpt, schon der kurzzeitige Ausfall der Sauerstoffversorgung führt zu Hirnschäden und bereits nach wenigen Minuten ist der Gehirntod festzustellen.
Der historische Irrglaube, Genialität müsse am (nach dem Tode entnommenen) Gehirn ablesbar sein, ist so alt wie die Hirnerforschung und wird selbst heute noch gelegentlich fortgeführt. Der Sachbuchautor Michael Hagner lieferte u.a. anhand der Hirnbesonderheiten vieler Persönlichkeiten wie Immanuel Kant, Vladimir Iljitsch Lenin oder Albert Einstein nebenher eine Geschichte der Hirnforschung sowie themenbezogene Einblicke in die Kultur- und Sozialgeschichte der vergangenen drei Jahrhunderte. Auch viele Hirnforscher gerieten dabei unversehens ins Fahrwasser nationalistischen und völkisch-rassistischen Denkens.
Geschichte der Hirnforschung
- Antikes Ägypten: "Lehrbuch der Chirurgie" mit Beschreibung der Gehirnfurchung, Erkennen von Gehirnverletzungen (abweichende Augenstellung, Nachziehen eines Fußes, Sprachverlust)
- Hippokrates: Epilepsie durch Reize auslösbar
- Claudius Galen: erste neurophysiologische Experimente (Schnitte, Läsionen)
- Andreas Vesalius: Gehirnanatomie
- Descartes: Zweiteilung von Körper und Seele
- Willis: graue/weiße Substanz
- Franz Josef Gall: Phrenologie (Schädelkartierung)
- Paul Broca: lokalisiert motorisches Sprachzentrum im linken Frontallappen
- Carl Wernicke (1848-1905): lokalisiert sensorisches Sprachzentrum im linken Temporallappen
- Korbinian Brodmann: Einteilung der Großhirnrinde in 52 Areale
- Ramon y Cajal: Neuronentheorie
Literatur
- Eccles, John C.: Wie das Selbst sein Gehirn steuert, Berlin / Heidelberg 1994
- Michael Hagner: "Geniale Gehirne. Zur Geschichte der Elitegehirnforschung". Göttingen: Wallstein 2004, ISBN 3-8924-4649-0
Siehe auch
Neurowissenschaften, Bewusstsein, Denken, Lernen, Selbsterkenntnis des Gehirns, Kino im Kopf
Weblinks
- Einfache Einführung in Bau und Funktion des Gehirnes mit vielen Bildern
- Beschreibung des Gehirns, seiner Teile, Krankheiten und Funktionsstörungen mit vielen Abbildungen
- Das Gehirn aus psychologischer Perspektive
- über Gegenwart und Zukunft der Hirnforschung (Zeitschrift Gehirn&Geist)
- Verstand als dynamisches System der Verteilung von Aufmerksamkeit im Gehirn
- Philosophische Dissertation, die u.a. auf die Gehirn/Geist-Probleme eingeht