Südlich des 1936 nach Potsdam eingemeindeten Ortes Sacrow, steht am Ufer einer in den Jungfernsee ragenden Landspitze die Heilandskirche am Port von Sacrow, vereinfacht nur Heilandskirche genannt. Nach Entwurfszeichnungen Friedrich Wilhelms IV. entstand ein sakrales Gebäude im italienischen Stil mit freistehendem Campanile. Nach dem Baubeginn im Jahr 1841, fand die feierliche Einweihung am 21. Juli 1844 statt.
Der "Architekt des Königs", Ludwig Persius, wurde mit der Bauplanung beauftragt. Sein engster Mitarbeiter, Ferdinand von Arnim, übernahm die örtliche Bauleitung. Der Gartenkünstler Peter Joseph Lenné bezog die Umgebung in seine landschaftsgärtnerische Umgestaltung der Potsdamer Havellandschaft ein.
Vorgeschichte
Für 60.000 Taler erwarb Friedrich Wilhelm IV. im Oktober 1840 das Gut Sacrow und überwies es als Domäne im November des selben Jahres an die Königliche Regierung in Potsdam. Die bereits seit 1813 unbenutzbare kleine Fachwerkkirche des nahegelegenen Dorfes, musste 1822 endgültig abgerissen werden, so dass der Bau eines neuen Gotteshauses nötig wurde.
Für den Neubau geeignet schien eine Bucht, ein Port, in der die Havelfischer bei Sturm mit ihren Booten Schutz suchten. Für den religiös empfindenden Monarchen war dies ein Ort mit Symbolcharakter: Das Kirchenschiff als "Bollwerk" gegen die Stürme des Lebens. Die in das Wasser hineinragende Heilandskirche vermittelt tatsächlich den Eindruck eines vor Anker liegenden Schiffes am Ufer des Sees. Diese Bauweise, auf einem Pfahlrost gegründet, verschlang ein Drittel der Gesamtbaukosten von 45.234 Talern und 27 Silbergroschen.
Architektur
Wie bei der nur wenig später errichteten Friedenskirche im Park Sanssouci, dienten auch bei der Heilandskirche jene Sakralbauten als Vorbild, die von frühen christlichen Gemeinden aus den römischen Markt- und Gerichtshallen umgestaltet worden sind. Der königliche Bauherr bevorzugte, wie bei diesen Gebetshäusern üblich, eine einfache, flache Deckenkonstruktion, entgegen dem neugotischen Stil, mit seinen hohen gewölbten Hallendecken. Friedrich Wilhelm IV. sah in der Zeit weit vor der Kirchenspaltung einen vorbildlichen Zusammenhalt der christlichen Glaubensgemeinschaft. Der Hofarchitekt Ludwig Persius setzte die vom König vorgefertigten Skizzen in die für ihn typische klare Bauform um.
Der über 9 Meter hohe, 18 Meter lange und 8 Meter breite kubische Baukörper, mit östlich ausgebauter Apsis, ist von einem überdachten Arkadengang umgeben. So entsteht optisch der Eindruck einer dreischiffigen Basilika. Die kannelierten Säulen haben anstelle von Kapitellen einen Palmettenring aus Zinkguss.
Durch die Rundbogenfenster im oberen Teil des Langhauses - die Obergadenfenster - und die Fensterrose im Westgiebel fällt Licht in das Innere der Kirche.
Die aus gelblichrosa Backstein verblendeten Außenwände werden durch horizontale Streifen mit blauglasierten, gelbgemusterten Fliesen unterbrochen. Sowohl an griechische Tempelbauten als auch an frühchristliche Bauten erinnert die flache Dachneigung der verschiedenen Bauteile. Auf dem Scheitel des Daches schmückt ein Giebelkreuz aus Zinkguss die Vorderfront.
Der Innenraum
In der schlicht gehaltenen Kirchenhalle dominiert das Freskogemälde in der Apsis im byzantinischem Stil. Auf goldglänzendem Untergrund wird der thronende Christus mit dem Buch des Lebens dargestellt, umgeben von den vier Evangelisten. Über ihren Köpfen schweben im Halbkreis Engelsgestalten. Am Scheitel der Halbkugel sieht man die Taube als Sinnbild des Heiligen Geistes. Nach dem Entwurf eines der bedeutendsten Maler der deutschen Romantik Carl Joseph Begas, führte Adolph Eybel das Gemälde 1845 in Freskotechnik aus. Im Halbrund des Vorjochs (Bema) wird die Farbgestaltung der Hallendecke wieder aufgenommen, gelbe Sterne auf blauem Untergrund.
Der originale, freistehende Altartisch aus Zedernholz, wurde 1961 mutwillig zerstört. Da eine Rekonstruktion wegen fehlender Dokumentationen nicht möglich war, steht heute an selber Stelle ein stilistisch ähnlicher Tisch.
Das Kirchenschiff hat eine Kassettendecke mit sichtbarer Balkenkonstruktion. Die einzelnen Felder sind mit blauem Tuch bespannt und hellgelben Sternen ausgemalt.
Zwischen den Obergadenfenstern stehen auf Konsolen Statuetten der zwölf Apostel aus Lindenholz. Sie wurden 1840/44 von Jacob Alberty geschnitzt. Als Vorbild dienten die Apostelstatuetten an Peter Vischers Sebaldusgrab in St. Sebald in Nürnberg (um 1500) und von Christian Daniel Rauch gefertigte Modelle für den Berliner Dom.
Die Sitzbänke standen ursprünglich parallel zu den Längswänden, nun zu vier Blöcken in Richtung Apsis. Die sehr hohen Rückenlehnen sollten jede Ablenkung vermeiden und die Blicke der Gläubigen auf den um drei Stufen erhöhten Altarraum, Kanzel und Lesepult lenken.
Der einzige Zugang in das Kirchengebäude liegt auf der westlichen Seite. In diesem Bereich ist vom Kirchenraum abgetrennt ein kleiner Sakristeiraum und die Treppe zur darüberliegenden Orgelempore. Die ursprüngliche Orgel von 1844 hatte nur fünf Register mit angehängtem Pedal. Sie wurde 1907 durch größere Prospektpfeifen erweitert und hatte dann sechs Manual- und ein Pedalregister. 1961 wurde sie durch Vandalismus zerstört. Die heutige Orgel von 1996 baute eine Berliner Firma. Sie ist ausgestattet mit zwei Manualen, Pedal und 14 Registern auf mechanischen Schleifladen.
Der Campanile (Glockenturm)
Auf dem rechteckigen Vorplatz mit Exedren an den Schmalseiten steht der über 20 Meter hohe Campanile (von lat. campana = Glocke). Der Turm hat die gleiche Backsteinverblendung mit dem eingelegten Fliesenmuster wie das Gotteshaus. Die Rundbogenöffnungen nehmen nach oben zu und enden im letzten Geschoss in einem offenen Belvedere. Den Abschluss bildet ein flaches Zeltdach mit Kugel und Kreuz.
Der Campanile trägt eine fast 600 Jahre alte Bronzeglocke. Ihr überliefertes, aber nicht belegbares Gussjahr soll 1406 sein. Erstmals erwähnt wurde sie im Jahr 1661. Die Glocke stammt vermutlich aus einer alten Sacrower Kirche, die schon während des Dreißigjährigen Krieges verfiel. Eine zweite Glocke ist 1917 und deren Nachfolgerin 1944 für die Rüstungsproduktion beschlagnahmt worden.
Im Sommer 1897 diente der Glockenturm den Physikern Adolf Slaby und Georg Graf von Arco für einen elektroakustischen Versuch, der wesentliche Voraussetzungen für den Rundfunk schuf. Hier wurde die erste deutsche Antennenanlage für drahtlose Telegraphie errichtet. Am 27. August gelang der Signalempfang zum gegenüberliegenden Ufer des Jungfernsees zur kaiserlichen Matrosenstation "Kongsnaes" in der Schwanenallee.
Die Heilandskirche nach 1945
Der Bau der Berliner Mauer im August 1961 führte im Laufe der darauffolgenden Jahrzehnte zur fast vollständigen Zerstörung der Heilandskirche. Die deutsch-deutsche Grenze verlief direkt über das Kirchengelände und der Campanile wurde zum Bestandteil der Sperrmauer gemacht, indem man die hohen Betonplatten an den Glockenturm ansetzte.
Das Kirchengebäude stand nun im "Niemandsland" Richtung West-Berlin. Trotz allem fanden noch bis Heilig Abend 1961 regelmäßig Gottesdienste statt. Wenige Tage später wurde das Innere der Heilandskirche, die auf von DDR-Grenztruppen scharf bewachtem Gebiet stand, durch Vandalismus zerstört und so die weitere Nutzung unmöglich gemacht.
Als nach Jahren der ruinöse äußere Zustand auch von der Westberliner Uferseite nicht mehr zu übersehen war, versuchte man aus politischen Gründen den weiteren Verfall aufzuhalten. Nach langwierigen Verhandlungen zwischen kirchlichen Stellen und den zuständigen Regierungsstellen der DDR, konnte 1984/85 das Äußere des Kirchengebäudes wiederhergestellt werden. Die Spendengelder der Stiftung Tagesspiegel und des Westberliner Senats sollen bei den beauftragten Potsdamer Firmen aber nicht angekommen sein.
Nach dem "Fall der Mauer" wurde am Heiligen Abend 1989, nach knapp drei Jahrzehnten, wieder ein Gottesdienst gehalten. Der zu diesem Zeitpunkt noch zerstörte Innenraum der Heilandskirche, erhielt in den Jahren 1993-1995 sein heutiges Bild.
Die Parkanlage
Der Gartenkünstler Peter Joseph Lenné gestaltete nach 1842 das Gelände um die Heilandskirche, die Bucht, den Park des Schlosses Sacrow und eines 1843/44 von Ludwig Persius im italienischen Stil umgebauten Fährpächter- und Gasthauses "Zum Doctor Faust", das auf dem Areal weiter östlich Stand. Lenné schuf, wie in seinen Anlagen üblich, breite Spazierwege und weite Sichtachsen zu den Parkanlagen Glienicke, Babelsberg, dem Neuen Garten und der Stadt Potsdam. Der über 24 ha große Sacrower Park wurde in seine landschaftsgärtnerische Umgestaltung der Potsdamer Havellandschaft einbezogen.
Im Zuge der Grenzbefestigung wurden 8 ha Gartenfläche und das Gasthaus zerstört, der Park für die Zollhundeausbildung genutzt. Die Wiederherstellung des Geländes gelang ab 1994.
Die Potsdamer Havellandschaft, die von der Pfaueninsel bis nach Werder reicht, steht mit seinen Schlössern und Gärten als Gesamtensemble seit 1990 als Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO.
Literatur
- PEDA-Kunstführer: Potsdam-Sacrow. Heilandskirche. Kunstverlag PEDA, Passau ISBN 3-930102-33-1 (Herausgeber: Ev. Kirchengemeinde Potsdam-Sacrow)