Carillon

(oft mittels Seilzügen oder mechanisch bedientes) Glockenspiel
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Ein Carillon ist ein großes Turm-Glockenspiel, d. h. es besteht aus chromatisch oder diatonisch gestimmten Glocken, die mittels einer Klaviatur oder/und mechanisch (z. B. mittels einer Walze) gespielt werden können (vgl. Glockenspiel (Spieluhr)). Die World Carillon Federation (WCF) verlangt von einem Carillon, dass es über mindestens 23 Glocken (zwei Oktaven) verfügt und die Glocken direkt von einem Spieltisch mittels Seilzügen angeschlagen werden können.

Turm-Glockenspiel

Aufbau

 
Carilloneur Brian Swager am Spieltisch des Carillons in der Kathedrale Saint-Jean-Baptiste (Johannes der Täufer) in Perpignan

Die Klöppel der Glocken oder außerhalb der Glocke angeordnete federnd gelagerte Hämmer sind mittels Zugdrähten und Kipphebel mit den Tasten des Spieltisches verbunden und werden mechanisch von dem Carilloneur gespielt. Der Spieltisch eines Carillons ist dem einer Orgel ähnlich. Er besteht aus einem Rahmenwerk, in dem die Stöcke für das Manual und die Tasten des Pedals eingebaut sind. Die Stöcke des Manuals sind wie Klaviertasten angeordnet, die Abstände zwischen den einzelnen Stöcken sind jedoch wesentlich größer als bei einem Klavier.

Spielweise

Da für das Anschlagen der Glocken eine große Kraft erforderlich ist, wird das Manual eines Carillons mit der Faust gespielt, die größeren Glocken können zudem nicht nur per Manual, sondern zusätzlich mit den Füßen per Pedal gespielt werden. Manchmal gibt es jedoch auch größere Glocken, die nur über das Pedal, nicht über das Manual erreicht werden können.

Differenzierung der Spielweise

Aufgrund der Spielweise können pro Hand nur ein bis maximal drei Tönen mit Intervallen bis zu einer Quinte gespielt werden. Um z. B. zwei Töne gleichzeitig mit einer Hand zu spielen unterscheidet sich die Spielweise von der oben genannten, indem die Hand geöffnet wird und die Stöcke mit Daumen und Zeigefinger herunter gedrückt werden.

Die Glocken beim Carillon sind nicht mit einer Dämpfung versehen, so dass vor allem die tiefen Glocken sehr lange nachklingen. Somit ist es auch nicht mehr möglich, den Klang einer einmal angeschlagenen Glocke noch zu beeinflussen bis diese ausgeklungen ist. Des weiteren klingen die großen Glocken wesentlich lauter und länger als die kleineren Glocken. Zudem ist der Teilton der kleinen Terz deutlich hörbar, was bei lang nachschwingenden Tönen schnell zu Dissonanzen führen kann. Somit erfordert das Carillonspiel eine sehr stark wechselnde Dynamik, die durch die Anschlagstärke der Stöcke reguliert wird, um Dissonanzen zu minimieren.

Etymologie

Der Name Carillon ist von „quatrillionem“ abgeleitet, dem rhythmischen Anschlag von vier Glocken, wie er im 14. Jahrhundert vom Turmwächter angewandt wurde. In den Niederlanden gibt es den größten Bestand an Glockenspielen weltweit (insgesamt 806 Glockenspiele, davon 158 Carillons nach WCF-Standard), in Deutschland sind es 41 Carillons.

Bekannte Carillon-Komponisten

Ausgewählte Carillons

Deutschland

 
Carillon am Karlsruher Rathaus

Die größten Carillons in Deutschland nach Zahl der Glocken sortiert:

übriges Europa

andere

  • New York, Riverside Kirche: 74 Glocken (18.500 Kg) 1925-1930, Basisglockenton c
  • Chicago, Universitätskapelle: 72 Glocken (17.300 Kg) 1932, Basisglockenton cis
  • Washington, D.C.: Peter-Pauls-Kathedrale: 53 Glocken (10.900 Kg) 1963, Basisglockenton es
  • Ottawa, Parlament, Friedensturm: 53 Glocken (10.150 Kg) 1927, Basisglockenton e
  • Glockenspiel des Tower of the Apostles Kirk in Bloomfield Hills, Michigan, USA, 77 Glocken

Siehe auch

Literatur

  • Buchner, Alexander: Vom Glockenspiel zum Pianola. Prag 1959
  • Ellerhorst, Winfred: Das Glockenspiel. Kassel [1939]
  • Price, Frank Percival: The Carillon. London 1933
  • Schilling, Margarete: Glocken und Glockenspiele. Rudolstadt 1985
  • Schilling, Margarete: Das Magdeburger Glockenspiel. Magdeburg 1979

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