Parsifal ist der Titel des letzten musikdramatischen Werks von Richard Wagner. Wagner selbst bezeichnete das dreiaktige Stück als ein „Bühnenweihfestspiel“, das er seiner Bühne im Bayreuther Festspielhaus weihen wollte. Das Werk sollte ursprünglich nur im Bayreuther Festspielhaus aufgeführt werden.
Entstehungsgeschichte
Wagner beschäftigte sich schon 1845 in Marienbad, als er "Lohengrin" entwarf und die erste Idee für "Die Meistersinger von Nürnberg" niederschrieb mit dem Stoff der Sage, doch die ersten Skizze mit dem Titel „Parzival“ entstand erst 1857 in Zürich. 1865 bat König Ludwig II. von Bayern, der seit 1864 Wagner finanziell unterstützte, den Parzival-Plan auszuführen. Daraufhin entstand der erste Prosaentwurf des Werks.
1877 änderte Wagner die Schreibweise des Namens zu "Parsifal", indem er sich auf die angeblich persischen Worte für „rein“ (fal) und „Tor“ (parsi) anlehnete. Als im Herzen reiner Tor wird die Figur des Parsifal im Werk auch gezeichnet. Mit der Komposition begann Wagner im September 1877, im April 1879 waren die Orchesterskizzen für die drei Akte vollendet. Doch es sollte noch bis Januar 1882 dauern, bis das Werk vollständig komponiert, das heißt die Partitur vollendet war. Die Uraufführung fand am 26. Juli 1882 unter der Leitung von Hermann Levi statt. Das Bühnenbild schuf Paul von Joukowsky, den Wagner auf seinen Italienreisen in Neapel kennen gelernt hatte. Demzufolge war die Bühne mediterran beeinflusst: Der Gralstempel der Uraufführung erinnerte an den Dom von Siena, Klingsors Zauberschloss war vom Garten des Palazzo Rufolo in Ravello beeinflusst.
Nach dem ausdrücklichen Willen Wagners und seiner Erben sollte der Parsifal ursprünglich ausschließlich in Bayreuth zur Aufführung kommen. Kurz nach dem Tod des Komponisten wurde von seiner Witwe Cosima eine Sonder-Aufführung in München für König Ludwig II. gestattet. Cosima Wagner bemühte sich nachdrücklich, den 1913 endenden Urheberrechtsschutz für das Werk verlängern zu lassen – worüber es zu einer kontroversen Auseinandersetzung im Reichstag kam. Der Antrag fand jedoch keine Mehrheit, so dass von 1913 an einer weltweiten Aufführung des "Parsifal" nichts mehr im Wege stand.
Handlung und Vorgeschichte
Die Handlung geht zurück auf das Versepos Wolfram von Eschenbachs, strafft und konzentriert jedoch die Geschichte und verändert vor allem die szenischen Requisiten Gral und Speer. bleibt jedoch hierauf nicht beschränkt. Die Personen werden auf wenige Hauptfiguren reduziert, die Handlung auf den in fast allen Werken Wagners dominierenden Erlösungsgedanken hin verichtet.
König Titurel ist im Besitz zweier wundertätiger Reliquien, Gral und Heiliger Speer. Der Gral diente als Trinkbecher beim letzten Abendmahl und fing das Blut Christi am Kreuz auf. Der "Heilige Speer" ist jener, mit dem Jesus seine Seitenwunde beigebracht wurde. Titurel hat Ritter um sich gesammelt, die, von den Reliquien gestärkt, in die Welt ziehen, um für das Gute zu kämpfen. Auch Klingsor bemühte sich einst, der Gralsgemeinschaft angehören zu dürfen, wurde aber wegen seiner Unkeuschheit abgelehnt. Daraufhin entmannte er sich selbst und schuf in der Wüste einen Zaubergarten mit verführerischen Frauen und schwor, den König und seine Ritter zu entmachten und die Reliquien an sich zu bringen.
Den Anfechtungen hielten manche der Ritter nicht stand, so dass Titurels Sohn Amfortas als junger Gralskönig beschloss, mit der heiligen Lanze bewaffnet gegen Klingsor in den Kampf zu ziehen. Doch auch er wird von einer geheimnisvollen Frau verführt. Es gelingt Klingsor, ihm dabei die Lanze, den heiligen Speer zu entwenden. Amfortas trägt seitdem eine Verwundung, die Klingsor ihm mit dem heiligen Speer schlug, eine Wunde, an der Amfortas seitdem entsetzlich leidet. Denn die Wunde schließt sich nicht mehr. Mit jeder neuen Enthüllung des Grals, wodurch die gesamte Ritterschaft genährt wird, bricht sie von neuem auf.
Vorspiel und Erster Akt
Auf einer Waldlichtung nahe der Gralsburg weckt Ritter Gurnemanz einige Knappen. Er fordert sie auf zu beten und das Morgenbad des jungen Königs Amfortas vorzubereiten. Kundry, die geheimnisvoll wilde, Helferin der Gralsritter, kommt eilig herbeigeritten. Mit letzter Kraft überreicht sie Balsam für den verletzten König. Doch halb verzweifelt, halb spöttisch bemerkt sie, er werde wohl so wenig helfen wie die Heilkräuter, die Ritter Gawan bereits gebracht hat. Kundry wird von den Knappen als „Heidin“ und „Zauberweib“ verhöhnt. Nur Gurnemanz nimmt sie in Schutz, als die Knappen spottend fordern, Kundry solle doch losziehen, um die gestohlene Lanze zurückzuholen. Jetzt erzählt Gurnemanz, dass nach einer Prophezeiung nur ein „durch Mitleid wissender" reiner Tor den Speer zurückgewinnen und damit Amfortas heilen könne. Denn, die Wunde schließe nur der Speer, der sie auch schlug.
Die Szene wird durch Lärm vom nahen See gestört. Die Ritter fingen einen Knaben, der einen Schwan mit Pfeil und Bogen getötet hat. Es ist Parsifal, der Sohn der Herzeleide und des in einem Kampf gefallenen Ritters Gamuret. Der Knabe wuchs unter der Obhut seiner Mutter im Wald ohne Kontakt zur Außenwelt auf. Er weiß selbst weder seinen Namen, noch woher er kommt und wer sein Vater ist. Doch Kundry kennt seine Geschichte und erzählt vom Tod seiner Mutter. Gurnemanz glaubt, den in der Vision des Amfortas angekündigten „reinen Toren“ gefunden zu haben und nimmt ihn, während Kundry in einen hypnotischen Schlaf fällt, mit zur Gralsburg.
Dort versammeln sich die Ritter, Amfortas, Titurel und, als stummer Zuschauer, Parsifal zur Enthüllung des Grals. Amfortas beklagt seine Schmerzen, die der Anblick des Grals nur kurz lindern kann. Titurel und die Ritter fordern ihn auf, den Gral zu enthüllen. Der Kelch mit dem Blut Christi leuchtet in einem magischen Lichtschein. Die Ritter nehmen daraufhin das Mahl, Brot und Wein, und verlassen danach den Tempel. Parsifal ist nicht fähig, zu all dem, was er sah, etwas zu sagen und wird von Gurnemanz, der glaubt, sich in ihm getäuscht zu haben, vor die Tür gesetzt. Jedoch: eine Stimme aus der Höhe wiederholt mit den letzten Klängen der Gralsglocken die Worte der Prophezeiung: "aus Mitleid wissend, der reine Tor".
Zweiter Akt
Der zweite Akt führt in eine andere, fantastische Welt. Klingsor beobachtet von seinem Zauberschloss aus Parsifal, der sich dem Zaubergarten nähert. Mit Kundry als Werkzeug will er dem Toren die Unschuld rauben. Jetzt kommt die Rolle der Kundry ans Tageslicht: Indem sie Jesus auf dessen Kreuzweg verhöhnt hat, hat sie sich den Erlösungsweg verstellt und sucht „ihn nun von Welt zu Welt“, in immer neuen Wiedergeburten. Voller Todessehnsucht dient sie seither zum einen freiwillig büßend den Gralsrittern als Helferin, zum anderen Klingsor als willenloses, schönes Werkzeug. Sie war es auch, die in veränderter Gestalt Amfortas verführt hatte.
Erlösung kann sie nur erlangen, wenn ihr ein Mann widersteht. Sie fügt sie widerstrebend dem Befehl Klingsors, Parsifal zu verführen. Nachdem Parsifal den unschuldigen Verlockungen der Blumen in Klingsors Garten widerstand, ruft ihn Kundry bei seinem Namen. Sie eröffnet ihm damit seine wahre Identität und erzählt dem Knaben vom Tod seiner Mutter. Tröstend, aber mit der Absicht, ihn zu verführen, schließt sie ihn in ihre Arme. Doch in dem Moment eines langen Kusses erkennt Parsifal die Zusammenhänge und die Ursache von Amortas´ Leiden, er wird „welthellsichtig“. Parsifal weist Kundry zurück und verspricht ihr dafür Erlösung. Ihr Ausbruch von rasendem Lachen und Schreien ruft Klingsor herbei, der den heiligen Speer auf Parsifal schleudert. Der Speer bleibt schwebend über Parsifal stehen, der ergreift ihn, schlägt damit das Kreuzzeichen, worauf Kundry und Klingsor, mit ihnen der gesamte Zaubergarten zusammenbricht. Kundry blickt im Zusammensinken nach Parsifal, der ihr im Enteilen noch zuruft: "Du weißt, wo du mich wiederfinden kannst!"
Dritter Akt
Das Orchestervorspiel stellt die labyrinthische Irrfahrt Parsifal dar, der zur Gralsburg zurück zu finden sucht.
Jahre sind vergangen. Gurnemanz lebt nun allein, als Einsiedler im Wald und findet dort eines Morgens Kundry in tiefer Ohnmacht im Gestrüpp. Nachdem sie erwacht, ist sie ganz verwandelt - sanft, hilfsbereit und schweigsam. Ein Ritter in schwarzer Rüstung betritt die Szene, und Gurnemanz verweist dem Unbekannten am heilgen Karfreitag mit Waffen aufzutreten. Als Parsifal sein Visier öffnet und die Rüstung ablegt, erkennt er hocherfreut, dass es Parsifal und dass es der heilige Speer ist, den er zurückgeholt hat.
Er begrüßt ihn schlicht und berichtet vom Tod Titurels und davon, dass die Gralsrunde zerfallen ist, weil die Zeremonie durch Amfortas nie mehr vollzogen wurde. Nur zur Totenfeier für Titurel will Amfortas noch einmal, ein letztes Mal den Gral enthüllen. Kundry wäscht Parsifal die Füße, und Gurnemanz salbt und segnet ihn, damit er rein von allen Sünden, und aller Irrfahrt Staub von ihm gewaschen sei. Durch diese Handlungen wird Parsifal zum neuen Gralskönig. Als sein "erstes Amt" spendet er Kundry, die heftig weint, die Taufe. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg zur Gralsburg.
Dort haben sich die Ritter versammelt. Amfortas beklagt seinen toten Vater, der durch seine Schuld, weil er den lebensspendenden Gral nicht mehr enthüllte, gestorben ist und erfleht verzweifelt seine Erlösung: die Ritter sollen ihn töten, von selbst dann würde ihnen wohl der Gral leuchten. Bevor es dazu kommt, betreten Parsifal und seine Begleiter den Tempel. Mit der heiligen Lanze schließt Parsifal Amfortas die Wunde und enthüllt den Gral. Aus der Höhe kommt eine weiße Taube als Zeichen besonderer Gnade herab und schwebt über Parsifal und dem erglühenden Gral. Kunrdy ist von ihrem Fluch erlöst, sie darf, was sie sich seit Jahrhunderten gewünscht hat, sterben und sinkt "entseelt", wie es bei Wagner heißt, zu Boden. Parsifal verfügt die Öffnung des Grals für alle Zeiten: „Nicht soll der mehr verschlossen sein!“
Personen
- Amfortas, Gralskönig (Bariton)
- Titurel, Amfortas’ Vater (Bass)
- Gurnemanz, Gralsritter (Bass)
- Parsifal (Tenor)
- Klingsor (Bass)
- Kundry (Sopran oder Mezzosopran)
- Zwei Gralsritter (Tenor und Bass)
- Vier Knappen (Sopran und Tenor)
- Klingsors Zaubermädchen (6 Einzelsängerinnen, Sopran und Alt)
- Stimme aus der Höhe (Alt)
- Zaubermädchen (Sopran und Alt), Bruderschaft der Gralsritter (Tenor und Bass), Jünglinge und Knaben (Tenor, Sopran und Alt)
Zur Aufführungspraxis
Früher war es üblich, bei Aufführungen des Parsifal wegen des religiösen Inhaltes überhaupt nicht zu klatschen. Auch heute verzichtet das Publikum oft noch nach dem ersten Akt (Abendmahlszene) auf das Klatschen. Wagner selbst hatte nichts gegen Beifall bei "Parsifal"-Aufführungen. Er wurde aber selbst, als er seinen "Blumenmädchen" des zweiten Akts in die Musik hinein Beifall klatschte, ausgezischt.
Die inzwischen in den meisten Bundesländern gelockerten Feiertagsgesetze verboten früher vielerorts am Karfreitag als sogenanntem stillen Feiertag Opernaufführungen. Konzertante Aufführungen des Parsifal fielen nicht unter das Verbot.
Wissenswerte Kleinigkeiten
- Wagner dirigierte die letzte Vorstellung der Festspiele 1882 von der Verwandlungsmusik im III. Aufzug an bis zum Ende - es war das einzige Mal, dass der Komponist in seinem Festspielhaus selbst öffentlich zum Stab griff (nach Hermann Levi).
- Die Hinwendung Wagners zum christlichen, zur Mitleidsethik des Christentums, zum Religiösen an sich im "Parsifal" war einer der Gründe für den Bruch zwischen Friedrich Nietzsche und Wagner.
- Hans Knappertsbusch, einer der berühmtesten Dirigenten des Parsifal in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, war von der Unverzichtbarkeit religiöser Symbole wie das Erscheinen der Taube am Ende des Werks überzeugt. Als Wieland Wagner eben dieses Symbol aus seiner Inszenierung entfernen wollte, weigerte sich Knappertsbusch zu dirigeren. Wieland behielt also die Taube bei, ließ sie aber nur so weit aus dem Schnürboden herunterkommen, dass der Dirigent sie vom Pult aus sehen konnte, während sie für das Publikum unsichtbar blieb.
Allgemeines
- WWV (Wagner-Werke-Verzeichnis): 111
- Uraufführung: am 26. Juli 1882 im Festspielhaus Bayreuth unter der Leitung von Hermann Levi
- Form: durchkomponiert
- Dauer: ca. 4½ Std
- Verlag: B. Schott's Söhne, Mainz (Richard-Wagner-Gesamtausgabe)