Tausendundeine Nacht

Sammlung arabischer Geschichten und Volksmärchen
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Tausendundeine Nacht (persisch هزار و يك شب Hezār-o Yek shab, arabisch الف ليلة وليلة alf laila wa-laila) ist eine Sammlung morgenländischer Erzählungen und zugleich ein Klassiker der Weltliteratur. Typologisch handelt es sich um eine Rahmenerzählung mit Schachtelgeschichten.

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Scheherazade und König Scharyâr, die Hauptfiguren der Rahmenhandlung

Geschichtliche Herkunft

Indischer Ursprung

Aus Sicht der frühesten arabischen Leser hat das Werk den Reiz des Exotischen, es stammt für sie aus dem „Orient“. Das Strukturprinzip ‚Rahmen + Geschichten‘ sowie einige Motive der Rahmengeschichte sind indischen Ursprungs. Eine indische schriftliche Vorlage ist nicht erhalten.

Persische Übertragung

Die indischen Erzählungen wurden ins Mittelpersische übertragen, ins Pehlevi, der Sprache Irans vor der islamischen Eroberung. Das persische Buch Hasar Afsanah (Tausend Abenteuer) ist noch in verschiedenen arabischen Quellen im 9. und 10. Jahrhundert erwähnt, aber ebenfalls nicht erhalten.

Übertragung ins Arabische

Vermutlich im 8. Jahrhundert entstand die Übersetzung aus dem Persischen ins Arabische, Alf Layla (Tausend Nächte). Dabei wurde das Werk „islamisiert“, das heißt mit islamischen Formeln und Zitaten angereichert.

Im Laufe der Zeit wurde dann die Rahmenerzählung mit weiteren Erzählungen verschiedener Herkunft ergänzt, so aus arabischen Quellen mit den Geschichten um den Kalifen Harun ar-Raschid und im 11. und 12. Jahrhundert mit phantastischen Geschichten aus Ägypten.

Somit gibt es für Tausendundeine Nacht keinen geschlossenen Urtext mit einem definierten Autor, Sammler oder Redaktor. Es ist vielmehr, wie Wikipedia, eine offene Sammlung, in der die verschiedenen Bearbeiter eigene Beiträge leisteten.

Die älteste erhaltene arabische Sammlung ist die Galland-Handschrift, die um 1450 entstanden ist. Es handelt sich um einen Torso, der mitten in der 282. Nacht abbricht, benannt nach ihrem Entdecker Antoine Galland (1646–1715).

Galland publizierte ab 1704 eine französische Übersetzung oder eher Adaptation der Geschichtensammlung und leitete damit die europäische Rezeption der Tausendundeinen Nacht ein. Die Handschrift gelangte nach seinem Tod 1715 in den Besitz der Bibliothèque du Roi, heute Französische Nationalbibliothek.

Inhalt

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Scheherazade und König Scharyâr

Schahriyâr (persisch), König einer ungenannten Insel „zwischen Indien und China“, ist so schockiert von der Untreue seiner Frau, dass er sie töten lässt und seinem Wesir die Anweisung gibt, ihm fortan jede (in einigen Versionen: jede dritte) Nacht eine neue Frau zuzuführen, die jeweils danach ebenfalls umgebracht wird.

Nach einiger Zeit will Scheherazade, die Tochter des Wesirs, die Frau des Königs werden, um das Morden zu beenden. Sie beginnt, ihm Geschichten zu erzählen; am Ende der Nacht ist sie an einer so spannenden Stelle angelangt, dass der König unbedingt die Fortsetzung hören will und die Hinrichtung aufschiebt. In der folgenden Nacht erzählt Scheherazade die Geschichte weiter, unterbricht am Morgen wieder an einer spannenden Stelle, usw. Nach tausend und einer Nacht hat sie ihm in den orientalischen Druckfassungen drei Kinder geboren und der König gewährt ihr Gnade. In der ebenfalls aus dem Orient stammenden Schlussfassung der Druckausgabe Breslau 1824–1843 hat sie dem König das Unrechte seines Tuns vor Augen geführt und ihn „bekehrt“; er dankt Gott, dass er ihm Scheherazade gesandt hat und feiert richtig Hochzeit mit ihr (Kinder kommen in dieser Fassung nicht vor). Dieser Schluss findet sich auch in Habichts deutscher Übersetzung (Breslau 1824). Galland hatte keine Textvorlage für seine eher schlichte Ausformung des Schlusses, die aber alles in allem der des Breslauer Druckes an ehesten entspricht (der König bewundert Scheherezade, rückt innerlich ab von seinem Schwur, seine Frau nach der Hochzeitsnacht töten zu lassen und gewährt ihr Gnade); in einem Brief von 1702 skizziert er jedoch bereits dieses Ende der Tausendundeinen Nacht, das er wohl durch seine Freunde kannte, die ihn überhaupt erst auf die Existenz der Sammlung hingewiesen hatten.

Formbeschreibung

Die Geschichten unterscheiden sich stark; es gibt historische Erzählungen, Anekdoten, Liebesgeschichten, Tragödien, Komödien, Gedichte, Burlesken und religiöse Legenden. In manchen Geschichten spielen auch historisch belegte Personen eine Rolle, wie etwa der Kalif Harun ar-Raschid selbst. Oftmals sind die Geschichten in mehreren Ebenen miteinander verknüpft. Der Sprachstil ist oft sehr blumig (Reimprosa). Nach A. Gelber folgen die Geschichten keineswegs in bunter Reihenfolge, sondern sind nach einem wohldurchdachten Drama angeordnet.

Übersetzungs- und Wirkungsgeschichte

In Europa wird Tausendundeine Nacht häufig fälschlich gleichgesetzt mit Märchen für Kinder, was der Rolle des Originals als Geschichtensammlung für Erwachsene mit zum Teil sehr erotischen Geschichten in keiner Weise gerecht wird. Ursache für dieses Missverständnis ist vermutlich die erste europäische Übersetzung des französischen Orientalisten Antoine Galland, der die Geschichten 1704–1708 übersetzte, dabei aber die religiösen und erotischen Komponenten des Originals entschärfte oder tilgte, übrigens ähnlich wie die Gebrüder Grimm im Deutschland des 19. Jahrhunderts mit den überlieferten Volksmärchen verfuhren.

Galland fügte zudem seiner Übersetzung einige in seinen arabischen Vorlagen nicht vorhandene Geschichten hinzu, z. B. Sindbad der Seefahrer, nach einer sog. Freistehenden Vorlage aus seinem Besitz, die er schon übersetzt hatte, bevor er von der Existenz der Sammlung Tausendundeine Nacht erfuhr, oder Aladin und die Wunderlampe und Ali Baba und die 40 Räuber, die er 1709 in Paris von einem aus Syrien stammenden Märchenerzähler gehört hatte. Seine Veröffentlichung hatte eine unerwartet große Wirkung.

Die erste deutsche Übersetzung aus arabischen Originaltexten, werkgetreu nur cum grano salis (Poesie- und Reimprosapartien nicht formgetreu, Repertoire eine Auswahl aus verschiedenen Versionen), stammt von dem Orientalisten Gustav Weil aus dem Jahr 1865. Die erste wirklich werkgetreue Übersetzung stammt von Richard Francis Burton, der die Geschichten in 17 Bänden unter dem Titel Arabian Nights veröffentlichte und damit im viktorianischen England einen Skandal auslöste.

Eine umfangreiche deutsche Übersetzung in sechs Bänden, die auf der in Indien gedruckten arabischen Ausgabe von 1839–1842 beruht, stammt von dem Tübinger Orientalisten Enno Littmann und erschien erstmals in den 1920er Jahren.

Der 1926 geborene Arabist und Islamwissenschaftler Muhsin Mahdi legte im Jahr 1984 nach fünfundzwanzigjähriger Arbeit eine kritische Edition der Galland-Handschrift vor. Damit ist der Text der ältesten erhaltenen arabischen Fassung wieder in seiner ursprünglichen Form verfügbar.

Im Jahr 2004 erschien von der Arabistin Claudia Ott erstmalig eine deutsche Übersetzung der Galland-Handschrift, auf der Basis der Ausgabe von Muhsin Mahdi.[1] Ott erreichte in jahrelanger Detailarbeit eine bis in die Klanggestalt und Metrik textgetreue Übertragung. Der Rezensent der Zeit hebt ihr „klares, lebhaftes Deutsch“ hervor, und dass sie auf „orientalisierende Ausschmückungen“ verzichtet habe. Vom aufgesetzten europäischen Märchentonfall befreit, enthalten diese in den 282 Nächten der Handschrift enthaltenen Geschichten u. a. auch die bukolische, unverblümte Erotik des Originals.[2]

Einzelne Figuren aus Tausendundeiner Nacht

Literatur

  • Tausendundeine Nacht. Übersetzt von Claudia Ott, Beck 2004. 685 S., ISBN 3-40651-680-7
  • Tausendundeine Nacht. Ungekürzte Lesung der Ausgabe von Claudia Ott. 24 CDs, Hörbuch Verlag, Hamburg 2004, ISBN 3-89903-200-4
  • Die Erzählungen aus den Tausendundein Nächten. Vollständige deutsche Ausgabe in sechs Bänden. Nach dem arabischen Urtext der Calcuttaer Ausgabe aus dem Jahr 1839 übertragen von Enno Littmann. KOMET, ISBN 3-89836-308-2

Verfilmungen

Sekundärliteratur

  • Adolf Gelber: 1001 Nacht. Der Sinn der Erzählungen der Scheherazade. M. Perles, Wien 1917
  • Stefan Zweig: Das Drama in Tausendundeiner Nacht in Europäisches Erbe Fischer-Verlag, Frankfurt 1981
  • Abdelfattah Kilito: Welches ist das Buch der Araber? in Islam, Demokratie, Moderne. C. H. Beck, München 1998
  • Grotzfeld, Heinz: Neglected Conclusions of the Arabian Nights: Gleanings in Forgotten and Overlooked Recensions. In: Journal of Arabic Literature 16 (1985)
  • Katharina Mommsen: Goethe und 1001 Nacht. Bonn 2006

Sonstiges

Die Nomenklatur der Topographie des Saturnmondes Enceladus wird nach Orten und Gestalten aus den Geschichten von Tausendundeiner Nacht benannt.

Siehe auch

Fliegender Teppich, Morgenland, mündliche Erzählkultur, Kin Ping Meh, Kama Sutra, Tausendundein Tag

Einzelnachweise

  1. Tausendundeine Nacht – das unbekannte Original (Webseite zum Buch)
  2. Perlentaucher: Zusammengefasste Rezensionen der Übersetzung Claudia Otts aus NZZ, FR, SZ, Zeit, taz und FAZ