Âventiure

eine zentrale Vorstellung der weltlichen, romanhaften Dichtung des Hochmittelalters
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Âventiure (mittelhochdeutsch; altfranzösisch aventure, avanture) ist eine zentrale Vorstellung der weltlichen, romanhaften Dichtung des Hochmittelalters.

Ausgehend von der Grundbedeutung "Zufall, Geschick" (von lat. adventura "das, was geschehen soll") bezeichnet âventiure vor allem im Artusroman seit Chrétien de Troyes die Bewährungsproben und Abenteuer, die der Held zu bestehen hat. Der Zufall wird in diesen Romanen zum Teil eines Sinnzusammenhangs umgewertet. Die âventiure [...] ist nicht mehr willkürliches Geschick, das dem Helden zustößt, sondern eine von ihm aus eigenem Antrieb gesuchte und durch wunderbare Fügung für ihn allein bestimmte gefahrvolle Bewährungsprobe (I. Kasten, Lexikon des Mittelalters Bd. 1, Sp. 1289). Die Erzählepisoden der âventiure (Zweikämpfe mit ritterlichen Standesgenossen und gefahrvolle Begegnungen mit geheimnisumwitterten Fabelwesen wie Riesen, Feen, Zauberern) bilden in ihrer Abfolge und ihren motivlichen Bezügen untereinander die Struktur des Romans.

Âventiure gehört seit dem späten 12. Jahrhundert auch zum Wortschatz der Selbstbeschreibung der Erzählkunst (Poetologie). Die deutschen Dichter bezeichnen so zum einen die literarischen Vorlagen, die ihnen meist aus Frankreich zukommen. Aber auch die (eigene) Erzählung kann als Ganze als âventiure bezeichnet werden. Wolfram von Eschenbach läßt eine personifizierte Frau Aventiure als Dialogpartnerin des Autors auftreten (Parzival 433,1); dieser selbstreflexive Kunstgriff wurde von vielen Dichtern bis zu Hans Sachs nachgeahmt.

Âventiure im Sinne von "Teil einer Erzählung" erscheint bereits in den ältesten Handschriften des Nibelungenlieds als Überschrift für die einzelnen Handlungsabschnitte.

Im Spätmittelalter nimmt das Wort lautliche Formen wie affenteuer, ebenteuer, abenteuer an; unser Abenteuer hat sich letztlich daraus entwickelt.