Als Kybernetik (zu altgr. kybernetiké téchne, "Steuermannskunst", zu kybernétes, "Steuermann") bezeichnet man die Wissenschaft von der Struktur komplexer Systeme, insbesondere der Kommunikation und Kontrolle einer Rückkopplung (engl. Feedback) bzw. eines Regelkreises (siehe auch Regelungstechnik). Weitere Kernbegriffe der Kybernetik sind
- Auslösen, Steuern, Regeln sowie
- Ist-Zustand und Soll-Zustand und
- Rezeptor und Effektor.
Ernst von Glasersfeld definiert Kybernetik als "ein metadisziplinäres (das heißt übergeordnetes) Gebiet, kein interdisziplinäres, da sie Begriffe und Begriffsmuster entwickelt und klärt, die neue Erkenntniswege in einer Vielfalt von Erfahrungsbereichen eröffnen" (Die Verbindungen zur Kybernetik in: Radikaler Konstruktivismus, 1995).
Geschichte und Entwicklung
In den 1940er Jahren entstand dieser neue Wissenschaftszweig, der Themen der Nachrichtenübertragung, der Regelung und statistischer Mechanik betrachtet hat. Norbert Wiener hat diesen Begriff im Sommer 1947 von dem griechischen kybernétes für "Steuermann" abgeleitet und damit den nach seiner Einschätzung ersten bedeutenden Artikel über einen Rückkoppelungsmechanismus von James Clerk Maxwell (On Governors, 1867/68) geehrt; dort wird ein Fliehkraftregler beschrieben, der englisch als 'governor' bezeichnet wird.
In gedruckter Form wurde der Begriff von Wiener erstmals 1948 in Cybernetics or Control and Communication in the Animal and the Machine (deutsche Ausgabe: Kybernetik. Regelung und Nachrichtenübertragung im Lebewesen und in der Maschine verwendet.
Maßgeblich für die Entwicklung dieser Theorierichtung waren die von Heinz von Foerster in den USA herausgegebenen Tagungsbände Cybernetics der Josiah Macy Jr. Foundation.
In Deutschland wurde, vor dem gleichen wissenschaftshistorischen Hintergrund, die Studie Das Bewusstsein der Maschinen des Philosophen Gotthard Günther einflussreich.
Aktuelle Entwicklungen
Heute behandelt man ähnliche Themen in der Systemtheorie, im technischen Bereich unter der Bezeichnung Regelungstechnik sowie in den Geisteswissenschaften unter der Bezeichnung Systemik.
Differenzierungsbereiche
Siehe auch
- Zirkularität und Selbstorganisation
- Kommunikationstheorie, Informationstheorie und Medientheorie
- Automatentheorie, Steuerungstheorie, Algorithmentheorie, Spieltheorie
- Künstliche Intelligenz (KI; engl. Artificial Intelligence, AI)
- Konstruktivismus, Radikaler Konstruktivismus
- Kognition, Kognitionswissenschaft und Wahrnehmung
Literatur
- W. R. Ashby: Einführung in die Kybernetik. Frankfurt am Main 1974.
- Norbert Wiener: Mensch und Menschmaschine. Kybernetik und Gesellschaft. Frankfurt am Main 1972.
- H.-J. Flechtner: Grundbegriffe der Kybernetik. Eine Einführung. Stuttgart [München?] 1984.
- H. G. Frank: Kybernetik und Philosophie. Berlin 1969.
- Siegfried J. Schmidt: Der Diskurs des Radikalen Konstruktivismus. Frankfurt am Main 1987.
- Siegfried J. Schmidt: Kognitive Autonomie und soziale Orientierung. Frankfurt am Main 1994.
Weblinks
- http://www.techkyb.de/ - Technische Kybernetik (Universität Stuttgart)
- http://www.kybs.de - Studentischer Server zum Thema Kybernetik
- http://www.gesellschaft-fuer-kybernetik.org/ - Deutsche Gesellschaft für Kybernetik (GfK)
- http://www.list.kbx7.de/list?enter=kybernetik - Mailingliste "kybernetik"
- http://www.medizinische-kybernetik.de/deutsch/ - Portalserver Medizinische Kybernetik | Medical Cybernetics
- http://beat.doebe.li/bibliothek/t00109.html - Texte: Kybernetik (Beats Biblionetz)
Kybernetik in der Theologie
Kybernetik ist auch die (weithin veraltete) Bezeichnung für eine Teildisziplin der Praktischen Theologie. Sie beschäftigte sich mit der Gemeindeleitung. Neuansätze in der Praktischen Theologie haben die Kybernetik zu Gunsten einer "Theorie kirchlichen Handelns" weiter entwickelt.