Herbert von Karajan

österreichischer Dirigent (1908–1989)
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Herbert von Karajan, geboren als Heribert Ritter von Karajan (* 5. April 1908 in Salzburg; † 16. Juli 1989 in Anif, Land Salzburg), war einer der bedeutendsten österreichischen Dirigenten des 20. Jahrhunderts.

Beruflicher Werdegang

Herbert von Karajan studierte am Salzburger Mozarteum und an der Hochschule für Musik in Wien. 1930 wurde er Erster Kapellmeister am Ulmer Stadttheater, 1935 Generalmusikdirektor in Aachen. Entgegen einer lange verbreiteten Meinung trat er nicht zweimal in die deutsche und in die österreichische NSDAP ein; vielmehr ist der erste Eintritt in Österreich formell nie vollzogen worden. Als Karajan dann im März 1935 GMD in Aachen wurde, hat man seinen Eintritt auf den 1. Mai 1933 rückdatiert. Die Mitgliedsnummer 3430914 beweist aber lt. Auskunft des Berlin Document Centre, daß der Eintritt erst im März 1935 stattgefunden haben kann. Bekannt wurde Karajan, nachdem er 1938 in der Berliner Staatsoper Wagners Tristan und Isolde dirigiert hatte, es war vom "Wunder Karajan" die Rede und ein erster Vertrag mit der Deutschen Grammophon Gesellschaft wurde geschlossen. In der Folge wurde er Leiter der Berliner Staatskapelle und inszenierte auch an der Mailänder Scala.

1946 wurde ihm von der sowjetischen Besatzungsmacht wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft Berufsverbot erteilt, das aber 1947 bereits wieder aufgehoben wurde. 1948 wurde er Direktor und Ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (seit 1949 auf Lebenszeit). Ab diesem Zeitpunkt begann seine eigentliche Karriere. Nach einem Engagement an der Mailänder Scala (ständiger Gastdirigent von 1948 bis 1968) wurde er 1955 Nachfolger von Wilhelm Furtwängler und Sergiu Celibidache als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker (von diesem ursprünglich auf Lebenszeit abgeschlossenen Posten trat er im April 1989 zurück). Außerdem war er von 1957 bis 1964 künstlerischer Leiter der Wiener Staatsoper, wo er entscheidend zum Weltruhm des Hauses beitrug und viele wichtige Sänger erstmals an das Haus holte. Wegen eines Streites mit Direktor Egon Hilbert infolge eines Streiks des Opernpersonals verließ er die Staatsoper schließlich vorzeitig (es ging dabei um die Arbeitsbewilligung für einen von Karajan gewünschten italienischen Souffleur). Ab Mitte der 70er Jahre wurde er zunehmend von gesundheitlichen Problemen geplagt, was ihn freilich nicht daran hinderte, weiterhin Tourneen in alle Welt zu unternehmen. 1967 begründete er die Salzburger Osterfestspiele, die er bis zu seinem Tod leitete: Jedes Jahr erarbeitete er dort eine Opernneuproduktion, als Orchester dienten ihm die Berliner Philharmoniker, bis er nach dem Bruch mit diesem Klangkörper 1989 erstmals auf das Leipziger Gewandhausorchester zurückgriff.

Herbert von Karajan war ein Gründungsmitglied der Paul-Hindemith-Gesellschaft in Berlin e. V.. Er war auch stark an den Techniken der Musikreproduktion interessiert und legte sehr viel Wert auf die Berichterstattung der Medien über klassische Musik. Er führte als einziger Österreicher nach Ende der Monarchie seinen Adelstitel, den er als Künstlernamen verstand.

Bedeutung

Karajan hat als Dirigent mehr Schallplatten- und CD-Einspielungen vorgelegt als die meisten seiner Kollegen. Nach wenigen Kriegsaufnahmen, u. a. auch frühe Stereoaufnahmen vom letzten Satz der 8. Sinfonie von Bruckner, startete er 1946 durch Vermittlung von Walter Legge bei Columbia Records (später EMI) eine erste große Serie von Schallplattenaufnahmen mit dem neu gegründeten Philharmonia Orchestra. Ab Mitte der 1950er bis Anfang der 1960er nahm er auch bei Decca/London auf, ab 1959 neben dem bis in die 1980er Jahre laufenden Vertrag mit EMI auch bei Deutsche Grammophon. Das Standardrepertoire (und nur das interessierte ihn mit ganz wenigen Ausnahmen) nahm er so bis zu fünfmal auf, und die Zahl der Aufnahmen steht nach Ansicht vieler Kritiker nicht immer im Verhältnis zu ihrer künstlerischen Leistung. Seine 1982 gegründete Firma Telemondial hatte den Zweck, sein "Vermächtnis" auch im Bild festzuhalten; es entstanden Bild- und Tonaufnahmen, in denen Karajan zum Teil auch die Bildregie bestimmte, und zwar in einer Art, die pathetisch wirken sollte, das Peinliche gelegentlich aber mehr als nur streifte.

Karajans Musizierstil war meist (abgesehen von seiner frühen Zeit bei EMI) akademisch ohne große Wagnisse, legte jedoch enormen Wert auf den Klang. Karajans Ideal war ein "entmaterialisierter" Klang, der alle Ansatzgeräusche der Tonbildung etc. vermeidet. Das führte bei klangsinnlichen Werken wie solchen des Impressionismus oder auch bei Jean Sibelius zu großartigen Ergebnissen (Karajan dürfte der größte "Klangmagier" überhaupt gewesen sein), beim klassisch/romantischen Repertoire wurde sein Klangideal aber häufig als oberflächlich poliert kritisiert. Seine letzte Aufnahme war Bruckners 7. Sinfonie mit den Wiener Philharmonikern.

Karajan erhielt zahlreiche Auszeichnungen (u. a. 1961 das österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, 1978 wurde er Ehrenbürger der Stadt Wien). Seit 1997 finden im Festspielhaus Baden-Baden die "Herbert von Karajan Pfingstfestspiele" statt. Seit 2003 wird ebenfalls in Baden-Baden der Herbert-von-Karajan-Musikpreis verliehen.

Sony-Chef und Gründer Akito Morita war ein großer Freund klassischer Musik und Verehrer Karajans. Er investierte erheblich in das neue Medium CD. So entstand in der Kapelle auf Karajans Anwesen das seinerzeit fortschrittlichste Aufnahmestudio der Welt, und fast alle heute bekannten digitalen Aufnahme- und vor allem Mikrofonierungstechniken entstanden dort, wo Morita die besten Ingenieure und Tontechniker aus aller Welt versammelte, um Karajans "digitale Einspielung" des klassischen Standardrepertoires aufzunehmen. Diese Aufnahmen wurden wechselnd mit den Wienern und den Berlinern erstellt. Karajan trieb die Musiker und Tontechniker hierbei geradezu sklavisch an, um den "perfekten" Klang aufzunehmen: Frei von Ansatzgeräuschen, rauschfrei, jede Stimme, ja jedes Instrument sollte klar erkennbar sein und lebendig klingen. Es brauchte endlose Sitzungen, bis Karajan zufrieden war. In einem während dieser Aufnahmen entstandenen Dokumentarfilm kommen so auch Musiker und Tontechniker zu Wort, die sich verständlicherweise wenig begeistert über die Akribie Karajans äußern. Die Aufnahmen gelten heute allerdings als wenig gelungenes Beispiel frühen "Digitalklangs" - undurchsichtig und mit gläsern synthetischem Streicherklang. Unter dem Titel "Karajan Gold" versuchte die Deutsche Grammophon ein Remastering, das allerdings nur eine gewisse Besserung brachte.

Privatleben

Herbert von Karajans Ur-Urgroßvater Georgios Karajannis wanderte aus Kozani in Nordgriechenland nach Sachsen aus und war als Kaufmann tätig. Sein Sohn Theodor von Karajan wurde von Kurfürst Friedrich August III. für seine Tätigkeit in der Textilindustrie geadelt.

Herbert von Karajan war dreimal verheiratet. In erster Ehe (1938) mit Elmy von Karajan-Holgerloef, in zweiter Ehe (1942) mit Anita Gütermann und in dritter Ehe (1958) mit Eliette von Karajan. Aus dieser Ehe gingen die Töchter Isabel (* 1960) und Arabel (* 1964) hervor. Für beide Töchter übernahmen Orchester, die mit Karajan verbunden waren, die Patenschaft, die Wiener Philharmoniker für Isabel und die Berliner Philharmoniker für Arabel.

Seine technischen Interessen erstreckten sich nicht nur auf die Aufnahmetechnik. Er war ein Freund schneller Autos und gehörte als langjähriger Porsche-Fahrer zu dem geringen Kreis Prominenter, die das limitierte Modell 959 erhielten - sogar gleich zweimal. (Zitat: "Mit dem ersten hatte ich keine Probleme, da er abbrannte.") Daneben besaß er einen Pilotenschein und flog nicht selten seine eigene Cessna. Auch Segeln auf größeren Yachten gehörte zu seinen Freizeitbeschäftigungen. Meist wurden diese Aktivitäten - gewollt - medial begleitet.

Herbert von Karajan starb am 16. Juli 1989, nachdem er zuvor noch eine Probe zu "Un ballo in maschera" leitete, in Anif an Herzversagen und wurde auf dem dortigen Ortsfriedhof beerdigt.

Siehe auch

Literatur

  • Hinrichsen, Hans-Joachim: Leben und Musik Herbert von Karajans, in: Musik & Ästhetik, 8 (2004), Nr. 32, S. 98-102.
  • Hinrichsen, Hans-Joachim: Wirtschaftswunder und absolute Musik. Zu Peter Uehlings neuer Karajan-Monographie, in: Musik & Ästhetik, 11 (2007), Nr. 42, S. 105-110.
  • Klein, Richard: Der Fall Herbert von Karajan, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, 57 (2003), S. 339-344.
  • Klein, Richard: Physiognomie eines Interpreten. Zu Peter Uehlings Karajan-Deutung, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, 61 (2007), Nr. 695, S. 258-266.
  • Lang, Klaus: Herbert von Karajan. Der philharmonische Alleinherrscher, Zürich-St. Gallen 1992.
  • Osborne, Richard: Herbert von Karajan. Leben und Musik, Wien 2002.
  • Stresemann, Wolfgang: „Ein seltsamer Mann…“. Erinnerungen an Herbert von Karajan, Berlin 1991.
  • Thärichen, Werner: Paukenschläge. Furtwängler oder Karajan, Zürich-Berlin 1987.
  • Uehling, Peter: Karajan. Eine Biographie, Reinbek 2006.