Amalie von Gallitzin

Mitbegründerin des „romantischen“ Katholizismus
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Amalie von Gallitzin (* 28. August 1748 in Berlin; † 27. April 1806 in Münster (Westfalen)) war eine „Pendlerin“ zwischen Aufklärung und Katholizismus und eine Mitbegründerin des „romantischen“ Katholizismus.

Leben

Kindheit in Preußen

Amalie von Gallitzin wurde als Tochter des preußischen Feldmarschalls Reichsgraf Samuel von Schmettau am 28. August 1748 in Berlin geboren. Ihr Vater war Protestant, ihre Mutter Katholikin, sie selbst wurde in einem Ursulinenkloster in Breslau katholisch erzogen. Für eine Frau ihrer Zeit ungewöhnlich gebildet, war sie seit 1765 Hofdame am preußischen Hof. 1768 heiratete sie den russischen Gesandten in Paris, den Fürsten Dimitrij Aleksejewitsch Golizyn (1738–1803). 1769 wird der Fürst zum Gesandten in Den Haag ernannt.

Begegnung mit der Aufklärung

Über ihren Mann kam Amalie von Gallitzin in Kontakt mit Voltaire und den französischen Enzyklopädisten. Claude Adrien Helvétius wirkte durch seine Schriften und Denis Diderot persönlich auf die Fürstin ein. Diderot beschrieb sie als lebhaft, fröhlich, geistreich, hübsch und musikalisch, und als eine Frau, die Spaß am Disputieren hat. Die Fürstin bemühte sich, das Rousseausche Erziehungsideal bei ihren eigenen Kindern Marianne und Demetrius Augustinus Gallitzin umzusetzen und zog mit ihnen in ein abgelegenes Haus nahe Scheveningen, nachdem sie sich von ihrem Mann getrennt hatte. Sie selbst trug schlichte Kleider im griechischen Stil und hatte ihr Haar kurz geschnitten – im Gegensatz zur herrschenden Mode. Ihre Kinder hielt sie zur sportlichen Betätigung an, auch ihre Tochter lernte Reiten und Fechten. In dieser Zeit wurde sie stark von der Philosophie des Frans Hemsterhuis beeinflusst. Zeitweise war sie seine Geliebte; bis an sein Lebensende blieb sie ihm Seelenfreundin und führte einen äußerst regen Briefwechsel mit ihm. Sie nannte ihn „Sokrates“, er nannte sie seine Diotima.

Die erste Zeit in Münster

Die epochemachenden Schulreformen, die Franz Freiherr von Fürstenberg im Fürstbistum Münster einführt, bewegen die Fürstin, 1779 nach Münster zu ziehen. Mit vielen prominenten Zeitgenossen steht sie in regem Briefverkehr, etwa mit Johann Gottfried von Herder, Lavater und Friedrich Heinrich Jacobi. Bei einer Reise nach Weimar trifft sie mit Goethe zusammen, der sie 1792 in Münster besucht. Auch Matthias Claudius war bei ihr zu Gast. Mit dem Münsteraner Generalvikar von Fürstenberg lebt sie mehr oder weniger zusammen. Sie unterrichtete unter anderem Latein, Griechisch, Englisch, Französisch, Deutsch, Geschichte, Erdkunde und Mathematik. Neben ihren eigenen Kindern erzieht sie ihre Nichte Amalie und den Sohn des Philosophen Friedrich Heinrich Jacobi, Georg Arnold Jacobi. Zum Kreis der Freunde gehörte auch der Dichter und Jurist Anton Matthias Sprickmann, späterer Förderer der Annette von Droste zu Hülshoff, Professor in Münster, Breslau und Berlin.

Rückkehr zur Kirche und "Familia sacra"

Ab 1783, nach einer Erkrankung, begann sich Fürstin Amalie mit dem Thema Religion zu beschäftigen. In dieser Zeit wurde sie besonders beeinflusst von dem Königsberger Philosophen Johann Georg Hamann, den sie 1787/1788 persönlich in Münster kennenlernte und dort überraschend starb. Der Philosoph wurde in ihrem Garten begraben.

 
Grab von Johann Georg Hamann in Münster

Die Beschäftigung mit der Religion, insbesondere der Einfluss des Leiters der Normalschule in Münster, Bernhard Heinrich Overberg, führte dazu, dass die Fürstin am 28. August 1786 in die katholische Kirche zurückkehrte. Ihr Haus wurde Mittelpunkt des Münsterschen Kreises, von den Zeitgenossen liebevoll-ironisch „familia sacra“ genannt. Zu diesem Kreis gehörten beispielsweise die Brüder Kaspar Max und Clemens August Droste zu Vischering, später auch Friedrich Leopold Graf von Stolberg. Der Münstersche Kreis um Amalie von Gallizin wurde von großer Bedeutung für die innere Erneuerung des deutschen Katholizismus (Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon). Nach der Französischen Revolution entfaltete die Fürstin eine weitgefächerte caritative Tätigkeit für die französischen Emigranten.

Die Universitäts- und Landesbibliothek Münster widmete Amalie von Gallitzin 1998 eine große Ausstellung. Die Geschichte ihrer Rezeption ist erstmals dargestellt und die Frage ihrer Bedeutung für die Geistesgeschichte beschrieben in Markus von Hänsel-Hohenhausen: Amalia Fürstin von Gallitzin, Bedeutung und Wirkung, Anmerkungen zum 200. Todestag, Frankfurt/M. 2005.

Werke

  • Mittheilungen aus dem Tagebuch und Briefwechsel der Fürstin Adelheid Amalie von Gallizin, 1868
  • Briefwechsel und Tagebücher der Fürstin Amalie von Gallitzin, hrsg. von Christoph Schlüter, 3 Bd., 1874–76

Bildnis

 
Die Fürstin Gallitzin im Kreis ihrer Freunde (Th. von Oer)

„Die Fürstin Gallitzin im Kreis ihrer Freunde"; Gemälde von Theobald von Oer aus dem Jahr 1864. Das Bild zeigt die Fürstin Amalia von Gallitzin mit ihren Freunden der „Familia Sacra“ vor ihrem Haus in Angelmodde bei Münster. Das Bild, das sich heute im Besitz des Bistums Münster befindet, entstand erst 64 Jahre nach der historischen Begegnung. Der Berliner Künstler Paul Dröhmer fertigte nach diesem Gemälde eine größere Anzahl Kupferstiche, die auch heute noch in vielen öffentlichen und privaten Häusern - vor allem in Westfalen - zu finden sind.

Auf dem Gemälde sind folgende Personen abgebildet (von links nach rechts):

Literatur

  • Siegfried Sudhoff: Der Kreis von Münster. in: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte II 1961 S. 439ff
  • GALLITZIN, Amalie Fürstin von Eintrag im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon
  • Petra Schulz: Amalie Fürstin von Gallitzin (1748–1806): „Meine Seele ist auf der Spitze meiner Feder“, 1998 (Begleit-Katalog zur Ausstellung des Westfälischen Landschaftsverbandes)
  • Mathilde Köhler, Amalie Fürstin von Gallitzin, 1993
  • Markus von Hänsel-Hohenhausen: Amalie Fürstin von Gallitzin, Bedeutung und Wirkung, Anmerkungen zum 200. Todestag. Mit einem Beitrag über Frans Hemsterhuis und die Fürstin von Marcel F. Fresco und mit einer literarischen Miniatur von Demetrius Augustin Prinz von Gallitzin gezeichnet von Ilse Pohl, 2005