Bön
Entstehung
Bön war die vorherrschende Religion in Tibet, als der Buddhismus ins Land gelangte. Sie war von schamanistischen und animistischen Glaubensvorstellungen geprägt. Für die Anhänger bedeutet das Wort "Bön" soviel wie "Wahrheit", "Wirklichkeit" und "Wahre Lehre", also dasselbe wie für tibetische Buddhisten (Vajrayana) der Ausdruck "Chö".
Bis zum 7. Jahrhundert war der Bön-Glaube vor allem in Zhang-Zhung, einem Land das den Berg Kailash umgibt bis hin zum Manasarova-See im Westen Tibets verbreitet. Die Königsdynastie von Zhang-Zhung ging im 8.Jahrhundert mit der Eroberung durch den zentraltibetischen König Trisong-Detsen und dem Tod des Königs Ligmincha (Ligmirya) zu Ende. Durch die Einführung des Buddhismus im 9. Jahrhundert erhielt dieser alte Glaube Konkurrenz und wurde stark verdrängt, waren doch bisher Bön-Priester zum Beispiel für die Bestattungsrituale des Königs zuständig. König Langdarma (Regierungszeit 836-842) verfolgte den seit König Trisong Detsen immer einflussreicher werdenden Buddhismus, und förderte den Bön. Doch seine Ermordung führte zur Verdrängung des Bön in die Ost- und Westgebiete des tibetischen Kulturraumes. Möglicherweise hat in dieser Zeit religiöser Wirren und Verfolgung ein erster Austausch tantrischer Lehren zwischen der Nyingma- und der Bön-Tradition stattgefunden.
Ab dem 11. Jahrhundert reformierte sich die Bön-Religion. Eine schriftliche Tradition der Bön lässt sich vor dieser Zeit nicht mit Gewissheit nachweisen, doch schufen die Anhänger des Bön nun ein systematisches Lehrgebäude, gaben sich Ordensregeln ähnlich denen der buddhistischen Klöster und bildeten ihre Gottheiten ab. Die Schule des "reformierten Bön" bezeichnet den Meister Shenrab Miwoche(geb. 1856 v.Chr), als Ausgangspunkt ihrer Überlieferung.
Im Jahre 1405 wurde das Kloster Menri von dem Bön-Lama Nyamed Sherab Gyaltsen gegründet. Dieses Kloster wurde zusammen mit dem Kloster Yungdrung Ling zu den bedeutendsten Klöstern der Bön.
Die Bön-Tradition, wie auch die buddhistischen Traditionen Tibets, litt im 20. Jahrhundert stark unter der chinesischen Kulturrevolution (1966-76). Kein einziges Kloster hat die Wirren dieser Zeit unbeschadet überstanden. Das bedeutendste Kloster Menri, musste nach Dolanji ins indische Exil verlegt werden.
Lehren
Die Lehren des reformierten Bön teilen sich auf in die sog."Neun Wege", "Vier Pforten und eine Schatzkammer" und in die "Äusseren, Inneren und Geheimen Unterweisungen". Der letzte Teil der Lehren teilt sich auf in Sutra, Tantra und Dzogchen, ganz ähnlich derer, die auch in der Nyingma-Schule des tibetischen Buddhismus zu finden sind. Unter den Lehren der Bön finden sich auch die Belehrungen des "Zhang Zhung Nyan Gyud", den ältesten schriftlichen Überlieferungen eines Meditationssystems der Bön.
Berühmte Lehrer der Tradition des reformierten Bön sind der ehrwürdige Lopön Tenzin Namdak Rinpoche und Tenzin Wangyal Rinpoche. Beide Meister lehren auch im Westen. Ein grosser Meister der Bön, der aber auch bei den Nyingma in hohem Ansehen steht, war der in den fünfziger Jahren verstorbene Mahasiddha (Verwirklichter/Wundertäter) Shardza Tashi Gyaltsen.
1977 anerkannte der Dalai Lama den Bön als fünfte spirituelle Schule Tibets an, und ein Vertreter wurde in die Exiltibetische Regierung berufen.
Literatur
- Bru-sgom rGyal-ba g.yung-drung, The Stages of A-Khrid Meditation-Dzogchen Practice of the Bon-Tradition, Library of Tibetan Works and Archives, Dharamsala 1996, ISBN 81-86470-03-4
- Namkhai Norbu, Dzogchen-Der Weg des Lichts, Diederichs Verlag, München 1989, ISBN 3-424-01462-1
- Tenzin Wangyal, Der kurze Weg zur Erleuchtung - Dzogchen-Meditationen nach den Bön-Lehren Tibets, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-596-13233-9
- Shardza Tashi Gyaltsen/Lopon Tenzin Namdak, Heartdrops of Dharmakaya, Snow Lion Publications