Als Balkankrise oder Orientalische Krise bezeichnet man die Folgen des Russisch-Türkischen Krieges von 1877–1878. Mit Serbien, Rumänien und Montenegro führt Russland Krieg gegen die Türkei.1878. Zu Beginn des 20.Jh. brechen auf dem Balkan die erste und zweite Balkankrise aus.
Der Balkan erwies sich bereits im 19. Jahrhundert durch die innenpolitischen Probleme des Osmanischen Reiches und das Streben seiner größtenteils christlichen und slawischen Verbündeten auf dem Balkan nach Souveranität als Krisenherd. Russland nahm aus zwei Gründen an dieser Befreiungsbewegung teil:
- Erstens war eine Unterstützung der Balkannationen in ihren Bemühungen für Russland innenpolitisch durch die stärker werdende Ideologie des Panslawismus wichtig geworden.
- das hintergründige Ziel Russlands war das strategische Interesse an einem freien Zugang zum Mittelmeer durch den Bosporus.
Während des Deutsch-Französischen Krieges 1871 kündigt Russland den Pariser Frieden von 1856. Es erhält 1871 auf der Pontuskonferenz in London mit Unterstützung Bismarcks das Recht zur freien Fahrt durch die Meerengen.

1875/76 kommt es zu Aufständen der türkischen Vasallen, die sich zum serbisch-türkischen Krieg verschärfen. Die Hohe Pforte unter Sultan Abdülhamit II. lehnt jedoch innere Reformen ab. Unter dem Vorwand, Ausschreitungen gegen Christen verhindern zu müssen, eröffnet Russland den Krieg. Die russischen Truppen besetzen den Schipkapass nach Ostrumelien, nehmen Plewen ein und marschieren in Richtung Konstantinopel.
Im März 1878 wird der Frieden von San Stefano ausgehandelt. Die Folge ist die Vergrößerung der Balkanstaaten (vornehmlich Bulgariens) auf Kosten des Osmanischen Reiches, das alle seine Besitzungen auf dem Balkan verlor. Der gewachsene russische Einfluss auf den Balkan führt zu Protesten der restlichen pentarchischen Großmächte. Österreich-Ungarn hat ein lebhaftes Interesse an der Annexion der nördlichen Balkanländer und somit auch an einer Revision des Ergebnisses von San Stefano. Großbritannien fürchtet um das Erstarken des russischen Einflusses im Mittelmeer, welches die Engländer als ihre Interessenssphäre betrachten. Außerdem sehen sie das europäische Gleichgewicht beschädigt. Beide Staaten drohen Russland mit Krieg. Das Deutsche Reich unter Reichskanzler Bismarck lädt die Kontrahenten zur Friedensvermittlung zum Berliner Kongress, aus europäischem aber auch aus deutschem Interesse: Russland und Österreich waren beide feste Bestandteile im Bündnissystem Bismarcks.
So wird im Juni/Juli 1878 auf dem Berliner Kongress die Selbständigkeit Rumäniens, Serbiens und Montenegros beschlossen. Bulgarien bleibt trotz Autonomie tributpflichtig und verliert Makedonien an die Türkei und Ostrumelien, das selbst autonom wird. Russland erhält lediglich Südbessarabien und Teile Armeniens (Kars), England erlangt Zypern und Österreich-Ungarn besetzt Bosnien-Herzegowina.
Im Ergebnis wird der Frieden auf Kosten Russlands erhalten, jedoch lässt sich eine Verstimmung auf der russischen und österreichischen Seite feststellen. Russland hätte sich vom Deutschen Reich eine bessere Vermittlung gewünscht und Österreich ist weiterhin mit Russland wegen der Balkangebiete im Zwist. Das Osmanische Reich hält seine westeuropäischen Besitzungen, die kleinen Balkanländer können ihre nationalen Bestrebungen nicht durchsetzen.
Literatur
- Mickel, Wolfgang W. (Hrsg.) et al.: Geschichte, Politik und Gesellschaft. Von der Französischen Revolution bis zum Ende des 2. Weltkrieges. Band 1. 3. Auflage 1999. Berlin. Cornelsen Verlag.
- Sellen, Albrecht (Hrsg.): Geschichte 2 kurz und klar. Band 2. 6. Auflage 2005. Donauwörth. Auer Verlag.