Das Hütchenspiel (auch Nussschalenspiel) ist eine Form des Trickbetrugs, die wie ein einfaches Geschicklichkeitsspiel aussieht. Der Hütchenspieler verschiebt drei Hütchen (Nussschalen o.ä.) untereinander in einer Geschwindigkeit, die einem Mitspieler scheinbar die Möglichkeit lässt, den Ablauf zu beobachten.
Bekannt und berüchtigt ist das Spiel als weltweit betriebenes, äußerst einträgliches, betrügerisches illegales Glücksspiel, das in größeren Städten und Tourismuszentren an stark frequentierten öffentlichen Plätzen gespielt wird, z.B. in Fußgängerzonen, in Bahnhofszonen oder auf Flohmärkten.
Ablauf des Spiels
Der Hütchenspieler stellt direkt auf dem Asphalt oder auf einer mobilen Unterlage, die beim Erscheinen der Polizei in Sekunden abgebaut werden kann, beispielsweise einem Pappkarton, drei gleichartige „Hütchen“ auf, häufig halbierte Walnussschalen, Schubfächer von Streichholzschachteln oder Kronenkorken. Mit einem dieser Hütchen bedeckt er einen kleinen Gegenstand, etwa eine Staniolkugel oder eine Erbse, und vertauscht dann mehrfach und mit einer gewissen Geschwindigkeit die Plätze der Hütchen untereinander. Anschließend wird ein Zuschauer animiert, einen zuvor festgelegten Betrag darauf zu setzen, dass er nach der letzten Verschiebung noch weiß, unter welchem der Hütchen sich der Gegenstand befindet. Hat der Mitspieler richtig getippt, erhält er seinen Einsatz vom Spielemacher verdoppelt zurück, ansonsten verliert er ihn.
Verwandt und in der Spielanlage gleichartig ist das ebenfalls betrügerische Kartenspiel Kümmelblättchen.
Psychologie des Hütchenspiels (Betrugsstrategie)
Sowohl den Zuschauern wie dem Mitspieler wird das irrige Gefühl suggeriert, dieser könne aus dem Spiel als Sieger hervor gehen. Scheinbar handelt es sich hier nämlich um ein reines Geschicklichkeitsspiel, dessen Gewinnchance von der Aufmerksamkeit des Zuschauers abhängt. Selbst wenn ein Mitspieler den Bewegungen nicht folgen kann, könnte er wie im Glücksspiel die Position der Kugel richtig erraten, wobei die Chancen 1:2 verteilt sind, da der Mitspieler zwischen drei Hütchen zu wählen hat, von denen nur eines das richtige sein kann.
Tatsächlich aber spielt hier weder die Geschwindigkeit noch die Glücksspielsituation eine Rolle, da der Hütchenspieler durch recht einfache Taschenspielertricks problemlos und ohne verdächtige Bewegungen die Kugel stets kontrollieren und ihre Position korrigieren kann.
Die Psychologie des Hütchenspiels besteht also darin, den Mitspieler glauben zu machen, er könne die Kugelbewegung mit den Augen verfolgen. Potentiellen Opfern wird diese vermeintliche Gewinnaussicht – neben der Manipulation als solcher – durch eine Inszenierung suggeriert: Komplizen des Spielemachers bilden um diesen eine Menschentraube, so dass Passanten dem Herdentrieb folgend stehenbleiben und neugierig werden. Einzelne Komplizen spielen als Lockvogel scheinbar gegen den Spielemacher, „tippen“ die richtige Position des Objekts und kassieren dann zum Schein den Gewinn. Oder aber der Lockvogel „tippt“ bewusst falsch, obwohl die richtige Position des Objekts klar sichtbar war, so dass sich die Zuschauer im Gefühl des Besserwissers wiegen können. Schließlich arrangieren die Hütchenspieler für ihre Opfer regelmäßig kleine Glückssträhnen, indem sie Mitspieler absichtlich gewinnen lassen, um sie hierdurch zu höheren Einsätzen zu verleiten.
Organisation des Spiels
Die Hütchenspieler sind häufig in mafiosen Banden organisiert, die dafür sorgen, dass keine fremden 'Anbieter' im jeweils beanspruchten Gebiet agieren können und an die ein Großteil des Gewinns abzuführen ist. Außerdem treten die Spielbetreiber selten einzeln auf: Einer oder mehrere Partner beteiligen sich zum Schein am Spiel, animieren die Zuschauer zur Teilnahme, halten ihn unter Umständen mit Gewalt von der Einforderung zustehender Gewinne ab oder stehen bereit, um den Spieler zu warnen, wenn die Polizei sich dem Spielort nähert. Hütchenspielerbanden gelten als gewaltbereite Tätergruppen, die auf Protest und selbsternannte „Aufklärer“ entsprechend reagieren.
Rechtsprechung
In Deutschland kann das Hütchenspiel als Betrug gewertet werden. Lange Zeit musste die Polizei die Trickhandlung im Einzelfall nachweisen können und hatte deshalb nur beschränkte Möglichkeiten zum Eingreifen. Aus Gründen der Praktikabilität wird daher oft nur ein Platzverweis ausgesprochen. Mittlerweile (2006) wird in der Rechtsprechung in Berlin schon das Vortäuschen einer Gewinnchance beim Hütchenspiel als Betrug gewertet, der entsprechend kriminalistisch verfolgt werden kann.[1]
Seit 1. Oktober 2005 ist in Österreich das Hütchenspiel in der Landeshauptstadt Wien als „verbotene Veranstaltung“ unter Strafe gestellt.[2]
Historisches
Das Hütchenspiel wurde vermutlich von einem erstmals von Seneca beschriebenen Taschenspielertrick inspiriert, bei dem mehrere Bälle oder Nüsse unter Bechern hin und herwandern. Dieses klassische Kunststück, diente ursprünglich nur zur Unterhaltung; das Becherspiel wird bis heute von professionellen Zauberern vorgeführt, die durch Entertainment ihr Geld verdienen.
Das mit wesentlich kleineren Requisiten ausgeführte und vom Ablauf her völlig unterschiedliche Hütchenspiel wird im deutschen Sprachraum erstmals Ende des 16.Jahrhunderts beschrieben: Johann Fischart erwähnt in seiner Affentheurlich Naupengeheurlichen Geschichtklitterung die "Hütleinspieler" in Zusammenhang mit anderen Betrügern[3], ebenso wie Johann Georg Krünitz 200 Jahre später. In dessen Öconomischer Encyclopädie heißt es beispielsweise: „in aeltern polizeyverordnungen, wird den huetchenspielern nebst den riemenstechern und andern betriegern das land verbothen“[4].
Quellenangaben
Weblinks
- Informationsseite der Berliner Polizei zum Thema
- Opfer beim Hütchenspiel, Berliner Morgenpost, 21. August 2006
- Hütchenspiel ist keine fröhliche Folklore, sondern organisierter Betrug, Der Tagesspiegel, 25. November 2006
- Hütchenspiel: Demonstration eines professionellen Zauberers (Youtube-Video)