Feldluftschiffer

militärische Aufklärungseinheiten, die mit Fesselballonen verschiedener Systeme ausgerüstet waren
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Vorabbemerkung

Die Feld- bzw. Festungsluftschiffer waren mit Fesselballonen verschiedener Systeme ausgerüstet und hatten die Artillerie- und Gefechts-Nahfeld-Beobachtung zur Aufgabe. Daher wurden sie vorzugsweise und sehr erfolgreich an der Westfront eingesetzt. Feldluftschiffer haben also nichts mit Lenkluftschiffen zu tun ... ledig das Medium "leichter als Luft" ist das selbe.

Deutsche Feldluftschiffer- und Festungsluftschiffer-Truppen

Ballone sind als militärisches Element bereits seit dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861 – 65) bekannt. Auch des jungen Grafen Zeppelin erste Bekanntschaft mit dem System „Leichter als Luft“ stammt aus dieser Zeit. Im deutsch-französischen Krieg 1870 – 71 erlangten die Ballonaufstiege aus dem belagerten Paris eine gewisse Berühmtheit. Zum Ende des 19. Jahrhunderts gab es in fast allen Streitkräften (Heer wie auch Marine) Ballon-Detachements, die sich allerdings meist mit frei fahrenden Kugelballonen beschäftigten und bei denen es im eigentlichen Sinne bzw. in der ursprünglichen Absicht um Luftschiffahrt ging, also um die Aufgabe, die später Lenkluftschiffe übernahmen.

Datei:Parseval-Sigsfeld 1.jpg
Drachenballon System Parseval-Sigsfeld

Mit der Erfindung des Captiv-Ballons, also des an einer Trosse aufsteigenden Fesselballons, kristallisiert sich ein neues Betätigungsfeld heraus: die taktische Gefechtsfeld-Aufklärung. Mit der Erfindung des Drachenballons durch August von Parseval und Bartsch von Sigsfeld übernimmt dieser (deutsche) Ballontyp die Führung unter den militärischen Ballontypen. Er wird im Laufe der Zeit vielfach kopiert und genutzt. Bis zum Ersten Weltkrieg 1914 wird den meisten Militärs allerdings nicht so recht klar, was man mit taktischer Gefechtsfeld-Aufklärung anfangen kann (siehe Aussage Hoeppner). Und so kommt es, dass kurz nach Kriegsbeginn viele Verantwortliche die Fesselballone wieder abschaffen wollen. Im klassischen Bewegungskrieg gibt es für solch schwerfälliges Gerät nur wenig Verwendung. Nach der Marneschlacht im September 1914 erstarren die Fronten, ein neues – bis dahin wenig bekanntes – Kriegswesen nahm Kontur an.

Im Februar 1915 gab es an der Westfront ganze 9 (in Worten: neun – sic !) Fesselballone. Die Feldluftschiffer waren also eine weitgehend nichtgenutzte und mehr oder weniger unbekannte Größe bzw. Waffe. Das lag vor allem an der nicht vorhandenen Koordination und der geringen Sachkenntnis der oberen Kommandobehörden bzw. Armeestellen. Major i.G. von der Lieth-Thomsen, ein altgedienter Luftschiffer, der sowohl Erfahrungen in der Lenkluftschiffahrt wie auch bei den Feldluftschiffern gesammelt hatte, verfasst im Frühjahr 1915 eine Denkschrift zur Lage der „Luftschifferei“, die einen großen – positiven – Widerhall in der Generalität wie auch beim Kaiser fand. Infolgedessen wurde durch Allerhöchste Kabinettsorde (AKO) vom 11. März 1915 die Dienststelle „Chef des Feldflugwesens“ gegründet, die direkt beim Generalstab des Heeres angesiedelt wurde. Damit war auch ein guter Kontakt zur Obersten Heeresleitung (OHL) gegeben. Chef des Feldflugwesens wurde folgerichtig Major i.G. von der Lieth-Thomsen. Ihm wurden alle Flieger, Lenkluftschiffe, die Fesselballone wie auch das Wetterwesen unterstellt.

Am 21. Februar 1916 begann der Angriff auf Verdun und seine vorgelagerten Festungen. Erstmals werden 12 Ballone koordiniert eingesetzt. Das A.O.K. 5 läßt ein besonderes Ballon-Leitungsnetz bauen und in einer so genannten Ballonzentrale die Aufklärungsmeldungen der Feldluftschiffer zentral auswerten und gezielt an die Nutzer weiterleiten. Da jeder ballonzug nur jeweils einen Ballon hat, fällt die gesamte Einheit aus wenn der ball zerstört wird. Erst nach Neubeschaffung kann der Zug weiterarbeiten.Aus dieser Erkenntnis heraus werden umgehend Feldluftschiffer-Depots bzw. –Parks geschaffen, um die Verluste relativ schnell ersetzen zu können. Die Verdun-Offensive ist gleichzeitig auch der Zeitraum, in dem erstmals deutliche Verluste bei den Feldluftschiffern zu beklagen sind, da der Feind die neugeschaffene Brandmunition einsetzt (siehe Abschuß des Heeresluftschiffes LZ 77 am 21. Februar 1916).

In der Somme-Schlacht vom 24. Juni bis 26. November 1916 wurde mehr als die Hälfte der an der Westfront verfügbaren FLA eingesetzt: 18 FLA mit 50 Ballonen. Jedes Armeeoberkommando (A.O.K) verfügt erstmals über eine eigene Ballonzentrale. Auch zum ersten Mal bekommen die Feldluftschiffer den dringend benötigten aktiven Schutz durch Jagdflieger – der Feind hatte die Ballone und ihre Tätigkeit spürbar als wichtig und gefährlich eingestuft.

Die Ereignisse des Jahres 1916 hatte die „Luftwaffe“ endgültig etabliert, die Aufgaben konkretisiert. Sowohl der Feind wie auch die deutschen Stellen wussten nun was Flieger, Luftschiffer und Feldluftschiffer zu leisten und nicht zu leisten in der Lage waren. Auf deutscher Seite wurde am 8. Oktober 1916 die Dienststelle des „Kommandierenden Generals der Luftstreitkräfte“ (KoGenLuft) unter General von Hoeppner gegründet, der nun sämtliche Luftaktivitäten koordinierte. Insgesamt wurde die Kommandostruktur gestrafft und optimiert. Das deutsche Heer verfügte mittlerweile über 53 FLA mit 128 Ballonzügen, die von 53 Abteilungsstäben und 7 Ballonzentralen geführt wurden. Die FLA bzw. die Ballonzüge wurden zu Aufklärungs- und Gefechtsgruppen zusammengefasst. Damit verbesserte sich die Leistungsfähigkeit dieser Truppe massiv.

Die Umstrukturierungen der Luftstreitkräfte durch den KoGenLuft hatte überall Auswirkungen, so auch bei den Lenkluftschiffen, speziell den Heeresluftschiffern. Aus vielerlei Gründen (Link) kam es ab dem Frühjahr 1917 zur Einstellung der Heeresluftschiffahrt (d.h. Fahrbetriebes mit Lenkluftschiffen). Das freiwerdende (Boden)Personal wurde größtenteils an die Feldluftschiffer-Abteilungen abgegeben. Materialengpässe machten 1918 die Zusammenführung von je zwei Ballonzügen zu einem Ballonzug notwendig. Bis dahin galt die Regel „1 Ballonzug ≡ 1 Ballon ≡ 1 Aufstiegsstelle“. Die neue Struktur gewährleistete neue (schnellere) Material- und Personal-Verfügbarkeit.

Die Arbeit der FLA fand deshalb auch von höchster Stelle Lob. Im Sommer 1918 verfügte das Heer über 186 Ballonzüge und 56 Abteilungsstäbe. Auf dem Höhepunkt ihrer Wirksamkeit erfahren die Feldluftschiffer den bitteren Preis ihres Könnens: die höchsten Verluste ihrer Geschichte. Der Feind schießt mit allem was geht auf die Ballone, da sie in ihrer neuen hohen Effizienz jede Bewegung feindlicher Kräfte umfassend und unverzüglich weitermelden. Die Verlustraten erinnern an die Lenkluftschiffahrt, die mit ihren wenigen Luftschiffen eine sehr große Bindung von feindlichen Kräften bewirk(t)en. Auch die Feldluftschiffer sind von einer unbeachteten zu einer vielbeachteten, schwer bekämpften Waffe aufgestiegen. Ohne ihr Tun ist keine taktische Nahgefechtsfeld-Aufklärung mehr denkbar. Die Ballonwaffe hat ihre Rolle gefunden, wird ihr gerecht – und niemand kann sie ersetzen !

Ergänzungen zur Feldluftschifferei in Deutschland und weltweit

Dislozierung FLA - Ballonzüge - Reihenbildzüge

Der Einsatz der FLA erfolgte in der großen Mehrheit an der Westfront. An der Ostfront und bei den Feldzügen gegen Rumänien und Serbien gab es nur punktuelle Verwendungen. Am Isonzo, an der Italienfront, kam es 1917 zu gezielten, sehr erfolgreichen Einsätzen der Ballonwaffe. In Deutschland gab es während des Krieges keine ausgeprägte Trennung der Luftstreitkräfte vom Heer - sie waren Bestandteil des Heeres ... Die Marine - eine eigenständige Teilstreitkraft - verfügte und kommandierte eigene Luftstreitkräfte: das Marineluftschiff-Detachement (später Marineluftschiff-Abteilung - geführt vom "Führer der Luftschiffe" Fregattenkapitän Pieter Strasser), die Marine-Feldluftschiffer-Abteilungen (MFA), die den Lufthäfen angegliedert waren oder bei der Marineinfanterie im Küstendienst tätig waren und die Seefliegerkräfte. Die Dislozierung der einzelnen Ballonzüge bzw. FLA und ihrer Untergliederungen dürfte heute im einzelnen schwer zugründen sein. Hilfreich könnte die Auswertung von Feldpost sein, allerdings hat dieses Verfahren seine Grenzen, da die Standorte der Ballone dem täglichen Bedürfnissen des Frontbetriebes folgte.


Die französischen Feldluftschiffer hatten schon zu Beginn des Krieges ihre Beobachtungen (auch) fotografisch festgehalten. Die Erstellung von Luftaufnahmen wurde mit wissenschaftlicher Genauigkeit betrieben und war im Frontbetrieb sehr hilfreich. Auf deutscher Seite beschränkte man sich anfangs auf die einfache optische Beobachtung und telefonische Weiterleitung der Erkenntnisse. Dies hatte systemimmanente Schwächen. Später begann man auch hier mit der Erprobung der fotografischen Erstellung von Geländekarten. Erst im Laufe im Laufe des Jahres 1916 wurden erste Reihenbildzüge aufgestellt, die den FLA angegliedert wurden. Die Reihenbildzüge waren im Grunde nur eine Ergänzung in Form von Kameras mit 30 Zentimeter (später 70 bzw. 120 Zentimeter) Brennweite, die Geräte zur Entwicklung der Filme sowie das dazugehörige Fachpersonal. Die spezielle Hauptaufgabe der Reihenbildzüge war die Erstellung von Reihenbildaufnahmen, also die Produktion von Luftaufnahmen, die aneinandergereiht einen großen Übersichtsplan (= Luftaufnahme) ergaben.


Weiterentwicklung zum Caquot-Ballon


Das technische System des Drachenballons wie er nicht nur auf deutscher Seite als Fesselballon verwendet wurde, stammte aus den Jahren 1893 - 98, also vom Ende des 19. Jahrhunderts. Die Drachenballone des Systems Parseval-Sigsfeld hatten zwar große Vorteile gegnüber Kugelballonen, standen aber nicht so ruhig am Himmel wie es wünschenswert gewesen wäre. Die Beobachter mußten schon sehr "seefest" sein, um bei dem typischen Geschaukele des Ballons bei guter Gesundheit zu bleiben. Auch für die fotografischen Aufnahmen war ein stabil stehender Fesselballon von großem Vorteil.

Datei:Caquot 1.jpg
Caquot-Ballon

Da die Franzosen schon seit Beginn des Krieges eine qualitativ hochstehende Bildaufklärung betrieben, waren ihnen die unruhigen Ballonstandorte ein "Dorn im Auge". Im Jahre 1916 entwickelte der französische Hauptmann Albert Caquot einen neuen Typ von Fesselballon, der mit drei Steuersäcken versehen war, die voneinander um 120 Grad versetzt waren. Dieser Ballontyp erwies sich in der praktischen Erprobung als in der Luft sehr stabil. Er war so erfolgreich, daß er in der Folge nicht nur auf auf Seiten der Entente gebaut und massenhaft verwendet wurde. Im Frühjahr erbeutete das deutsche Heer einen Caquot-Ballon und baute ihn prompt nach. Alle neuen deutschen Ballone wurden nach diesem System gebaut. Selbst im 2. Weltkrieg wurde diese Art des Ballons noch eingesetzt. Selbst heutige Fesselballone (meist als Werbeträger eingesetzt) sind in der Regel Caquot-Ballone, da der entleerte Ballone sich völlig zusammenfalten lassen und daher einfach zu transportieren sind.



SIehe auch: Militärluftschiff