Lawrence Kohlberg

US-amerikanischer Psychologe und Professor für Erziehungswissenschaften an der Harvard University
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Lawrence Kohlberg (* 25. Oktober 1927 in Bronxville, New York; † 17. Januar 1987) war Psychologe und Professor für Erziehungswissenschaften an der Harvard University School of Education. Kohlberg begründete eine Theorie, die die moralische Entwicklung von Menschen in Stufen einteilt.

Biographie

1927 wurde Lawrence Kohlberg als viertes Kind einer jüdischen Familie in einem Vorort von New York geboren. Er verbrachte seine High-School Zeit in einem Internat, in dem er nahezu die gesamte Zeit wegen unterschiedlicher Vergehen gegen die Schulordnung unter Bewährung stand. Nach seinem High-School Abschluss 1945 musste er als Wehrdienstleistender ins vom Krieg gezeichnete Europa. Er kam zur amerikanischen Handelsmarine nach Europa, verließ sie bald wieder und heuerte als Maschinist auf einem Schiff an, das jüdische Flüchtlinge durch die britische Blockade nach Palästina brachte. Das Schiff wurde schließlich mit massiven Waffeneinsatz eingenommen und Kohlberg in einem Gefängnis auf Zypern interniert. Nach seiner Befreiung durch die Haganah lebte er eine Zeit lang in einem Kibbuz in Palästina und kehrte dann in die Vereinigten Staaten zurück und begann Psychologie zu studieren. Während eines Praktikums in einer Psychiatrie erlebte Kohlberg, wie ein Chefarzt eine aufsässige Patientin mit Elektroschocks bestrafte. Für Kohlberg selbst war es immer wichtig, seine eigene Lebensgeschichte detailliert zu beschreiben. Er meinte, dass es dann „vermutlich leichter ist, das theoretische Interesse eines Forschers einzuordnen.“ 1958 verfasste Kohlberg seine Dissertation über „Die moralische Entwicklung des Menschen“ und erweiterte damit die Theorie der kognitiven Entwicklung von Jean Piaget. Dieser war davon ausgegangen, dass die kognitive Entwicklung des Menschen bereits im Alter von 12 Jahren abgeschlossen sei. Bei Kohlberg ist der Prozess der Moralentwicklung nicht zu einem bestimmten Lebensalter abgeschlossen, sondern kann sich ein Leben lang hinziehen – die sechste Stufe ist dabei als hypothetisches Ziel zu sehen, das nur von wenigen Menschen erreicht werden kann, dessen Erreichung man aber als Ziel durchaus anstreben kann. Von 1968 bis 1987 war Kohlberg Professor für Erziehungswissenschaften an der Harvard-Universität in Cambridge und leitete das von ihm gegründete "Zentrum für moralische Entwicklung und Erziehung" (s.a.Entwicklungspsychologie). Bekannt wurde Kohlberg wegen seiner Arbeit zur ethisch-moralischen Entwicklung des Menschen. Nachdem er jahrelang an einer Infektionskrankheit (Protozoe Giardia lamblia) litt, die ihm zeitweise das Arbeiten unmöglich machte, nahm er sich 1987 das Leben.

Ebene 1: Präkonventionelle Moral

1. Stufe: Fremdbestimmte Moral, Egozentrismus; Lust-Schmerz-Orientierung: Vermeiden von Strafe

Es ist rechtens, Regeln einzuhalten, deren Übertretung mit Strafe sanktioniert wird. Gehorsam als Selbstwert. Personen oder Sachen keinen Schaden zuzufügen. Moralisches Handeln um Bestrafung durch Autoritäten zu vermeiden

2. Stufe: Individualismus, naiver Hedonismus; Kosten-Nutzen-Orientierung, Belohnung und Strafe

Ebene 2: Konventionelle Moral

3. Stufe: Beziehungen, Konformität mit anderen; Braves-Kind-Orientierung, Anerkennung gewinnen

4. Stufe: Soziales System und Gewissen; Recht-und-Ordnung-Orientierung, Regeln befolgen

Ebene 3: Postkonventionelle Moral

5. Stufe: Sozialer Kontrakt; Einsatz für die Gemeinschaft, Gesetze sind nicht "absolut"

6. Stufe: Universelle ethische Prinzipien; Vernunft und Moral, Gleichberechtigung aller Menschen


Dieses Stufenmodell beschreibt die kognitive Entwicklung, nicht jedoch zwangsläufig die emotionale oder die Entwicklung des Handelns. Wissen wird nicht unbedingt in Handeln umgesetzt. Nach Kohlberg ist es nicht möglich Stufen zu überspringen oder auszulassen. Niemand kann eine moralische Stufe überhaupt nur als sinnvoll erfassen, die um mehr als eine Stufe höher liegt als die, die man gerade erreicht hat. Mit 16 Jahren sind die meisten Menschen heute auf Stufe 4 angelangt, etwa 25 Prozent erreichen im Laufe ihres Lebens die Stufe 5. Was höhere Stufen laut Kohlberg attraktiv macht, ist, dass sie es ermöglichen, verzwickte ethische Probleme erfolgreicher zu lösen. Aufgaben, in denen solche Problemsituationen besprochen werden, haben sich darum als sehr erfolgreich für die Schulung erwiesen. In weiteren Forschungen wurde die universelle Gültigkeit dieser Abläufe bei allen Völkern und zu allen Zeiten nachgewiesen.

Zur Entwicklung sind Dilemmata (pl., sing.: Dilemma) nötig. Das Erklimmen einer neuen Stufe geht damit einher, dass die jeweilige Person mit einer Problematik konfrontiert wird, die sie auf ihrer aktuellen Entwicklungsstufe nicht bewältigen kann. Um eine Lösung zu finden müssen demnach alte moralische Urteile hinterfragt werden. Wird dies erfolgreich absolviert steigt die jeweilige Person auf die nächte Stufe auf. (Dieses Prinzip wird in der Pädagogik" +1 Methode" genannt.)

Das höchste Ziel der Entwicklung ist die universale Gerechtigkeit und eine majorisierende Äquilibration.


Werke

  • Zur Kognitiven Entwicklung des Kindes. Drei Aufsätze., 470 Seiten, Frankfurt am Main 1982, ISBN 351806388X
  • Die Psychologie der Moralentwicklung, 564 Seiten, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3518288326
  • Die Psychologie der Lebensspanne, 345 Seiten, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3518582860

Siehe auch

Literatur

  • Detlef Garz: Lawrence Kohlberg zur Einführung, Hamburg: Junius, 1996, ISBN 3885069350
  • Lisa Kuhmerker, Uwe Gielen, Richard L. Hayes: Lawrence Kohlberg, 296 Seiten, München 2001, ISBN 3925412204