Neogotik

Kunst- und Architekturstil
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Die Neugotik, auch Neogotik genannt ist einer von mehreren Retro-Stilen im 19. Jahrhundert, in dem die Kunst in Europa, vor allem die Architektur in Ermangelung einer eigenständigen Formensprache auf die Stile der vergangenen zwei Jahrtausende zurückgriff. Beginnend mit Klassizismus gab es Neugotik, Neuromanik, Neorenaissance, Neubarock und auch Neurokoko. Die später oft bunt zusammengewürfelten Stile werden auch als Historismus bezeichnet.

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Ludgerus-Dom in Billerbeck

Im Mittelpunkt der Verbreitung der Neugotik stand ein umfassendes Bau- und Einrichtungsprogramm, das bis in die Literatur und den Lebensstil Einzug hielt. Die Formensprache der Neugotik orientierte sich an einem idealisierten Mittelalterbild. Ihre Blüte hatte sie in der Zeit von 1830 bis 1900.

Neugotik in Großbritannien

 
Britische Neogotik: In den Kolonien wurde der neogotische Stil auch mit einheimischer Architektur verquickt, wie hier beim Victoria Terminus in Mumbai (früher Bombay), Indien.

Die Neugotik begann in Großbritannien schon ab 1720, als bei der Gestaltung neuer Bauwerke Formen der mittelalterlichen Gotik nachgeahmt wurden. Der auf dem Kontinent herrschende Stil des Rokoko wurde als Rokoko-Gotik interpretiert.

Typisch dafür sind Bauten wie das Landhaus Strawberry Hill (Baubeginn 1751) des Horace Walpole. Das Nauener Tor in Potsdam (1755), das Friedrich der Große auf britische Anregung errichten ließ, war das erste neugotische Bauwerk in Deutschland. Mit der Unterstützung von Friedrich dem Großen erhielt die Neugotik eine nationale Ausrichtung, da man sich in einer Verbundenheit mit dem mittelalterlichen deutschen Kaiserreich sah. Insbesondere bei den damaligen Parkbauten setzte sich die Stilrichtung durch, wie beispielsweise das Gotische Haus im Wörlitzer Park (1786/1787).

Aber erst in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts war, von Großbritannien aus, der maßgebliche Durchbruch zu verzeichnen. Zu dieser Zeit wurde zum Beispiel das Londoner Parlamentsgebäude (1840-1860) von Sir C. Barry errichtet.

Neugotik im deutschen Sprachraum

Die Romantik zu Beginn des 19. Jahrhunderts führte in Deutschland zu einer Begeisterung für die mittelalterlichen Bauwerke, insbesondere für die großen Dome der Gotik und die Burgen. Das bekannteste Ergebnis dieser Schwärmerei ist der Kölner Dom, dessen Fertigstellung man 1842 in Angriff nahm. Andere gotische Kirchen wurden purifiziert, das heißt von nachträglichen Änderungen nachfolgender Stilepochen befreit, vervollständigt und von vermeintlichen Fehlern bereinigt. Die Vollendungen verwendeten die originalen Baupläne, es sind also noch Bauwerke der mittelalterlichen Gotik.

Vorhandene Burgruinen wurden gerne nach englischem Vorbild, dem Castellated Style wiederaufgebaut, dieser Wiederaufbau hatte allerdings nichts mehr mit der historischen Gestalt der Burg zu tun. Ein typisches Beispiel dafür ist die Burg Hohenzollern bei Hechingen.

Für neue Kirchen- und Profanbauten in den wachsenden Städten griff man gerne auf die gotische Architektur zurück und komponierte mit Formelementen aus dem reichen Erbe vorhandener Bauwerke eine neue idealisierte Architektur, die Neugotik. Allerdings fehlte aufgrund der großen zeitlichen Distanz das tiefe Verständnis für die Formensprache und so finden sich Formen des Kirchenbaus an neugotischen Rathäusern wieder.

Für die Innenausstattung, insbesondere Altäre und Kanzeln der neuen und purifizierten Kirchen schuf man aufwändig geschnitzte Werke, die sich an die Elemente der Architektur anlehnen, aber ohne Vorbild waren. Diese Werke nannte man später abwertend Schreinergotik. Die Glasmalerei erlebte ebenfalls eine neue Blüte, allerdings sind die neuen Werke realistischer und naturalistischer als die historischen Vorbilder. Viele derartige Ausstattungsgegenstände der Kirchen sind ab 1960 aus Verachtung für die nachgemachten Stile wieder entfernt und zerstört worden.

Die Begeisterung für gotische Formen ließ im stark nationalistisch geprägen Deutschland des 2. Kaiserreiches wieder nach, nachdem man erkannt hatte, dass die Gotik nicht ein typisch deutscher Stil ist, sonden historisch aus Frankreich stammt. Diesen gesuchten typisch deutschen Stil glaubte man in der Romanik gefunden zu haben, worauf sich der Schwerpunkt auf romanische Formen verlagerte und die Neuromanik ihre Blüte erlebte.

Personen

Bauwerke