Die Burgruine Alt-Wülflingen liegt im Wald versteckt auf einer Anhöhe über dem Totentäli bei Winterthur in der Schweiz. Von ihrem 18 m hohen, gut restaurierten Turm, der im Innern mit zwei Wendeltreppen bestiegen werden kann, hat man einen schönen Blick auf die Töss und den Brühlberg, der die beiden Stadtteile Wülflingen und Töss trennt.
Geschichte
Anfänge
Die Ortschaft Wülflingen war eine alemannische Gründung und wurde 897 als „Wulfilinga“ erstmals urkundlich erwähnt, benannt vermutlich nach dem alemannischen Führer Wulfilo oder Wilfilo. Der Ort scheint zumindest seit dem 10. Jahrhundert Sitz eines Grafengeschlechtes gewesen zu sein, das Wülflingen, Embrach und Buch am Irchel zu Eigen- und Freigut besaß. Namentlich bekannt aus der Familie ist allerdings nur Willebirg von Wülflingen, die in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts lebte und mit Graf Luito (oder Lütold) von Mömpelgard verheiratet war. Ihr Sohn Hunfried wurde Domherr in Strassburg; er stiftete das Chorherrenstift St. Peter zu Embrach und übertrug es dem Strassburger Bistum. 1044 schenkte er diesem auch sein väterliches Erbe, wozu Grundeigentum im Elsass und in Embrach gehörte. Hunfrid wurde 1052 Erzbischof von Ravenna und Kanzler Kaiser Heinrichs III. Willibirgs Tochter Adelheid heirate Graf Rudolf von Achalm, wodurch die Familie von Achalm in den Besitz der Herrschaft Wülflingen gelangte. Rudolf und sein Bruder Egino bauten die Burg Achalm in Württemberg. Adelheid und Rudolf hatten zwei überlebende Söhne, von denen Lütold (Luitold) die Burg Achalm und Cuno (Kuno) die Burg Alt-Wülflingen brewohnte.
Wann ein befestigter Sitz auf dem Burgberg bei Wülflingen errichtet wurde ist ungeklärt. Um die Mitte des 11. Jahrhunderts muss die Burg Wülflingen aber bereits bestanden haben. Davor scheint zumindest eine Fluchtburg auf dem Berg gestanden zu haben, die dann ausgebaut wurde. Von 1055 bis 1056 hielt Graf Kuno von Achalm im Auftrag von Kaiser Heinrich III. den Regensburger Bischof Gebhard III. hier gefangen, weil dieser gegen den Herrscher konspiriert haben sollte. Kuno residierte auf der Burg und nannte sich seitdem Graf von Wülflingen.
1089 gründeten die Brüder Luitold und Kuno 1089 das Kloster Zwiefalten und beschenkten es u. A. mit der Burg Wülflingen. Graf Kuno starb 1092, und die Abtei Zwiefalten verzichtete gegenüber Luitold auf Alt-Wülfligen. Nachdem auch Graf Luitold von Achalm 1098 ohne Söhne gestorben war, ging die Herrschaft Wülflingen samt der Burg per Erbschaft an die Neffen der beiden, die Grafen von Horburg im Oberelsass. Von diesen gelangte sie an die Grafen von Habsburg, die 1264 auch die Grafen von Kyburg beerbten.
1155 und 1169 sind in Urkunden ein Rudolf von Wülflingen und sein Sohn Hermann erwähnt, aber sie scheinen keinen Grafentitel geführt zu haben, und ihre Verwandtschaft mit den älteren Wülflingern ist nicht gesichert.
Besitzwechsel und Neubau
Spätestens 1239 befanden sich Burg und Herrschaft, nebst der hohen Gerichtsbarkeit, in der Hand der Grafen von Habsburg-Kyburg, die den noch heute erhaltenen mächtigen Turm erbauten. Bei einem Grundriss von 7,3 x 7,3 Metern hat der Bau bis zu 2,25 Meter dicke Mauern aus Sandstein-Buckelquadern. Um ihn gruppierten sich in der Folge der heute nur noch schwach erkennbare Wohntrakt, der innere Burghof und weitere Nebenbauten. Am Fuss des Berges, an der Töss, befanden sich Scheunen und Stallungen.
Die Habsburger gaben die Herrschaft verschiedenen Adligen zu Lehen. Einer davon war Konrad von Wülflingen, der als Lehnsmann dieses mächtigen Grafengeschlechts verschiedene wichtige Posten inne hatte, so um 1257 als Schultheiss von Sempach. Um 1290 hielten die Herren von Hettlingen das Burglehen. Ab 1315 waren es die Herren von Seen. Sie reneuerten die Anlage und leisteten wichtige Kriegsdienste für ihre Habsburger Lehnsherren. Aus Geldnot verpfändeten Herzog Leopold die Herrschaft im Jahre 1376 an Hartmann von Seen und löste sie nicht wieder ein. Nach dem Hartmann von Seen 1386 in der Schlacht bei Sempach und sein Sohn 1405 in der Schlacht am Stoss gefallen waren, erbte Hartmanns Schwiegersohn, Ulrich VIII. von Landenberg-Greifensee, die Burg und machte sie zu seiner Residenz.
Spätzeit
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts kam die Herrschaft durch Heirat an Konrad von Rümlang, der oft in Streitigkeiten verwickelt war und über seine Verhältnisse lebte. Sein Sohn und Nachfolger, Hans Konrad von Rümlang, ebenfalls in zahlreiche Konflikte verstrickt und tief verschultet, verkaufte 1515 den gesamten Zehnten von Wülflingen an die Stadt Winterthur; die Gerichtsherrschaft verpfändete er an die Gemeinde Wülflingen. Rümlang konnte 1524 seine Schulden nicht mehr bezahlen und wurde, auf Beschluß des Rats von Zürich, im Oktober 1529 wegen Betrügerei enthauptet.
1528 erwarb Hans Steiner aus Pfungen Burg und Herrschaft von der Gemeinde Wülflingen. 1596 fiel ein Großteil der Burgbewohner der Pest zum Opfer, darunter auch der Burgherr, Sebastian Steiner. Ein Versuch der Familie Steiner, die Burg 1634 an die Stadt Winterthur zu verkaufen, scheiterte am Einspruch Zürichs, aber noch im selben Jahr erwarben die Zürcher Familien Escher und Meiss die Anlage. Da die alte Burg als Wohnsitz nicht mehr taugte, errichteten die Eschers 1644 das Schloss Neu-Wülflingen im Dorf Wülflingen, wobei auch Material von der Burg verwendet wurde.
Die Gerichtsherrschaft Wülflingen bestand noch bis 1760, als Zürich die Hoheitsrechte übernahm, während Burg und Gutsbesitz an die Stadt Winterthur fielen. Der Turm wurde wohl noch bis zumindest 1764 als Gefängnis genutzt. Dann begann der Zerfall. Auch der Gutshof wurde 1834 abgebrochen. Die Nebenbauten zerfielen, und das Material diente im 19. Jahrhundert zu Neubauten in der Umgebung. Ein Erdbeben im November 1911 verursachte weiteren Schaden. 1895 erhielt der Turm eine schräge Ziegelabdeckung. 1936 wurde die Mauerkrone gesichert und ein ebenerdiger Eingang, der nachträglich in die Turmmauer gebrochen worden war, geschlossen. 1983/84 wurde der Turm erneut saniert und über den alten Hocheingang und eine Innentreppe wieder zugänglich gemacht.
Weblinks und Literatur
- Stauber, Emil. Die Burgen des Bezirkes Winterthur und ihre Geschlechter. 285. Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur. Winterthur 1953. S. 353-369.
- Meyer, Werner (Red.). Burgen der Schweiz, Bd. 5: Kantone Zürich und Schaffhausen. Zürich 1982. S. 22-23.
- Hauswirth, Fritz. Burgen und Schlösser der Schweiz, Bd. 4: Zürich, Schaffhausen. Kreuzlingen 1968. S. 138-140.
- Reicke, Daniel. "von starken und grossen flüejen": Eine Untersuchung zu Megalith- und Buckelquader-Mauerwerk an Burgtürmen im Gebiet zwischen Alpen und Rhein. Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters, Bd. 22. Basel, 1995. S. 125.
- Dejung, Emanuel/Zürcher, Richard. Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich, Bd. IV: Die Stadt Winterthur und die Stadt Zürich. Basel 1952. S. 353-354.
- Zeller-Werdmüller, Heinrich. Zürcherische Burgen. In: Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, 48./49. Jhrg. Zürich 1894-1895. S. 386-388.
- Bitterli, Thomas. Schweizer Burgenführer. Basel/Berlin 1995. Nr. 824.
- Katholische Pfarrei St. Laurentius, Wülfingen: H. Kläui, “Unsere Pfarrei”
- Burgenwelt: Alt-Wülfingen