Alt-Otzenrath

ehemaliger Ortsteil von Jüchen
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Otzenrath, wie auch die direkt benachbarte kleinere Ortschaft Spenrath sind Ortsteile der Gemeinde Jüchen im Rhein-Kreis Neuss in Nordrhein-Westfalen. Das ursprüngliche Dorf Otzenrath ist vom Braunkohletagebau Garzweiler II betroffen. 1999 wurde mit der Umsiedlung begonnen. Bis 2007 soll Otzenrath eingeebnet sein. Der neue Standort Otzenraths und Spenraths liegt nordöstlich von Hochneukirch im Norden von Hackhausen.

Blick auf Otzenrath mit Abraumbagger am Ortsrand
Geplantes Abbaugebiet Garzweiler II

Lage

Der alte Ort Otzenrath grenzte im Westen an den Ort Borschemich, im Süden an Pesch. Beide Ortschaften liegen im Gebiet der Stadt Erkelenz und müssen dem Tagebau weichen, ebenso wie das nördliche Jüchener Dorf Holz. Östlich von Otzenrath lag das vom Tagebau bereits verschlungene Dorf Garzweiler. Am Tagebaurand befand sich die Bundesautobahn 44. Die Autobahnabfahrt Otzenrath und ein entsprechendes Teilstück der A44 wurden im Oktober 2005 gesperrt. Die Autobahn ist mittlerweile abgetragen und wird abgebaggert.

Tagebau

Das alte Dorf Otzenrath liegt am östlichen Rand des Braunkohletagebaus Garzweiler II, der am 17. Juni 2006 in Betrieb ging. Im Zuge des Braunkohletagebau ist Otzenrath, sowie der südliche Nachbarort Spenrath daher in der Umsiedlung, wobei seit dem Sommer 2006 die Dörfer praktisch unbewohnt sind und ein großer Teil von Otzenrath bereits eingeebnet ist. Bis 2007 sollen die alten Dörfer ganz dem Tagebau gewichen sein. Das gesperrte Teilstück der A44 ist bis zum Sommer 2006 zum großen Teil entfernt worden.

 


Geschichte

Unter dem namen "Osrotha" wurde das Dorf erstmals im 11. Jahrhundert urkundlich erwähnt. Politisch gehörte Otzenrath seit dem Mittelalter zum Amt Grevenbroich im Herzogtum Jülich.

Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges fielen 1642 hessische Truppen ein und brannten 16 Häuser nieder. Nach dem Krieg wohnten in Otzenrath noch 54 Familien. [1]

1794 wurde der Ort von französischen Revolutionstruppen besetzt. Otzenrath kam an die Mairie Neukirch im Kanton Odenkirchen im Arrondissement Krefeld im Département de la Roer. 1815 kam Otzenrath an das Königreich Preußen und ein Jahr später an den Kreis Grevenbroich und an die Bürgermeisterei Neukirchen, die 1873 in Bürgermeisterei Hochneukirchen umbenannt wurden. 1929 kam der Ort an den Kreis Grevenbroich-Neuß. Seit dem 1. Januar 1975 ist Otzenrath ein Teil der Gemeinde Jüchen.


Religion

 
alte evangelische Barockkirche von 1706

Der Ort liegt in der evangelischen Kirchengemeinde Otzenrath-Hochneukirch. Anders als in den Dörfern Borschemich und Keyenberg hatte die Reformation hatte in Otzenrath schon vor 1550 Fuß gefasst, wurde aber in der Zeit der Gegenreformation wieder eingeschränkt. Religionsfreiheit wurde erst nach dem Tod des Herzogs Johann Wilhelm gewährt. 1676 erhielt die Gemeinde schließlich den ersten reformierten Pastor. 1661 nutzte die evangelische Gemeinde eine Scheune als Gotteshaus, das 1706 durch einen barocken Neubau ersetzt wurde. Nach 1900 wurde dieser denkmalgeschützte Bau allerdings abgerissen, obwohl das Düsseldorfer Konsistorium den Abriss untersagt hatte. 1910 entstand die heutige Jugendstilkirche.

1870 wurde die architektonisch eigenwillige katholische Pfarrkirche fertiggestellt.

Seit dem frühen 19. Jahrhundert lebten auch jüdische Familien in Otzenrath. 1832 wurden 23 und 1905 17 jüdische Otzenrather gezählt. [2] Nur eine Überlebende des Holocaust kehrte in das Dorf zurück.

Wirtschaftsgeschichte

Im Unterschied zu den benachbarten Dörfer war das alte Otzenrath industriell geprägt. Dazu trug der Anschluss an das Netz der Bergisch-Märkische Eisenbahn bei, die am 1. Oktober 1873 die Strecke Hochneukirch-Jülich eröffnete. Otzenrath erhielt nun einen eigenen Bahnhof. Die 1882 verstaatlichte Strecke war bis zur Stilllegung am 1. Juni 1980 in Betrieb.

1876 wurde die "Mechanische Kleiderfabrik, Weberei und Zwirnerei Bausch" gegründet, für die Otzenrath bis zum Zweiten Weltkrieg bekannt war. 1885 beschäftigte sie bereits 125 Arbeiter. Eine weitere Kleiderfabrik gründete Gerhard Dürselen im Jahr 1892. Hier arbeiteten 1968 450 Arbeiter. [3]

Bevölkerungsentwicklung

Mit der Industrialisierung stiegen auch die Einwohnerzahlen Otzenraths seit dem späten 19. Jahrundert deutlich an:[4]

Jahr 1767 1799 1822 1871 1895 1905 1961 1970
Ew 320 608 787 982 1153 1290 1776 1677

In der Ortschaft Spenrath stiegen die Einwohnerzahlen zwischen 1832 und 1895 von 187 auf 263.

Bauwerke

  • Evangelische Kirche, Jugenstilarchitektur von 1910
  • Die Katholische Pfarrkirche St. Simon und Judas Thaddäus war ein in Deutschland einzigartiges Bauwerk und bestand aus einem oktagonalen Kirchenschiff, in dem das Gewölbe nur von einer einzigen Säule aus Granit getragen wurde. Der Altarraum schloss sich östlich an das Oktagon an. Diese Baukörpergliederung war dem Aachener Dom nachempfunden. Am 18. Juni 2006 wurde in der Kirche der letzte Gottesdienst vor dem Abriss gehalten. Am 9. März 2007 folgte der Abriss des Gebäudes bis auf die Granitsäule. Diese wird in den Umsiedlungsstandort transportiert und neu aufgestellt. Weiterhin wurden einige Kirchenbänke und der Altar in die neue errichtete Kapelle in Otzenrath/Spenrath (neu) übernommen.
  • Das Rittergut Leuffen war eines der ältesten Anwesen in Otzenrath mit Ursprung im 13. Jahrhundert. Der Hof war einst Kapitelshof des Klosters Maria im Kapitol in Köln. Nach der Säkularisierung der Klöster während der napoleonischen Besetzung Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der Hof von der Familie Leuffen erworben. Das zuletzt sichtbare "Schlößchen" sowie die dazu gehörigen Hofanlagen wurden erst danach erbaut. Im Mai 2006 finden im Innehof und im Park des Gutes umfangreiche Grabungen des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege statt. Hierbei wurden u. a. frühere Hofanlagen freigelegt. Besonders unter der Scheune werden noch die Reste einer Burganlage aus dem 13. Jahrhundert vermutet. Das Rittergut Leuffen wurde am 26. Februar 2007 abgerissen.
  • Der Neuwerkerhof (Hofstraße 79) Wurde im 12. Jahrhundert als Kapitelshof des Klosters Neuwerk (Mönchengladbach) erstmals erwähnt. Der große fränkische Vierkanthof wurde anfangs von einem Klosterhalfen bewirtschaftet. Der Hof ist im 17. Jahrhundert niedergebrannt, wurde wiederaufgebaut und brannte erneut ab. Das noch bestehende, im Rahmen einer THW-Übung jedoch stark verwüstete, Wohnhaus wurde 1778 errichtet, die übrigen Hofanlagen stammen teilweise aus den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts

Tatort Otzenrath

Neu-Otzenrath/Spenrath

1999 wurde mit der Umsiedlung begonnen, die 2007 abgeschlossen werden soll.

Lage

Der neue Standort für die beiden Dörfer liegt nordöstlich von Hochneukirch im Norden von Hackhausen. Im Westen führt die Eisenbahnlinie Mönchengladbach-Köln vorbei, im Osten liegt ein Teilstück der A44 und die Anschlussstelle Mönchengladbach-Odenkirchen. Im Norden liegen auf dem Gebiet der Stadt Mönchengladbach Mongsdorf und Sasserath.

Infrastruktur

Katholischer Kindergarten, Grundschule (bis zum Sommer 2006 mussten die Grundschulkinder noch nach Alt-Otzenrath gebracht werden), "Wilhelm-Jansen-Sporthalle" und evangelische Kirche wurden neu erbaut. Das Bistum Aachen als entschiedener Gegner des Tagebaus und der Zerstörung Otzenraths ließ am neuen Ort lediglich einen kleinen Sakralbau als Ersatz für katholische Kirche errichten.

Veranstaltungen

Vereine

  • Dorfgemeinschaft Otzenrath/Spenrath
  • Kolpingsfamilie Otzenrath
  • VfL 1909 eV Otzenrath
  • Spielverein 1909 Otzenrath eV

Literatur und Quellennachweis

  1. Karl L. Mackes: Erkelenzer Börde und Niersquellgebiet. Mönchengladbach 1985 S. 325 u. 183
  2. Karl L. Mackes a.a.O. S.430
  3. Karl L. Mackes: Erkelenzer Börde und Niersquellgebiet. Mönchengladbach 1985 S. 118
  4. Einwohnerzahlen nach Mackes a.a.O. S. 1883

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