Definition
Heatsetting ist ein Begriff aus der Textilindustrie und bezeichnet den thermischen Prozess der meist in Dampfatmosphäre oder trockner Hitze abläuft, um produzierten Fasern, Garnen und Geweben dimensionale Stabilität und oft andere wünschenswerte Eigenschaften, wie z. B. größeres Volumen, Widerstand gegen Falten und erhöhte Temperaturbeständigkeit zu verleihen. Sehr oft dient das Heatsetting auch dazu, den Garnen eine bessere Eigenschaft für Nachfolgeprozesse zu verleihen. Garne neigen oft nach dem sie frischgesponnenen, kabliert oder gezwirnt wurden zu erhöhter „Kringelneigung“. Durch das Heatset Verfahren kann man diese Eigenschaft beeinflussen oder beseitigen. Vor allem bei den Verarbeitungsstufen Spulen, Zwirnen, Weben, Tuften und Stricken kann eine starke Kringel-Neigung zu Verarbeitungsschwierigkeiten führen. Bei Garnen für die Teppichindustrie, möchte man neben der Herabsetzen der Kringelneigung auch den Faserverbund stabilisieren bzw. fixieren. Dies gilt sowohl für Stappelfasern als auch für Endlosfasern (BCF). Bei Kunstfasern kommt noch der Effekt dazu, dass das Garn an Volumen gewinnt. Man spricht hierbei von einer Zunahme des Bausch bzw. des Bulks. Alle Prozesse mit denen man einem Textilmaterial eine der vor ab genannten Eigenschaften mit Hilfe von Temperatur und oder Feuchtigkeit verleihen möchte, nenn man als Heatset-, Heatsetting- oder Set-Prozess weniger gebräuchlich ist auch der Begriff Thermofixieren. Speziell in der Teppichindustrie spricht man ausschließlich vom Heatsetting.
Ursachen der Kringelneigung bzw. der Grund für das Auflösen des Fasreverbandes bei geschnittenen Garnen (z.B. Cutpile Teppichen
Die Kringelneigung beruht auf den technologischen Bedingungen der Gespinstherstellung und den physikalischen Fasereigenschaften. Unter technologischen Bedingungen der Gespinstherstellung wird in erster Linie das Fadendrehmoment verstanden. Das Bestreben eines gedrehten Fadens ist, sich dann zusammenzudrehen, wenn er in Form einer Schleife frei zwischen zwei festen Punkten aufgehängt wird. Er gibt hierbei einen Teil seiner Drehungen ab, die sich in Windungen zeigen, deren Drehungsrichtung der ursprünglichen Richtung aus Gleichgewichtsgründen entgegengesetzt ist. Ursache hierfür sind die durch die Garndrehung hervorgerufenen Spannungen, die Müller in der bekannten Verteilung angab.
Mit zunehmender Drehung wird infolge der zunehmenden Zug- und Druckbeanspruchung der Fasern im Garnkörper die der Drehung entgegenwirkende Gesamtspannung größer. Sie kann so groß werden, dass der Fadenkern den auftretenden Druckspannungen nicht mehr gewachsen ist und ausknickt. Das Garn kringelt d. h. der Garnkörper strebt durch eine Anzahl von Drehungen in entgegengesetzter Richtung – die man auch als negative Drehungen bezeichnet – einen Gleichgewichtszustand an, in dem sich die inneren Torsionsspannungen aufheben. Der Faden knickt stets an einer solchen Stelle aus, an der infolge der Ungleichmäßigkeit ein kleiner Querschnitt vorliegt. Dieser hat im Spinnprozess eine größere Anzahl von Drehungen aufgenommen und unterliegt demnach höheren inneren Spannungen, die den Fadenkern letzten Endes durchknicken. Obgleich stärkere Garne weniger gedreht sind als feinere, steigt die innere Spannung entgegengesetzt der Garnnummer. Durch das Heatsetting wird diese Spannung umso mehr abgeschwächt, je gröber die Garnnummer ist. Eine weitere Aufgabe des Heatsettings ist neben der Verringerung des Kräuselvermögens eine gleichzeitige Fixierung der durch die Drehung auf das Garn übertragenen physikalischen Eigenschaften von Festigkeit und Dehnung [1].
Chemische Vorgänge
Es spielen sich, je nach dem mit welchen Garnmaterial man es zu tun hat, völlig unterschiedliche Vorgänge ab. Am genauestens untersucht ist das Dämpfen von Wollgarnen, weniger dagegen das Dämpfen von Kunstfasern und Baumwolle.
Wolle
Nach Eintritt des Dampfes tritt schlagartig ein wirksamer Anstieg des Feuchtigkeitsgehaltes der Garne durch Garnaufheizung und durch Dampfkondensation ein. Nach Speakmann werden bei der gedehnten Wollfaser nun folgende Erscheinungen ausgelöst: Die Cystin-Seitenketten werden an der Schwefelbrücke einer Hydrolyse unterworfen, wobei das Cystin in Cystein und eine noch nicht isolierte Sulfonsäure übergeht.' Abbildung 10: Schema der zwischen zwei Peptidketten wirksamen Bindungskräfte An den durch Salzbildung entstandenen Brücken erfolgt eine Ionisation. Infolge der beim Dämpfen auftretenden Temperaturerhöhung in den Fasern tritt eine Schwingung der Moleküle ein, die zum Aufsprengen der Wasserstoffbrücken führt; damit werden Restvalenzen freigelegt, die in der Lage sind, sich mit dem Dipol Wasser abzusättigen. Das Wasser wirkt dann gewissermaßen als Schmiermittel zwischen den einzelnen Molekülen. Damit werden die Bindungen der Hauptketten untereinander durch die Seitenketten aufgehoben, die einzelnen Polypeptidketten können sich gegeneinander verschieben und die Spannungen finden ihren Ausgleich (siehe Abbildung 4). Beim Weiterdämpfen des Garnes bilden sich zwischen den einzelnen Bausteinen der Hauptketten neue Seitenketten. Beim anschließenden Trocken des Garnes, d.h. bei dem innerhalb des Garnes stattfindenden Feuchtigkeitsausgleiches erfolgt wiederum Salzbildung und die Bildung von Wasserstoffbrücken. Die einzelnen Polypeptidketten sind dann nicht mehr gegeneinander verschiebbar und die Fasern haben ihre alte Festigkeit wiedergewonnen, ohne jedoch im Innern größere Spannungen aufzuweisen. Die Garn- bzw. Zwirndrehung ist fixiert. Der morphologische Aufbau der Fasern muss selbstverständlich beim Spannungsausgleich durch das Dämpfen mitberücksichtigt werden. Indem der Wollfaser sehr schnell die Temperatur zum Aufbrechen der Wasserstoffbrücken und der Wasserdampf zur Hydrolyse für die Cystinbrücken zur Verfügung steht, ist eine relativ schnelle Drallberuhigung möglich, die in etwa den Werten eines autoklavenberuhigten Garnes entspricht; wobei die Dämpfqualität des Sewimatic Dämpfverfahrens, im Bezug auf die Gleichmäßigkeit der Feuchtigkeitsaufnahme wesentlich besser ist.
Kunstfaser
Bei der Kunstfaser unterscheiden wir zwei Faserbereiche, den kristallinen (geordneten) Bereich und den amorphen (ungeordneten) Bereich. In kristallinen Faserbereichen wirken zwischen den eng parallel zueinander liegenden Polymeren physikalische Anziehungskräfte (siehe Abbildung 10). Diese quer zur Faserachse wirkenden Kräfte machen die Festigkeit einer Faser aus. Wird auf die Faser Zug ausgeübt, dann verhindern diese Kräfte, dass die Faser zerreißt. Die amorphen Faserbereiche wirken dagegen als Gelenke der Fasern. Sie sind für die Biegefestigkeit der Faser verantwortlich. Darüber hinaus ermöglichen die amorphen Faserbereiche z.B. das Eindringen von Wasser oder Farbstoff. [13] Was geschieht nun beim Dämpfvorgang. Bei zunehmender Erwärmung der Faser geraten ihre Moleküle in zunehmende Schwingung. Die durch Höhe und Dauer der Erwärmung beeinflussbare Schwingungszunahme hebt die elektrischen Bindungskräfte in der Faser auf; zuerst in den amorphen Bereichen, später in den kristallinen Bereichen und zu letzt in den Polymeren. Wie bei der Wolle werden nun die durch den Spinnvorgang eingebrachten Spannungen frei. Beim Trocknen bzw. abkühlen der Faser bauen sich die Bindungskräfte wieder neu auf, ohne dass sie im inneren Spannungen aufweisen. Das Problem bei Kunstfasern ist, dass die Abnahme der Bindungskräfte nur zwischen dem sogenannten Glaspunkt (Beginn der Umwandlung der festen – erstarrten – amorphen Faserbereiche in einen viskoelastischen – leicht verformbaren Zustand) und dem Erweichungspunkt (auch die kristallinen Faserbereiche wechseln in den viskoelastischen Zustand über) stattfindet und der liegt bei Kunstfasern in einem relativ hohen Temperaturbereich.
Einige Beispiele:
Material Glaspunkt Erweichungstemperatur Polyester 80-85 °C 230-240 °C Polyamid 6 80-85 °C 180-200 °C Polyamid 66 90-95 °C 220-235 °C
Glaspunkt- und Erweichungstemperatur von Kunstfasern
Dieser Umstand erklärt auch, warum Wollmischungen mit Kunstfasern gemischt, schwerer zu beruhigen sind als reine Wolle. Eine Beruhigung von Kunstfaser ist erst über einen Temperaturbereich von 85 bis 95°C möglich. Reine Wolle lässt sich dagegen bei diesen Temperaturen bereits sehr gut beruhigen.
Baumwolle
Baumwolle spielt bezüglich des Verbunddämpfens eine eher untergeordnete Rolle, auch ist uns der genaue physikalische bzw. chemische Vorgang in der Faser nicht bekannt. Wir wollen deshalb die Baumwollen bei unseren Betrachtungen vernachlässigen.
Anwendung in der Teppichindustrie
Besonders bei Garnen für die Teppichindustrie und hier wiederum für Teppiche die geschnitten werden (Cut Pile), trägt der Abbau der inneren Spannungen zu einer wesentlichen Qualitätssteigerung bei.
Teppicheinteilung
Bei Teppichen unterscheidet man zwei Grundformen. Das ist zum einen der Schlingen-Teppich (Loop-Pile) und zum anderen der geschnittene Teppich (Cut-Pile).Vor allem bei Cut-Pile Teppichen und die damit verbundenen Varianten (Saxony, Shag, Frieze) ist der Heatset Prozess von großer Bedeutung.
Tip Definition (pinpoint tip definition)
Wenn man ein Garn auseinanderschneidet drehen sich ähnlich wie bei einer Schnur oder einem Seil die Enden auf und es entsteht eine Art „Pinsel“. Und genau das will man beim geschnittenen Teppich vermeiden und auf keinen Fall haben. Ein solcher Teppich hätte neben einem schlechteren Erscheinungsbild auch eine geringere Lebensdauer und, was noch interessanter ist, wie wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt haben, auch physiogische Nachteile für den „Begeher“ . Der Teppich ist nicht so elastisch und federt den Schritt des Benutzers nicht so gut ab als ein Teppich der geheatset wurde. Ein Teppich der also aus thermofixierten Garn hergestellt wurde, ist somit höherwertig. In der Regel erkennt man einen geheatsetten Teppich an seiner körnigen Struktur, im Fachjargon spricht man auch von einer „pinpoint tip definition“ also einem Erscheinungsbild ähnlich von Nadelspitzen.
Gängige Heatsetting Verfahren
In der Textilindustrie sind mehrere Heatset-Verfahren bekannt. Die wichtigsten werden hier vorgestellt. Das älteste Verfahren ist das Autoklavverfahren, hierbei handelt es sich um ein diskontinuierliches Verfahren. Bei den Autoklaven unterscheidet man zwischen Anlagen die mit Vakuum arbeitet und solchen die nur mit Druck arbeiten. Für die Automation im Spinn-Spulverbund (Linkspinning) gibt es sogenannte Verbunddämpfer. Das weltweit erste Verfahren war das sogenannte Steamatic-Verfahren von Resch.
Für die Teppichindustrie finden zwei kontinuierliche Verfahren Anwendung, das Power-Heat-Set Verfahren (enstanden aus dem Süssen Heatset Prozess) und das TVP Verfahren abgeleitet aus der Autoklaven Technik.
Prozessdarstelung am Beispiel des Power-Heat-Set Verfahrens
Beim power-heat-set-Verfahren wird mit überhitztem Dampf in einem offenen System unter atmosphärischem Druck geheatset. Verarbeitet werden alle gängigen Materialien die in der Teppichindustrie zur Anwendung kommen dazu gehören haupsächlich Ployamid 6, Polyamid 6.6, Polypropylen, Acryl, PET, Polyester und Wolle. Das unbehandelte Garn wird in Form von Spulen (bis zu 48 Stück) in einem Spulengatter vorgelegt. Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 700m/min wird das Garn von den Spulen abgezogen und dem Heatsetprozess zugeführt. Es gibt zwei grundsätzliche Transportmöglichkeiten für das Garn, zum einen indem man das Garn geordnet als Kreis oder eine „8“ flach auf ein Band auflegt und dem Heatsetprozess zuführt, oder in dem man es auf Seile aufwickelt ,die als Polygon angeordnet, das Garn dem Heatsetprozess zuführen. Bei Friezegarnen wird nur die Form des Bandtransportes gewählt. Friezegarne werden mit Hilfe einer speziellen Stauckkammer der Twinrollbox hergestellt. Der Heatsetprozess wird bei Temperaturen von 110°C bis 200°C durchgeführt in einem Dampfluftgemisch. Nach dem Heatset Prozess wird das Garn wieder abgekühlt und mit Hilfe einer Spulmaschine zu Spulen aufgespult, In der Regel besteht der Power-Heat-Set Prozess aus 6 Arbeitslinien mit je 8 Fäden (Ends). Mit diesem Verfahren lässt sich eine Tagesproduktion von ca. 10,5 Tonnen erzielen.