Scipio Sighele
Scipio Sighele (* 1868 in Brescia; † 1913 in Florenz) war ein italienischer Kriminologe und Pionier der Massenpsychologie.
Er wurde in Brescia in einer Famile von großen italienischen Juristen geboren. Sein Vater, Magistrat, wurde in den Jahren nach der Einigung Italiens zum königlichen Bevollmächtigten (procureur du roi) in Palermo.
Am Ende seiner Schulzeit studierte er zusammen mit Guglielmo Ferrero und Adolfo Zerboglio, beides zukünftige Jünger von Lombroso, bei dem Kriminalisten Enrico Ferri Rechtswissenschaft. Seine tesi di laurea widmete er dem Phänomen der Mitschuld.
Aber erst durch zwei 1891 in der Zeitschrift von Lombroso, dem l'Archivio di Psichiatria, veröffentlichte Artikel über die kriminelle Masse machte er sich einen Namen. Diese beiden zusammengestellten Artikel bildeten den Kern seines wenig später veröffentlichten Hauptwerkes La Folla delinquente, das bald zu einem weltweit verkauften Bestseller wurde. Das Buch wurde schnell ins Französische übersetzt unter dem Titel La Foule criminelle und unter dem Titel Psychologie des Auflaufs und der Massenverbrechen 1897 von Hans Kurella ins Deutsche. Das Werk nimmt Phänomene der Massenbildung in Angriff, der Ansteckung, und es nimmt die Mechanismen auseinander, die in der Masse wirken.
Sighele demonstriert hier die unrettbar kriminelle Neigung kollektiver Verbindungen. Gustave Le Bon wurde in seinen eigenen Arbeiten von seinen Ideen stark beeinflußt, ohne jemals Rechenschaft darüber abzulegen. Der nunmehr berühmte Sighele weitete seine Forschungen in das Gebiet der Kollektivpsychologie aus. In Frankreich verwendeten Zola, Durkheim und Nordau seine Entdeckungen in den Gebieten der Literatur, Soziologie oder Politik. Sighele veröffentlichte in Frankreich La Psychologie des Sectes (1895) und neue Ausgaben seine Opus major La Foule Criminelle, worin er danach strebte, seine negative Lektüre des Masse zu verbessern.
An der Jahrhundertwende wurde er aktiver Kämpfer im Trentino, seiner Heimatregion, die damals unter österreichischer Herrschaft stand. Sighele ließ seine soziologischen Arbeiten nach und nach liegen, um sich dem Journalismus und politischen Studien zu widmen. Seine letzten Arbeiten erstrecken sich auf die nationale Frage und den Irredentismus, dessen Theoretiker er war. Von den Österreichen von Trentino wegen seines Aktivismus ausgewiesen, starb er 1913 in Florenz.
Werke
- La Psychologie des Sectes, 1895 (Paris 1908)
- La Delinquenza settaria, Mailand, Treves 1897
- Psychologie des Auflaufs und der Massenverbrechen. Dresden [u.a.] : Reissner, 1897
- La Foule Criminelle. Paris 1901
- Letteratura e sociologia. Milano: Treves, 1914