Der Wiener Neustädter Kanal ist ein von 1797 bis 1811 in einer Länge von 63 km ausgebauter künstlicher Wasserlauf zwischen Wien und dem Raum Wiener Neustadt, der vor allem dem Transport von Holz, Kohle und Baumaterialen diente. Nach Einstellung der Kanalschifffahrt im Jahr 1878 wurde der Wasserlauf einer industriellen Nutzung (Mühlen, Kleinkraftwerke etc.) zugeführt und ist heute vor allem ein beliebtes Ziel für Fuß- und Radwanderer.

Vorgeschichte
„Wien soll der Mittelpunkt eines Kanalsystems werden, von dem aus Wasserstraßen zu allen Meeren führen“ schrieb der belgische Ingenieur Jean-Joseph Le Maire in eine Denkschrift, die er 1786 Kaiser Joseph II. überreichte. Konkret begann man sich allerdings erst 10 Jahr später mit größeren Kanalprojekten zu beschäftigen. Anstoß war die von den Betreibern der im Raum Wr. Neustadt und Ödenburg angesiedelten Kohlengruben angestrebte Einführung der Steinkohle in Wien. Da diese jedoch den Wienern zu teuer war, entstand der Plan, die hohen Transportkosten (Pferdefuhrwerk) durch einen Kanalbau zu reduzieren. Man präsentierte daher im Jahr 1794 Kaiser Franz II. den Plan, einen Kanal zwischen Wien und Ödenburg zu errichten und bat um Genehmigung und finanzielle Unterstützung. Der Kaiser erteilte die Baugenehmigung und beteiligte sich mit 500.000 Gulden an dem mit 2 Millionen Gulden veranschlagten Projekt der neugegründeten k. k. privilegierten Kanal- und Bergbaukompagnie.
Der Bau des Kanals (1797 - 1803)
Die Gesellschaft beauftragte nun Ingenieur-Oberstleutnant Sebastian von Maillard mit der Erstellung der Pläne und der Bauleitung. Am 19. Juni 1797 begannen 48 kroatische Ziegelarbeiter bei Guntramsdorf mit den Bauarbeiten. Sie blieben jedoch nicht lange und wurden durch 100 Soldaten ersetzt. Am 26. Oktober inspizierte der Kaiser den Bau persönlich, zeigte sich unzufrieden über den Baufortschritt und ließ im Folgejahr 1260 Soldaten für die Kanalarbeiten abstellen. Als diese ein Jahr später im Zuge der napoleonischen Kriege abgezogen wurden, ersetzte man sie durch Sträflinge. Die Tatsache, dass sich darunter auch Mörder und andere Schwerverbrecher befanden, sorgte für einige Unruhe unter der Bevölkerung. Weniger Beachtung fanden die archäologischen Funde. Dazu Franz Anton de Paula Gaheis: [1]
- „Um der österreichischen Altertumskunde willen ist zu bedauern, dass nicht jemand alles gesammelt und beschrieben hat, was man bei der Grabung des Kanals entdeckte. Man stieß auf Gemäuer und Grundfesten, die ihre Existenz gewiß aus den älteren Zeiten herleiten. Ja, es sind Gewölbe mit Gängen und Eisengittern und Türen, Aschenkrüge und Urnen, Münzen, Stücke von Statuen und Säulen, welche das graueste Altertum verraten, gefunden worden.“
Der Bau erwies sich auch ohne hemmende Forscher langwieriger und teurer als erwartet. Dazu trugen neben den aufwändigen Kunstbauten vor allem die hohen Grundablösen bei. Im Jahr 1799 musste der Staat („Ärar“) das Bauvorhaben finanziell zur Gänze übernehmen, es wurde nun Josef Schemerl von Leytenbach mit der Projektleitung betraut. Als man 1801 und 1802 die ersten Prüfungen des Kanals vornahm, wobei Wasser der Piesting eingeleitet wurde, gab es böse Überraschungen. Das Wasser drang durch die Dämme und versickerte. Es versumpfte dabei Felder und Wiesen, setzte Keller unter Wasser und verunreinigte Ortsbrunnen. Um das Gerinne wasserdicht zu machen, ließ man es von einer großen Anzahl von Pferden festtreten. Doch noch immer ging der Großteil des Wassers verloren, erneut standen Keller unter Wasser und in der Gruft der Franziskaner in Maria Lanzendorf schwammen die Särge.[2] Der Kaiser, der die Baukosten bislang überwiegend selbst getragen hatte, ließ nun am 13. April 1802 den Kanal ins Staatseigentum übertragen. Als die 56 km lange Strecke zwischen Wien und Wr. Neustadt 1803 für den Verkehr freigegeben wurde, hatte man die Abdichtung bereits im Griff. 1811 wurde noch das Teilstück bis zur Pöttschinger Höhe an der Grenze zu Ungarn angeschlossen. Die Verlängerung bis zu den Kohlengruben bei Ödenburg scheiterte an Geldmangel bzw. den hohen Grundablöseforderungen der ungarischen Großgrundbesitzer. Eine Fortsetzung über Ödenburg bis Triest hatte Maillard gemeinsam mit dem Baudirektor des Herzogtums Krain[3] bereits „nivelliert“ (vermessen), eine Umsetzung dieser Pläne erfolgte aber nicht einmal ansatzweise.
Der Betrieb (1803 - 1879)
Die „Kanalbau-Hofkommission“ unternahm 1803 die erste Befahrung der Gesamtstrecke. Sie dauerte vom 19. bis zum Abend des 20. April und wurde in der Presse als „Wasserschneckenfahrt“ bezeichnet. Am geringen Tempo war vor allem die Begeisterung der Bevölkerung und die Begrüßungsadressen der Honoratioren der anliegenden Gemeinden verantwortlich. 1804 verkehrten bereits 55 Frachtkähne. Transportiert wurden vor allem Holz und Kohle in Richtung Wien und Baumaterialien in die Gegenrichtung. Die Steinkohle stammte aus dem Großraum Wr.Neustadt sowie aus Ödenburg, die Braunkohle aus dem damals ungarischen Pöttsching (Pecsenyéd). Holz wurde aus dem Rax- und Schneeberggebiet über die Schwarza und den Kehrbach nach Wiener Neustadt getriftet und dort auf Kähne verfrachtet. Dreimal in der Woche verkehrte auch ein „Lustschiff“, das bis zu 80 Personen von Wien nach Laxenburg, wo sich die [[[Franzensburg]] des Kaisers befand, transportieren konnte. Bemerkenswert ist, dass die ersten Kanalschiffer auf dem neu errichteten Kanal aus Norddeutschland kamen. Hauptabnehmer der Produkte aus dem südlichen Niederösterreich war die Ziegelindustrie, die sich aufgrund der ergiebigen Lehmgruben vor allem am Südrand von Wien angesiedelt hatte. Der Holzbedarf der Ziegelwerke war enorm. Um den Kahlschlag der Wälder um Wien zu verhindern, um deren Erhaltung Josef Schöffel kämpfte, wurden die Ziegelbrennereien schließlich per Gesetz verpflichtet Kohle zu verwenden.[4]
Nach den auch finanziell erfolgreichen Betriebsjahren vom Ende der napoleonischen Kriege 1815 bis 1848 machte sich die Konkurrenz der Bahn (Südbahn) bemerkbar. 1872 fasste die mittlerweile zum Eigentümer des Kanals gewordene Erste Österreichische Schiffahrtskanal A.G. den Beschluss, sich mit einem belgischen Partner vorrangig einem Eisenbahnbauprojekten zu widmen und bekam rund zwei Jahre später auch die Bewilligung zur Errichtung der späteren Aspangbahn. Dies bedeutete das Ende der Kanalschifffahrt. Der Kanal wurde 1879 stillgelegt und 1880 begannen die Bauarbeiten für die neue Bahnlinie, die ursprünglich bis Saloniki reichen sollte.[5]
Die Betreiber
- 1803-1822: Staatliche Leitung. Das Kanalunternehmen bilanzierte passiv, was einerseits auf die (nach 1818 aufgedeckten) Unterschlagungen leitender Angestellter der Kanalverwaltung zurückzuführen war (Schadenssumme: fast 500.000 Gulden), anderseits mit den Kriegsereignissen dieser Zeit in Zusammenhang stand. So plünderten die Franzosen 1805 und 1809 die Warenlager, beschlagnahmten die Frachtkähne und besetzten die Betriebsgebäude. Der Kaiser entschloss sich nun zur Verpachtung.
- 1822-1829: Bankhaus Fries (jährlicher Pachtschilling 6000 Gulden)
- 1829-1834: Matthias Feldmüller aus Persenbeug. Feldmüller übernahm den Wasserweg nach dem Bankrott des Bankhauses Fries unter gleichen Konditionen. Er war nebenbei Eigentümer von 1225 Donauschiffen und zog den ersten Gewinn aus dem Kanalbetrieb.
- 1834-1846: Freiherr Simon von Sina. Dieser erzielte trotz der Erhöhung des Pachtschillings auf 13.085 Gulden beträchtliche Gewinne. Gemäß des Berichtes der Kameralgefällenverwaltung vom 2. Februar 1846 betrug die Frachtbewegung seit 1839 im Schnitt jährlich 5562 Schiffsladungen mit 36.733 Kubikklaftern Holz, 6.581.465 Ziegeln, 219.512 Zentnern Steinkohle, 3300 Zentnern verschiedener Waren und 337.226 Zentnern Baumaterialien. Die Einnahmen betrugen 81.805 Gulden 50 Kreuzer und die Ausgaben 48.286 Gulden und 16. Kreuzer.[6]
- 1846-1857:Alois Miesbach, dem Begründer des heute weltweit agierenden Baustoffkonzerns Wienerberger, (Besitzer der Herrschaft Inzersdorf sowie von 30 Bergwerken, 9 Ziegeleien und einer Terrakottafabrik). Der Pachtschilling betrug 15.551 Gulden. Unter Miesbach wurde der Kanalhafen 1848 um 1,7 km nach Süden in den Bereich des späteren Aspangbahnhofes verlegt.
- 1857-1871: Heinrich von Drasche-Wartinberg. Er übernahm nach Tod seines Onkels Alois Miesbach den Konzern und auch die Pacht des Kanals.
- 1871-1878: Erste Österreichische Schiffahrtskanal A.G. Sie kaufte den Kanal am 15. Mai 1871 zum Betrag von 350.000 Gulden vom Staat. 1877 setzte sie sich mit der Belgischen Eisenbahngesellschaft in Verbindung und erhielt am 28. November 1877 die Konzession zum Bau der Aspangbahn.
- 1878-1956: Austro-Belgische Eisenbahngesellschaft. Diese Gesellschaft entstand aus der Fusion der Ersten Österreichischen Schiffahrtskanal A.G. mit der Belgischen Eisenbahngesellschaft nach Erhalt der Konzession zur Errichtung der Aspangbahn. Die "Austro-Belgische" legte den Schifffahrtsbetrieb still, schüttete an beiden Enden beträchtliche Teile des Kanales zu und nutzte Teile davon als Bahntrasse.
- Ab 1956: Das Land Niederösterreich.
Technische Details
Verlauf
Der Kanal führte 1803 über die Gemeindegebiete folgender Orte: Wien, Simmering, Kledering, Rannersdorf, Lanzendorf, Biedermannsdorf, Laxenburg, Guntramsdorf, Gumpoldskirchen, Pfaffstätten, Tribuswinkel, Bad Vöslau, Kottingbrunn, Leobersdorf, Schönau an der Triesting, Sollenau, Theresienfeld und Wiener Neustadt,
Daten
Die schiffbare Länge des Kanals:
- 1803: 56 Kilometer (Donau bis Wr. Neustadt)
Der Höhenunterschied betrug 93 Meter, der 46 Schleusenabschnitte beinhaltete.
- 1811: 63 Kilometer (Donau bis zur Pöttschinger Höhe)
Der Höhenunterschied betrug 100 Meter, der mit Hilfe von 50 Schleusen überwunden wurde.
- 2007: 35 Kilometer (Biedermannsdorf - Wiener Neustadt Nordost)
Der Höhenunterschied beträgt 86 Meter, die Anzahl der Schleusen 38.
Zur Zeit der Inbetriebnahme führten 54 Brücken über den Kanal.
Die Spiegelbreite des Kanals (Breite am Wasserspiegel gemessen) betrug bis zu 11 m, die Sohlenbreite durchschnittlich 5,7 m. Wegen des geringen Tiefgangs der Kähne reichte eine Wassertiefe von 1,6 – 1,9 m aus.
Der am rechten Ufer geführte Treppelweg hatte eine Breite von 2 Metern.
Einspeisung und Querung von Gewässern
- Wassereinspeisung
Der Kanal wird durch die Leitha und den Kehrbach, der aus der Schwarza abgeleitet wird, gespeist. Zur Zeit des Schifffahrtsbetriebes wurde auch noch Wasser der Piesting, des Kalten Ganges und der Hirm zugeführt.
- Gewässerquerungen
Kleinere Gerinne werden mit Durchlässen (1803 waren es 26) unter dem Kanal durchgeführt. Größere Wasserläufe überquert der Kanal mit Hilfe von Aquädukten (1803 waren es 16, heute sind es noch 6). Das Wasser fließt dabei in Trögen aus Holz, bei längeren Strecken wird es über Brücken aus Ziegelmauerwerk geleitet. Die Aquädukte über die Warme Fischa, die Piesting, die Triesting, den Triestinger Hochwassergraben, die Schwechat und den Badener Mühlbach existieren noch, wobei die Überführung über die Warmen Fischa wegen ihrer auffälligen Bauweise zu den sieben Wundern von Wiener Neustadt zählt. Mit dem Rückbau des Kanals vom Pöttschinger Berg bis Wr. Neustadt - Süd und des Abschnittes vom Mödlingbach bis zur Donau wurden die Aquädukte über die Leitha, den Kehrbach, den Mödlingbach, den Krotenbach, den Petersbach und die Liesing abgerissen.
Verladestellen und Betriebszeiten
Der Hafen am Wiener Ende lag zunächst nahe der Einmündung des Wienflusses in den heutigen Donaukanal (heute Bahnhof Wien-Mitte), wurde aber 1847 knappe zwei Kilometer nach Süden an jene Stelle verlegt, wo später der Aspangbahnhof errichtet wurde. In Wiener Neustadt lag der Hafen bei der Ungargasse, woran ein Gedenkstein erinnert. Entlang des Kanals gab es insgesamt zehn weiter Verladestationen mit Lagermöglichkeiten, Gaststätten für die Schiffsmannschaften, Unterkünften für das Betriebspersonal (Schleusenwärter etc.) sowie Stallungen und Futterstellen für die Zugpferde.
Der Schifffahrtsbetrieb lief von Anfang April bis Ende Oktober. Die verbleibende frostfreie Zeit wurde für Wartungs- und Reparaturarbeiten genützt. Zu diesem Zweck wird der Kanal zur Kanalabkehr auch heute noch im Herbst kurzfristig trocken gelegt.
Die Kähne
Der Transport auf dem Kanal erfolgten mit genormten Kähnen von 22,8 m Länge und 2,05 m Breite, die zunächst nur 22 Tonnen Fracht befördern konnten. Nachdem man im Zuge der jährlichen Reparaturen die Schleusen zwischen 1820 und 1850 erneuert und um 32 cm verbreitert hatte und die Verfestigung der Dämme überdies eine Anhebung des Wasserspiegels gestattete, konnten man die Kähne mit bis zu 30,8 Tonnen beladen.
Die Kähne waren symmetrisch gebaut, sodass sie am Zielpunkt nicht gewendet werden mussten; es wurde lediglich das Ruder und die Stange für den Seilzug umgesteckt.
Die Kanalschiffe wurden in beiden Richtungen gezogen, dabei erwies sich ein Pferd als ausreichend, das den Treppelweg benutzte, der entlang des Ostufers verlief. Die Treidelgeschwindigkeit betrug knapp vier Kilometer pro Stunde. Gefahren wurde ohne Fahrplan nach Bedarf. Für die Strecke von Wien bis Wiener Neustadt benötigte man im Schnitt eineinhalb Tage.
Der Kanal nach Einstellung des Schifffahrtsbetriebes
Nach der Eröffnung der Aspangbahn im Jahr 1881 wurde am Südende des Kanals der Pöttschinger Ast des Kanals trocken gelegt und rückgebaut, mit dem Zuschütten des Hafens in Wiener Neustadt in den Jahren 1926/1927 wurde der Kanal weiter verkürzt und endet nun am Nordostrand von Wr. Neustadt. Am Nordende des Kanals wurde im Zuge des Baues der Aspangbahn nicht nur der Kanalhafen, sondern auch der Kanalabschnitt bis Kledering und dann bis Biedermannsdorf trocken gelegt und als Bahntrasse genutzt.
Bereits ab 1803 hatte man vom Kanal gespeiste Nutzwasserleitungen und Mühlen angelegt. Bald danach entschloss man sich auch zur Versteigerung der Gefälle an Industriebetriebe. Dadurch kam es im Zuge der allgemeinen Industrialisierung der Region zwischen Wien und Wiener Neustadt zur Ansiedelung von 19 Betrieben mit Kanalbezug, deren Spektrum von Mühlen über Holz- und Metallverarbeitung, bis zur Chemie- und Lebensmittelbranche reichte und die teilweise auch heute noch in Betrieb sind.
In der Zwischenkriegszeit erweiterte sich das industrielle Nutzungsspektrum durch die Errichtung von Kleinkraftwerken an zahlreichen Schleusenanlagen.
In den ersten Apriltagen 1945 wurde der Kanal in die Kriegshandlungen zwischen Teilen der deutschen 6. Panzerarmeee und der 3. Ukrainischen Front einbezogen. Dabei wurden mehrere Brücken gesprengt, Schleusenanlagen und Kleinkraftwerke zerstört und Industriebetriebe mit Kanalbezug devastiert. Mit der Zerstörung des nicht wieder hergestellten Aquäduktes über den Mödlingbach fiel das Teilstück vom Mödlingbach bis südlich Kledering trocken und wurde zugeschüttet.
Der Kanal im 21. Jahrhundert
Nutzung
Der Kanal wird von der der Niederösterreichischen Landesregierung in gutem Zustand erhalten. Er beginnt heute am Nordostrand von Wiener Neustadt an der Einspeisestelle des Kehrbaches und endet im Norden hinter dem Bahnhof Laxenburg-Biedermannsdorf der Aspangbahn. Die industrielle Nutzung des Kanals ist zurückgegangen, von den obgenannten Betrieben existiert nur mehr ein kleiner Teil. Von den Kleinkraftwerken sind ebenfalls nur mehr wenige in Betrieb. Zu erwähnen ist, das seit März 2006 bei Pfaffstätten an der Schleuse 9 (Rote Brücke) als Pilotprojekt des Wiener Erfinders Adolf Brinnich eine Staudruckmaschine in Betrieb steht, von der man sich eine höhere Effizienz im Kleinkraftwerkbereich erwartet.
Da die Nutzung des Kanals als kommerzieller Schifffahrtsweg Geschichte ist und andere wirtschaftliche Nutzungen ihren hohen Stellenwert ebenfalls verloren haben, steht heute der Erholungswert des Wasserweges im Mittelpunkt des Interesses der Anwohner und Besucher. Der milden Winter und der Strömung wegen steht auch nicht mehr der Eislaufsport und aufgrund der vielen Schleusen auch nicht der Rudersport im Vordergrund. Interessant ist der Kanal heute vor allem für Wanderer, insbesondere jedoch für Radsportler. Letztere finden auf dem nun asphaltierten Treppelweg ideale Bedingungen vor. Sowohl der Thermenradweg[7] als auch der EuroVelo Nummer 9 nutzen dies.
Spuren früherer Nutzung
Bei der Suche nach Spuren des Kanals in den aufgelassenen Bereichen wird man vor allem in Wien fündig. Unmittelbar an den Kanal erinnern dort die Bezeichnungen von Verkehrsflächen wie Hafengasse und Am Kanal. Der Straßenzug „Am Kanal“ begleitet zwischen dem Aspangbahnhof (heute nur mehr Frachtenbahnhof) und Kledering mehrere Kilometer lang die Bahntrasse, die von der Bahnstation Wien-Mitte bis Kledering im Kanalbett verlegt wurde. Städtebaulich hat der Kanal seine nachhaltigsten Spuren hinterlassen. Auf dem Kataster Franz I. von 1823 ist der Wasserweg bereits als städtebauliche Leitlinie des Gebietes erkennbar.[8] Die Verbauungskanten in Uferlage wurden durch monumentale öffentliche Bauten wie das Hauptmünzamt betont, dem die Geologische Bundesanstalt und die ehemalige Veterinärmedizinische Universität folgten, deren Gebäude zurzeit von der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien genutzt wird. Auch die Russisch-Orthodoxe Kirche orientierte sich an dieser Linie, die am Nordufer des Kanals gemeinsam mit großbürgerlichen Zinshäusern und ihren repräsentativen Fassaden die Begrenzung des sogenannten „Diplomatenviertels“ darstellt, das hier zu Ende des 19. Jahrhunderts entstanden ist. Damit wurde der Kanal auch eine soziale Trennlinie zu den eher (klein)bürgerlichen Bereichen am anderen Ufer. Auch die drei Brücken, die zwischen dem Wienfluss und dem Aspangbahnhof über die heutige Bahntrasse führen (Beatrixgasse, Neulinggasse und Rennweg) sind lediglich der leistungsfähigere Ersatz für alte Kanalbrücken.
Nur dem Eingeweihten erschließt sich hingegen der Zusammenhang des Kanals mit dem 1867 gegründeten „Wiener Eislaufverein“ und seinem großzügigen Areal (6000 m² Eisfläche) zwischen Akademietheater und Stadtpark. Dieser Verein hatte im Gründungsjahr einen Teil des ehemaligen Wiener Kanalhafens gepachtet, nachdem das winterliche Hafenbecken zum „Eissportgebiet Österreichs Nr. 1“[9] geworden war. Zwar fanden die „Schleiferbuben des Kanals“ schon 1803 Erwähnung,[10] zum Volkssport wurde der Eislauf jedoch erst um die Jahrhundertmitte. Es war dies die Zeit, da sich die sportlichen Wiener an Wintersonntagen im Hafen trafen oder den Kanal belebten und „in schnellstem Tempo bei Einbruch der Dunkelheit mit brennenden Fackeln zwischen Wien und Guntramsdorf dahin [glitten].“[11]
Südlich von Kledering findet man lediglich im Gemeindegebiet von Biedermannsdorf Spuren. Im Anschluss an den bestehenden Kanal sind hier noch Teile der alten Dämme, eine Schleuse sowie der Schleppkanal zu den ehemaligen Ziegelwerken erhalten. Am südlichen Ende des Kanals sind die Spuren gering. Abgesehen von der bereits erwähnten Gedenktafel in der Wr. Neustädter Ungargasse findet man nur südlich von Lichtenwörth im Waldstück Hauslisse einen längeren Abschnitt des alten Dammes.
Quellen
- ↑ Franz Gaheis:Wanderungen und Spazierfahrten in die Gegenden Wiens (Wien 1798-1807) Band 4 Seite 265
- ↑ Josef Knoll: Heimatbuch Guntramsdorf (1977) Seite 67
- ↑ Entspricht -vermehrt durch Teile der Steiermark- weitgehend dem heutigen Staatsgebiet von Slowenien
- ↑ Knoll: Heimatbuch Guntramsdorf. Seite 69
- ↑ Bezirksmuseum Landstraße - Der Aspangbahnhof und die Wien-Saloniki-Bahn
- ↑ Knoll: Heimatbuch Guntramsdorf. Seite 69
- ↑ http://www.fahr-radwege.com/Thermenradweg.htm
- ↑ Podbrecky. Seite 8
- ↑ V.E.Riebe: Der Wr. Neustädter Schiffahrtskanal (Wien 1936)
- ↑ Knoll: Heimatbuch Guntramsdorf. Seite 71
- ↑ Riebe: Der Wr. Neustädter Schiffahrtskanal, in: Knoll: Heimatbuch Guntramsdorf. Seite 71
Literatur
- Inge Podbrecky: Der Wiener Neustädter Kanal, in: Denkmalpflege in Niederösterreich Band 10 Verkehrsbauten
- Fritz Lange: Von Wien zur Adria - Der Wiener Neustädter Kanal, Sutton Verlag 2003, ISBN 3-8970-2621-X
- Industrieviertel-Museum (Hrsg): 200 Jahre Wiener Neustädter Kanal, Wiener Neustadt 1997
- Slezak: Vom Schiffskanal zur Eisenbahn, Wien 1981 ISBN 3-9001-3472-3
- Slezak: Kanal Nostalgie Aspangbahn, Wien 1990, ISBN 3-8541-6153-0
- Valerie Else Riebe: Der Wr. Neustädter Schiffahrtskanal, Eigenverlag, Wien 1936
Weblinks
Der Wiener Neustädter Kanal auf den Seiten des Bezirksmuseums Landstraße