Das Schloss ist ein unvollendeter Roman von Franz Kafka und erschien 1926 postum.
Handlung
Zu Beginn des Fragment gebliebenen Romans, trifft der Protagonist K. in einem Dorf ein, das zu dem Besitz eines Schlosses gehört. Gefragt, ob er eine Erlaubnis zum Aufenthalt habe, erklärt er, der Landvermesser zu sein, den der Graf habe kommen lassen. Wie aus einem Gespräch mit dem Dorfvorsteher im weiteren Verlauf hervorgehen wird, wurde die Bestellung eines Landvermessers zwar diskutiert, es bleibt aber ungeklärt, ob eine Berufung K.s tatsächlich erfolgte.
So erlaubt man ihm zu bleiben, aber als Schuldiener nur, da man für ihn als Landvermesser keine Arbeit hat. Ebenso wird seine gesellschaftliche Anerkennung verweigert, die Bevölkerung begegnet ihm mit Distanz und Misstrauen.
Um die Existenz ringend, sieht er sich in eine für ihn unverständliche, rational nicht begreifbare Welt versetzt. Das Schloss mit seiner Verwaltung scheint durch einen gewaltigen, undurchschaubaren bürokratischen Apparat alles zu kontrollieren, über das Dorf zu herrschen und dabei für jeden einzelnen der Bewohner unnahbar und unerreichbar zu bleiben. Einer absoluten Hierarchie ausgesetzt, an deren Spitze sich die Beamten des Schlosses befinden, gestaltet sich das Leben der Dorfbewohner entsprechend. Ein Jeder eifert der Gunst der Beamten und somit der des Schlosses nach, das Leben des Einzelnen ist von stetiger Kontrolle geprägt und von Vorschriften und Reglementierungen bestimmt, bei deren Überschreitung Schlimmes droht – aus dem voreiligen Gehorsam der Menschen wurde eine Tugend, ohne dass von Seiten des Schlosses je ein Exempel oder die Ausübung von physischer Gewalt ausgegangen wäre.
So beginnt K., nun in seiner Position als Schuldiener, mit den Versuchen, sich dem Schloss zu nähern. Er erkennt bald, dass seine einzige Möglichkeit, in Kontakt mit dem Schloss zu treten, von seiner Eingliederung in die Dorfgemeinschaft abhängt. Doch sämtliche Anstrengungen K.s scheitern, da er außerstande scheint, die Vorgänge zwischen Dorf und Schloss und das Verhalten der Dorfbewohner zu verstehen und sein Handeln danach zu richten. So bleiben Dorf und Schloss rätselhaft und K. ein Fremdkörper, der an seiner Situation zu verzweifeln droht.
Die Handlung scheint eine Wendung zu nehmen, als K. eines Nachts zum Sekretär eines Schlossbeamten gerufen wird. Er verfehlt jedoch seine mutmaßliche Chance, die eigene Situation entscheidend zu verbessern. Durch einen glücklichen Zufall wählt er die falsche Tür und erreicht es so tatsächlich, einen ihm durchaus gewogenen Beamten zu sprechen. Allerdings wird K. im Verlauf des Gesprächs von einer bleiernen Müdigkeit übermannt. Die unerkannte und einzige Chance auf Zugang zum inneren Zirkel des Schlosses ist somit vertan. Aber auch der Zugang zur Dorfgemeinschaft bleibt dem fremd Gebliebenen weiterhin verschlossen. Einst voller Ehrgeiz und Zuversicht ist K. ohnmächtig ob der Undurchschaubarkeit des Systems, in dem er sich befindet und droht an der Erkenntnis zu verzweifeln, dass er sowohl an der eigenen Selbstüberschätzung und Arroganz, als auch an der Gesellschaft von Schloss und Dorf, deren Funktionsweise er zwar in einzelnen Aspekten versteht, die aber in ihrer Gesamtheit für ihn aufgrund ihrer Abstraktheit bis zu Ende unbegreifbar bleiben, in seinen Vorhaben gescheitert ist.
Damit endet das Fragment. Ein von Kafka selbst verfasster Schluss existiert nicht, wurde aber von Max Brod, der „Das Schloss“ nach Kafkas Tod postum veröffentlichte, aus persönlichen Erzählungen des Autors konstruiert; So sollte K. am siebenten Tag an körperlicher und seelischer Erschöpfung sterben, während ihm zu gleicher Zeit die Schlossverwaltung aufgrund seiner eifrigen und stets fehlerfreien Bewerbung der Gnade halber ein Wohnrecht erteilt und K. somit doch einen Teilsieg in seinem Bestreben errungen hätte.
Entstehung
Kafka begann mit „Das Schloß“ 1922 seinen dritten Roman, vollendete ihn aber nicht. Seine Ideen für die Vollendung des Werkes teilte Kafka lediglich mit seinem engen Vertrauten Max Brod, welcher den Roman postum veröffentlichte und selbst ein Ende im Sinne Kafkas verfasste.
Deutung
Dadurch, dass den Leser das System, in das sich K. abrupt von Beginn des Romans an versetzt sieht, ebenso befremdet wie den Protagonisten selber, keimt in ihm schnell eine Sympathie für diesen auf. Der Leser versteht K., in seiner Person wie in seinem Handeln, nicht aber das, was ihn umgibt. So ist K. schnell Bezugspunkt und eine Hilfe beim Verständnis des Textes, welcher den Leser zur ständigen Eigeninterpretation nötigt, sofern dieser Irritation und Orientierungslosigkeit vermeiden möchte.
Dennoch ist K. nicht weniger rätselhaft als die Welt, die ihn umgibt. Der Leser erfährt wenig über ihn, sein Name bleibt stets verkürzt, aus seiner Vergangenheit wird lediglich über eine Szene aus seiner Jugend berichtet, die seine Beharrlichkeit und seinen Ehrgeiz unterstreicht. Auch K.s Ziele bleiben, mehr oder minder, unklar, da man nicht erfährt, weshalb K. so dringend den Kontakt zum Schloss sucht. Auch die Frage, ob K. tatsächlich als Landvermesser in das Dorf kam oder sich nur als solcher ausgegeben hat, um bleiben zu dürfen, wird bis zum Schluss nicht geklärt.
Trotz oder gerade wegen aller Unklarheiten bezüglich des Daseins des K. und seiner Welt wird wohl deutlich, in welcher Rolle Kafka den Landvermesser darstellen wollte; den identitätslosen, in einer gefühlskalten, unverständlichen, auf ihre Funktion reduzierte Welt gefangenen Menschen, der an sich selbst zweifelt, weil er nicht in der Lage ist, seine metaphysische Daseinsberechtigung ausfindig zu machen, dessen Lebensinhalt sich danach ausrichtet, die Anerkennung seiner Mitmenschen zu gewinnen um sich selbst zu bestätigen und das eigene Selbstwertgefühl aufrecht zu erhalten, dem es durch materielle Abhängigkeit aber auch nicht möglich ist, sich aus seiner hoffnungslosen Situation zu befreien und einen eigenen Weg fernab der ihn krank machenden Gesellschaft zu beschreiten. Weshalb K. in der oben bereits erwähnten mysteriösen Form dargestellt wird, kann verschieden interpretiert werden. Eine mögliche Erklärung wäre Kafkas Absicht, damit die Entfremdung der eigenen Person im Zuge der anonymisierten Gesellschaft, in der das Individuum nur noch schemenhaft erkennbar ist, darzustellen.
All dies wird deutlich aus der Orientierungslosigkeit, welcher K. durch die erdrückende Macht der undurchschaubaren Gesellschaft ausgesetzt ist und die Irrationalität seiner Umwelt, die für ihn undurchdringlich scheint, weil sie auf Prinzipien beruht, die für seinen Geist, den Geist des normal denkenden Menschen, nicht fassbar sind. So ist der Tod des Protagonisten nach dieser Beleuchtung der Gesellschaft und all der Hoffnungslosigkeit, die sich mit ihr aufgetan hat, wohl die zwingende Lösung, um ein Ende herbei zu führen. „Ein erstes Zeichen beginnender Erkenntnis ist der Wunsch zu sterben“, sagte Kafka einst, und hat mit diesem Werk und im Besonderen mit der Person des Landvermessers K. diesem Zitat Ausdruck verliehen.
Ausgaben
- Das Schloss. München: Kurt Wolff, 1926. (Die Erstausgabe wurde postum von Max Brod herausgegeben.)
Interpretationen
- Maurice Blanchot Wiederholung und Verdoppelung. Notiz über Literatur und Interpretation in: Neue Rundschau, Heft 2 / 1988, S. 121 ff.
Verfilmungen
- 1968 von Rudolf Noelte mit Maximilian Schell und Cordula Trantow
- 1997 von Michael Haneke mit Ulrich Mühe und Susanne Lothar
Andere Bearbeitungen
- als Hörspiel:
- Franz Kafka: Das Schloß. Sprecher u.a.: Gert Westphal, Friedrich von Bülow. Regie: Karlheinz Schilling. Musik: Bernd Schoz. Produktion: SWF, RB. Entstehung: 1954. Laufzeit: 83 Minuten. Der Audio Verlag, Dav. 2003. ISBN 3898132854.
- als Oper:
- Das Schloss. Oper von Aribert Reimann nach dem Roman von Franz Kafka und der Dramatisierung von Max Brod (1990-92). Textfassung vom Komponisten. Dauer 165 min. Textbuch BN 3685-40
Weblinks
- DigBib.Org: „Das Schloss“ vollständiger Text des Werks