Talcott Parsons (1909-1979) war ein amerikanischer Soziologe.
Mit einer Handlungstheorie hervorgetreten, hat Parsons diese weiterentwickelt zum Strukturfunktionalismus und hat diesen schließlich zum Systemfunktionalismus ausgebaut.
Werk
Als wichtigste Monografien sind die drei nachfolgend angeführten anzusehen, wobei anzumerken ist, dass Parsons' Werk nur dann angemessen gewürdigt werden kann, wenn auch die zahlreichen Aufsatzsammlungen mit in Betracht gezogen werden.
- "The Structure of Social Action" (1937)
- "The Social System" (1951)
- "The American University" (1973; gemeinsam mit Gerald M. Platt und mit einem Nachwort von Neil J. Smelser versehen)
"The Structure of Social Action" richtet sich gegen diverse Spielarten des Utilitarismus. Auf der Grundlage der Werke vier europäischer Autoren (Alfred Marshall, Vilfredo Pareto, Émile Durkheim und Max Weber entwickelt Parsons eine "voluntaristische Handlungstheorie", die aus den Dilemmata des Utilitarismus herausführen soll.
In "The Social System" werden die in der "Structure" herausgearbeiteten Grundelemente des Handlns dimensional erweitert und auf die Bildung komplexer Strukturzusammenhänge in Wirtschaft und Gesellschaft bezogen. Parsons bedient sich dabei des empirisch-begrifflichen Instruments der Handlungsalternativen ("pattern variables"), die nicht nur die erschöpfende Analyse des Rollenhandelns ermöglichen, sondern sogar die Grundstrukturen ganzer Gesellschaften bestimmen helfen sollen.
Vor dem Hintergrund der studentischen Unruhen der 1960er Jahre analysieren Parsons und der Psychologe Platt in der Studie "The American University" das in die Krise geratene US-Universitätssystem. Den theoretischen Bezugsrahmen gibt dabei das systemtheoretisch-kybernetische "Vier-Funktionen-Schema" ab, das über das Sozialsystem hinaus auf die "Conditio Humana" angewendet wird. Die "Theorie der symbolisch generalisierten Kommunikations- und Austauschmedien" (Medientheorie) soll dabei dazu dienen, die vielfältigen sozialen Dynamiken zwischen z.B. Universität und Wirtschaftssystem, aber auch Bildung und Persönlichkeit transparent zu machen.
Bewertung
Glühende Verfechter der Soziologie von Talcott Parsons lassen sich gegenwärtig kaum ausmachen. Zu vernichtend wurde besonders der Strukturfunktionalismus nicht nur von linker, sondern auch liberaler Seite kritisiert. Summarisch und stichwortartig lässt sich diese Generalattacke so darstellen:
1. Der Strukturfunktionalismus geht eine unheilvolle Allianz mit dem Freudschen Ödipalismus ein. Der zum "Persönlichkeitsssystem" zusammengefaltete Mensch folgt, soweit er sich nicht "abweichend" (deviant) verhält, zwanglos den normativen Vorgaben ihm übergeordneter Systemstrukturen.
2. Der Strukturfunktionalismus binarisiert Handlungsoptionen und lässt dementsprechend Ambivalenzen und hybride Formen des Handelns aus dem systemischen Ordnungsrahmen fallen.
3. Dem Systemfunktionalismus liegt ein teleologischer Evolutionismus zugrunde. Die amerikanische Gesellschaft erscheint als zivilisatorischer Gipfelpunkt. Systemkrisen erscheinen als rational behebbar.
So vernichtend diese Kritik auch immer ausgefallen sein mag, hat sie doch eine Trümmerlandschaft hinterlassen, aus deren Ruinen sich Neuansätze rekonstruieren lassen. So bietet die Theorie des voluntaristischen Handelns des Parsonsschen Frühwerks – für sich betrachtet – ein durchaus radikales Potenzial. Sein Sytemfunktionalismus des Spätwerks, einschließlich der Theorie der Interaktionsmedien, hat bereits Eingang in linke Entwürfe gefunden. Louis Althussers Strukturalismus, aber auch Jürgen Habermas' Kritik des Spätkapitalismus haben von Parsons produktiven Gebrauch machen können. Schließlich lässt sich seine Apologie der US-Gesellschaft als imperiale Denkarbeit begreifen, die jedwede Kritik globaler Produktionsverhältnisse zur Kenntnis nehmen sollte.
Literatur
Jeffrey C. Alexander (1983). The Modern Reconstruction of Classical Thought: Talcott Parsons. (Theoretical Logic in Sociology Volume Four)