Maxim Gorki

russischer Schriftsteller (1868–1936)
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 16. September 2003 um 18:18 Uhr durch Hunne (Diskussion | Beiträge) (Literaturangaben). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.


Maxim Gorki (eigentlich: Alexei Maximowitsch Peschkow) (* 28. März 1868 in Nischni Nowgorod, † 18. Juni 1936) war ein russischer Schriftsteller.

Leben

Ich glaube, dass eine Zeit kommen wird, wo das Werk Gorkis vergessen ist, aber es ist zweifelhaft, ob man auch in tausend Jahren den Menschen Gorki vergessen wird können.
(Anton Tschechow)

Alexej Peschkow wächst in einer Zeit, in der die soziale Ungerechtigkeit in Russland zu einem wichtigen Thema der literarischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung geworden ist, in ärmsten Verhältnissen auf. Sein Großvater war Wolgatreidler, sein Vater, der früh starb, Tischler. Die Familie lebt häufig in Kellerlöchern, körperliche Gewalt innerhalb der Familie ist nichts Außergewöhnliches.

Ab seinem zehnten Lebensjahr muss Alexei Peschkow - zunächst als Lumpensammler - selbst Geld verdienen. Bevor er von seiner literarischen Tätigkeit leben konnte, arbeitete er u.a. als Laufjunge, Küchenjunge, Vogelhändler, Verkäufer, Ikonenmaler, Schiffsentlader, Bäckergeselle, Maurer, Nachtwächter, Eisenbahner und Rechtsanwaltsgehilfe.

In den späten 80er Jahren des 19. Jahrhunderts kommt er in Kasan, wo er sich erfolglos um eine Aufnahme an der Universität bemüht hat, erstmals in Kontakt mit der revolutionären Bewegung. Er arbeitet bei einem Bäcker, dessen Laden gleichzeitig Bibliothek eines marxistischen Geheimzirkels ist. Er liest viel und eignet sich als Autodidakt ein umfassendes, aber unsystematisches Wissen an. Die unüberwindliche Kluft zwischen ihm und der studierenden Jugend macht ihm schwer zu schaffen und ist möglicherweise der Grund für einen 1887 begangenen Selbstmordversuch. Er durchlöchert sich dabei die Lunge, was eine lebenslange Tuberkulose zur Folge hat.

1889 wird die zaristischen Polizei wegen seiner revolutionären Kontakte erstmals auf ihn aufmerksam. Im selben Jahr legt er dem Schriftsteller Wladimir Korolenko ein Poem vor und erntet eine schonungslose Kritik. Er wendet sich vorläufig von der Literatur ab und zieht zu Fuß durch Russland, die Ukraine und über den Kaukasus bis nach Tiflis. Dort kommt er mit Revolutionären und Studenten in Kontakt, die ihn ermuntern, seine Erlebnisse literarisch festzuhalten. Seine erste Erzählung Makar Tschudra, die am 12. September 1892 in der Provinzzeitung Kawkas erscheint unterzeichnet Alexei Peschkow mit dem Pseudonym Maxim Gorki.

Gorki zieht nach Samara, wo er auf Vermittlung Korolenkos eine Stelle als Journalist bei einer Provinzzeitung bekommen hat. 1894 gelingt ihm mit der Erzählung Tschelkasch der Durchbruch als Schriftsteller. Auch die 1898 veröffentlichten Skizzen und Erzählungen sind ein großer Erfolg. 1901 verfasst er nach einer Studentendemonstration in Sankt Petersburg, die durch das brutale Eingreifen der Polizei in einem Massenmassaker endete, das Lied vom Sturmvogel. Der Sturm, von dem dieser Vogel mit der Kraft des Zorns, der Flamme der Leidenschaft und der Gewissheit des Sieges kündet, wird von in revolutionären Kreisen als die Revolution aufgefasst und das Poem auf einschlägigen Versammlungen vorgetragen.

Nach dem Erfolg seiner Theaterstücke Die Kleinbürger (1901) und Nachtasyl (1902) ist Gorki ist so populär, dass die verschiedenen Versuche des Regimes, gegen ihn vorzugehen, immer wieder Proteststürme auslösen. Während einer Reise auf die Krim, wohin er wegen der Unterzeichnung eines Traktats gegen die offizielle Darstellung der erwähnten Demonstration verwiesen wird, bereiten ihm seine Freunde und Verehrer - unter ihnen Fjodor Schaljapin und Iwan Bunin - in Podolsk einen triumphierenden Empfang. Gegen den Beschluss Zar Nikolaus II. Gorkis Ernennung zum Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften rückgängig zu machen, protestierten u.a. Anton Tschechow und Wladimir Korolenko. Nach seinem Protest gegen das Niedermetzeln von unbewaffneten Zivilisten, die am 9. Jänner 1905, dem so genannten Blutsonntag vor dem Petersburger Winterpalast gegen die menschenunwürdige Lage der Arbeiter demonstrierten, wird er in der Peter-und-Pauls-Festung inhaftiert, aber, nachdem auch die ausländische Presse sich darüber empört hat, wieder freigelassen.

1905 lernt Gorki Lenin kennen. Dieser ist Chefredakteur bei der Zeitschrift Nowaja Schisn (Neues Leben), die von Gorki mitbegründet wird. In der kurzen Zeit der politischen Lockerung nach der Februarrevolution von 1905 ist Gorki in Veröffentlichungen und auf Versammlungen unermüdlich für die Revolution tätig.

Als das politische Klima schon bald wieder strenger wird, geht er ins Ausland. In Frankreich agitiert er gegen eine Anleihe der westlichen Staaten an das nach dem Russisch-Japanischen Krieg geschwächte Russland. Als die Anleihe doch gewährt wird, schreibt er das beleidigende Pamphlet Das schöne Frankreich. In den USA soll er Parteispenden sammeln, bleibt aber relativ erfolglos, nachdem seine Gegner die Tatsache, dass er mit seiner Begleiterin Marja Andrejewa nicht verheiratet ist, gegen ihn ausgespielt haben.

In einem Landhaus in den Adirondacks-Bergen schreibt Gorki u.a. den Roman Die Mutter, den ihm Lenin später immer wieder als positives Beispiel seiner Literatur vorhalten wird und der in der Sowjetunion zum Klassiker hochstilisiert wird.

Nach seiner offenen Agitation gegen die Anleihe ist es für Gorki nicht möglich, nach Russland zurückzukehren. Er verbringt die Jahre 1907 bis 1913 auf Capri, wo sich allerdings ausschließlich mit russischen und revolutionären Themen beschäftigt. Er gründet mit Lenins Unterstützung eine Schule für Revolutionäre und Propagandisten, empfängt zahlreiche Besucher, die zu ihm gepilgert kommen und beantwortet unzählige Briefe von Leuten aus Russland, die sich mit ihren Sorgen und Hoffnungen an ihn wenden.

In diese Zeit fällt Gorkis erste Auseinandersetzung mit Lenin. Gorki, für den die Religion immer eine wichtige Rolle gespielt hat, schließt sich den Theorien der Gotterbauer um Alexander Alexandrowitsch Bogdanow an, die von Lenin als "Abweichung vom Marxismus" verurteilt werden. Der Konflikt entspinnt sich vor allem um Gorkis Schrift Eine Beichte, in der er versucht, Christentum und Marxismus zu versöhnen und flammt 1913 noch einmal auf, als Gorki in einer Schrift gegen den "zersetzenden Geist Dostojewskis" dafür plädiert "die Gottsuche zeitweilig beseite zu lassen".

Eine Amnestie anlässlich des dreihundertjährigen Jubiläums des Hauses Romanow im Jahr 1913 bietet Gorki die Möglichkeit wieder nach Russland zurückzukehren.

Gorkis Skepsis gegenüber der Oktoberrevolution von 1917 ist der Grund für seine zweite große Auseinandersetzung mit Lenin. Gorki ist zwar grundsätzlich für eine soziale Revolution, meint aber, dass das russische Volk dafür noch nicht reif ist; dass die Massen erst das nötige Bewusstsein entwickeln müssen, um sich aus ihrer Misere zu erheben. Er spricht später von seiner damaligen Furcht, dass die Diktatur des Proletariats zur Auflösung und Vernichtung der einzigen wahrhaft revolutionären Kraft, die wir damals besaßen, führen könnte: der bolschewistischen, politisch geschulten Arbeiter. Diese Vernichtung hätte auf lange Zeit auch die Idee der sozialen Revolution selbst kompromittiert [...]

Gleich nach der Revolution gründet Gorki verschiedene Vereine, um dem von ihm befürchteten Verfall von Wissenschaft und Kultur entgegenzuarbeiten. Der Ausschuss zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Gelehrten etwa soll Angehörige der Intelligenzija unterstützen, die nach der Revolution besonders unter Hunger, Kälte und politischer Willkür zu leiden haben. 1918 wird die Zeitschrift Nowaja Schisn - nun Gorkis Plattform, in der er gegen Lenins Prawda polemisiert und Lynchjustiz und das Gift der Macht brandmarkt - verboten. Bald wurde Gorkis Opposition Lenin so lästig, dass er ihm nahelegte, seine Tuberkulose in ausländischen Sanatorien behandeln zu lassen.

Die Jahre 1921 bis 1924 verbringt Gorki in Berlin. Skeptisch gegenüber Lenins Nachfolgern entschließt er sich auch nach dessen Tod nicht, nach Russland zurückzukehren, sondern geht wieder nach Italien. Die faschistische Regierung erlaubt ihm erst nach einigem Zögern sich in Sorrent niederzulassen. Dort bleibt er bis 1927 und schreibt Erinnerungen an Lenin, in denen er Lenin als den Menschen bezeichnet, den er am meisten geliebt hat. Außerdem arbeitet er dort an den umfangreichen Romanen Das Werk der Artamonows und Das Leben des Klim Samgin.

Am 22. Oktober 1927 beschließt die Kommunistische Akademie in einer Festsitzung anläßlich Gorkis 35-jährigen Autorenjubiläums, ihn als proletarischen Schriftsteller anzuerkennen. Als Gorki bald darauf nach Russland zurückkehrt, werden ihm alle möglichen Ehrungen zuteil: Gorki bekommt den Leninorden und wird Mitglied des Zentralkomitees der KPdSU. Sein sechzigster Geburtstag wird im ganzen Land feierlich begangen, zahlreiche Institutionen, u.a. das Moskauer Künstlertheater und das Moskauer Literaturinstitut, werden nach ihm benannt. Seine Geburtsstadt Nischni Nowgorod wird in Gorki umbenannt.

In zahlreichen literaturwissenschaftlichen Werken der Zeit werden jene Elemente seines Schaffens hervorgehoben, die in den Kanon des Sozialistischen Realismus passen, andere verschwiegen. Die Mutter, Gorkis einziges Werk, wo der Held als Fabriksarbeiter ein echter Proletarier ist, soll als Vorbild für die neue, streng reglementierte Literatur dienen.

In diesen letzten Lebensjahren bezeichnet Gorki selbst seine frühere Skepsis der Revolution gegenüber als Irrtum und wird zu Stalins Vorzeigeschriftsteller. Auf Reisen durch die Sowjetunion bestaunt er die Errungenschaften des Fortschritts der letzten Jahre. Die Schattenseiten scheint er nicht zu bemerken. So ist er auch Redakteur des Buches Der Weißmeer-Ostsee-Kanal, in dem das Werk von hunderttausenden von Zwangsarbeitern als große Errungenschaft besungen wird. Die meiste Zeit verbringt er in einer Villa in der Nähe von Moskau, wo er rund um die Uhr von Spitzeln des KGB überwacht wird. Er ist - wie schon zuvor - um die Aufklärung der Bevölkerung und die Förderung junger Schriftsteller bemüht und gründet u.a. die bekannte Bibliographien-Reihe Das Leben bemerkenswerter Persönlichkeiten und die Zeitschrift Literarische Lehre, die jungen Autoren das literarische Handwerk beibringen will.

Am 18. Juni 1936 erliegt Gorki den Folgen einer Lungenentzündung. Die Gerüchte, dass er von Stalin aus dem Weg geräumt wurde, haben sich bisher ebensowenig bestätigen lassen wie die, dass er einer trotzkistischen Verschwörung zum Opfer gefallen ist.

Werk

Wirkung

Literatur

  • Gourfinkel, Nina: Gorki. Hamburg: Rowohlt 1953. (=rowohlts monographien 9)
  • Waegemans, Emmanuel: Geschichte der russischen Literatur von Peter dem Großen bis zu Gegenwart. Konstanz: Universitätsverlag Konstanz 1998. ISBN 3879405743