Spätantike
Spätantike bezeichnet einen relativ eigenständiger Zeitraum der Antike, der den Übergangszeitraum zum Mittelalter kennzeichnet, der zwar nicht mehr der "klassischen Antike" angehört, aber auch noch nicht dem Mittelalter. Der Begriff wurde ursprünglich vom Kunsthistoriker Alois Riegel im 19. Jahrhundert geprägt und bald darauf von der historischen Forschung aufgegriffen, um den komplexen Zeitabschnitt zu charakterisieren, der von einer grundlegenden Verwandlung der Mittelmeerwelt geprägt war.
Datierungsproblematik und allgemeine Charakteristika der Epoche
Die Datierung der Spätantike ist aufgrund verschiedener Forschungsmeinungen umstritten. Während für den Beginn in der Regel das Jahr 284 n.Chr. (Herrschaftsantritt Diokletians) angegeben wird, ist das Ende hingegen weitgehend offen, da verschiedene Ansätze möglich sind. Meistens wird ein Zeitabschnitt von der Reichsteilung durch den römischen Kaiser Theodosius I. im Jahre 395 bis zum Ende des römischen Reiches im Westen 476 n.Chr., oder bis zum Ende der Regierung Justinians I. gewählt (also etwa bis zum Jahr 565 n.Chr.). Manche Historiker setzten das Ende sogar noch später an und zwar mit dem Einbruch der Araber in den Mittelmeerraum (siehe auch so genannte Pirenne-These).
Das Byzantinische Reich existierte zudem in einer intakten (allerdings später stark gewandelten) Spätantike bis 1453 (Fall Konstantinopels), da es im Osten zu keinem Bruch gekommen war wie im Westen, wo das Kaisertum untergegangen war.
Die in der älteren Forschung vertretene Auffassung, dass die Spätantike ein Zeitalter moralischen und kulturellen Verfalls gewesen sei (Dekadenztheorie nach Edward Gibbon: Decline and Fall of the Roman Empire; auch Voltaire: Essai sur les moeurs et l'esprit des nations; Assoziation von spät mit Dahinwelken, Verfall), ist nach allgemeiner Ansicht inzwischen obsolet geworden; sie wird in neueren Darstellungen nicht mehr angeführt, ist in populären Darstellungen und im Film aber immer noch verbreitet.
Die Spätantike ist eine Zeit des Um- und Aufbruchs, zwischen Antike und Mittelalter. Für die Formierung Europas war sie von großer Bedeutung, da in dieser Zeit das Christentum seine Herrschaft antrat, die eigentliche Völkerwanderung stattfand, in dessen Zusammenhang das Römische Reich zusammenbrach und die Germanen eigene Reiche auf dem Boden des Imperiums gründeten.
Geschichtlicher Grundriss
Diokletian - Stabilisierung und Reform
Mit dem Regierungsantritt Kaisers Diokletian trat das Römische Reich in seine Spätphase ein. Diokletian bemühte sich nach der Krise in der Zeit der Soldatenkaiser die Reich zu stabilisieren und zu reformieren. So kam es zu einer grundlegenden Reform der Verwaltung, wie etwa zu einer stärkeren Zentralisierung und Bürokratisierung, was sich auch in einem restriktiveren Steuersystem bemerkbar machte. Auch wurde das Reich in Diözesen eingeteilt, um so eine bessere Verwaltung zu garantieren.
Auch das Heer wurde reformiert. Es wurde in ein Marsch- (Comitatenses) und ein Grenzheer (Limitanei) aufgeteilt, so dass Durchbrüche an der Grenze leicher mit dem Bewegungsheer abgefangen werden konnten (endgültig wurde die Armeereform erst unter Konstantin vollendet, siehe unten; allerdings war die Idee eines mobilen Eingreifheeres nicht völlig neu). Diese Reformen sollten sich insgesamt bewähren und dem Chaos, das teils noch in der Zeit der Soldatenkaiser geherrscht hatte, ein Ende bereiten. Im Osten behauptete sich Rom gegen das Persien der Sassaniden, die 297 von Diokletians Caesar Galerius geschlagen wurden, und die militärischen Reformen stärkten auch die Grenzverteidigung an Rhein und Donau.
Weniger Erfolg hatte Diokletian allerdings mit dem von ihm erdachten Regierungssystem der Tetrarchie (Viererherrschaft), welches je zwei Seniorkaiser (Augusti) und zwei Juniorkaiser (Caesares) vorsah und zudem religiös durch die künstliche "Adoption" der Götter zementiert wurde. So nahm etwa Diokletian, der auch in diesem System weiterhin die bestimmende Figur war, den Beinamen Iovius an (etwa = Schützling und Abkömmling des Gottes Jupiter). Das System konnte sich gegen die dynastische Idee jedoch nicht durchsetzen, wie es die Ereignisse nach Diokletians freiwilligen Rücktritt 305 zeigen sollten.
Konstantin der Große und der Durchbruch des Christentums
Konstantin der Große, der Sohn des Tetrarchen Constantius Chlorus, setzte sich in dem Machtkampf durch, der kurz nach dem Rücktritt Diokletians 305 entbrannt war. Zuerst bekämpfte Konstantin Maxentius, der ebenfalls der Sohn eines Tetrarchen gewesen war (des Maximian, dessen Tochter Konstantin sogar geheiratet hatte). Im Zusammenhang des Machkampfes zwischen Konstantin und Maxentius kam es 312 zur Schlacht bei der Milvischen Brücke und zur rätselhaften "Bekehrung" Konstantins zum Christentum, da ihm angeblich vor der Schlacht das Zeichen des Kreuzes erschienen war und er anschließend im Zeichen des Kreuzes auch den Sieg errang. Nach 324 war Konstantin Alleinherrscher des Reiches, nachdem er auch seinen letzten Konkurrenten Licinius im Osten ausgeschaltet hatte. Konstantin baute anschließend die Reformen des Diokletian weiter aus. Unter seiner Herrschaft erfolgte auch der weitreichenste Schritt eines römischen Kaisers seit der Begründung des Prinzipats durch Augustus: die Förderung des Christentums als eine priviligierte Religion, auch wenn Konstantins eigenes Verhältnis zum Christentum weiterhin in der Forschung umstritten ist. Konstantin ließ zudem eine neue Hauptstadt errichten: Konstantinopel, Stadt des Konstantin, das neue Rom. Damit verlagerte sich der Schwerpunkt des Reiches endgültig nach Osten.
Das Ende der konstantinischen Dynastie
Nach dem Tod Konstantins 337 entbrannte ein blutiger Machtkampf, der die konstantinische Dynastie dezimierte. Konstantins Sohn Constantius II. setzte sich schließlich 351 als Alleinherrscher durch. Doch kam es später zum Konflikt mit seinem beim gallischen Heer beliebten Vetter Julian, später Julian Apostata (der Abtrünnige) genannt. Dieser folgte Constantius 361 als Kaiser nach und versuchte eine Renaissance des Heidentums einzuleiten, was jedoch misslang. Nach dem Tod Kaiser Julians auf einem Feldzug gegen die Sassaniden 363 blieb das Christentum die beherrschende Religion und alle nachfolgenden Kaiser waren Christen, wie bereits der Julian nachfolgende Jovian. Der Osten wurde immer stärker christianisiert, aber auch der Westen, vor Konstantin weitgehend heidnisch, öffnete sich mehr und mehr dem Christentum (siehe Augustinus von Hippo), auch wenn es in der Folgezeit zu einer ganzen Reihe von schweren innerkirchlichen Krisen kam (Donatisten, Arianer, später im Osten die Monophysiten).
Außenpolitisch kam das Reich nicht zur Ruhe: im Norden und entlang der Donau wurde es von Germanen und später von den Hunnen bedrängt, während im Osten die Gefahr durch die Sassaniden weiter bestand.
Von Valentinian I. bis zum Tod Theodosius des Großen - Völkerwanderung und die Behauptung des Imperium Romanum
Das Reich wurde seit Kaiser Valentinian I., der Jovian 364 nachfolgte und der letzte fähige Kaiser im Westen war, wieder von je zwei Kaisern regiert, da man ansonsten der Lage nicht mehr Herr werden konnte. Zudem setzte in den 70er Jahren des 4. Jahrhunderts die Völkerwanderung in Europa ein. Die vor den Hunnen über die Donau geflüchteten Goten, die zunächst vom Imperium aufgenommen wurden, dann aber aufgrund von römischen Repressalien revoltierten, fügten dem Bruder Valentinians I., Valens, der als Kaiser im Osten des Reiches fungierte, 378 in der Schlacht von Adrianopel eine vernichtende Niederlage zu. Valens fiel in dieser Schlacht, und Gratian, der älteste Sohn Valentinians I., dessen Nachfolge er 375 angetreten hatte, setzte 379 den fähigen Spanier Theodosius I. als Kaiser im Ostteil des Imperiums ein. Theodosius übernahm denn die schwierige Aufgabe, dem Osten des Reiches wieder Ruhe zu schenken. 382 schloss er einen Vertrag mit den Goten, wonach sie im Reich bleiben konnten und als Soldaten (Foederati) dienen sollten, aber autonom blieben. 387 folgte ein Vertrag mit Persien in Bezug auf den Zankapfel Armenien. Theodosius, dem später für seine rigorose antiheidnische Kirchenpolitik der Beiname der Große gegeben wurde, hatte das fast Unmögliche geschafft: der Osten war wenigstens vorläufig wieder stabilisiert.
Im Westen hatten sich währenddessen die Ereignisse überschlagen: Gratian, der einige erfolgreiche Feldzüge, wie gegen die Alemannen geführt hatte, wurde 383 infolge eines Aufstandes in der Armee in Britannien, der sich rasch auf das Festland ausgebreitet hatten, in Lyon von revoltierenden Soldaten ermordet. Theodosius hatte sich mit dem Usurpator Maximus noch einigen können und ihn schließlich 388 sogar hingerichtet. Daraufhin übergab er dem jungen Valentinian II., dem jüngeren Bruder Gratians, die Herrschaft im Westen. Doch kam Valentinian II. 392 um, vermutlich von dem Heermeister (Magister militum) des Westens, Arbogast, in den Tod getrieben, der anschließend den heidnisch gesinnten Eugenius zum Kaiser erhob. Theodosius marschierte wieder in den Westen und vernichtete das Heer des Eugenius 394 in der Schlacht am Frigidus. Eugenius wurde hingerichtet, woraufhin Arbogast sich das Leben nahm. Das Heidentum, welches Theodosius bereits 380/81 in mehreren Gesetzen empfindlich beeinträchtigt und durch weitergehende Gesetz in Jahren 391 und 392 verboten hatte, erhielt damit den endgültigen politischen Todesstoß. Theodosius einigte das Reich noch einmal für eine kurze Zeit, bevor es nach seinem Tod unter seinen Söhnen Honorius (im Westen) und Arcadius (im Osten) 395 zur endgültigen Reichsteilung kam.
Von der Reichsteilung 395 bis zur Eroberung Roms 410
Im Osten begann eine Periode relativen Friedens, der nur von gelegentlichen Kämpfen an der Donaufront (Hunnen und Germanen) und ab dem späten 5. Jahrhundert an der Ostgrenze gegen die Sassaniden gestört wurde. Erst in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts musste sich auch das Ostreich wieder verstärkt der Abwehr seiner Grenzen zuwenden. Der Osten war wirtschaftlich weiterhin der stärkere Reichsteil und konnte noch immer große Summen Geldes mobilisieren; zudem gelang es der oströmischen Diplomatie, mehrere Angriffswellen nach Westen umzuleiten. Vor allem konnte der Einfluss der Heeresmeister, die oft barbarischer Abstammung waren, teils eingedämmt und schließlich zurückgedrängt werden. Arcadius und sein Sohn Theodosius II. waren zwar keine fähigen Herrscher, doch funktionierte die Verwaltung des Reiches weiterhin relativ reibungslos, auch wenn es zu Beginn der Regierungszeit des Arcadius zu einem Konflikt mit dem Westreich um den Besitz des Illyricum gekommen war.
Der Westkaiser Honorius hatte eine Zeitlang, vom mächtigen Heeresmeister Stilicho gedrängt, sogar erwogen gegen das Ostreich militärisch vorzugehen, was aber unterblieben war, zumal die Reichsgrenze am Rhein 406 endgültig kollabierte und sich eine wahre Flut von Germanen über das Westreich ergoss. 408 wurde auch der fähige Stilicho mit dem Wissen seines Schwiegersohnes Honorius umgebracht. Es zeigte sich wieder einmal, dass die Kaiser allzu mächtigen Militärs misstrauten - und dies nicht immer zu Unrecht.
Der Westen kam nicht mehr zur Ruhe. Von Germanen und Hunnen bedroht, zudem immer der Gefahr eines Putsches durch den Magister militum ausgesetzt und teils von unfähigen Kindkaisern regiert (wie Honorius), verlor das Weströmische Reich nach und nach seine wichtigsten Provinzen an die Germanen. Britannien ging zu Beginn des 5. Jahrhunderts verloren, während sich die weströmische Armee, die immer mehr durch die Aufnahme von Germanen barbarisiert worden war, nach dem Tod des Aetius um die Mitte des 5. Jahrhunderts de facto selbst auflöste. Im Westen formierten sich ab der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts auf dem Boden des Imperium Romanum germanische Reiche (Vandalen, Westgoten, Franken, Angelsachsen, Ostgoten u.a.), und 410 wurde gar Rom, zwar längst nicht mehr Hauptstadt des Westreiches, aber immer noch ein Prestigeobjekt, von den Westgoten unter Alarich geplündert. Dieser war schon zuvor im Ostreich aktiv gewesen war, teils als Verbündeter des Stilicho und Westroms, teils auf eigene Faust. Der Fall Roms war ein Fanal - für die Heiden war dies ein untrügliches Zeichen der Götter, die das Reich für die Abkehr vom alten Glauben bestrafen wollten. Augustinus von Hippo schrieb daraufhin sein großes Werk De Civitate Dei (Über den Gottesstaat), als direkte Antwort auf diese Unterstellung.
Stabilisierung im Osten und der Zusammenbruch des Westens
Die militärische Katastrophe war für den Westen mit dem Zusammenbruch der Rheingrenze 406 vollkommen. Die wichtigsten Provinzen des Reiches gingen den weströmischen Kaisern (die seit Honorius in Ravenna residierten) verloren. Die Westgoten wurden 418 in Aquitanien angesiedelt, wo sie bald darauf einen Staat im Staate errichteten, was jedoch im Einvernehmen mit der einheimischen Aristokratie geschah - es existierte ohnehin kein schlagkräftiges römisches Heer im Westen mehr. Die Westgoten nahmen bald darauf mit den Sueben Hispanien in Besitz. Die Vandalen setzten 429 nach Africa über und entrissen diese reichste Provinz dem Zugriff des weströmischen Kaisers, der nun noch effektiv über Italien und Teile Süd-Galliens herrschte. Die Gefahr der Hunnen unter Attila konnte jedoch durch den Magister militum Aetius 451 abgewendet werden, der dabei bezweichnenderweise auf germanische Foederati zurückgreifen musste. Doch ließ Kaiser Valentinian III., der letzte Kaiser des Westens aus der theodosianischen Dynastie, den General aus Furcht vor dessen Einfluss 454 umbringen - was der Kaiser bald darauf mit dem Leben bezahlte.
Die nachfolgenden Kaiser waren kaum fähiger, zumal nach dem Ende des Aetius bis 472 der Magister militum Ricimer de facto alleine die Reichsgeschäfte im Westen führte. Ricimer konnte durchaus einige kleinere Erfolge im Abwehrkampf Westroms verbuchen, dennoch wurde Rom 455 von den Vandalen geplündert. Eine gemeinsame Operation des West- und des Ostreiches gegen die Vandalen scheiterte denn 468, was zur Anerkennung des Vandalenreiches durch Byzanz führte.
Der Osten hingegen erwehrte sich der äußeren Bedrohung. Kaiser Markian, der 450 die Nachfolge von Theodsius I. antrat, verweigerte gar den Hunnen den Tribut und schaffte es, dass sie ihre Angriffe gegen das Westreich richteten.
Mit der Absetzung von Romulus Augustulus 476 durch Odoaker erlosch das weströmische Reich (letzter legitimer Kaiser war allerdings Julius Nepos, gestorben 480), welches jedoch bereits seit der Reichsteilung, spätestens aber nach dem Zusammenbruch der Rheingrenze kaum noch lebensfähig gewesen ist.
Ausblick: Von der antiken Welt ins Mittelalter
Das ökonomisch gesündere und dichter bevölkerte Oströmische Reich konnte sich im Gegensatz zum weströmischen Reich behaupten. Kaiser Leo I. schaltete mit Hilfe des späteren Kaisers Zenon den gotischen Heeresmeister Aspar aus. Anastasios I. hinterließ seinen Nachfolgern den gewaltigsten Staatsschatz in der römischen Geschichte. Und unter Kaiser Justinian I. konnte das Ostreich gar zu einer Restauratio imperii ansetzen, wobei dieser Versuch der Wiederherstellung des Imperiums allerdings nur kurzfristige Erfolge einbrachte. Im oströmischen beziehungsweise byzantinschen Reich bestand das römische Reich staatsrechtlich fort - ebenso lebte dort die Kultur der Antike weiter, wobei freilich das kulturelle Leben in Byzanz in den nachfolgenden Jahrhunderten eine Transformation erfuhr und Byzanz bald nach Justinian schon eigene Wege ging.
Währenddessen kam im Westen zu einer Transformation hin zu einer germanisch-romanischen Welt: 496 ließ sich der Frankenkönig Chlodwig I. taufen und nahm das römische Erbe in Gallien an, während in Italien der Ostgote Theoderich der Große sein Reich weiterhin nach römischen Muster führen ließ. Das Frühmittelalter nahm in den folgenden Jahrzehnten langsam Gestalt an, wobei es jedoch im Westen parallel zu einem kulturellen Niedergang kam (wie unter anderem am Rückgang der Schriftlichkeit oder der Verfall der Städte ersichtlich). Erst nach und nach entdeckte man dort wieder die antiken Wurzeln: von antiken Schriftstellern bis zum bahnbrechenden Corpus iuris civilis.
Sozial-kultureller Grundriss
Kulturelles Leben
In der Spätantike blühte, trotz der durch die vielen Kriege bedingten Härten, die Literatur auf. Gerade die syrische Literatur brachte einige bedeutende Werke hervor. In der lateinischen Literatur sei an das Geschichtswerk des Ammianus Marcellinus, der Trost der Philosophie des Boethius, die Werke des Augustinus von Hippo, Ausonius, Cassiodor u.a. gedacht. Im griechischen Osten des Reiches ist besonders ein Libanios hervorzuheben, während im Bereich des Neuplatonismus eine Fülle von Werken entstanden, um nur einige, wenige Beispiele zu nennen; gleichzeitig setzte sich das Buch gegenüber der Schreibrolle durch und es entstanden neue Bautypen (Basilika). In Bereich der bildenden Künste sei außerdem auf die Mosaikkunst hingewiesen.
Im Westen hatte sich Latein fast völlig durchgesetzt. Die griechisch-sprachigen Gebiete in Italien und auf Sizilien verschwanden. Erst nach den Eroberungen Justinians I. kam es zu einer Gräzisierung dieser Regionen. Im Osten war Griechisch absolut vorherrschend, nur im Heer, der Verwaltung und Teilen Thrakiens sprach man noch Latein. Allerdings ist allgemein zu konstatieren, dass die Sprachfähigkeit der Oberschichten (im Westen Griechisch, im Osten Latein) zurückging (vgl. Jones, Later Roman Empire).
Wirtschaft
Im Westen war zwar ein gewisser Bevölkerungsrückgang festzustellen, aber dieser setzte erst im 5. und 6.Jahrhundert in voller Stärke ein. Die großen Städte, im Westen vor allem Rom und Karthago, im Osten Konstantinopel, Antiochia, Alexandria standen immer noch in ihrer Blüte und verfielen (im Westen) erst nach den Eroberungen durch die Germanen. Der Westen erlebte, auch bedingt durch den Einfall der Germanen, einen wirtschaftlichen Niedergang. Dem Osten erging es wirtschaftlich gesehen wesentlich besser, auch aufgrund der Tatsache, dass die wichtigen Industrien und Handelszentren im Osten lagen, wo auch die Seidenstraße endete und es einen regen Handelsaustauch mit Persien gab.
Das Vermögen verteilte sich auf eine relativ kleine Oberschicht, die sich auch mehr und mehr auf prächtige Landgüter zurückzog, während ein Großteil der Bevölkerung, wie auch schon zuvor, als arm galt, allerdings nicht unbedingt als verelendet. Es galt eben, seinen Tageslohn zu bestreiten. Auf dem Land galt für die Pächter in der Regel die Bindung an das zu bearbeitende Stück Land, was aber nicht immer verwirklicht werden konnte. Auf dem Land (vor allem in Gallien) kam es jedoch auch zu Aufständen der so genannten Bagauden. Wie die Rolle der Sklaven einzustufen ist, ist in der Forschung umstritten, allerdings ist davon auszugehen, dass es keinen wirklichen Bruch gegenüber der vorherigen Praxis gegeben hat.
Der spätrömische Staat und Bedeutungsgewinn der Kirche
Der Kaiser nahm im spätrömischen Reich eine Stellung ein, nicht unähnlich der eines Vizekönig Gottes auf Erden, wobei er allerdings immer noch an das altrömische Prinzip der Fürsorgepflicht gebunden war und auch die Erhebung eines neuen Kaisers durch Akklamation durchgeführt wurde. Im Inneren zeichnete sich ein Trend zur stärkeren Zentralisierung der Verwaltung ab. Die Bürokratie nahm zu, während die Armee im Westen nach und nach vernachlässigt und barbarisiert wurde, was schließlich im 5. Jahrhundert zur faktischen Selbstauflösung des Heeres führte, zumal im Westen auch die finanziellen Mittel zum Unterhalt fehlten.
Die Kirche trat vor allem im Westen an Stelle des dort nicht mehr funktionsfähigen Staates (im 5. Jahrhundert). Im Inneren wurde ihre Stellung nach und nach gefestigt. Es kam jedoch zu mehreren Kontroversen: sowohl das Heidentum (welches noch im 5. und 6. Jahrhundert aktiv war) als auch theologischen Differenzen innerhalb der Kirche erschwerten die innere Festigung (siehe Konzil von Nicäa; Arianismus; Monophysitismus). Hinzu kam der Schock von 410 (Plünderung Roms), auf den Augustinus, Orosius und andere literarisch reagierten. Auch entwickelte sich in der Spätantike das Amt des Bischofs von Rom hin zum Papsttum, während im Osten, genauer gesagt in Ägypten, das Mönchtum seinen Anfang nahm.
Kultureller Wandel
Im Westen setzte bereits im 5. Jahrhundert ein Transformationsprozess ein, der langsam, eben bedingt durch die Entstehung germanischer Reiche auf dem Boden des Imperiums, zum Übergang ins Frühmittelalter führte, wobei die Germanen keineswegs versuchten, die römische Kultur zu beseitigen, wie die römische Verwaltungspraxis von Theoderich dem Großen oder die Rechtspraxis der Westgoten zeigt. Dennoch waren die Grenzen fließend: im Osten kam es zu keinem Ereignis wie im Westen 476 - wobei die moderne Forschung allerdings den Untergang Westroms nicht mehr so sehr als Zäsur begreift wie es noch die ältere Forschung tat. Doch beendete der Einbruch der Araber zu Beginn des 7. Jahrhunderts endgültig die (wenn auch nur noch bedingt gegebene) Einheit der Mittelmeerwelt (siehe Islamische Expansion).
Zeitleiste
- 284: Regierungsantritt Diokletians. Reichsreform und erfolgreiche Stabilisierung der Grenzen.
- 285: Ernennung von Maximian zum Caesar.
- 286: Maximian wird zum Augustus im Westen ernannt.
- 293: Constantius Chlorus wird im Westen, Galerius im Osten zum Caesar erhoben (Tetrarchie).
- 1. Mai 305: Rücktritt Diokletians, der auch Maximian zu diesem Schritt zwingt.
- 306: Tod des Constantius Chlorus. Konstantin der Große wird in York zum Kaiser ausgerufen. Zusammenbruch der tetrarchischen Ordnung.
- 308: "Kaiserkonferenz von Carnuntum", die jedoch kein Ergebnis bringt.
- 28. Oktober 312: Schlacht bei der Milvischen Brücke; Sieg Konstantins über Maxentius und "Bekehrungserlebnis".
- 324: Alleinherrschaft Konstantins nach dem Sieg über Licinius bei Chrysopolis.
- 325: Konzil von Nicäa
- 337: Taufe und Tod Konstantins in Achyrona, einer Vorstadt von Nikomedia. Im Anschluss daran kommt es zu einer Reihe von Morden, die die konstantinische Dynastie dezimieren. Constantius II. erhält 338 den Ostteil des Reiches, seine beiden anderen Brüder (Constans und Konstantin II.) den Westen.
- 340: Constans ist im Westen Alleinherrscher, wird aber 350 von Magnentius umgebracht.
- 351: Sieg Constantius II. bei Mursa über den Usurpator Magnentius. Constantius II. ist Alleinherrscher des Imperiums.
- 361: Julian Apostata zieht gegen Constantius, der jedoch vorher verstirbt und Julian zu seinem Nachfolger ernannt hat. Letzte große Renaissance des Heidentums.
- 363: Tod Julians während seines Persienfeldzugs. Jovian folgt ihm nach und schließt einen Frieden mit den Sassaniden.
- 364: Valentinian I. wird Kaiser. Er führt erfolgreich Feldzüge gegen die Germanen am Rhein und setzt seinen Bruder Valens als Kaiser im Osten ein.
- ab 375: Beginn der Völkerwanderung im engeren Sinne. Die Hunnen vernichten des Reich der Ostgoten in Südrussland. Gratian wird Kaiser im Westen.
- 376: Donauübergang der Goten und Aufnahme ins Römische Reich.
- 378: Schlacht von Adrianopel. Vernichtung des Großteils des römischen Heeres im Osten und Tod des Valens.
- 379: Gratian setzt Theodosius als Kaiser im Osten ein.
- 382: Gotenvertrag. Theodosius siedelt die Donaugoten auf römischen Boden an.
- 383: Ermordung des Gratian. 388 läßt Theodosius, nunmehr Seniorkaiser, den Usurpator Maximus hinrichten und übertragt Valentinian II. den Westen.
- 392: Tod Valentinans II. 394 marschiert Theodosius in den Westen und wirft die dortige Erhebung nieder. Ein letztes Mal wird die Reichseinheit verwirklicht.
- 17. Januar 395: Tod Theodosius des Großen und anschließende Reichsteilung. Sein Sohn Arcadius erhält den Osten, sein anderer Sohn Honorius den Westen. Es kommt in der Folgezeit zu latenten Spannungen zwischen den beiden Reichen. Raubzüge der Goten unter Alarich I. auf dem Balkan.
- Neujahrsnacht 406/407: Zusammenbruch der Rheingrenze. Germanen überfluten Gallien und Spanien.
- 24. August 410: Plünderung Roms durch die Goten unter Alarich. "Endzeitstimmung".
- 418: Ansiedlung der Westgoten in Aquitanien.
- 439: Einnahme Karthagos durch die Vandalen und damit endgültiger Verlust der Provinz Africa.
- 451: Einbruch der Hunnen in den Westen des Römischen Reiches. Der Heeresmeister des Westens, Aetius stoppt Attila in Gallien.
- 455: Plünderung Roms durch die Vandalen.
- 476: Absetzung des Romulus Augustulus. Ende des weströmischen Reiches.
- 527-565: Justinian I.
Quellensituation und Forschungsstand
Die Quellenlage der Spätantike ist wohl die beste der gesamten Antike, vor allem begründet durch die reichhaltigen monumentalen Quellen. Allerdings verfügen wir über keine durchgehende Historiographie. Wichtigste erzählende Quelle ist Ammianus Marcellinus. Dem folgt mit weitem Abstand der subjektive Heide Zosimos und mehrere Kirchengeschichten (wie die des Eusebius sowie Werke des Ambrosius und des Augustinus). Hinzu kommen Jordanes und die Fragmente anderer Historiker. Bei einer Spätdatierung des Endes der Spätantike ist Prokopios von Caesarea eine hervorragende Quelle. Des Weiteren sind die Reden des Libanios und des Themistios sowie eine Fülle von Urkunden (der beste Bestand aus der Antike) von Bedeutung. Dazu kommt der berühmte Corpus iuris civilis, Inschriften und Papyri, wie auch die Befunde der Archäologie.
Problematisch war die Erforschung der Spätantike schon aufgrund der relativ fließenden Grenze zum Mittelalter hin. Die ältere Forschung sah in der Zeit der Spätantike noch eine reine Verfalls- und Dekandenzzeit (Gibbon, unter dem Einfluss von Montesquieu und Voltaire). Dem wurde auch im 19. Jahrhundert weitgehend gefolgt, später noch von Otto Seeck. Erst die Studien von John B. Bury und anderen sorgte für eine Neubewertung dieser Epoche, die nicht mehr als reine Verfallszeit begriffen wurde. In wie weit der spätantike Staat ein "Zwangsstaat" gewesen ist, bleibt weiter umstritten, auch wenn die harte Meinung der älteren Forschung so nicht mehr akzeptiert werden kann. In neuerer Zeit hatte Peter Brown in seinen Arbeiten auf die Metamorphose der antiken Welt in dieser Zeit aufmerksam gemacht, wobei er sich vor allem den kulturellen und religiösen Veränderungen widmete.
Literatur
Die umfassendste Darstellung stammt aus der Feder des Historikers Otto Seeck (Otto Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt, 6 Bde., verbesserte Aufl., Stuttgart 1921, Nachdrucke Darmstadt 1966 und 2000), die jedoch stark von dessen darwinistischer Grundanschauung geprägt ist.
Moderne Darstellungen:
- Averil Cameron u.a. (Hrsg.): The Cambridge Ancient History, Bd. 13 und 14, 2. neugestaltete Aufl., Cambridge 1997 ff. Beste moderne Übersichtsdarstellung. Dort findet sich auch weiterführende Literatur, größtenteils jüngeren Datums.
- Hartwin Brandt: Das Ende der Antike. Geschichte des spätrömischen Reiches, 2. Aufl., München 2004. ISBN 3406519180 Knapper, aber dennoch hochinformativer und preislich günstiger Überblick.
- Peter Brown: Die letzten Heiden, Berlin 1986 (orig. Harvard 1978)
- Ders.: Die Entstehung des christlichen Europas, München 1999 ISBN 3406440231 (orig. Oxford 1995, 2. verbesserte und erweiterte Aufl. Oxford 2003)
- Alexander Demandt: Geschichte der Spätantike, Sonderausgabe, München 1998. ISBN 3406441076 Solide und relativ umfangreiche Übersichtsdarstellung. Entspricht der Ausgabe "Handbuch der Altertumswissenschaft", allerdings ohne wissenschaftlichen Apparat und leicht gekürzt.
- Manfred Fuhrmann: Rom in der Spätantike, Zürich 1994. ISBN 3760810888
- Arnold H. M. Jones:The Later Roman Empire 284-602. A Social, Economic and Administrative Survey, 3 Bde., Oxford 1964 (ND in 2 Bde. Oxford 1973 und Baltimore 1986). Die beste moderne, aus den Quellen gearbeitete Darstellung. Ein moderner Klassiker.
- Jochen Martin: Spätantike und Völkerwanderung, Oldenbourg Grundriss der Geschichte, 5. Aufl. München 2000. ISBN 3486496840 Knappe Darstellung mit Forschungsteil und umfassender Bibliographie.
Weblinks
- Übersicht aus dem ORB Projekt
- Society for Late Antiquity
- Ausschnitte aus verschiedenen Quellen (eng.)
Siehe auch: Portal und Themenliste Rom, Dominat, Untergang des Römischen Reiches