Lkw-Maut in Deutschland

streckenbezogene Gebühr für schwere Nutzfahrzeuge
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Die LKW-Maut ist eine Gebühr, die ab November 2003 für das Befahren der deutschen Autobahnen mit Lastkraftwagen ab 12 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht erhoben werden soll. Betrieben wird das Mautsystem vom privaten Unternehmen Toll Collect (Anteilseigner sind die Deutschen Telekom und DaimlerChrysler).
Erklärtes Ziel war es, auch ausländische LKW stärker an der Finanzierung der deutschen Verkehrs-Infrastruktur zu beteiligen. Der Bundesfinanzminister rechnet dabei mit Bruttoeinnahmen von jährlich 2,8 Milliarden Euro. Toll Collect erhält davon für den Betrieb des Abrechnungssystems zwölf Jahre lang jährlich 600 Millionen Euro, also insgesamt 7,2 Milliarden Euro bis zum Jahr 2015.

Vorgeschichte und Auftragsvergabe

Im November 1995 kündigt der damalige CDU Verkehrsminister Matthias Wissmann die Einführung einer streckenbezogenen LKW-Maut an.
Die rot-grüne Bundesregierung beschließt im Oktober 1998 ein durch Maut finanziertes sog. Anti-Stau-Programm.
Im August 2001 kommt es zur Verabschiedung eines Gesetzentwurfes.
Die rechtliche Grundlage für die Einführung der Lkw-Maut ist das Gesetz zur Einführung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen (BGBl I, Nr. 23, S. 1234). Es trat am 12. April 2002 in Kraft.
Im Juli 2002 setzte sich die Bietergruppe ETC.de (später Toll Collect GmbH) in einer umstrittenen Ausschreibung gegen konkurierende Konsortien durch.

Die einzelnen Anbieter

  1. Die Bietergemeinschaft ETC.de aus Berlin mit der Deutschen Telekom AG, der Daimler Chrysler Services (debis) AG sowie der Compagnie Financière et Industrielle des Autoroutes (Cofiroute S.A.), Frankreich.
  2. Die Bietergemeinschaft AGES Maut System GmbH & Co. KG aus Düsseldorf um die damalige Mannesmann AG (inzwischen Vodafone) mit der Aral AG & Co. KG, der Bundeszentralgenossenschaft Straßenverkehr e.G., der DKV EURO SERVICE GmbH & Co. KG, der euroShell Deutschland GmbH, der Handelsgesellschaft für Kraftfahrzeugbedarf GmbH & Co. KG, der UTA Union Tank Eckstein GmbH & Co. KG.
  3. Die schweizerische Fela Management AG.

Etliche Kommentatoren vermuteten bereits im Jahr 2001, dass der Ausgang des Verfahrens längst feststehen würde und sahen in der Vergabe an ETC.de die Bemühung, den Börsenwert der Telekom zu stützen.

September 2001: Keine Chance für Fela

Die 1997 in Diessenhofen/Schweiz gegründete Fela Management AG ist Hersteller von elektronischen Komponenten und Verkehrstelematik Systemen. Am 1. Januar 2001 startete in der Schweiz und Liechtenstein eine elektronisch erhobene, entfernungsabhängige Maut für Fahrzeuge des Warentransportes ab 3.5 t, die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA). Fela ist Entwickler und Lieferant des dafür eingesetzten Gebührenerfassungsgerätes Tripon.
Im Gegensatz zur deutschen LKW-Maut, wird die LSVA auf allen schweizer Straßen fällig, nicht nur auf den Autobahnen. Das erleichtert die technische Umsetzung ganz erheblich. Das Tripon Systen muß dabei nämlich nur feststellen, welche Entfernungen innerhalb eines Mautpflichtigen Gebietes zurückgelegt wurden und nicht, wie beim deutschen System, welche Straßentypen dabei benutzt wurden. Die bisherigen Erfahrungen sind laut Schweizer Bundesamt für Raumentwicklung durchweg positiv.

Zur deutschen LKW-Maut erklärte Geschäftsführer Ernst Uhlmann später in einem Interview, dass sein Unternehmen nur auf ausdrückliches Drängen des Bundesverkehrsministeriums an der Ausschreibung teilgenommen hätte. Journalisten mutmaßten, dass die mittelständische Fela Management AG nie ernsthaft als Betreiber in Betracht gezogen wurde und nur als "Zählkandidat" diente, um die Anzahl der Anbieter zu erhöhen.

August 2002: TSR - zu spät und zu billig

Ein erst im Herst 2001, also zu spät, eingereichtes Konzept von Prof. Dipl. Ing. Heinrich Schüssler, Erfinder und Geschäftsführer der TSR-Verkehrsmanagement-Systeme, wurde vom Bundesverkehrsministerium nicht mehr berücksichtigt. Sein Mautsystem versprach Einsparungen von 500 Millionen € pro Jahr gegenüber der favorisierten ETC-Lösung. Ein entsprechender Auftrag zur Prüfung an den Bundesrechnungshof wurde von der rot-grünen Mehrheit im Bundestags-Haushaltsausschuss abgelehnt.

September 2002: Der Deal mit Ages/Vodafone

Nachdem das Bundesverkehrsministerium am 8. Juli 2002 seine Entscheidung für ETC.de bekanntgab, stellte die unterlegene Ages einen Nachprüfungsantrag beim Bundeskartellamt. Ages kritisierte das Vergabeverfahren und bezweifelte die Leistungsfähigkeit des Angebotes von ETC.de (Toll Collect). Das verhinderte den sofortigen Zuschlag für das Telekom/DaimlerChrysler-Konsortium durch das Bundesverkehrsministerium (Vergabestelle). Der Antrag wurde jedoch im September 2002 von der 2. Vergabekammer abgewiesen.
Ages legte gegen die Entscheidung des Bundeskartellamtes Beschwerde beim Düsseldorfer Oberlandesgericht ein. Das Gericht gab am 19. September 2002 der Beschwerde des Ages-Konsortiums statt. Diese Entscheidung hatte aufschiebende Wirkung und verhinderte erneut die Vergabe des Maut-Auftrages an Toll Collect.
Ages zog seine Beschwerde jedoch bereits 1 Tag später, am 20. September 2002 wieder zurück. Der Grund laut Ages: Toll Collect plane, "bestimmte geschäftliche Leistungen der Ages Maut System GmbH & Co KG bei der Realisierung des neuen dualen Maut-Systems auf Grund der Sachkompetenz und der Expertise beim gegenwärtigen manuellen System einzubinden". Das bedeutet, Ages, oder besser Vodafone, wird am Aufbau des Mautsystem partizipieren, die Rede ist dabei von ca. 20% Anteil.

Alles streng geheim

Im September 2002 kam es zur Vertragsunterzeichnung zwischen Bundesverkehrsministerium und Toll Collect. Der vereinbarte Starttermin ist der 31. August 2003. Die Vertragsdetails werden bis heute geheim gehalten und sind selbst für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages nicht zugänglich.

Technische Umsetzung

Anders als etwa in Frankreich, wo die Péage an Schaltern bezahlt wird, die an Autoroute-Abfahrten stehen und mit Kassierern besetzt sind, soll in Deutschland ein hochtechnisiertes, GPS, also satellitengestütztes System aufgebaut werden. Erklärtes Ziel war es dabei, mit der neuen Technologie auch neue Märkte für die beteiligten Unternehmen zu öffnen.

Per Satellit (automatische Einbuchung)

Das Speditionsunternehmen läßt seine mautpflichtigen Fahrzeuge bei Toll Collect registrieren. Von einer autorisierten Werkstatt wird daraufhin in die Armaturenbretter der LKWs ein On-Board-Unit(OBU) genanntes Gerät eingebaut.

Per Hand und Fuß (manuelle Einbuchung)

Diese Option ist vor allem für ausländische LKWs vorgesehen, für die sich der Einbau einer On-Board-Unit nicht lohnen würde.

LKW-Fahrer, deren Fahrzeug über keine OBU verfügen, soll es möglich sein, sich an sog. Mautstellen-Terminals in das System einzubuchen und dort auch die fällige Maut zu entrichten. Für diese manuelle Einbuchung sollen ca. 3.500 Terminals in der Nähe aller Autobahnauffahrten zur Verfügung stehen. Sie sollen auch auf größeren Autohöfen und an Tankstellen aufgestellt werden.

Für die manuelle Einbuchung ist keine Registrierung bei Toll Collect notwendig.

Ein Einbuchen direkt über eine WWW-Schnittstelle, also mit einem Webbrowser, über die Homepage von Toll Collect soll ebenfalls möglich sein. Die Internet-Einbuchung steht nur registrierten Benutzern zur Verfügung und setzt, ähnlich wie bei der Einbuchung am Mautstellen-Terminal, die Eingabe aller relevanten Fahrzeugdaten und der Route voraus.

Maut ist gut, Kontrolle ist besser

An den Autobahnen werden 300 stationäre Anlagen als Messbrücken über die Fahrbahn gebaut, mit denen LKW entdeckt werden sollen, für die keine Gebühr gezahlt worden ist. LKW-Fahrer passieren also auf dem ca. 12 000 Kilometer umfassenden Autobahnnetz durchschnittlich alle 40 Kilometern eine solche Kontrollstelle.

Dort gibt sich die On-Board-Unit per Infrarot-Signal zu erkennen. Spediteure bemängeln, dass die Messbrücken zu niedrig seien, um sie mit Schwertransportern zu unterqueren. Zudem kam es zu einer Reihe von Auffahrunfällen, da Autofahrer die Messbrücken für Radarfallen hielten und Vollbremsungen einlegten.

Wenn ein LKW ohne oder mit ausgeschalteter OBU durch die Mautkontrolle fährt, sucht eine Kamera per Schrifterkennung das Bild nach Zahlen und Buchstaben ab. Auf diese Weise sollen die Nummernschilder der LKW ausgelesen werden. Diese werden dann mit den Buchungsdaten im Zentralrechner vergleichen. Bei Auffälligkeiten sollen sog. Standkontrolleure des Bundesamts für Güterverkehr (BAG) die Fahrer stoppen. BAG-Mitarbeiter sollen auch in mobilen Kontrollfahrzeugen auf der Autobahn unterwegs sein, um die Kennzeichen der LKW mit den Daten des Buchungssystems abzugleichen.

Aktuelle Situation

Zum festgesetzten Starttermin, dem 31. August 2003, konnte die Erfassung der Gebühr nicht beginnen, da mehrere Probleme beim Aufbau des Systems bestanden:

  • Es konnten nicht genug On-Board-Units geliefert und eingebaut werden, da das Telekom-Tochterunternehmen T-Systems Schwierigkeiten mit der komplexen Software der Geräte hat.
  • Spediteure berichten vom fehlerhaften Arbeiten vieler bereits eingebauter On-Board-Units, auch dies ist eine Folge noch immer fehlerhafter Software.
  • Nur wenige Messbrücken wurden rechtzeitig fertiggestellt.
  • Es stehen noch nicht genügend Automaten, sog. Mautstellen-Terminals, für das manuelle Einbuchen zur Verfügung.
  • Die Maut-Terminals stürzten aufgrund von Software-Fehlern ab.
  • An den Maut-Terminals stehen zu wenig Fremdsprachen für die Bedienung durch ausländische LKW-Fahrer zur Verfügung, im Regelfall nur die Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch und Polnisch.

Als neuer Termin wurde von Verkehrsminister Manfred Stolpe der 2. November festgesetzt, bis dann soll eine nicht gebührenpflichtige Testphase stattfinden. Die Bundesregierung beziffert den Ausfall bereits budgetierter Einnahmen auf 163 Millionen Euro pro Monat. Der Betreiber Toll Collect kann dafür aber wohl erst haftbar gemacht werden, wenn sich der Start um mindestens 3 Monate verzögern sollte.

Ob das System am 2. November einsatzbereit sein wird, ist fraglich.

Findige Aufbauhersteller stellen Gliederzüge (Lastkraftwagen mit Anhänger) mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 11,99 Tonnen vor, mit denen die Maut umgangen werden kann. Auch mit einem erhöhten Aufkommen von Kleintransportern ist zu rechnen.

Ausnahmen von der Mautpflicht

Grundsätzlich Ausgenommen von der LKW-Mautpflicht auf deutschen Autobahnen sind folgende Fahrzeuge :

  • Kraftomnibusse
  • Fahrzeuge der Streitkräfte und der Polizeibehörden
  • Fahrzeuge des Zivil- und Katastrophenschutzes, der Feuerwehr und anderer Notdienste
  • Fahrzeuge des Bundes und des Straßenunterhaltungs- und Straßenbetriebsdienstes
  • Für Straßenreinigung und Winterdienst genutzte Fahrzeuge
  • Fahrzeuge von Schausteller- und Zirkusbetrieben

Argumente für die LKW-Maut

Um Lagerkapazitäten einzusparen, setzen viele Firmen darauf, Waren bzw. Zwischenprodukte erst dann liefern zu lassen, wenn sie vor Ort benötigt werden (business on demand). Da die Eisenbahn, obwohl preisgünstiger und umweltschonender, die dazu notwendige Flexibilität nicht bieten kann, verlagern sich immer größere Teile des Gütertransports von der Schiene auf die Straße.

Kritisiert wird auch, dass Waren im Verlauf ihrer Produktion oft quer durch die EU gefahren werden. Stattdessen solle etwa ein Supermarkt seine Waren von ortsansässigen Herstellern beziehen.

Auch wird argumentiert, dass Lastwagen die Straßen stärker abnutzen als PKWs und Speditionen deshalb auch entsprechende Abgaben zu zahlen hätten.


Argumente gegen die LKW-Maut

Deutsche Spediteure befürchten einen Wettbewerbsnachteil gegenüber ihren europäischen Konkurrenten. Sie machen auch darauf aufmerksam, dass für Ausbau und Reparatur des Straßennetzes bereits Kfz-Steuern und Mineralölsteuern entrichtet werden.

Denkbar ist auch, dass es zu einer Überlastung des restlichen Straßennetzes kommt, weil LKW-Fahrer auf Bundesstraßen ausweichen könnten.

PKW-Nutzer befürchten, dass auch sie in Zukunft eine Maut zahlen sollen.

Außerdem ist ein allgemeiner Preisanstieg infolge gestiegener Transportkosten zu erwarten. Die Deutsche Post (DHL) hat bereits eine Tariferhöhung angekündigt. Es ist zu befürchten, dass dieser Preisanstieg überproportional ausfallen wird. Das Brötchen würde dann evt. nicht 0,2 Cent teurer werden, sondern 2 Cent.

Die LKW-Maut in der Fernsehberichterstattung

Mehr zur schweizer Mauttechnik der Fela Management AG (Mitbewerber um das deutsche Mautsystem) :

Geschichte und technischer Hintergrund der Maut