Britisches Weltreich

größte Kolonialmacht der Geschichte (1607–1997)
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Das Britische Imperium (engl: British Empire) war die größte Kolonialmacht der Geschichte mit Kolonien auf allen bewohnten Kontinenten. Die von Großbritannien beherrschten Gebiete umfassten zu Beginn des 20. Jahrhunderts etwas mehr als zwei Fünftel der Erdoberfläche mit einer Gesamtbevölkerung von 500 Millionen (rund ein Viertel aller Menschen). Dass Englisch heute die wichtigste Verkehrs- und Handelssprache der Welt ist, ist auf die einstige Bedeutung der Kolonialmacht Großbritannien zurückzuführen.

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Das Britische Empire im Jahre 1897

Überblick

Das Britische Imperium wurde im Verlaufe von über dreihundert Jahren gebildet. Expansive Phasen mit Besiedlung und Eroberung lösten sich ab mit relativ friedlichen Phasen, die von Handel und Diplomatie geprägt waren. Die verschiedenen Territorien waren über die gesamte Erde verteilt und es wurde zu Recht als Imperium bezeichnet, "in dem die Sonne nie untergeht". Der Höhepunkt dieser Entwicklung wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts erreicht.

Das Imperium erleichterte die Verbreitung der britischen Technologie, des Handels, der englischen Sprache und der Regierungsform über die gesamte Welt. Die imperiale Hegemonie trug entscheidend zum wirtschaftlichen Wachstum bei und unterstrich den Einfluss Großbritanniens auf die Politik vieler Länder. Doch auch als das Empire immer größer und mächtiger wurde, wurden im Mutterland die demokratischen Institutionen ausgebaut und gestärkt.

Aus Sicht der Kolonien ist der Einfluss des Britischen Imperiums eher zwiespältig. Die Kolonien erhielten die englische Sprache, einen administrativen und rechtlichen Rahmen nach britischem Muster sowie technologische und wirtschaftliche Entwicklung. Während der Entkolonialisierung versuchte Großbritannien, in den ehemaligen Kolonien die parlamentarische Demokratie und den Rechtsstaat zu etablieren, jedoch mit unterschiedlichem Erfolg. Die meisten Kolonien haben sich jedoch dazu entschlossen, dem Commonwealth of Nations beizutreten, einem lockeren Bündnis, der das Imperium ablöste.

Die britische Kolonialpolitik diente hauptsächlich dazu, die wirtschaftlichen Interessen Großbritannien durchzusetzen. Während die Kolonien der Auswanderer die Infrastruktur schufen, um eine eigenständige Wirtschaft aufzubauen, wurden die tropischen Territorien in Afrika und Asien lediglich als Rohmateriallieferanten betrachtet und erhielten nur eine minimale Infrastruktur. Noch heute ist die Wirtschaft vieler Entwicklungsländer oft nur von einem einzigen Rohstoff abhängig.

Ein Hauptpfeiler der britischen Kolonialpolitik war es, Konflikte zwischen einzelnen Volksgruppen zu schüren, um sie daran zu hindern, sich gegen die Kolonialmacht aufzulehnen. Diese klassische Teile und herrsche-Strategie ist die Ursache für viele Konflikte der heutigen Zeit, so z.B. in Irland, Indien, Simbabwe, Sudan, Uganda oder Irak. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Mau-Mau-Revolte in Kenia von 1952 bis 1957, wo ein kleiner Aufstand sich zu einem blutigen Stammeskrieg entwickelte. Insgesamt wurden "nur" 22 Weiße getötet, während es bei den einheimischen Stämmen zwischen 18.000 und 30.000 Opfer gab.

Die erstmalige Verwendung des Begriffs "British Empire" geht auf John Dee zurück, dem Astrologen, Alchimisten und Mathematiker von Königin Elisabeth I.

Englischer Kolonialismus

Expansion auf den Britischen Inseln und in Frankreich

Nach der Eroberung durch die Normannen im Jahre 1066 unterstützte England zunächst die Besitzungen von Wilhelm I. in Frankreich. Während einigen hundert Jahren übte England Einfluss auf die Politik in Kontinentaleuropa aus. Am Ende des 14. Jahrhunderts hatte sich der Handel mit Europa, vor allem de Export von Wolleprodukten, zu einem Eckpfeiler der nationalen Politik entwickelt.

Im Mittelalter begann die Expansion Englands mit der Eroberung von Irland (ab 1169) und Wales (bis 1282). Schottland wurde zwar 1296 erobert, konnte sich jedoch 1314 in der Schlacht von Bannockburn wieder die Unabhängigkeit erkämpfen. Die beiden Königreiche sollten erst 1603 wieder durch Personalunion vereinigt werden.

Obwohl die Normandie im Jahre 1204 verloren ging, konnten im Westen Frankreichs durch eine geschickte Heirats- und Erbpolitik weite Gebiete hinzu gewonnen werden. Diese gingen jedoch bis 1453 im Hundertjährigen Krieg verloren. Nur die strategisch wichtige Hafenstadt Calais blieb vorläufig in englischem Besitz, ging jedoch 1563 ebenfalls endgültig an Frankreich verloren.

Grundsteinlegung des überseeischen Imperiums

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König Heinrich VII.

Der Grundstein für die späteren überseeischen Besitzungen wurde mit der pionierhaften Seefahrtspolitik von Heinrich VII. gelegt, der von 1485 bis 1509 regierte. Heinrich baute die moderne englische Handelsmarine auf, die die Entwicklung im Schiffbau und Seefahrt vorantrieb. Die Handelsmarine bildete auch die Grundlage für die Schaffung von Handelsgesellschaften, die später eine wichtige Rolle in der britischen Kolonialpolitik spielen sollten. Dazu gehörten die Massachusetts Bay Company und die Britische Ostindische Kompanie. Heinrich ordnete auch den Bau des ersten Trockendocks in Plymouth an und reformierte die noch kleine englische Marine.

Die Seefahrten von John Cabot

Noch viel bedeutender war die Unterstützung Heinrichs für die Entdeckungsreisen des Italieners Giovanni Caboto (zu John Cabot anglifiziert) nach Nordamarika in den Jahren 1496 und 1497. Cabot folgte damit dem Beispiel von Christoph Kolumbus, der 1492 die Karibik erreicht hatte. Cabot wollte eine westliche Route zu den Handelsposten in Ostindien finden. Er segelte nach Neufundland im heutigen Kanada, entdeckte neue Landstriche und Inseln, zeichnete Karten and nahm das Land im Namen des Königs in Besitz. Cabot beschrieb auch detailliert die reichen Kabeljau-Fischgründe an der Küste Neufundlands. Seine Erzählungen lockten viele englische Fischer in diese Region. Auf Neufundland wurde eine saisonale Fischfangkolonie gegründet, die erste englische Kolonie in Übersee. Doch auch die Schiffe anderer Nationen beuteten die Fischgründe aus.

Aufstieg der Royal Navy

Die Seemacht, die von Heinrich VII. begründet worden war, wurde nach und nach ausgebaut, um den englischen Handel zu schützen und neue Handelsrouten zu erschließen. König Heinrich VIII. gründete die moderne Royal Navy. Er ließ die Anzahl der Schiffe verdreifachen und die ersten großen Kriegsschiffe mit weit reichenden Kanonen bauen. Die Kriegsmarine erhielt eine zentralisierte Verwaltung. Entlang der Küste wurden zahlreiche Leuchtfeuer und Leuchttürme errichtet, die die Navigation für englische und ausländische Seefahrer erleichterten.

Die elisabethanische Ära

 
Königin Elisabeth I.

Während der Herrschaft von Königin Elisabeth I. ging die Entwicklung rasant weiter. Francis Drake segelte rund um die Welt, was seit Ferdinand Magellan niemand mehr versucht hatte. 1579 landete Drake irgendwo im nördlichen Kalifornien, nahm das Land im Namen der Königin in Besitz und taufte das Gebiet "Nova Albion". Auf diese Besitznahme folgte jedoch keine Besiedlung. Der Einfluss Englands außerhalb Europas wuchs beständig. 1583 segelte Humphrey Gilbert auf den Spuren von John Cabot nach Neufundland und errichtete am 5. August die erste offizielle englische Kolonie namens Saint John's. Sir Walter Raleigh errichtete 1587 die Siedlung Roanoke, die erste Kolonie in Virginia. Diese beiden Kolonien waren jedoch kurzlebig und mussten schon sehr bald wegen Nahrungsmittelknappheit, Unwettern, Schiffsunglücken und feindlich gesinnten Ureinwohnern aufgegeben werden.

Die Stuart-Ära

Der Sieg gegen die spanische Armada im Jahre 1588 machte England zu einer bedeutenden Seemacht. Der anhaltende Krieg gegen Spanien in den 1590ern durchkreuzte vorerst die Pläne zur Bildung neuer Kolonien. Die Feindseligkeiten wurden 1604 beendet, nachdem Jakob I. einen Friedensvertrag mit Spanien abgeschlossen hatte. 1620 gründeten die Pilgerväter in Massachusetts die erste Kolonie, die Bestand haben sollte, die heutige Stadt Boston. Während des 17. Jahrhunderts wurden in Nordamerika insgesamt dreizehn Kolonien errichtet. 1707 wurden England und Schottland formell vereinigt und Großbritannien entstand.

Kolonialisierung Amerikas und Ozeaniens

Im frühen 17. Jahrhundert nahm das Britische Imperium langsam Gestalt an, als die Kolonien an der Ostküste Amerikas besiedelt wurden. Daraus sollten später die Gründerstaaten der USA sowie die atlantischen Provinzen Kanadas entstehen. Weitere Kolonien entstanden auf den kleineren Inseln der Karibik, wie z.B. Jamaika, Bahamas und Barbados.

Die Zuckerrohr produzierenden Kolonien der Karibik, wo die Sklaverei zur Grundlage der Wirtschaft wurde, waren zunächst die wichtigsten und lukrativsten Kolonien Englands. Die nordamerikanischen Kolonien, die Tabak, Baumwolle, Reis, Holz und Pelze lieferten, waren finanziell gesehen weniger erfolgreich, boten aber gutes Landwirtschaftsland und lockten die meisten englischen Emigranten an.

Die amerikanischen Besitzungen Englands wurden durch Krieg und Kolonialisierung langsam erweitert. England eroberte 1664 die niederländische Kolonie Neu Amsterdam (heute New York). Auf der Suche nach immer mehr Landwirtschaftsland dehnten sich die Kolonien immer weiter nach Westen aus. Während des Siebenjährigen Kriegs wurden die Franzosen bei Québec geschlagen und Großbritannien kontrollierte nun fast den gesamten nordamerikanischen Kontinent. Die Weigerung der Siedler in den dreizehn südlichen Kolonien, ohne angemessene Vertretung im Parlament Steuern an Großbritannien abzuliefern, führte zum amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und schließlich zur Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika im Jahre 1783. Die Herrschaft der Briten beschränkte sich fortan auf Kanada.

Diese Periode wird manchmal als Ende des "Ersten Britischen Imperiums" bezeichnet. Die Expansion in Nordamerika war zu Ende und Großbritannien dehnte sich nun in anderen Weltgegenden aus. Dies führte zur Bildung des "Zweiten Britischen Imperiums" in Asien und Ozeanien, später auch in Afrika.

Die Besiedlung Australiens begann mit der Errichtung einer Sträflingskolonie auf dem Gebiet der heutigen Metropole Sydney. Die Auswandererung konzentrierte sich nun auf Australien und Neuseeland (im Besitz der Krone seit 1840). Die Urbevölkerung (Aborigines und Maori) wurde im Verlaufe eines Jahrhunderts durch Krieg und eingeschleppte Seuchen um 60 bis 70 % dezimiert. Die Kolonien erhielten später das Recht auf Selbstverwaltung und wurden wohlhabende Exporteure von Wolle und Gold.

Freier Handel und das "informelle Imperium"

Das alte britische Kolonialsystem näherte sich im 18. Jahrhundert seinem Ende zu. Während einer lang anhaltenden Dominanz der Whig-Partei in der Innenpolitik (1714-1762) spielte das Imperium eine untergeordnete Rolle und wurde kaum beachtet. Dies änderte sich nach der Niederlage im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg schlagartig, als Großbritannien seine meistbevölkerten Kolonien verlor. Dieser Verlust zeigte, dass Kolonien wirtschaftlich gesehen nicht immer gewinnbringend waren. Großbritannien konnte ja noch immer den Handel mit den Ex-Kolonien dominieren und musste nicht für deren Verteidigung und Verwaltung aufkommen.

Bis zu jenem Zeitpunkt war der Merkantilismus vorherrschend; eine Wirtschaftsform, in der jedes Land versuchte, möglichst mit eigenen Ressourcen einen Wirtschaftskreislauf aufzubauen. Dieser wurde nun durch die liberale Wirtschaftsordnung abgelöst, wie sie durch Adam Smith oder Richard Cobden propagiert wurde.

Die durch den Verlust der amerikanischen Kolonien gewonnene Einsicht, dass Handel auch ohne die Errichtung von Kolonien den Wohlstand mehren kann, führte zur Erweiterung der Selbstverwaltungsrechte der Kolonien in Kanada, Australien und Neuseeland. Die britischen und europäischen Einwohner wurden als Außenposten des Mutterlandes betrachtet.

Während dieser Periode verbot Großbritannien den Sklavenhandel (1807) und begann damit, dieses Prinzip anderen Nationen aufzuzwingen. Bis um die Mitte des Jahrhunderts hatte Großbritannien den Sklavenhandel weltweit fast zum Erliegen gebracht. In den britischen Kolonien selbst wurde die Sklaverei 1834 abgeschafft, doch in einigen Weltgegenden hielt sich diese Form der Unterdrückung bis 1920. Die Abschaffung der Sklaverei ging einher mit der Einführung des Freihandels. Der ungehinderte Zugang zum britischen Markt liess den Wohlstand ansteigen, andere Länder folgten um die Mitte des 19. Jahrhunderts diesem Beispiel.

Pax Britannica

Die endgültige Niederlage von Napoléon Bonaparte im Jahre 1815 führte dazu, dass Großbritannien die alles dominierende Weltmacht war. Während die industrielle Revolution für die unangefochtene wirtschaftliche Vormachtstellung sorgte, kontrollierte die Royal Navy die Handelswege auf See. Da andere Mächte durch Konflikte in Europa zurück gebunden wurden, konnte Großbritannien sich auf den Handel konzentrieren und die Vormachtstellung noch weiter ausbauen. Großbritannien hatte zwar nur wenige Kolonien, bildete aber wegen des Freihandels und der strategischen Überlegenheit ein "informelles" Imperium. Diese Zeitperiode der technischen und wirtschaftlichen Überlegenheit wird auch als "Pax Britannica" bezeichnet.

Die englische Sprache wurde zur wichtigsten Verkehrs- und Handelssprache, das britische Maßsystem und das britische Rechtssystem breiteten sich in der ganzen Welt aus. Als die Kolonien die schließlich die Kapazität (aber nicht das Recht) hatten, selbst Handel zu treiben, führte dies zu Auseinandersetzungen mit der Zentralmacht und zum "Neuen Imperialismus". Die Pax Britannica begann ihre Wirkung einzubüssen, als die durch den Wiener Kongress auferlegte Ordnung in Europa ins Wanken geriet und neue Nationalstaaten wie Deutschland und Italien entstanden. Die Überlegenheit der britischen Industrie endete um 1870 mit der Industrialisierung Deutschlands und der USA.

Das Britische Imperium in Asien

Untergang der Pax Britannica

Der neue Imperialismus

Die Aufteilung Afrikas

Selbstverwaltung in den Siedlerkolonien

Auswirkungen des Ersten Weltkriegs

Entkolonialisierung