NE555

eine integrierte Schaltung für Zeitmessungen
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 8. März 2007 um 10:41 Uhr durch Rhino2 (Diskussion | Beiträge) (Geschichte). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Der NE555 (oft kurz 555 genannt) ist ein Integrierter Schaltkreis (IC) für Timer- oder Oszillator-Schaltungen. Ein Anwendungsbeispiel für die Timerfunktion ist ein Treppenlichtautomat, der das Licht auf Tastendruck einmalig ein- und nach einer vorbestimmten Zeit wieder ausschaltet. Eine Oszillatorfunktion ist beispielsweise in einem Blinklicht oder elektronischen Metronom zu finden, wo ein Signal periodisch ein- und wieder ausgeschaltet wird.

Signetics NE555 (Gehäuse DIP-8, hergestellt 1978 KW 28)

Der NE555 entwickelte sich wegen seiner Vielseitigkeit - die Einsatzgebiete reichen vom Spielzeug bis zur Raumfahrt - zum meistverkauften IC der Welt.

Geschichte

Die Entwicklung des NE555 erfolgte 1970/71 für den US-amerikanischen Halbleiterhersteller Signetics (später Philips Semiconductors). Dieses Entwicklungsprojekt war anfänglich sehr umstritten: Timerschaltungen wurden zuvor meist mit Operationsverstärkern oder Komparatoren gebaut, die einen Großteil der von Signetics hergestellten Analogschaltungen ausmachten. Einerseits wurde bezweifelt, dass überhaupt ein Markt für spezialisierte Timer-IC bestünde, andererseits befürchtet, ein Timer-IC könnte die Verkäufe der Operationsverstärker mindern (Kannibalisierung).

Signetics beauftragte den gebürtigen Schweizer Hans R. Camenzind mit dem Design des NE555. Dieser hatte zuvor die Schaltkreise NE565/NE567 (Phase-Locked Loop (PLL)) und NE566 (Voltage-Controlled Oscillator (VCO)) entwickelt, die jeweils einen stabilen, von Temperatur und Versorgungsspannung weitgehend unbeeinflussten Oszillator enthalten. Der Entwurf des NE555 basierte deshalb auf einem ähnlichen Oszillator, bei dem ebenfalls ein externer Kondensator von einer Konstantstromquelle (bzw. von einem Spannungs-Strom-Wandler und mehreren Stromspiegeln) linear aufgeladen bzw. entladen wurde und eine Dreieckspannung produzierte.

Nach Abschluss des Entwurfs und dessen Überprüfung und Genehmigung durch Signetics verwarf Hans Camenzind sein Design nochmals: Er ersetzte die Konstantstromquelle durch einen einzelnen externen Widerstand. Die Einsparung der Konstantstromquelle erlaubte es, ein 8-poliges anstelle eines 14-poligen Gehäuses zu verwenden (mit Konstantstromquelle wären 9 Anschlüsse notwendig gewesen, Signetics stellte jedoch nur 8- oder 14-polige DIP her). Obwohl die Aufladung bzw. Entladung des Kondensators über einen Widerstand nicht linear erfolgt, hat eine Änderung der Versorgungsspannung keine Auswirkungen, da der Timer den Ladezustand des Kondensators ratiometrisch (d.h. im Verhältnis zur Versorgungsspannung) vergleicht. Als Nebeneffekt war die neue Schaltung stabiler gegenüber Temperaturschwankungen.

Ab 1972 wurde der NE555 in Massenfertigung hergestellt. Die Nachfrage übertraf alle Erwartungen, schon im ersten Quartal verkaufte Signetics mehr als eine halbe Million Stück. Die übrigen Halbleiterhersteller bauten den NE555 sehr schnell nach: Bereits ein halbes Jahr nach dessen Erscheinen waren 555er-Kopien von 8 verschiedenen Herstellern auf dem Markt (derartige Nachbauten waren in den 1970er-Jahren und bis zum Semiconductor Chip Protection Act von 1984 allgemein üblich). Ab 1973 war der 555 jedes Jahr das meistverkaufte IC der Welt. 2003, über 30 Jahre später, betrug die Jahresproduktion etwa eine Milliarde Stück.

Aus heutiger Sicht ist der NE555 technisch veraltet: Die Versorgungsspannung muss über 4,5V liegen, der Ruhestrom ist mit bis zu 15mA sehr hoch und die Ausgangsstufe erzeugt bei jeder Umschaltung deutliche Stromspitzen. Dennoch wird der NE555 von diversen Herstellern immer noch in unveränderter Schaltung produziert, es wurden lediglich die Herstellungsprozesse auf kleinere Strukturgrößen umgestellt (Die Shrink). Philips selbst stellte die Produktion des NE555 2003 abrupt und ohne die übliche Vorankündigung ein, da beim Brand ihrer Fabrik in Caen die letzte Verarbeitungslinie für die verwendeten Prozesse zerstört wurde.

Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass zwar die bipolare Version des Timers-ICs, der NE555, längst veraltet ist, es aber nicht bei dieser Version blieb. Es entstanden die CMOS-Versionen, wie z.B. LMC555 von National Semiconductor oder TLC555 von Texas Instruments. Beide CMOS-Versionen sind elektrisch und pinout-kompatibel. Sie haben eine höhere Grenzfrequenz, geringeren Stromverbrauch und noch einige andere Vorteile. Diese CMOS-555-Timer sind nach wie vor sehr aktuell und beliebt.

Aufbau

 
Blockschaltbild des NE555, externe Beschaltung als astabiler Multivibrator

Der NE555 enthält 23 Transistoren, zwei Dioden und 16 Widerstände (Small Scale Integration SSI), die zusammen sechs Funktionsblöcke bilden:

  • Zwischen der Versorgungsspannung VCC(+) und der Masse GND(-) befindet sich ein Spannungsteiler aus drei identischen Widerständen, der die beiden Referenzspannungen 1/3 VCC und 2/3 VCC liefert. Letztere ist am Anschluss-Pin Control Voltage verfügbar.
  • Zwei Komparatoren sind jeweils mit einer der Referenzspannungen verbunden, während die beiden anderen Eingänge direkt auf die Anschlüsse Trigger bzw. Threshold geführt sind.
  • Ein Flipflop speichert den Zustand des Timers und wird über die beiden Komparatoren angesteuert. Über den Reset-Anschluss, der die beiden anderen Eingänge übersteuert, kann das Flipflop (und damit der gesamte Timer-Baustein) jederzeit zurückgesetzt werden.
  • Am Ausgang des Flipflops folgt eine Ausgangsstufe mit Totem-Pole-Ausgang, die am Anschluss Output mit bis zu 200mA belastet werden kann.
  • Parallel zur Ausgangsstufe ist ein Transistor angeschlossen, dessen Kollektor am Anschluss Discharge liegt. Dieser Transistor ist immer dann durchgeschaltet, wenn der Ausgang Low-Pegel hat.

Varianten

Die 555er werden in einer großen Vielfalt produziert:

Datei:NE555 metall.JPG
NE555 im Metallgehäuse
  • Gehäuse: Der NE555 wurde von Anfang an nicht nur in Plastikgehäusen (DIP), sondern für Militär- und Weltraumanwendungen auch in hermetisch dichten Metall- (TO-78 "metal can") oder Keramikgehäusen (CERDIP, LCC) hergestellt. Später folgten Varianten als Surface Mounted Device (SOIC, SSOP, TSSOP, usw.).
  • Anzahl Schaltkreise: Verschiedene Hersteller produzieren neben dem 555 auch einen 556 mit zwei 555-Timern auf einem Chip (in einem 14-poligen Gehäuse). Der 558 beinhaltet vier Schaltkreise, die sich jedoch etwas vom 555 unterscheiden (Discharge und Threshold sind verbunden, Trigger reagiert auf fallende Flanke, der Ausgang ist Open-Collector).
  • Design: Verschiedene Hersteller produzieren 555-kompatible Schaltungen in CMOS-Technologie, beispielsweise ICM7555 von Intersil (früher Harris Semiconductor), LMC555 von National Semiconductor oder TLC551 und TLC555 von Texas Instruments. Diese CMOS-Bausteine haben einen geringeren Stromverbrauch, aber auch eine kleinere Ausgangsleistung (dafür jedoch Rail-to-Rail-Ausgänge).
    Zetex hat mit dem ZSCT1555 eine neue bipolare Version herausgebracht, die in einem Spannungsbereich bis hinunter auf 0,9V arbeitet und somit für den Betrieb aus einer einzelnen Batterie-Zelle geeignet ist. Dieses Design stammt ebenfalls von Hans Camenzind (Lit.: Camenzind 1997).

Literatur

  • Philips Semiconductors, NE/SA/SE555/SE555C Product Specification. Philips Semiconductors, 1994, (Nr. 853-0036 13721)
  • Philips Semiconductors, NE555 and NE556 applications. Philips Semiconductors, 1988, Application Note AN170
  • Hans R. Camenzind: Redesigning the old 555. In: IEEE Spectrum. Volume 34/Issue 9/September 1997. IEEE Press, S. 80–85, ISSN 0018-9235
  • Hans Camenzind: Designing Analog Chips. Virtualbookworm.com Publishing, College Station, TX 2005, ISBN 1-58939-718-5