Weimarer Republik

Bezeichnung für Deutschland in der Periode 1918/1919 bis 1933
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Als Weimarer Republik wird die von 1919 bis 1933 währende Ära der deutschen Geschichte bezeichnet. Während der Zeit der Weimarer Republik war das Deutsche Reich ein demokratischer Bundesstaat. Die Hauptstadt war Berlin. Den Namen erhielt die erste deutsche Republik von der Stadt Weimar, dem Tagungsort der verfassunggebenden Nationalversammlung. Ihre Entstehung ist durch die unmittelbaren Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs geprägt. Gleichzeitig ist ihr Untergang auch mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus verbunden.

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Flagge der Weimarer Republik, von oben nach unten: schwarz, rot, gold

Allgemeines

Die Zeit der Weimarer Republik 1919–1933 nimmt den größeren Teil des deutschen Interbellums ein. Sie war der zweite, erfolgreichere Versuch (nach der Märzrevolution von 1848), eine liberale Demokratie nach westlichem Muster in Deutschland zu etablieren. Er scheiterte mit der Machtübernahme durch die NSDAP, die in eine totalitäre Diktatur führte. Die schon unter Zeitgenossen verbreitete These, der Staat von Weimar sei eine Republik ohne Republikaner gewesen, ist nur bedingt richtig, weist aber auf ein wesentliches Strukturproblem hin: Es gab keinen tragfähigen Verfassungskonsens, der alle Teile des politischen Spektrums von rechts bis links eingebunden hätte.

Die meisten Parteien hatten von ihren unmittelbaren Vorgängern im Kaiserreich die ideologische Ausrichtung übernommen und vertraten weitgehend die Interessen ihrer jeweiligen Klientel – auch wenn es abgesehen von SPD und Zentrum keine namentliche Kontinuität gab. Die Zersplitterung der Kräfte und Aufteilung nach Interessensgruppen wie Arbeiterbewegung oder Katholiken wurde (negativ) Partikularismus genannt. Das parlamentarische Regierungssystem einerseits und das die Parteienzersplitterung begünstigende Verhältniswahlrecht andererseits erforderten aber die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen und Kompromisse zu schließen. Die Parteien der Weimarer Koalition (SPD, Zentrum und DDP) – so genannt, weil sie die erste Regierungskoalition in der Weimarer Nationalversammlung bildeten – verloren die absolute Mehrheit bereits mit der ersten Reichstagswahl von 1920, um sie nie mehr wieder zu erlangen. In 14 Jahren gab es 20 Kabinettswechsel; 11 Minderheitenkabinette regierten abhängig von der Gnade des Reichspräsidenten und mit Hilfe des Artikels 48 der Weimarer Verfassung; meistens bevölkerten den Reichstag bis zu 17 verschiedene Parteien, selten waren es weniger als 11.

Die junge Demokratie trat ein schweres Erbe an:

  • Verwaltung und Justiz rekrutierten sich aus dem Personal der Kaiserzeit, auf eine grundlegende Demokratisierung des Beamtenapparats wurde verzichtet – nur das größte Land Preußen bildete mit der Zeit eine Ausnahme. Viele Richter urteilten politisch voreingenommen: rechte Straftäter konnten mit wesentlich milderen Urteilen rechnen als linke – was bereits der zeitgenössische Statistiker Emil Julius Gumbel nachwies.
  • Im Ebert-Groener-Pakt unterstellte sich die Heeresführung der neuen Regierung und sicherte ihr gleichzeitig militärische Unterstützung gegen linksradikale Revolutionäre zu. Die spätere Reichswehr entzog sich jedoch unter dem Kommando des Generals Hans von Seeckt weitgehend der demokratischen Kontrolle und führte eine abgesonderte Parallelexistenz als Staat im Staate.

Entwicklung der Weimarer Republik

Die Geschichte der Weimarer Republik lässt sich nach der Gründungsphase in drei Abschnitte gliedern:

  • In den Krisenjahren von 19191923 hatte die Republik mit den unmittelbaren Kriegsfolgen, einer Hyperinflation und zahlreichen Umsturzversuchen zu kämpfen.
  • In den fünf guten Jahren von 19241929 erreichte sie eine gewisse Stabilität und wirtschaftliche Erholung und die außenpolitische Anerkennung Deutschlands.
  • Die Weltwirtschaftskrise und der Aufstieg der Nationalsozialisten zwischen 1930 und 1933 mündeten in Agonie und Untergang der Republik.

Die Gründung der Republik

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Friedrich Ebert bei der Eröffnung der Nationalversammlung in Weimar am 6. Februar 1919

Die Weimarer Republik ging aus der Niederlage des Kaiserreichs im Ersten Weltkrieg hervor. Die letzte kaiserliche Regierung unter Prinz Max von Baden hatte selbst noch die Parlamentarisierung der Reichsverfassung (Oktoberreformen) vorgenommen, um die Siegermächte zu günstigen Friedensbedingungen zu bewegen. Die Reformen hin zu einer parlamentarischen Monarchie waren außerdem eine Bedingung der Alliierten, insbesondere des US-Präsidenten Woodrow Wilson, um überhaupt Friedensverhandlungen aufzunehmen. Er machte in einer Antwortnote auf das deutsche Waffenstillstandsgesuch im Oktober 1918 deutlich, dass mit den militärischen Beherrschern und monarchistischen Autokraten nicht über Friedensbedingungen verhandelt wird. Andernfalls hätte Deutschland sich ergeben müssen. Die eigenmächtige Entscheidung der kaiserlichen Marineleitung, nach Herausgabe des Waffenstillstandsgesuchs an die Alliierten noch eine Schlacht mit der englischen Flotte zu suchen, löste den Matrosenaufstand von Kiel und die Novemberrevolution aus, die das kaiserliche Regime endgültig hinwegfegte.

Am 9. November 1918 gab Max von Baden eigenmächtig die Abdankung Kaiser Wilhelms II. bekannt (obwohl der Kaiser noch gar nicht zurückgetreten war) und übergab dem Vorsitzenden der Mehrheitssozialdemokraten Friedrich Ebert das Kanzleramt. Am gleichen Tag rief Philipp Scheidemann die demokratische Republik aus, und kam damit den radikalen Linken unter Karl Liebknecht zuvor, denn um 16 Uhr (nur zwei Stunden nach dem Ausruf der demokratischen Republik) rief Karl Liebknecht die sozialistische Republik aus. Der Rat der Volksbeauftragten, die provisorische Regierung aus SPD und USPD, sicherte sich die Unterstützung der neuen Obersten Heeresleitung unter General Wilhelm Groener (Ebert-Groener-Pakt) und strebte rasche Neuwahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung an.

Noch im Dezember zerbrach die neue Regierung am Streit um das Vorgehen des Militärs gegen die Aufständischen des Spartakusbundes, deren Ziel nach wie vor die Errichtung einer Räterepublik war, obwohl sie damit innerhalb von USPD und Arbeiter- und Soldatenräten lediglich eine Minderheitenposition vertraten. Im Verlauf der der gegenrevolutionären „“Säuberungen“ durch reguläre Truppen und Freikorps wurden Mitte Januar 1919 Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von Angehörigen der Garde-Kavallerie-Schützendivision verschleppt und ermordet.

Siehe auch: Novemberrevolution

Die Verfassungsentwicklung

Nachdem am 19. Januar 1919 die ersten Wahlen zur Nationalversammlung in der Weimarer Republik stattgefunden hatten, trat die Nationalversammlung am 6. Februar 1919 in Weimar zum ersten Mal zusammen. Man wählte Weimar als Tagungsort, da man befürchtete, dass die Sicherheit und Unabhängigkeit der ersten ordnungsgemäß gewählten Volksvertreter der neuen Republik aufgrund von Unruhen in der Hauptstadt Berlin nicht gewährleistet sein würden. Hauptaufgabe dieses Organs war es zu diesem Zeitpunkt eine Verfassung zu entwickeln, in der eine freiheitlich demokratische Grundordnung rechtsgültig festgeschrieben wurde.

Maßgeblich verantwortlich für den ersten Entwurf der neuen und innovativen Verfassung war der linksliberale Staatsbürger jüdischen Glaubens und zugleich späterer Reichsinnenminister Hugo Preuß. Dieser hatte schon während des Krieges einen Vorschlag für eine demokratisch überarbeitete Verfassung des Deutschen Reiches vorgelegt und war deshalb bereits als Gegner des Obrigkeitsstaates und überzeugter Demokrat bekannt.

Er selbst sagte in der Begründung seines Entwurfs: "Das deutsche Volk zur sich selbst bestimmenden Nation zu bilden, zum ersten Mal in der deutschen Geschichte den Grundsatz zu verwirklichen: die Staatsgewalt liegt beim Volk, - das ist der Leitgedanke der freistaatlichen deutschen Verfassung von Weimar..." Diese Aussage verdeutlicht, welche Hoffnung in die neue Staatsform und ihre Verfassung gelegt wurde und dass die Volkssouveränität oberste Priorität hatte.

Der Entwurf löste jedoch lebhafte Diskussionen zwischen den verschiedenen politischen Lagern aus, da nahezu alle politischen Elemente des früheren Kaiserreichs bedeutungslos wurden und die Verfassung somit einen deutlichen Neuanfang darstellte. Am 31. Juli 1919 wurde die Verfassung schließlich in ihrer endgültigen Form von der Nationalversammlung angenommen und am 11. August vom Reichspräsidenten Friedrich Ebert unterzeichnet. Die Reichsregierung beschloss daraufhin, dass dieser Tag von nun an alljährlich als Feiertag begangen werden sollte, um an die "Geburtsstunde der Demokratie" zu erinnern.

Die Weimarer Verfassung hatte zwar einen demokratischen Charakter, wurde jedoch von vielen als Kompromissverfassung angesehen, da an der Entwicklung viele Parteien mit unterschiedlichen Vorstellungen und Interessen beteiligt waren. Dadurch, dass man versucht hatte möglichst allen gerecht zu werden, hat man jedoch mehr Kritiker als Anhänger gewonnen. Doch trotz dieser Unstimmigkeiten, blieb sie in ihrer ursprünglichen Form bis zum Ende der Republik bestehen.

Die Krisenjahre

Von Anfang an stand die junge Republik unter dem Trommelfeuer der Angriffe der extremen Rechten und Linken. Die Linke warf den Sozialdemokraten wegen ihres Zusammengehens mit den alten Eliten Verrat an den Idealen der Arbeiterbewegung vor; die Rechte machte die Anhänger der Republik für die Niederlage im Ersten Weltkrieg verantwortlich und verunglimpfte sie als „Novemberverbrecher“. (Siehe auch: Dolchstoßlegende, Novemberrevolution, Organisation Consul)

Der Kapp-Putsch vom März 1920 stellte die Republik auf eine erste Belastungsprobe. Freikorps unter General von Lüttwitz besetzten das Berliner Regierungsviertel und ernannten den ehemaligen Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp zum Reichskanzler. Die legale Regierung zog sich nach Dresden zurück und rief von dort aus zum Generalstreik gegen die Putschisten auf. Damit war der Putsch gescheitert; entscheidend für die Niederlage war die Weigerung der Ministerialbürokratie, den Anordnungen Kapps Folge zu leisten – während sich die Reichswehr abwartend verhalten hatte (Hans von Seeckt: „Truppe schießt nicht auf Truppe“).

Nahezu gleichzeitig mit dem Kapp-Lüttwitz-Putsch erschütterte ein kommunistischer Aufstandsversuch das Ruhrgebiet; er wurde von Reichswehr und Freikorps blutig niedergeschlagen. Weitere Aufstände in Sachsen, Thüringen und Hamburg wurden genauso blutig unterdrückt.

Am 16. April 1922 vereinbarten Deutschland und die Sowjetunion im Vertrag von Rapallo diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen, militärische Zusammenarbeit und einen Verzicht auf Entschädigungszahlungen. Der Vertrag verärgerte die Westmächte, insbesondere Frankreich. Am 24. Juni 1922 ermordeten rechtsextreme Offiziere aus der Organisation Consul den für den Rapallo-Vertrag verantwortlichen Außenminister Walther Rathenau, der einer der bedeutendsten Politiker beim Aufbau der Weimarer Republik und wenigen intellektuellen Integrationsfiguren war. Der Terroranschlag stürzte den jungen Staat sowohl innen- als auch außenpolitisch in eine weitere Krise.

Ein Verzug bei den Reparationszahlungen führte Anfang 1923 zur Ruhrbesetzung, in deren Zusammenhang dann im Rheinland und in der Pfalz separatistische Bewegungen auftraten. Es kam zum passiven Widerstand, der dem Staat hohe Kosten verursachte, die er durch vermehrtes Drucken von Geld zu decken versuchte. Der neue Reichskanzler Gustav Stresemann musste den Widerstand abbrechen. Der volkswirtschaftliche Gesamtschaden der Ruhrbesetzung belief sich auf 3,5 bis 4 Milliarden Goldmark. Der Wert der Papiermark fiel immer schneller.

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Inflation 1923/24: eine Frau feuert ihren Kachelofen mit Inflationsgeld

Am 3. September stand der Wechselkurs für einen amerikanischen Dollar noch bei knapp zehn Millionen Mark, Ende des Monats waren es dann schon 160 Millionen Mark, wenig später kostete ein Dollar Milliarden- und Billionenbeträge. Aus der Inflation, die schon während der Kriegszeit eingesetzt hatte, wurde eine Hyperinflation. Erst die Einführung der Rentenmark (1 Rentenmark = 1 Billion Papiermark bei 4,20 Rentenmark für den Dollar) beendete den Spuk. Zu den Geschädigten der Inflation gehörten vor allem die kleinen Sparer und Rentenbezieher; Sachwertbesitzer und Industrielle (wie Hugo Stinnes), die Kredite mit fast wertlosem Geld zurückzahlen konnten, profitierten. Auch Landwirte gehörten zu den Gewinnern, da sie ihre Schulden leicht zurückzahlen konnten. (Siehe auch: Deutsche Inflation 1914 bis 1923)

Mittlerweile hatte sich Bayern als Sammelbecken aller rechtskonservativen und -radikalen Kräfte im Deutschen Reich etabliert; von dieser „Ordnungszelle“ aus strebten sie an, Deutschland vom „marxistischen Chaos“ zu befreien. Das Ende des passiven Widerstandes gegen die Ruhrbesetztung diente der bayerischen Regierung als Vorwand Gustav Ritter von Kahr zum Generalstaatskommissar mit diktatorischen Vollmachten (nach Artikel 48 Weimarer Verfassung) zu ernennen. Dieser und der bayerische Wehrkreiskommandeur Otto von Lossow spielten eine zweideutige Rolle im von Adolf Hitler nach italienischem Vorbild geplanten „Marsch auf Berlin“. Als Reaktion auf diesen Versuch, eine Rechtsdiktatur zu errichten, verhängte Reichspräsident Ebert seinerseits den Ausnahmezustand. General Hans von Seeckt, der Chef der Heeresleitung, der mit von Kahr sympathisierte, konnte eine Reichsexekution allerdings verhindern

Siehe auch: Hitlerputsch, Geschichte Bayerns

Die fünf guten Jahre

Trotz aller Spannungen und Konflikte, die die junge Republik zu meistern hatte, schien die Demokratie zu siegen. Die Neuordnung der Währung und die im Gefolge des Dawes-Plans ins Land strömenden amerikanischen Kredite leiteten eine Phase relativer wirtschaftlicher und politischer Stabilisierung ein, die sogenannten Goldenen 20er Jahre. Dazu trug bei, dass Stresemann unter wechselnden Regierungen Außenminister blieb und mit seinem französischen Kollegen Aristide Briand eine erste noch vorsichtige Politik der Annäherung einleitete. Gleichzeitig versuchte er, eine schrittweise Revision des Versailler Vertrages zu erreichen und Deutschland wieder als gleichberechtigten Partner in die internationale Gemeinschaft zurück zu führen. Die Aufnahme in den Völkerbund und die Verträge von Locarno sind als erste Erfolge auf diesem Wege anzusehen. Mit dem Berliner Vertrag, der ein deutsch-sowjetisches Freundschafts- und Neutralitätsbündnis darstellte, versuchte der Reichsaußenminister sowjetischen Befürchtungen über eine einseitige deutsche Westbindung und deutscher, in dieselbe Richtung zielender Kritik, entgegenzuwirken.

Weitere Stationen auf dem Weg der Aussöhnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern bildeten die Unterzeichnung des Briand-Kellogg-Pakts, der die Ächtung des Kriegs als Instrument der Politik zum Inhalt hatte und – trotz erheblicher Widerstände von rechter Seite – die Annahme des Young-Plans, der eine endgültige Regelung des Reparationsfrage darstellte und Voraussetzung für die vorzeitige Räumung des Rheinlands von alliierter Besatzung war.

Innenpolitisch gelang es die republikfeindliche Deutschnationale Volkspartei (DNVP) in die Regierungsverantwortung einzubinden. Auch die Wahl des greisen Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburg 1925 zum Reichspräsidenten, der sich vor der Wahl die Zustimmung Wilhelms II. holte, wirkte sich anfangs eher stabilisierend für die Demokratie aus (siehe: Reichspräsidentenwahl 1925). Er konnte allerdings seine restaurativen Neigungen nicht ganz verbergen, was sich unter anderem in der von ihm 1926 erlassenen Flaggenverordnung zeigt, die es deutschen Auslandsvertretungen erlaubte, neben der schwarz-rot-goldenen Reichsflagge die schwarz-weiß-rote Handelsflagge des Kaiserreichs zu hissen. Er verhindert auch ein Ausführungsgesetz zum Notverordnungsrecht nach Artikel 48 Weimarer Verfassung.

Insgesamt waren auch diese Jahre nur eine Phase der relativen, nicht der absoluten Stabilisierung. Auch in diesen Jahren besaß keine Regierung eine Mehrheit im Parlament und die Parteien fühlten sich weniger dem Allgemeinwohl als vielmehr ihrer Klientel oder dem eigenen Erfolg verpflichtet.

Agonie und Untergang

Dennoch waren alle Hoffnungen auf eine langfristige Stabilisierung der ersten deutschen Demokratie vergeblich. Der Tod Gustav Stresemanns im Oktober 1929 markiert den Anfang vom Ende der Weimarer Republik.

In der DNVP hatten sich die stramm antirepublikanischen Kräfte um den Medienzaren Alfred Hugenberg durchgesetzt, der zusammen mit Adolf Hitler und Franz Seldte vom Stahlhelm 1929 den Volksentscheid gegen den Young-Plan initiierte. Der Volksentscheid scheiterte zwar, machte aber die Nationalsozialisten in weiten Kreisen des konservativen Bürgertums salonfähig.

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Arbeitslose Frau bietet sich mit einem Schild auf der Straße zur Arbeit an

Von entscheidender Bedeutung für die Radikalisierung der Politik war schließlich die Weltwirtschaftskrise, die Deutschland sehr viel härter traf als andere europäische Staaten. Nach dem Börsenkrach an der Wall Street wurden die vielen kurzfristigen Auslandskredite aus Deutschland abgerufen. Daraufhin brach die ohnehin schon schwache deutsche Wirtschaft völlig zusammen. Durch die einsetzende Massenarbeitslosigkeit verschlechterte sich die soziale Lage dramatisch. Am Ende der Weimarer Republik im Jahr 1933 zählte man insgesamt 6 Millionen Arbeitslose. Viele Menschen lebten am Existenzminimum. Dies ging einher mit einer Dauerregierungskrise. Parlament, Regierung und Reichspräsident arbeiteten mehr gegen- als miteinander. Es kam zu Neuwahlen in rascher Abfolge, bei denen die radikalen Parteien, vor allem die NSDAP immer mehr Zulauf erhielten, was parlamentarische Mehrheiten erst recht unmöglich machte.

Im März 1930 zerbrach die von dem Sozialdemokraten Hermann Müller geführte Große Koalition über der Frage einer geringfügigen Beitragserhöhung für die Arbeitslosenversicherung. Reichspräsident Hindenburg beauftragte den Zentrumspolitiker Heinrich Brüning mit der Bildung einer Minderheitsregierung, die nur gestützt auf das Vertrauen des Präsidenten und dessen Recht zum Erlass von Notverordnungen und zur Auflösung des Reichstags regieren konnte (Präsidialkabinett). Ein Grund war möglicherweise, dass es keine Mehrheit für eine arbeitsfähige Regierung gab und die Parteien keine Konsensfähigkeit zeigten. Allerdings wurden im wesentlichen nur die Minister der SPD ausgewechselt, was auf einen vom Präsidenten gewünschten Schwenk nach Rechts hindeutet. Die Wahlen vom September 1930 brachten den Nationalsozialisten einen erdrutschartigen Zuwachs: sie konnten ihre Stimmenzahl auf 18,3% steigern und wurden damit zur zweitstärksten Partei. Jetzt gab es nicht einmal mehr eine Mehrheit für eine Große Koalition im Reichstag, der zunehmend zum Forum für die Agitation rechter und linker Gegner der Republik wurde.

Das Vertrauen in die Demokratie und die Republik sank immer mehr. Die Menschen machten die Republik für die schlechte Wirtschaftslage verantwortlich. Die Rufe nach einem „Starken Mann“, der das Deutsche Reich wieder zu alter Größe und Ansehen bringen sollte, wurden immer lauter.

Auf diese Forderungen gingen besonders die Nationalsozialisten ein, die mittels gezielter Propaganda und der Konzentration auf die Person Hitlers das Bild des Starken Mannes suggerierten. Sie verstanden es, die Massen durch Großveranstaltungen für sich zu gewinnen und nutzten modernste Formen des Wahlkampfes. Unter anderem emotionalisierten sie den Wahlkampf und konnten so gegenüber den anderen Parteien punkten. Hitler griff alles an, was mit dem „Weimarer System“ in Verbindung gebracht wurde, vom Parteiensystem, bestehend aus verschiedenen relativ kleinen Parteien und Splitterparteien bis hin zum eigentlichen demokratisch-parlamentarischen Prinzip.

Aber nicht nur der rechte Flügel Deutschlands erstarkte, sondern auch der linke. Die republik-freundlichen Sozialdemokraten verloren im Gegensatz zu den Liberalen kaum Stimmen, die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) konnte sogar Stimmen gewinnen und wurde zu einer bedeutenden Macht im Parlament und auf der Straße. Denn längst hatte sich der Kampf, ausgehend von den Kampforganisationen der NSDAP (SA und SS) und der KPD (Roter Frontkämpferbund) auf die Straße verlagert, wo sich teilweise bürgerkriegsähnliche Szenen abspielten, an denen sich auch die republikanisch gesinnten Kräfte mit einem eigenen Kampfverband, dem sozialdemokratisch dominierten Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold (später Eiserne Front) beteiligten. Auch diese chaotischen Gewaltszenen spielten letztlich – obwohl sie oft ursächlich dafür verantwortlich waren – den Nationalsozialisten in die Hände, da Hitler immer häufiger als „letzte Karte“ ins Spiel gebracht wurde, die geordnete Verhältnisse wiederherstellen würde.

Um eine weitere Stärkung der radikalen Flügelparteien zu verhindern, tolerierte die SPD im Reichstag weitgehend die auf Kürzung der Sozialausgaben basierende Spar- und Deflationspolitik Brünings – die aber die wirtschaftliche Krise nur noch verschärfte.

Am 11. Oktober 1931 vereinigte sich die nationalistische Rechte zur Harzburger Front. Als Reaktion bildeten die republiktreuen Organisationen unter dem Fahnensymbol der drei Pfeile die Eiserne Front.

1932 standen Wahlen zum Amt des Reichspräsidenten an. Bezeichnend für die Situation der Republik ist, dass keiner der Kandidaten, Thälmann, Hitler und Hindenburg, ein Demokrat war. Die Parteien der Mitte bis zur SPD unterstützten Hindenburg, um einen Erfolg Hitlers zu verhindern. Brüning hatte sich mit seinem Verbot der SA und der Osthilfeverordnung, die von den ostpreußischen Grundbesitzern – zu denen auch Hindenburg gehörte – stark kritisiert wurde, beim Reichspräsidenten unbeliebt gemacht. In der Bevölkerung war er auf Grund seiner Deflationspolitik unbeliebt und Hindenburg nahm es ihm übel, dass er auf sein Betreiben auch von den Anhängern der SPD zum Reichspräsidenten gewählt worden war. Er entzog ihm sein Vertrauen und Brüning musste zurücktreten. Der Kanzler wurde nach eigenem Bekunden „hundert Meter vor dem Ziel“ gestürzt, wobei er sein Ziel in der Gleichberechtigung Deutschlands und der endgültigen Aufhebung der Reparationen sah – innenpolitisch war er gescheitert.

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SPD-Wahlplakat „Gegen Papen, Hitler, Thälmann. Liste 2 Sozialdemokraten“

Sein Nachfolger Franz von Papen ersuchte Hindenburg sofort um Auflösung des Parlaments. Er wollte die Unterstützung der Nationalsozialisten und hob dafür das Verbot der SA und der SS wieder auf. Im sechsten Reichstag, der im Juli 1932 gewählt wurde, hatten die Nationalsozialisten 230 und die Kommunisten 89 von 608 Mandaten. Die beiden extremen Flügelparteien hatten damit eine negative Mehrheit erreicht, die jede parlamentarische Arbeit unmöglich machte. Papen löste den gerade erst gewählten Reichstag, nach einem mit großer Mehrheit gegen ihn gerichteten Misstrauensvotum, durch eine vorbereitete Order Hindenburgs wieder auf. Am 20. Juli führte er einen Staatsstreich gegen die Regierung von Preußen, die letzte Bastion der Republik durch. Als Vorwand für den „Preußenschlag“ diente das angebliche Versagen der preußischen Polizei am „Altonaer Blutsonntag“ (Straßenkämpfe zwischen SA und Kommunisten).

Die Neuwahlen vom November des gleichen Jahres brachten zwar einen Rückgang der Stimmen für die NSDAP, aber wiederum keine regierungsfähige Mehrheit. Papen trat zurück, nachdem der Reichstag es geschafft hatte, ihm das Misstrauen auszusprechen und Hindenburg eine Auflösung der Reichstags ohne die Festsetzung von Neuwahlen, was einen offensichtlichen Verfassungsbruch dargestellt hätte, nicht durchzuführen bereit war. Sein Nachfolger wurde General Kurt von Schleicher, der bis dahin im Hintergrund die Fäden gezogen hatte. Sein ehrgeiziger Plan, eine breite „Querfront“ von den Gewerkschaften bis zum linken Flügel der NSDAP um Gregor Strasser zu bilden, scheiterte. Da Hindenburg wieder nicht bereit war, den Reichstag aufzulösen und Neuwahlen aufzuschieben, trat Schleicher am 28. Januar 1933 zurück.

Am 4. Januar 1933 traf sich Hitler zu Geheimverhandlungen mit Papen im Privathaus des Kölner Bankiers Kurt von Schröder. Sie vereinbarten eine Koalitionsregierung, der außer Hitler nur zwei weitere Nationalsozialisten, nämlich Wilhelm Frick als Innenminister und Hermann Göring als Minister ohne Geschäftsbereich und kommissarischer preußischer Innenminister, angehören sollten. Papen selbst war als Vizekanzler und Reichskommissar für Preußen vorgesehen.

Reichspräsident von Hindenburg, der sich bis zuletzt gegen eine Kanzlerschaft des „böhmischen Gefreiten“ Hitler gesträubt hatte, konnte mit dem Hinweis, dass ein von einer konservativen Kabinettsmehrheit „eingerahmter“ NSDAP-Führer nur eine geringe Gefahr bedeute, beruhigt werden. Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 besiegelte das Ende der Weimarer Republik.

Reichstagsbrandverordnung und Ermächtigungsgesetz führten direkt in die Diktatur der Zeit des Nationalsozialismus.

Ursachen des Scheiterns

Alle einfachen Erklärungsmodelle, die sich auf einen Grund für das Scheitern der Weimarer Republik beschränken, greifen zu kurz: weder waren es alleine die institutionellen Mängel der Weimarer Verfassung, noch die Weltwirtschaftskrise zu Beginn der dreißiger Jahre, das Elend der Massenarbeitslosigkeit, das breite Wählerschichten den Nationalsozialisten in die Arme trieb, noch die versäumte Demokratisierung von Justiz, Verwaltung und Militär. Das Scheitern lässt sich auch nicht am persönlichen Versagen Einzelner oder der charismatischen Anziehungskraft der „Führerfigur“ Hitlers festmachen – Hitler und die Nationalsozialisten waren um die Jahreswende 1932/33 auf dem absteigenden Ast. Gescheitert ist die erste deutsche Republik an einem ganzen Bündel von Ursachen; zu keinem Zeitpunkt war der Weg in die Diktatur zwangsläufig. Allerdings muss man den Hauptakteuren der letzten Phase der Weimarer Republik, Papen, Hindenburg und den Männern hinter den Kulissen – wie dem „in der Verfassung nicht vorgesehenen“ Sohn des Reichspräsidenten Oskar von Hindenburg oder dem Staatssekretär im Reichspräsidialamt Otto Meißner ein durchweg negatives Urteil ausstellen. Verblendet durch Ehrgeiz, in Selbstüberschätzung und mangelnder politischer Urteilsfähigkeit ebneten sie Hitler den Weg an die Macht. Die Verteidiger der Republik gerieten in ihrer Endphase noch stärker in die Minderheit. Bezeichnenderweise war keiner der Präsidentschaftskandidaten von 1932 Thälmann, Hindenburg und Hitler ein Anhänger der Weimarer Republik. Eine gewisse Mitschuld tragen auch die Verteidiger der Republik.

Nach der Ernennung Hitlers konnten sich die demokratischen Parteien nicht auf ein gemeinsames, entschlossenes Vorgehen einigen, das Zentrum hatte teilweise selbst Koalitionen mit der NSDAP erwogen. Schleicher wiederum hatte es versäumt, dem Reichspräsidenten Alternativen zu einer verfassungswidrigen Verschiebung von Neuwahlen zu unterbreiten. So wäre es durchaus möglich gewesen, auch nach einem Misstrauensvotum als geschäftsführende Regierung im Amt zu bleiben und die Probleme bis zu einer Besserung der wirtschaftlichen und politischen Lage „auszusitzen“.

Hitler wurde zu einer Zeit Reichskanzler, als seine Partei aufgrund von inneren Spannungen in einer ernsten Krise war. Was die Nationalsozialisten als „Machtergreifung“ bezeichneten, um damit Stärke zu suggerieren, war in Wirklichkeit eine Art Machtübergabe. Ihr Kampf um die Regierungsgewalt, wie sie sie immer behaupteten, fand in der Form zu diesem Zeitpunkt nicht statt. Vielmehr waren es eine Reihe von – aus ihrer Sicht – glücklichen Umständen, die es ihnen möglich machte, die Macht zu übernehmen.


Der Sozialhistoriker Detlef J. Peukert führt das Scheitern der Weimarer Republik auf "vier zerstörerische Prozesse" zurück, "die einzeln wohl hätten gemeistert werden können":

1. Destabilisierung: Die Basiskompromisse aus der Gründungszeit hätten zu ihrer Ausgestaltung breitere Handlungsspielräume benötigt. Dadurch, dass diese durch die wirtschaftliche und soziale Dauerkrise verengt wurde, wurde die sozioökonomische Strukturkrise (Krise der Modernisierung, Weltwirtschaftskrise) zu einer Destabilisierung des politischen und sozialen Systems der Republik transformiert.

2. Legitimationsverlust: Die allmähliche und kontinuierliche Zurücknahme der Basiskompromisse trug zum Legitimationsverlust der neuen Ordnung bei. (z.B. Abbau des Sozialstaats, der in dieser Form in der Novemberrevolution als Kompromiss zwischen Kapital und Arbeit begründet wurde (ZAG-Abkommen))

3. Politik der autoritären Wende: Die alten republikfeindlichen Eliten zerstörten willentlich die angeschlagenen parlamentarisch-demokratischen Institutionen, um einen obrigkeitlichen Staat zu (re-)installieren. Dies war ein gemeineuropäisches Phänomen der 30er Jahre, in Deutschland gab es aber zwei Besonderheiten:

  • Nirgendwo sonst waren die alten und die neuen Werte (Kaiserreich/Republik) zugleich so erschüttert worden wie im Nachkriegsdeutschland. Dies verringerte die Möglichkeiten eines liberal-konservativen Kompromisses.
  • Nirgendwo sonst war die Öffentlichkeit so weitgehend politisiert und radikalisiert worden wie hier. Dadurch war an eine dauerhafte Regierung ohne Massenbasis nicht zu denken.

4. nationalsozialistische Alternative: Die NS-Bewegung konnte angesichts der Krise der Jahre 1930 bis 1933 die ganze Dynamik einer totalitären Integrationspartei entfalten. Sie konnte sich zum Sprecher der Krisenängste eines guten Drittels aller Deutschen machen. Aber allein hätte sie die Republik nicht stürzen können.

Es blieb nur die Alternative der demokratischen oder der totalitären Massenintegration. Erstere wurde durch die alten Eliten systematisch zertrümmert, zweitere wählten sie, als die autoritäre Wende keinen Ausweg bot. Darin liegt die historische Schuld der alten Eliten. „Die Verknüpfung dieser einzelnen Krisenfaktoren zu einer allumfassenden Krise der politischen Legitimation und der sozialen Wertsysteme ist in dieser Zeit und in diesem Land einzigartig gewesen.“ (Detlef J. Peukert: Die Weimarer Republik. Krisenjahre der klassischen Moderne, Frankfurt am Main 1987, v.a. S. 260f. und 269f.)

Antisemitismus in der Weimarer Republik

Zur Zeit der Weimarer Republik traten zu den unterschiedlichen Zeiten verschiedene Formen des Antisemitismus auf. Diese reichten von persönlichen Beleidigungen und Verleumdungen, beispielsweise in Form von Flugblättern, über körperliche Angriffe bis hin zu pogromähnlichen Ausschreitungen.

Zusätzlich trat dieser nicht in allen Regionen des Reiches im gleichen Ausmaß auf, sondern ließ deutliche Unterschiede zwischen Großstädten und ländlichen Regionen erkennen. Diese regionalen Unterschiede lassen sich vor allem durch die Verteilung der jüdischen Bevölkerung innerhalb des Reiches erklären. Mehr als die Hälfte der Juden, die zu dieser Zeit weniger als 1% der Gesamtbevölkerung umfassten, lebte in den Großstädten Berlin, Frankfurt am Main, Breslau, Hamburg, Köln, Leipzig und München. Daraus wird ersichtlich warum der Judenhass zunächst geballt in eben diesen Großstädten, vor allem aber in Berlin und München, auftrat. Gemeinden mit großem jüdischen Einwohneranteil existierten vor allem in Hessen, Bayern, Württemberg und Baden.

Des weiteren bestand ein enger Zusammenhang zwischen der RadikalitÄat der antisemitischen Tendenzen und der politischen und wirtschaftlichen Lage der Republik. Dies verdeutlicht auch die Aussage Golo Manns: "Nie war die antisemitische Leidenschaft in Deutschland wütender als in den Jahren 1919 bis 1923. Es war die Epoche des ersten großen Erfolges der Nationalsozialisten. Kaum erschien mit dem Ende der Inflation für die Massen neue Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben, so wurde die Bewegung rückläufig."

Zusätzlich ist es wichtig zu wissen, dass der Antisemitismus keinesfalls von einzelnen Untergrundorganisationen ausging, sondern vielmehr eine alltägliche Erscheinung in der Weimarer Republik war, die in dem Gedankengut aller Bevölkerungsschichten vorzufinden war und von diesen öffentlich gelebt wurde. Dies wird durch zahlreiche Postkarten mit antisemitischen Motiven und durch zur Hasspropaganda verwendete Wahlplakate deutlich. Zusätzlich waren sehr viele Flugblätter im Umlauf, die die Vorurteile gegenüber den Juden bestätigten und somit den Antisemitismus tief verwurzelten.

Kunst und Kultur in der Weimarer Zeit

Kulturell war die Zeit der Weimarer Republik eine der schöpferischsten und experimentierfreudigsten Epochen der deutschen Geschichte. Waren die Anfangsjahre noch geprägt vom Geist des späten Expressionismus in Malerei und Literatur, dominierte im besten Jahrfünft die Neue Sachlichkeit, die wiederum von einem sozialkritischen Realismus zur Zeit der Weltwirtschaftskrise abgelöst wurde. Autoren wie Bertolt Brecht, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Erich Kästner, Thomas und Heinrich Mann, Carl von Ossietzky, Erich Maria Remarque, Kurt Tucholsky, Franz Werfel, Arnold und Stefan Zweig schrieben Weltliteratur. Der Film entwickelte sich zum Massenmedium und setzte mit dem Cabinet des Dr. Caligari und Metropolis künstlerische Akzente. Der durch Walter Gropius in Weimar begründete Bauhausstil wurde zu einem der bedeutendsten Architekturstile des 20. Jahrhunderts. Stellvertretend für viele Künstler sei George Grosz genannt, der mit seinen ätzend satirischen Darstellungen von Bourgeoisie, Justiz und Militär (zum Beispiel Stützen der Gesellschaft, 1926) die sozialen Missstände der Weimarer Republik anprangerte.

Die Beamten und die Justiz

Wie bei der Reichswehr fanden auch in der Verwaltung und in der Justiz keine demokratischen Reformen statt. In der Weimarer Verfassung wurde allen Beamten die „Freiheit ihrer politischen Gesinnung“ und ihre „wohlerworbenen Rechte“ garantiert, Richter erhielten einen noch stärkeren Schutz wie die Unabsetzbarkeit. Zur Zeit der Monarchie war bei den Beamten allgemein und auch bei den Richtern bei der Ausbildung und bei der Einstellung auf ihre politische Gesinnung geachtet worden, weshalb sie mehrheitlich rechter Gesinnung waren. Speziell die Linken, deren Anhänger zur Kaiserzeit keine wichtigen Posten übernehmen konnten, setzten sich besonders für die Freiheit der politischen Gesinnung ein. Eine von den linken Parteien gewollte Wahl der Richter durch das Volk kam nicht zu Stande, da man die Justiz nicht in die Politik hineinziehen wollte. Der wichtigste Grund gegen Reformen bei den Beamten war die Notwendigkeit einer funktionierenden Verwaltung am Ende des Krieges, um beispielsweise die Soldaten zurück nach Deutschland zu holen. Ein weiterer Grund war für die bürgerlichen Parteien, mit der rechten Beamtenschaft eine weitergehende sozialistische Revolution zu verhindern. Die Beamten mussten einen Eid auf die Verfassung leisten und sie fühlten sich zwar dem Staat gegenüber verpflichtet, nicht aber der Republik.

Die politische Einstellung der Justiz kann man deutlich in ihren Urteilen erkennen, zum ersten mal bei der Münchner Räterepublik und beim Kapp-Putsch. Während linke Straftäter mit enormer Härte behandelt wurden, kam es bei rechten Straftäter sehr selten überhaupt zu Anklagen oder Strafen, die auch sehr viel milder ausfielen – die Weimarer Justiz war auf dem rechten Auge blind. Die Blindheit betraf nicht nur die Richter sondern auch die Strafverfolgungsbehörden. Ein späterer Reichsanwalt hatte unter anderem wichtige Spuren des Mordes an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg nicht aufgenommen und die Ermittlungen auch anderweitig behindert. Die Einseitigkeit der Justiz wurde bereits 1921 von Emil Julius Gumbel belegt, aber es kam zu keinen wirksamen Reformen. Die Gerichte fühlten sich oft nicht dem Gesetz, sondern dem Staat und dem Kampf gegen den Kommunismus, verpflichtet.

Die Justiz spielte auch eine wichtige Rolle am Ende der Republik. Adolf Hitler erhielt nach seinem Putsch nur eine geringe Strafe und kam bald wieder frei. Die Verhandlungen durften zur Hetze und zur Verbreitung von Propaganda missbraucht werden. In der Urteilsbegründung wurde der Verzicht auf eine Ausweisung Hitlers, die nach dem Republikschutzgesetz angebracht war, damit begründet, dass „auf einen Mann, der so deutsch denkt und fühlt wie Hitler [...] die Vorschrift [...] des Republikschutzgesetzes [...] keine Anwendung finden“ kann. Der Reichspräsident Friedrich Ebert starb an einer verschleppten Blinddarmentzündung, die er auf Grund einer Anklage wegen Hochverrats nicht rechtzeitig behandeln ließ. Beim Preußenschlag Franz von Papens, der ein schwerer Hieb gegen den Föderalismus war, ließ der Staatsgerichtshof die Regierung gewähren und Preußen konnte als Gegner der Reichsregierung ausgeschaltet werden.

Reichswehr

Siehe: Reichswehr

Verwaltungsgliederung

Siehe: Deutschland-Statistik (1925)

Politik

Vorlage:Zeitleiste Reichskanzler Weimar
Reichskanzler der Weimarer Republik

Parteien der Weimarer Republik

Literatur

Gesamtdarstellungen

  • Kolb, Eberhard: Die Weimarer Republik. München 2002(6). Sehr gute Gesamtdarstellung mit Grundproblemen und Tendenzen der Forschung sowie ausführlicher Darstellung der Quellen- und Literaturlage aus der Oldenbourg-Reihe (Grundriss der Geschichte)
  • Möller, Horst: Die Weimarer Republik. Eine unvollendete Demokratie, München 2004(7).
  • Mommsen, Hans: Aufstieg und Untergang der Republik von Weimar 1918-1933, Berlin 1998. ISBN 3-548-26508-1
  • Peukert, Detlef J.: Die Weimarer Republik. Krisenjahre der klassischen Moderne, Frankfurt am Main 1987.
  • Rosenberg, Arthur: Geschichte der Weimarer Republik, Frankfurt am Main 1961. zeitgenössische Deutung mit Schwerpunkt auf der revolutionären Entstehungsphase
  • Schulze, Hagen : Weimar. Deutschland 1917—1933, Berlin 1982. ISBN 3-88680-050-4
  • Winkler, Heinrich August: Weimar 1918-1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie. München 1998. ISBN 3-406-43884-9 / 3-406-44037-1

Sonstige Literatur

  • Bendel, Oliver. Das revolutionäre Arbeitertheater der Weimarer Zeit. Theater als Instrument kommunistischer Propaganda. Magisterarbeit. Konstanz 1996.
  • Bracher, Karl Dietrich: Die Auflösung der Weimarer Republik. Eine Studie zum Problem des Machtverfalls in der Demokratie, Villingen 1955. grundlegende Arbeit über die letzten Jahre der Weimarer Republik
  • Gessner, Dieter: Die Weimarer Republik. Kontroversen um die Geschichte, Darmstadt 2002.
  • Haffner, Sebastian: Der Verrat. 1918/19 - als Deutschland wurde, wie es ist, Berlin 1994. Darstellung der Novemberrevolution
  • Michalka, Wolfgang u. Niedhart, Gottfried (Hg.): Deutsche Geschichte 1918-1933. Dokumente zur Innen- und Außenpolitik, Frankfurt am Main 1992.
  • Niedhart, Gottfried: Die Außenpolitik der Weimarer Republik, München 1999.
  • Sontheimer, Kurt: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. Die politischen Ideen des deutschen Nationalismus zwischen 1918 und 1933, München 1978.
  • Tormin, Walter: Zwischen Rätediktatur und sozialer Demokratie. Die Geschichte der Rätebewegung in der deutschen Revolution 1918/19, Düsseldorf 1962. Arbeit zu Ursprüngen, Beschaffenheit und Zielen der Rätebewegung

Siehe auch