Passivhaus

Haus, das keine fossile Energiezufuhr (Heizung) benötigt
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Ein Passivhaus ist so gut isoliert, dass es keine konventionelle Heizung mehr braucht. Statt dessen benötigt es eine Lüftung. Durch seinen geringen Energiebedarf ist ein Passivhaus sehr umweltfreundlich. Die Bauweise ist nicht auf bestimmte Gebäudetypen oder Klimaregionen beschränkt, es gibt bereits Wohnhäuser, Büros, Fabriken, Kindergärten, Schulen, Sporthallen und Supermärkte die dem Passivhaus-Standard entsprechen.

Passivhaus-Energiestandard

Die genauen Anforderungen an ein Passivhaus sind im Passivhaus-Energiestandard beschrieben. Dieser ist die Weiterentwicklung des Standards für Niedrigenergiehäuser. Nach dieser vom Passivhaus-Institut Darmstadt entwickelten Definition muss ein Passivhaus folgende Kriterien erfüllen:

  • Jahresheizwärmebedarf ≤ 15 kWh/(m²a)(Qh = 66 (HT + HV)- 0,95 (Qs + Qi))
  • Heizlast ≤ 10 W/m²
  • Luftdichtheit n50 ≤ 0,60/h
  • Primärenergiebedarf ≤ 120 kWh/(m²a)(inkl.aller elektrischen Verbraucher)

Der (für die Wirtschaftlichkeitsrechnung) interessanteste Wert ist hier der Heizenergiebedarf von höchstens 15 kWh/(m²a). Dies entspricht umgerechnet etwa 1,5 Liter Heizöl pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr. Dieser Heizenergiebedarf lässt sich auch herleiten: Da die Lüftung bei gut isolierten (luftdichten) Gebäuden unverzichtbar ist, ist es aus wirtschaftlichen Überlegungen naheliegend, auf eine Heizung vollständig zu verzichten, und die Lüftung gleichzeitig als Heizung zu verwenden. Nun ist aber die durch Luft übertragbare Wärmemenge technisch begrenzt - die Zuluft kann nicht auf mehr als ca. 50° C erwärmt werden (sonst setzt Staubverschwelung ein und es entsteht ein unangenehmer Geruch). Bei einem Luftstrom von in der DIN festgelegten 30 m3/h pro Bewohner ist damit die maximal zuführbare Wärmemenge begrenzt (ein höherer Luftdurchsatz würde subjektiv zu trockener Luft führen). Das Haus muss also so gut isoliert werden, dass am kältesten Tag dieses Maximum ausreicht (mit Sicherheitsfaktor). Daraus wiederum ergibt sich der auf das ganze Jahr bezogene Wert von ungefähr 15 kWh/(m2a).

Weiterentwicklungen des Passivhauses sind das Nullenergiehaus und das Plusenergiehaus, die in Einzelexemplaren bereits realisiert wurden. Diese Gebäudetypen erzeugen (z.B. durch Solarzellen) über das Jahr gesehen gleich viel (oder mehr) Energie als sie verbrauchen. Eine Übersicht über verschiedene Energiestandards findet man im Artikel Energiestandard (Gebäude).

 

Funktionsprinzip

Die einfachste Analogie zu einem Passivhaus ist ein Kühlschrank, nur umgekehrt. Es ist tatsächlich so, dass die Wärmepumpen die häufig in Passivhäusern eingesetzt werden, denen von Kühlschränken sehr ähnlich sind (die Temperaturdifferenzen sind vergleichbar).

Ein typisches Passivhaus verfügt über die im Diagramm dargestellten Konstruktionsmerkmale. Abweichungen sind an praktisch jedem Punkt möglich, die dargestellte Form ist jedoch die häufigste, und nach gegenwärtigem Kenntnisstand auch die wirtschaftlichste. Insgesamt wird bei jedem Passivhaus versucht, alle Wärmeverluste zu minimieren, und die Wärmegewinne zu maximieren.

Wärmedämmung

Der wichtigste Punkt im Passivhauskonzept ist die gute Wärmedämmung. Die Außenwände, das Dach und das Fundament müssen sehr gut isoliert sein. Dazu gehört auch, dass die Gebäudehülle luftdicht ist. Bei allen Öffnungen und Durchbrüchen muss sorfältig darauf geachtet werden, dass keine Wärmebrücken oder Undichtigkeiten entstehen. Eine kompakte Bauweise hilft, ein günstiges Verhältnis von Volumen zu Oberfläche zu erreichen.

Die Fenster sind dreifach verglast und mit Spezialgas gefüllt. Obwohl trotzdem Fenster immer schlechter isoliert sind als Wände, produziert ein unverbautes Südfenster durch den "Treibhauseffekt" selbst im Winter mehr Wärme, als es verliert. Deswegen sind Passivhäuser normalerweise mit großen Fensterflächen nach Süden ausgerichtet. Die anderen Fenster (insbesondere nach Norden) werden dagegen eher klein ausgeführt.

Lüftung

Da Passivhäuser luftdicht sind, müssen sie über eine Lüftungsanlage verfügen. Die Lüftung ist das zweite wesentlich Merkmal jedes Passivhauses, und trägt wesentlich zum Wohngefühl bei.

Passiv

Die Zuluft wird zunächst durch zwei Komponenten vorgewärmt, die keine Heizenergie verbrauchen und deswegen "passiv" sind. Am Anfang steht ein ca. 40 m langes Rohr, welches unter dem Fundament vergraben ist. Dieses Erdregister bringt die Aussenluft im Winter auf mindestens 6° C, im Sommer wirkt es als passive Klimaanlage und kühlt die Luft bis auf höchstens 25° C.

Auf das Erdregister folgt die zweite passive Komponente, ein (im Sommer abschaltbarer) Gegenstrom-Wärmetauscher. Hier gibt die Abluft ihre Wärme an die Zuluft ab. Hinter diesem Punkt im System ist die Frischluft in der Regel nur noch ca. 1° kälter als die Innentemperatur, und die Abluft ist etwas wärmer als die Zuluft hinter dem Erdregister (also mindestens 7° C).

Aktiv

Auf die passiven Komponenten folgen aktive, welche die Zuluft bei Bedarf weiter erwärmen, dabei aber Energie verbrauchen. Die wesentliche aktive Wärmequelle in einem Passivhaus ist die Wärmepumpe (im Diagramm nicht dargestellt), welche der Abluft weiter Wärme entzieht, und der Zuluft zuführt. Als zweites aktives Glied in der Kette gibt es noch eine Elektro-Heizspirale, die aber nur bei extremem Wärmebedarf zugeschaltet wird.

Verteilung

Normalerweise wird die erwärmte Frischluft den Wohnräumen zugeführt, während die Abluft aus den Nutzräumen (Küche, Bäder und Keller) entnommen wird. Damit diese Zirkulation nicht behindert wird, müssen alle Türen luftdurchlässig sein. Am einfachsten wird dies durch einen ca. 2 cm breiten Spalt unten an der Tür erreicht. Diese Lüftung arbeitet (im Unterschied zu Klimaanlagen) mit einem relativ geringen Durchsatz (30 m3/h pro Person, ein kompletter Austausch des Luftvolumens im Haus in 3-4 Stunden). Deswegen ist es einfach, die Lüftung zugfrei und praktisch nicht wahrnehmbar auszulegen.

Warmwasserbereitung

Die Wärmepumpe der Lüftung wird üblicherweise gleichzeitig dazu verwendet, das warme Wasser zu bereiten. Es gibt z.B. Geräte, bei denen die Wärmepumpe nur dazu verwendet wird, den Warmwasserspeicher auf Temperatur zu halten, und die Erwärmung der Zuluft mit Warmwasser betrieben wird.

In einem Passivhaus ist der Wärmebedarf für Wasser tatsächlich etwas gleich groß wie der Heizwärmebedarf. Deswegen ist es eine häufige Lösung, für die Warmwasserbereitung Sonnenkollektoren zu verwenden, diese bringen den aktiven Wärmebedarf des Hauses im Sommer auf ein absolutes Minimum.

alternative Heizungskonzepte

Der sehr geringe Wärmebedarf eines Passivhauses kann durch beliebige Quellen bereitgestellt werden (z.B. Pelletsheizung, Erdgasheizung, Fernwärme oder Kaminofen). Normalerweise wird aber die oben beschriebene Lösung bevorzugt, da es dafür inzwischen relativ günstige Standardlösungen gibt. Unabhängig von der Wahl der Heizmethode ist der Aufwand wegen der sehr geringen erforderlichen Leistung (für ein Einfamilienhaus wird in der Regel ein Maximum von 6 kW installiert, tatsächlich benötigt werden weniger als 2 kW) viel kleiner als bei anderen Gebäuden. Es kann leicht ein Überhitzungsproblem entstehen, wenn zu viel Heizleistung installiert wird.

Häufig wird eine Zusatzheizung im Bad vorgesehen. Für maximalen Komfort bietet sich eine Fußbodenheizung an, da deren systembedingter Nachteil (vergleichsweise geringe Leistung) im Passivhaus zu einem Vorteil wird.

Wohngefühl

Die wesentliche und besondere Eigenschaft eines Passivhauses ist die konstante Innentemperatur. Das gilt sowohl über das Jahr gesehen als auch über einen Tag sowie für einzelne Räume. Die Innentemperatur ändert sich nur sehr langsam - bei ausgeschalteter Heizung verliert ein Passivhaus weniger als 0.5° C am Tag (im Winter, wenn keine Sonne scheint). Das Haus fühlt sich niemals kalt an, alle Wände und Böden haben subjektiv dieselbe Temperatur. Es gibt keine kalten Aussenwände, und keine kalten Füße. Im Sommer bleibt das Gebäude "von selber" relativ kühl (ca. 25°). Falls der Keller innerhalb der thermischen Hülle liegt gilt das Gleiche auch für ihn. Schimmelbildung ist niemals ein Problem.

Die Kehrseite dieser konstanten Innentemperatur ist, dass es nicht möglich ist, einzelne Zimmer auf einer anderen Temperatur zu halten. Dieser Punkt ist tatsächlich der eine nicht diskutierbare Kritikpunkt - wer gerne in einem kalten Zimmer schläft, wird sich in einem Passivhaus niemals wohlfühlen.

Die meisten anderen häufig zu hörenden Kritiken sind eher Vorurteile oder schlicht falsch. Ein solcher Punkt ist z.B. die trockene Luft. Wenn die Aussenluft erwärmt wird, so wird die spezifische Feuchte geringer, das ist eine physikalische Tatsache. Diese Physik gilt aber für alle Häuser gleichermaßen - die Luft in Passivhäusern ist nicht trockener als in jedem anderen beheizten Gebäude.

Komponenten

Qualitätskontrollen

 
eingebautes Blower-Door Gerät

Beim Bau eines Passivhauses müssen aufgrund der hohen Anforderungen an das Gesamtsystem mehr qualitätssichernde Maßnahmen als beim normalen Hausbau durchgeführt werden.

So sollten alle Komponenten der Konstruktion bereits in der Planung für ein Passivhaus geeignet sein. Auch der theoretische Energiebedarf und die Vermeidung von Wärmebrücken lassen sich bereits in der Planungsphase durch eine Berechnung der Energiebilanz prüfen.

Während der Bauphase sollte überprüft werden, ob auch wirklich die Konstruktionen verwendet werden, die in der Planung vorgesehen waren.

Der Blower-Door-Test im Rohbau stellt fest, dass alle Anschlüsse und Komponenten dann auch in der Realität fast luftdicht sind.

Der Bauherr erhält dann nach Fertigstellung von einem Prüfinstitut ein Zertifikat, in dem die Energiegewinne und Energieverluste genau aufgeschlüsselt sind. Dieses ist auch häufig eine Bedingung für Passivhaus-Investitionsförderungen.

Gebäude und Konstruktion

Der Wärmeverlust durch die Außenwände des Gebäudes wird durch den Einsatz von Dämmstoffen minimiert, der U-Wert soll hier 0,1 bis 0,15 W/m2K betragen. Durch die im Winter höhere Temperatur der Außenwand-Innenseite wird auch eine höhere Behaglichkeit erreicht. Im Sommer bringt die hocheffiziente Dämmung eine niedrigere Temperatur.

Um Bauschäden zu verhindern, ist neben einer hocheffizienten Dämmung wie bei allen Außenbauteilen von Gebäuden eine möglichst luftdichte Ebene erforderlich. Die Herstellung dieser luftdichten Ebene auf der Innenseite der Gebäudeaußenwände kann durch einfache Konstruktionen erfolgen. Im Massivbau stellt eine sauber ausgeführte Putzschicht bereits eine ausreichende Luftdichtheit der Wand her. Für die kritischen Bereiche im Übergang zu durchdringenden Bauteilen wie Fenster und Türen stehen standardisierte Produkte wie Anputz („Apu“)-Leisten und überputzbare Anschlussbänder zur Verfügung, die auf einfache Weise die Luftdichtheit herstellen. Auch für den luftdichten Einbau von Steckdosen gibt es bewährte Methoden: Bohren in 5 mm größerem Durchmesser und Setzen einer normalen Leerdose inkl. bereits durchgeführtem Kabel statt im Putzbatzen - oder der Einsatz marktgängiger speziell luftdichter Leerdosen. Nicht viel schwieriger gestaltet sich die Dichtheit bei Leichtbaukonstruktionen wie beispielsweise im Holzrahmenbau. Hier kommen Holzwerkstoffplatten, faserverstärkte Papiere oder Folien zum Einsatz. Bei vorgefertigten Elementen müssen die Verbindungsstöße abgedichtet werden. Hierfür stehen ebenfalls verschiedene bewährte Systeme zur Verfügung: EPDM-Dichtprofile, Dichtschläuche aus in PE-Folie verpackter Mineralwolle, Abklebungen mit qualifizierten Klebebändern mit ausreichendem Funktionshub. In jedem Fall müssen Durchdringungen der Außenwand (z.B. Elektrokabel für Außenbeleuchtungen) sorgfältig abgedichtet werden. Die Luftdichtheit ermöglicht auch die bessere Nutzbarkeit der gebäudeinternen Speichermassen (Massivbauweise).

Durch eine sorgsam ausgeführte Außenhülle lassen sich im Passivhaus Baumängel durch Tauwasser und Schimmelbildung vollständig vermeiden.

Gerätetechnik

Ein Passivhaus verfügt oft über keine konventionelle Heizanlage. Es gibt zwar zumeist eine Heizquelle, die Wärmeverteilung erfolgt jedoch meist über die Lüftungsanlage. Heizkörper und sonstige Heizflächen sind nicht notwendig, dürfen aber ebenfalls verwendet werden. Dabei wird meist mit niedrigster Vorlauftemparatur (z.B. 27°C) gearbeitet.

Kontrollierte Wohnraumlüftung

Siehe Hauptartikel Kontrollierte Wohnraumlüftung

Um den aus hygienischen Gründen notwendigen Luftwechsel herzustellen und um dabei möglichst wenig Energie zu verlieren, wird eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung vorgesehen. Die warme Abluft (aus Küche, Bad und WC) wird über einen Wärmeübertrager geleitet, wo die kalte Außenluft 80 bis 90% der Wärme wieder aufnimmt und als Zuluft in das Haus (Wohn- und Schlafzimmer) gelangt. Die Außenluft wird vor Erreichen des Wärmeübertragers in einigen Gebäuden noch durch einen Erdwärmeübertrager geführt. Das ist ein 30 bis 40 Meter langes in der Erde vergrabenes Rohr. Die Lüftungsanlage wird so ausgelegt, dass keine Zugluft wahrnehmbar ist. Dies gelingt im Passivhaus leicht, da nur wenig Zuluft erforderlich ist, (keine Klimaanlage, nur Frischluftzufuhr). Eine Lüftungsanlage ist in einem Passivhaus zwingend erforderlich, da durch Fensterlüftung niemals die gewünschte Heizenergieeinsparung zusammen mit guter Raumluftqualität erreicht werden könnte. Die in Passivhäusern eingesetzten Lüftungsgeräte sind leise und hocheffizient (75 bis 95% Wärmerückgewinnung). Sie verbrauchen nur sehr wenig Lüfterstrom, ca. 40 - 50 Watt, können aber auch Probleme mit zu trockener Luft schaffen. Diese treten jedoch nur auf, wenn der Luftaustausch nicht korrekt berechnet wurde.

Wärmepumpe

Die verbleibende geringe Heizenergie kann z.B. mit einer Kleinstwärmepumpe erzeugt werden. Es gibt Kompaktaggregate, das sind mit der Lüftungsanlage kombinierte Wärmepumpen. Sie entziehen der Fortluft nochmals ihre Energie und bringen sie mit elektrischem Antrieb auf ein höheres Temperaturniveau. Damit kann die Zuluft weiter erwärmt werden und zwar so weit, dass dies für die Heizung ausreicht. Diese Wärmepumpen können auch Warmwasser bereiten. Wie alle Heizanlagen, muss auch im Passivhaus die Wärmepumpe ausreichend dimensioniert werden. Eine Kombination aus Heizung, Lüftung und Warmwasserbereitung in einem Gerät bieten Kompaktaggregate. Sie benötigen wenig Stellfläche und weisen einen geringen Stromverbrauch auf.

Pelletkessel

Ein mit Pellets befeuerter Kaminofen mit Wassertaschen kann auch die notwendige Restenergie bereitstellen; dabei reicht ein Ofen für ein ganzes Einfamilienhaus. Herkömmliche Öfen haben sogar oft eine zu hohe Leistung im Vergleich zum Bedarf. Die Luftabstrahlung sollte dann nicht zu groß sein (max. 20%), da sich sonst der Aufstellraum unnötig erwärmt. Sehr wichtig ist ein raumluftunabhängiger Betrieb des Ofens.

Solaranlage

Eine thermische Solaranlage kann zur Warmwasserbereitung und zur Heizungsunterstützung verwendet werden. Dadurch werden die Laufzeiten der Heizanlagen weiter reduziert, was sich gerade im Passivhaus spürbar auswirkt, denn im Passivhaus wird ähnlich viel Energie für Warmwasser und Heizung benötigt.

Geschichte

Das erste Passivhaus in Deutschland wurde 1991 in Darmstadt-Kranichstein von Dr. Wolfgang Feist gebaut. Der Heizenergieverbrauch der vier Reihenhauseinheiten beträgt durchschnittlich 10 kWh/m2a und ist seit 15 Jahren stabil. Das erste freistehende Passiv-Wohnhaus wurde von oehler faigle archkom 1998 in Bretten gebaut. Das erste deutsche Mehrfamilien-Passivhaus befindet sich seit 1999 in Freiburg, Stadtteil Vauban. Es folgten ganze Passivhaussiedlungen in Wiesbaden (21 Häuser), Hannover-Kronsberg (32 Häuser) und Stuttgart (52 Häuser) und in den Jahren 1999 - 2001 wurden im Rahmen von CEPHEUS weitere 221 Wohneinheiten in 5 EU-Ländern (D-S-F-CH-A) an 14 Standorten errichtet - alle mit intensiven Messprogrammen, welche die vollständige Erfüllung der Erwartungen bestätigen. Das zur Zeit weltgrößte Passiv-Bürogebäude Energon wurde 2002 in Ulm errichtet. Das erste Passivhaus in den USA wurde 2006 in Bemidji, Minnesota für das „Deutsch-als-Fremdsprache-Programm Waldsee“ gebaut. Das Projekt in Waldsee wurde mit Hilfe der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und mehreren deutschen Firmen finanziert.

Verbreitung und Bauarten von Passivhäusern

Über 6000 Passivhäuser (Stand 2006) sind in Deutschland, Österreich, der Schweiz und in Italien (Südtirol) bewohnt, davon mehrere Großsiedlungen, in denen der niedrige Verbrauch und die gute Behaglichkeit durch wissenschaftliche Begleitstudien bestätigt wurde (CEPHEUS). Es gibt Passivhäuser als Massiv-, Holz- und in Schalungstechnikbauweise Polystyrolsteinhaus. Auf die Bauweise kommt es nicht an, sondern allein auf die Bauqualität. Inzwischen wurden auch Bürogebäude, Heime, Schulen, Turnhallen und sogar Industriegebäude mit Passivhausstandard gebaut.

Besonderheiten

Im Vergleich zu einem konventionellen Gebäude sind bei der Planung eines Passivhauses schon frühzeitig einige Besonderheiten zu beachten:

Standortüberlegungen

Passivhäuser sind um so günstiger (weil sie weniger gedämmt werden müssen), wenn sie sorgfältig zur Sonne ausgerichtet werden. Ohne Not sollte man von der idealen Südorientierung der Hauptfensterflächen nicht abweichen. Allerdings sind in den letzten Jahren auch zahlreiche Passivhäuser in eher ungünstigen Lagen und Orientierungen erfolgreich gebaut worden. Eine bedeutende Einschränkung der Standortwahl gibt es daher heute nicht mehr - an ungünstigen Bauplätzen wird ein Passivhaus allenfalls etwas teurer durch die dann erforderliche dickere Wärmedämmung.

Gestaltung

Die beim Passivhaus mehrere Dezimeter dicke Dämmung erfordert erhöhte Anstrengungen des Architekten, um Ausdrucksmöglichkeiten wie beispielsweise den so genannten Anzug des Mauerwerks zu integrieren. Aus alten Fachwerkhäusern lässt sich nicht so einfach ein Passivhaus machen, ohne das historische Erscheinungsbild zu beeinträchtigen. Bei nachträglicher Dämmung sind auch Konflikte mit Belangen des Denkmalschutzes möglich. Das Beispiel des Passivhauses Günzburg zeigt aber, dass bei guter Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege selbst in solchen Fällen oft gute Lösungen möglich sind.

Zudem gibt es neue Entwicklungen bei den Dämmstoffen, die es ermöglichen, auch im Bereich denkmalgeschützter Bauten Passivhausqualität zu erreichen. Insbesondere die Verwendung von Vakuumdämmung (VIP) eröffnet hier ein großes neues Potential.

Kosten

Auswertungen gebauter Passivhausprojekte zeigen, dass die Herstellung heute im Mittel etwa 8% teurer als ein konventionell gebautes Haus ist. Wie bei allen Neubauten gibt es ein breites Kostenspektrum: Es wurden auch bereits Passivhäuser zu Preisen gebaut, die unter denen vergleichbarer konventioneller Bauten am gleichen Standort lagen. Das Passivbürogebäude [energon ulm] von den Architekten oehler faigle archkom konnte beispielsweise um 10 % günstiger errichtet werden als ein konventionelles Bürogebäude, da eine Reihe von Synergieeffekten ausgenutzt wurde. Die Geschosshöhe ist geringer, die Fassade aus vorgefertigten Holzelementen ist sehr günstig und die Haustechnik ist weniger umfangreich. Beim Einfamilienhaus bewegen sich die Mehrkosten im Schnitt zwischen 0-10 %. Dabei sind Randbedingungen wie schwierige Gründung, Sonderwünsche, gehobene Ausstattung oft sehr viel entscheidender als die Mehrkosten für den PH-Standard. Gegengerechnet werden müssen die Minderkosten auf wenigstens 20 Jahre wegen günstigem Unterhalt. Hier gibt es bei den Passivhaus-Architekten umfangreiche Erfahrungen.

Mehrkosten beim Passivhaus

  • Hohe Wärmedämmung - Materialkosten für den Dämmstoff (nach Volumen)
  • Zentrale oder dezentrale Lüftungstechnik mit Wärmerückgewinnung
  • Sehr hoch dämmende Fenster mit Dreifach-Wärmeschutzverglasung
  • Aufwändigere Detaillösungen für die Abdichtung (luftdichte Hülle notwendig)
  • In manchen Fällen Aufwand bei Sonderlösungen (beispielsweise für eine Katzenklappe)

Minderkosten beim Passivhaus

  • Geringere Kosten für Warmwasser und Heizung
  • Kamin nicht notwendig (bei Wärmepumpe)
  • Wandheizung oder Fußbodenheizung nicht notwendig
  • Eigener Heizraum, Brennstofflagerraum nicht notwendig (Keller daher oft eingespart)

Unterhaltungskosten

Der Energiebedarf für Beheizung verringert sich um ca. 80 %, es darf umgerechnet mit 1,5 Liter Heizöl (=75 ct) pro m2 Wohnfläche und Jahr gerechnet werden. Da im Normalfall als Heizung eine Wärmepumpe zum Einsatz kommt, die Strom verbraucht, wird der Strombedarf insgesamt höher, dafür fallen überhaupt keine gesonderten Heizungskosten an. Die Wärmepumpen arbeiten in der Regel mit einem Faktor von 3 oder mehr, d.h. sie wandeln 1 kWh elektrische Energie in 3 kWh Heizleistung um. Der gesamte Stromverbrauch eines Einfamilienhauses kann mit etwa 7200 kWh im Jahr angenommen werden, dabei ist jeweils ungefähr die Hälfte Wärmebedarf (Heizung/Warmwasser) und sonstiger Verbrauch (Licht/Küchengeräte etc.). Der Wartungsaufwand für die Haustechnik entspricht dem eines normalen Wohnhauses. Ein genauer Kostenvergleich ist relativ schwierig. Die folgende Annahme ist nach derzeitigem Erfahrungsstand relativ defensiv: Die Kosten für die Haustechnik bleiben etwa gleich (statt Heizkörpern wird die Lüftung installiert, satt einem Brenner die Wärmepumpe etc.), für die Fenster und die Gebäudehülle entstehen Mehrkosten von etwa 8% der Bausumme. Diesen Mehrkosten stehen die gesparten Energiekosten gegenüber, und die Möglichkeit mit einem etwas günstigeren Kredit von der KfW Finanzierungskosten zu sparen.

Insgesamt dauert es bei heutigen (2007) Preisen etwa 15 Jahre, bis sich die Mehrkosten durch die gesparte Energie amortisiert haben. Während dieser Zeit hat man aber die höhere Wohnqualität durch die Lüftung, und die Sicherheit gegenüber steigenden Energiepreisen.

Förderung

In Deutschland werden KfW-40-Häuser (zwischen Niedrigenergie- und Passivhaus) und Passivhäuser durch ein zinsvergünstigtes Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau mit einem zinsvergünstigten Kredit in Höhe von 50.000 EUR je Wohneinheit (Siehe KfW-Förderbank -> Bauen,Wohnen, Energie sparen) gefördert.

Darüber hinaus gibt es in vielen Bundesländern regionale Förderprogramme.

In Österreich Werden Passivhäuser die alle Bestimmungen erfüllen mit bis zu 10% der Baukosten gefördert. Die Mehrkosten beim Bau eines Passivhauses betragen zwischen 10% und 15%.

Literatur

  • Wolfgang Feist: Gestaltungsgrundlagen Passivhäuser. Verlag Das Beispiel, Darmstadt
  • Passivhaus Projektierungspaket (PHPP). Passivhaus Institut, Darmstadt
  • Aktiv für mehr Behaglichkeit: Das Passivhaus. Bauherrenbroschüre der Informationsgemeinschaft Passivhaus. Passivhaus Institut,
  • Passivhaus Institut: Protokollbände des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser Nr. 2- 33, (1996-2006). Passivhaus Institut,
  • Passivhaus Institut: Tagungsbände der Passivhaustagungen 1 - 10 (1996-2006)
  • Fred Ranft / Doris Haas-Arndt: „Energieeffiziente Altbauten - Durch Sanierung zum Niedrigenergiehaus“, hrsg. vom Fachinformationszentrum Karlsruhe, BINE Informationsdienst, TÜV Verlag 2004, ISBN 3-93-459555-3
  • Anton Graf Neue Passivhäuser. Callway, München 2003 ISBN 3-76-671568-2
  • Passivhaus Kompendium 2007, Laible Verlagsprojekte, Allensbach 2006, ISBN 3-00-020230-7,
  • Carsten Grobe: Passivhäuser Planen und Bauen. Callway Verlag-München 2002, ISBN 3-7667-1515-1,
  • CEPHEUS Projektinformaionen. Pro Klima, Hannover und Passivhaus Institut, Darmstadt
  • Krapmeier/Drössler: CEPHEUS Wohnkomfort ohne Heizung; Springer WienNewYork, ISBN 3-211-83720-5,
  • Stefan Oehler: Große Passivhäuser. Kohlhammer, 2004, ISBN 3-17-017271-9,

Siehe auch

Commons: Passivhaus – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien