Die Bremer Räterepublik war eine in Folge der Novemberrevolution am 10. Januar 1919 ausgerufene Räterepublik im Land Bremen. Vorangegangen war die Machtübernahme durch einen arbeiter- und Soldatenrat am 6. November 1918. Sie wurde am 4. Februar 1919 in Bremen und am 8./9. Februar 1919 in Bremerhaven niedergeschlagen.
Vorgeschichte
In der SPD in Bremen war es bereits im Laufe des Ersten Weltkrieges zu Spaltungen gekommen. Die bremische SPD hatte bereits vor dem Krieg innerhalb der Sozialdemokratischen Partei mehrheitlich linke Positionen vertreten. Die Parteilinke hatte sich hierbei um Johann Knief organisiert und stand im scharfen Gegensatz zu der im Reich mehrheitlichen Sozialdemokraten und der SPD-Führung. Das Parteiblatt „Bremer Bürger-Zeitung“ beschäftigte so Redakteure wie etwa Karl Radek oder Anton Pannekoek und vertrat hierbei marxistische Positionen. Die vorherrschende Stellung nahme die Parteilinke auch im Verlauf des Ersten Weltkrieges. Die Vertreter der die Reichregierung unterstützenden Parteiangehörigen, die später als Mehrheitssozialisten bezeichnet wurden, mussten schließlich 1916 einen eigenen Ortsverein gründen. Der mehrheitssozialistische Ortsverein konnte durch rechtliche Schritte schließlich auch die „Bremer Bürger-Zeitung“ übernehmen. Als sich 1917 die USPD gründete verblieben nur noch Linksradikale in dem alten Ortsverein.
Zum Ende des Ersten Weltkrieges hatte sich auch in Bremen die Versorgungslage der Zivilbevölkerung rapide verschlechtert. Hinzu traten Spannungen wegen des bevorstehenden und sich deutlich abzeichnenden militärischen Zusammenbruchs. In Kiel war es aus ähnlichen Gründen am 3. November 1918 zum Kieler Matrosenaufstand gekommen und es war dort am 4. November ein Arbeiter- und Soldatenrat gegründet worden.
Gruppierungen
Für die Bremer Räterepublik spielten unterschiedliche Gruppen eine erhebliche Rolle.
Linksradikale/Kommunisten
Diese Gruppe stellte, als ursprünglicher SPD-Ortsbeirat, die in mancher Hinsicht radikalste Gruppierung um Johann Knief dar. Am 23. November 1918 beschloss diese Gruppe auf einer Mitgliedsversammlung sich in Internationale Kommunisten Deutschlands umzubenennen. Es handelte sich damit um die Bildung der ersten offiziell kommunistischen Gruppe in Deutschland. Am 31. Dezember 1918 schloss sich diese Gruppe mit dem Spartakusbund zur Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) zusammen. Besonderen Rückhalt hatten die Kommunisten bei den Arbeitern der AG Weser. Diese Gruppe ging davon aus, dass die auf Frieden gerichteten Bestrebungen in der Hansestadt sich bereits auf dem Weg zu einer Klassenbewegung im Sinne des marxistischen Klassenkampfes befunden habe. Dieser Bewegung stünde vor allem eine bürgerlich-sozialdemokratische Reaktion gegenüber. Diese müsse mit denselben Mitteln bekämpft werden, wie es die Bolschewiki im Laufe der Oktoberrevolution mit ihren Gegnern taten. Eine wesentliche Forderung war daher die Bewaffnung der Arbeiter. Der Arbeiter und Soldatenrat sollte zum Mittel des Klassenkampfes werden, bürgerliche oder sozialdemokratischer Vertreter daher ausgeschlossen werden. Daneben sollten die bürgerlichen Zeitungen enteignet und Lebensmittelvoräte des Großbürgertums beschlagnahmt werden. Schutz- und Kriminalpolizei und Senat sollten aufgelöst und es sollten aus revolutionären Soldaten und Arbeitern rote Garden gebildet werden.
USPD
Weniger radikal, aber auch revolutionär eingsstellt waren die Angehörigen der USPD. Auch sie waren für die Durhführung des Reichsrätekongresses und lehnten die Nationalversammlung als Vorstufe einer parlamentarischen Demokratie ab. Wie die Kommunisten befürwortete die USPD eine Umgestaltung der Staats- und der Wirtschaftsordnung. Allerdings befürworteten sie allgemeine Wahlen zu den Räten und waren gegen den Ausschluss von Kandidaten der SPD. Führer der USPD waren Adam Frasunkiewicz und Alfred Henke.
Mehrheitssozialdemokraten
Die Mehrheitssozialdemokraten der SPD lehnten im Grunde die Revolution ab und bevorzugten Reformen. Die relativ zögerliche Zustimmung zur Revolution und zu den arbeiter- und Soldatenräten erfolgte mit dem Zweck den Räten die Revolutionäre Spitze zu nehmen. Die Räte sollten letztlich in eine Art Parlament zugeführt werden. Problematisch für die Mehrheitssozialdemokraen war hierbei in Bremen, dass dort diese Richtung nicht die Mehrheit bei der Arbeiterschaft hatte und so -im Gegensatz zu Räten an anderen Orten- sich nicht in der Lage sahen durch die Erringung der Mehrheit in den Räten die Führungspositionen zu besetzen. Rückhalt der SPD waren die Funktionäre der Gewerkschaften, Anhänger aus dem Kleinbürgertum und bei der Polizei.
Bürgertum
Das bürgerliche Lager hatte durch seine Stellungen in der Verwaltung und in der Wirtschaft und insbesondere in den Banken einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Verlauf der Räterepublik. Vor allem von Seiten der Reeder wurde bei der Reichsregierung interveniert, um ein militärisches Eingreifen zu erreichen. Hauptargument war, dass die bremischen Häfen für die Nahrunfgsmittel- und Rohstoffversorgung des Reichs erforderlich seien, diese Funktion aber durch Plünderungen und Beschlagnahmen in den bremischen Häfen gefährdet seien. Politisch organisiert waren bürgerliche und liberale Kräfte im sogenannten „Bürgerausschuß“ zunächst unter dem ehemaligen Präsidenten der Bremer Bürgerschaft Emil Quidde, später unter dem Reeder Adolph Vinnen.
Militär
Die Soldaten, welche Anhänger der Räterepublik waren, neigten allerdings eher den Mehrheitssozialdemokraten zu und verweigerten die Bildung roter Garden. So wurde von Seiten des Soldatenrates auf entsprechende Forderungen geantwortet : „Das Heer betrachtet sich als Träger der Revolution und ist auch zu ihrer Sicherheit die allein berufene Macht; die Soldatenräte sind daher allein befugt, über den Besitz und Gebrauch militärischer Waffen zu verfügen. Kommen Plünderungen von Waffendepots vor, ist sofort seitens des Soldatenrates das Standrecht zu verhängen.“
Hinzu trat das am 1. Januar 1919 intakt zurückkehrende I. Hanseatische Infantrieregiment Nr. 75 unter dem Befehl von Offizieren, wie Major Walter Caspari, die bürgerlichen Kreisen nahe standen. Auf diesem Regiment lagen zunächst die Hoffnungen der Gegner des Arbeiter- und Soldatenrates.
Revolution und Bildung des Arbeiter- und Soldatenrates
Am Morgen des 6. November 1918 traf eine Abordnung der Kieler Matrose auf der AG Weser ein und forderte von den dortigen Arbeitern Unterstützung für den Arbeiter- und Soldatenrat in Kiel und ihre Unterstützung bei der Befreiung von zweihundertdreißig im Gefängnis in Oslebshausen inhaftierten Angehörigen der Marine. Gleichzeitig kam es zur Meuterei von Matrosen, die von Wilhelmshaven in ein Lager in der Lüneburger Heide transportiert werden sollten und zur Weigerung von etwa einhundert Soldaten in der Neustädter Kaserne auszurücken. Zwischen den Soldaten in der Neustadt und den Marineangehörigen am Bahnhof kam es schnell zu Kontaktaufnahmen und es wurde von ihnen ein Soldatenrat gegründet, der das Kommando über die in Bremen sttehenden Verbände übernehmen sollte. Gegen Mittag demonstrierten Arbeiter und Soldaten auf dem Bremer Marktplatz. Am Abend rief Adam Frasunkiewicz vom Balkon des Bremer Rathauses die Bildung eines Arbeiter- und Soldatenrates aus und kündigte die Machtübernahme an.
Es wurde ein Aktionsausschuss aus drei Vertretern der Linksradikalen (Hans Brodmerkel, Adolf Dannat, Alfred Stockinger) und vier Vertretern der USPD (Alfred Henke, Adam Frasunkiewicz, Karl Herold, Emil Sommer) gebildet. Nach Wahlen am 7. November wurde der Ausschuss um weitere Mitglieder ergänzt, der bremische Arbeiter- und Soldatenrat formierte sich nach diesen Wahlen mit 210 Mitgliedern als Legislative und 250 Mitgliedern als Kontrollinstanz. Es wurde, abermals unter Ausschluss der Mehrheitssozialisten, ein fünfzehnköpfiger Exekutiv-Ausschuss gebildet. Nachdem die Linksradikalen Probleme hatten geeignete Fachleute zur Besetzung ihrer Posten hatten und sich auch Vertreter der Mehrheitssozialisten, wie Karl Deichmann, für die Revolution ausgesprochen hatten, wurde dieses Gremium um Vertreter der Gewerkschaften und der Mehrheitssozialisten auf einundzwanzig Mitglieder erweitert. Zu den Vorsitzenden des Ausschusses wurde als Vertreter der USPD Alfred Henke und als Stellvertreter der Linksradikalen Hans Brodmerkel gewählt.
Am 14. November verkündete Alfred Henke im im Konventssaal der Bremer Börse die Übernahme der Macht durch den Arbeiter- und Soldatenrat sowie die Auflösung des Senats und der Bürgerschaft. Gleichzeitig wurde die Beamtenschaft aufgefordert, auf ihren Stellen zu bleiben, die Gerichte sollten weiterhin tätig bleiben, auch die Leiter der Behörden blieben im Amt. Bis auf weiteres sollten lediglich die Senatoren dem Ausschuss berichten, der sich die politischen Entscheidungen vorbehielt. Für den Übergang wurde eine Kommission aus sechs Vertretern des Arbeiter- und Soldatenrates und sechs Senatoren (Apelt, Biermann, Bömers, Donandt, Hildebrand und Spitta) eingesetzt. Öffentlich gab Henke die Machtübernahme am 15. November um 11 Uhr vom Balkon des Bremer Rathauses bekannt.
Durch die Beibehaltung der bisherigen Verwaltung und die Leitung durch dieses von Seiten des Senates und der Räte besetzten Ausschuss besaß das Bürgertum einen nicht unerheblichen Einfluss, der sich eher hemmend auswirken sollte. Notwendig war diese Lösung aus Sicht der revolutionären Kräfte, da es ihnen an einer ausreichenden Anzahl von Fachleuten mangelte.
Entwicklung zur Räterepublik
Die Entwicklung zwischen der Bildung und Machtübernahme des Arbeiter- und Soldatenrates zur Bremer Räterepublik war einerseits durch die Machtkämpfe zwischen den einzelnen Gruppierungen und andererseits durch die Debatte um die von Friedrich Ebert (der selbst eine Zeit Mitglied der Bremer Bürgerschaft und Lokalredakteur der „Bremer Bürgerzeitung“ gewesen war) und Philipp Scheidemann angestrebte Weimarer Nationalversammlung sowie den Modalitäten zu den Wahlen des Arbeiter- und Soldatenrates geprägt.
Auseinandersetzungen in den Räten
In einer Abstimmung am 19. November 1918 über eine Resolution, in der die Einberufung einer Nationalversammlung aller Arbeiter- und Soldatenräten gegen die sich anbahnende Weimarer Nationalversammlung gefordert wurde, unterlag die SPD klar mit 116 gegen 23 Stimmen. Nach der Annahme der Resolution kam es am 22. November zu einer von den Linksradikalen einberufenen Massenversammlung, auf der eine von Johann Knief formulierte Resolution verabschiedet, in der unter anderem die Entwaffnung und der Ausschluss aller bürgerlichen und sozialdemokratischen Personen aus dem Arbeiter- und Soldatenrat gefordert wurde. Weiter wurde die Zurückgabe der „Bremer Bürger-Zeitung“ von den Mehrheitssozialisten an die Linksradikalen gefordert. Die Resolution war die Grundlage für die Gründung der „Internationalen Kommunisten Deutschlands“ (IKD) am folgenden Tag. Allerdings beschloss am gleichen Tag die eher den Sozialdemokraten zuneigende Vertrauensmänner-Versammlung der bremischen Garnision, die faktisch den Soldatenrat leitete, keine roten Garden zu bilden und die Bewaffnung von Arbeitern abzulehnen. Am 29. November fand dann eine von den Kommunisten organisierte Massendemonstration statt unter deren Eindruck der Arbeiterrat beschloss die Zeitung der SPD wegzunehmen und eine Redaktion aus Mitgliedern der USPD und der IKD einzusetzen. Darauf drohte die SPD am 1. Dezember den Arbeiterrat zu verlassen, falls der Beschluss umgesetzt würde, Unterstützung erhielt sie hierbei vom Soldatenrat, der die Umsetzung zunächst verhinderte.
Rückkehr des Hanseatischen Infanterieregiments 75
Die Situation änderte sich, als für Ende Dezember die Rückkehr des Infanterieregiments 75 angekündigt wurde. Daraufhin duldete am 21. Dezember auch der Soldatenrat die Übernahme der Zeitung und erklärte sich mit der Bewaffnung von Arbeitern einverstanden.
Die Offiziere des Regiments standen der Revolution ablehnend gegenüber, diese forderten die Wiedereinsetzung von Senat und Bürgerschaft und eine Einquartierung in der Kaserne am Neustadtswall. Durch Verhandlungen konnte als Kompromiss erzielt werden, dass zwar Senat und Bürgerschaft wieder eingesetzt würden, aber der Arbeiter- und Soldatenrat ein Vetorecht erhalten sollte, ansonsten akzeptiere das Regiment die eingetretenen Machtverhältnisse und es bliebe bei der Bewaffnung der Arbeiter und der Soldaten. Das Regiment würde Polizeifunktionen übernehmen, der arbeiter- und Soldatenrat sollte durch sechs Mitglieder des Regimentes ergänzt werden. Am 1. Januar 1919 traf das Regiment am Sebaldsbrücker Bahnhof ein und marschierte auf den Marktplatz, wo es noch vormittags mit patriotischen Reden und dem Absingen des Deutschlandliedes empfangen wurde. Die Anführer des Soldatenrates Ecks und Willems hatten zeitgleich, nachdem sie Knief und Fransunkiewicz unterrichtet hatten, allerdings bewaffnete Arbeiter zu den Quartieren vorausgesandt. Als das Regiment dort eintraf wurden die Soldaten aufgefordert ihre Waffen herauszugeben. Nach Verhandlungen mit Major Walter Caspari und anderen Offizieren einigte man sich darauf, dass die Soldaten ihre Waffen herausgeben sollten, die Offiziere sie behalten, aber nicht tragen sollten. Am 3. Januar wurde dieses Vorgehen vom Soldatenrat ggebilligt, aber Wert darauf gelegt, dass die übrigen Vereinbarungen, wie etwa die Ergänzung des Soldatenrates eingehalten würden. Auf kommunistische Proteste hin verzichteten die Offiziere Major Caspari und Leutnant Sies auf ihre Sitze.
Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung
Daneben traten wirtschaftliche Probleme auf und es kam vor allem zwischen den Kommunisten und der Finanzdeputation zu Auseinandersetzungen über die Finanzierung. Der Bürgermeister Donandt etwa verweigerte die Bereitstellung von 60 000 Mark für die Aufstellung zweier Arbeiterbataillone. Zeitgleich wurde in Berlin allerdings der Spartakusaufstand niedergeschlagen.
Ausrufung der Räterepublik
Niederschlagung der Räterepublik
Gedenken
Gedenken für die Verteidiger der Räterepublik
Gedenken für die Freikorpsangehörigen
Unmittelbar nach der Räterepublik war das „Freikorps Caspari“ als militärische Einheit aufgelöst worden,es bestand aber das „Traditionskorps Caspari“ aus ehemaligen Angehörigen des Freikorps bis zur Gleichschaltung im Januar 1934 fort. Es bestand außerdem eine „Vereinigung ehemaliger Gerstenberger“ aus ehemaligen Angehörigen der Division Gerstenberg. Zu einer Errichtung eines Denkmals für die Freikorpsangehörigen kam es in der Zeit der Weimarer Republik jedoch nicht - zum einen wegen des nicht unangespanntem Verhältnis zwischen Senat und SPD einerseits und den ehemaligen Freikorpsangehörigen andererseits, aber auch wegen der traditionellen Zurückhaltung in Bremen bei der Errichtung von Denkmälern; diese wurden in der Regel durch Privatpersonen errichtet. Nach Beginn der Herrschaft des Nationalsozialismus gründeten die Veteranen dieser Verbände einen „Arbeitsausschuß für Errichtung eines Ehrenmals für die am 4.2.1919 im Kampf um Bremen Gefallenen“.
Am 22. Mai 1936 wurde im Chor der Liebfrauenkirche die Statur „Der Jüngling“ von Herbert Kubica zum Gedenken der Gefallenen der Division Gerstenberg und des Freikorps Caspari eingeweiht.
Weblinks
- Günter Garbrecht, Die Bremer Räterepublik von 1918 1919
- Till Schelze-Brandenburg, Die Bremer Räterepublik
- Frank Hethey , "Ihrer ist bisher durch kein Ehrenmal gedacht" -Das Projekt eines Bremer Freikorpsdenkmals - der Weg zur Jünglingsstatue von Herbert Kubica
- Andreas Schnell, "Alle Mächt den Räten!", taz vom 7. Februar 2004
Literatur
- Peter Kuckuk, Bremen in der Deutschen Revolution 1918-1919 - Revolution, Räterepublik, Restauration, Reihe Bremen im 20. Jahrhundert, Bremen 1986, ISBN 3-926028-02-5
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