Wikifizierung und bessere Gliederung notwendig --Hufi @ 11:19, 1. Mär. 2007 (CET)
Notre-Dame-du-Port (Clermont-Ferrand)
Wichtiger als die gotische Kathedrale der Stadt ist die romanische Notre-Dame-du-Port, eine Wallfahrtskirche aus der Zeit ungefähr zwischen 1100 und 1150. An dieser Stelle befand sich einmal ein römischer Markt, daher der Beiname du-Port von portus=Markt. Die Notre-Dame-du-Port ist nur wenige Jahre nach einem historischen Datum begonnen worden. Im Jahr 1095 hatte Papst Urban II. hier in Clermont zum ersten Kreuzzug der Geschichte aufgerufen. Diese Notre-Dame ist die älteste der noch erhaltenen fünf Kirchen der bedeutenden „auvergnatischen Bauschule“.
Die auvergnatische Bauschule
Diese Gruppe ist nach der Landschaft Auvergne benannt. Die eigenartige Bauform der Notre-Dame mit den beiden deutlich betonten Ost- und Westriegeln und dem dazwischen eingespannten Langhaus ist typisch für diese Gegend. Besonders auffallend ist dabei, dass im Osten dieser Bauten nicht nur ein Vierungsturm steht, sondern dass er - bis weit über die Firsthöhe der Querhäuser hinauf - von Aufbauten begleitet wird, die zusammen die sog. „auvergnatische Pyramide“ bilden. Die Westfassaden dieser Kirchen sind in aller Regel enttäuschend belanglos, einfache kahle Mauern. Diese Kirchen der auvergnatischen Romanik sind deutlich als Wallfahrtskirchen konzipiert, d.h. sie sind auf einen starken Besucherandrang rund um die Reliquien im Chor eingerichtet. Das bedeutet ein breites Querhaus und einen Chor mit Umgang und davon abzweigenden Radialkapellen.
Aussenansicht
Die Originalität der auvergnatischen Kirchen zeigt sich außen besonders an der mächtigen Übereinanderstufung des Raumes. Das Chorhaupt folgt einer aufsteigenden Bewegung, die in einem eindrucksvollen achteckigen Turm endet. Diese Stufenbewegung nach oben wird durch eine Folge horizontaler Linien gemildert, vor allem durch die gestaffelten Fensterzonen, deren optische Wirkung sich besonders im Innenraum zeigt. Von dieser bedeutenden romanischen Bauschule existieren in der vollständigen Form noch fünf Kirchen, die sich bis ins Detail gleichen. Alle stehen sie in der Nähe von Clermont-Ferrand: neben dieser Notre-Dame die Kirchen von Orcival, St-Nectaire und Issoire.
Innenraum
Das Langhaus zeigt innen den typischen Aufbau dieser eigenartigen regionalen Bauschule. Es ist keine echte Basilika, denn es gibt keine Fensterzone im oberen Teil des Mittelschiffes. Es ist aber auch keine Stufenhalle. Es ist überhaupt ein eigenartiges Gebäude. Es verzichtet nämlich, obwohl es hier durchaus möglich gewesen wäre, auf eine deutliche Vertikalgliederung.
Das merkwürdige Tribünengeschoss
Diese Kirchen haben zwar ein deutlich erhöhtes Mittelschiff, aber an Stelle einer Fensterzone liegt hier ein Tribünengeschoss über den Seitenschiffen, das nur minimal von kleinen Fenstern belichtet ist. Es ist kein Emporengeschoss, was man auf den ersten Blick meinen könnte. Denn eine Empore ist betretbar und zur Aufnahme zusätzlicher Besucher gedacht. Diese Tribünen hier sind nicht betretbar.
Man hat sich in der Forschung lange mit diesem Phänomen beschäftigt. Man glaubte anfangs, hier seien Nachahmungen der großen Wallfahrtskirchen des Südens maßgebend gewesen wie beispielsweise der in Conques. Aber dort wurden die Emporen u.a. eindeutig dazu genutzt, möglichst viele Pilger am Gottesdienst teilnehmen lassen zu können und sie in den Emporen auch schlafen zu lassen. Alles das ist hier nicht möglich. Diese Tribünen haben nur statische Funktion und gerade das macht diese Kirchen der auvergnatischen Bauschule auch zu Vorläufern der Gotik, so seltsam sich das bei diesem Bild auch anhört. Der einzige Sinn dieser Tribünen besteht darin, dass in ihren Gewölben der Seitendruck des schweren Tonnengewölbes des Mittelschiffes abgeleitet wird. Dadurch konnten die Mauern selber leichter und schneller gebaut werden. In der Gotik übernimmt das Strebewerk weitgehend diese Funktion. (Rosenbaum, Ulrich: Auvergne und Zentralmassiv. Köln [1981] 1989, S. 27)
Ungewöhnliche Raumformen
Damit sind aber nicht alle hier sichtbaren Phänomene erklärt. Denn diese Tribünen besitzen Öffnungen nach innen, streng in der Achse der darunter liegenden Stützen, aber ohne mit ihnen ansonsten verbunden zu sein. Es gibt auch kein Element, das diese Rhythmusgleichheit unterstützt. Andererseits: Wenn es den damaligen Architekten auf Flächigkeit angekommen wäre – wozu dann diese Halbsäulen vor den Pfeilern, die unterhalb der Tribünen enden und nichts tragen?
Auch die Fenster der überaus schmalen Seitenschiffe sind nicht sonderlich groß, so dass das Bauwerk außen wie innen einen herben, abwehrenden Eindruck macht. Die Bogenstellungen zu diesen Seitenschiffen sind sehr hoch. Die Seitenschiffe erscheinen selber kaum als eigenständiger Bauteil, eher wie eine Raumschicht hinter einem Einheitsraum. Auch das weist auf das spätere gotische Raumgefühl voraus. Die Gotik selber ist aber in der Auvergne nicht heimisch geworden. Der konservative Geschmack der Bewohner dieser früher abgeschiedenen Gegend hielt an der eigenen Romanik fest. Nicht umsonst ist die gotische Kathedrale der Stadt erst im 19. Jahrhundert fertig geworden. Außerdem waren die romanischen Kirchen so stabil, dass sie nicht baufällig wurden und sich nicht die Möglichkeit oder Notwendigkeit eines Neubaues ergab.
Die vielleicht merkwürdigste Erscheinung der auvergnatischen Bauschule zeigt sich beim Vierungsturm. Vierungsturm und Anbauten besitzen ein eigenes Fenstergeschoss nicht nur nach außen, sondern auch Fensteröffnungen zwischen den Teilräumen im Inneren der Kirche und sogar Fenster in Räume hinein, die gar nicht betretbar sind. Diese Teilräume werden durch die ungewöhnlichen Trennwände unter den Gewölben gebildet. Die Trennwände sind nötig, um den mächtigen Ostriegel in sich stabil zu halten. Auch hier spürt man noch die Unsicherheit der damaligen Baumeister des Westens, eine richtige Kuppel zu bauen. Hier existieren also einige Bauformen, die sich nicht in ein schlüssiges Konzept einpassen, zumindest nicht in ein gewohntes. Hier sind ganz individuelle Lösungen gefunden worden.
Literatur
- Durliat, Marcel: Romanische Kunst. Freiburg-Basel-Wien 1983, S.483
- Minne-Sève, Viviane: Romanische Kathedralen und Kunstschätze in Frankreich. Eltville 1991, S. 84, 85,
- Rosenbaum, Ulrich: Auvergne und Zentralmassiv. Köln [1981] 1989, S. 49, Abb. 3-6;