Berlin-Moabit

Ortsteil des Bezirks Mitte in Berlin, Deutschland
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Karte
Lage von Moabit im Bezirk Mitte
Lage von Moabit im Bezirk Mitte
Basisdaten
Bundesland: Berlin
Stadtbezirk: Bezirk Mitte
Einwohner: 68.908
Geografische Lage: Vorlage:Koordinate Text Artikel
Postleitzahlen: 10551, 10553, 10555, 10557, 10559
Vorwahl: 030
Kfz-Kennzeichen: B
Offizielle Website: www.berlin-mitte.de

Moabit ist ein Ortsteil im Bezirk Mitte von Berlin. Bis zur Verwaltungsreform 2001 war Moabit ein Ortsteil des ehemaligen Stadtbezirks Tiergarten.

Spreebogen in Moabit

Über Berlin hinaus ist Moabit durch die Untersuchungshaftanstalt (jetziger offizieller Name: Justizvollzugsanstalt Moabit) und das Kriminalgericht bekannt, weswegen Moabit oft als Synonym für das Gefängnis verwendet wird: „Er sitzt in Moabit“ meint „Er ist Insasse der Untersuchungshaftanstalt Moabit“.

Geografie

Der Stadtteil wird von den Wasserstraßen Spree, Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal, Westhafenkanal und Charlottenburger Verbindungskanal umschlossen.

Die Insel Moabit wird durch 25 Straßen-, Bahn- und Fußgängerbrücken mit der umgebenden Stadtlandschaft verbunden. Dies sind: (Reihenfolge im Norden beginnend und dann im Uhrzeigersinn weiter) Föhrer Brücke, Torfstraßensteg, Brücke der Ringbahn, Brücke der Fernbahn, Fennbrücke, Nordhafenbrücke, Kieler Brücke, Sandkrugbrücke, Bahnbrücke am Hauptbahnhof, Hugo-Preuß-Brücke, Gustav-Heinemann-Brücke, Moltkebrücke, Kanzlersteg, Lutherbrücke, Bahnbrücke am S-Bahnhof Bellevue, Gerickesteg, Moabiter Brücke, Lessingbrücke, Hansabrücke, Wullenwebersteg, Gotzkowskybrücke, Kaiserin-Augusta-Brücke, Sickingenbrücke, Bahnbrücke über Verbindungskanal und Ludwig-Hoffmann-Brücke. Die trennende Wirkung der Wasserläufe wird im Norden und Osten durch ausgedehnte Bahnanlagen und den Westhafen, der größter Berliner Hafen und zugleich zweitgrößter deutscher Binnenhafen ist, noch verstärkt.

Größte Grünfläche ist der nach einem früheren Bezirksbürgermeister benannte Fritz-Schloß-Park, der als Trümmerberg auf einem ehemaligen Exerzierplatz entstand.

Name

Die Herkunft des Namens Moabit ist umstritten. Sehr wahrscheinlich lässt sich die Bezeichnung auf die ersten Bewohner dieses Gebietes, die Hugenotten, zurückführen. Die französischen Glaubensflüchtlinge nannten ihren neuen Wohnsitz in Anlehnung an das Alte Testament terre de Moab, denn sie fanden hier ebenso Zuflucht, wie die Israeliten nach dem Auszug aus Ägypten im Land der Moabiter, bevor ihnen der Einzug ins Land Kanaan gestattet wurde (siehe Baudisch, Literatur).

Interessant hierbei ist auch, dass im 16. Jhd. in Frankreich die Bezeichnung moabite (über morabuth zur heutigen Form marabout) einen frommen Eremiten beschrieb.

Möglich, wenn auch weniger wahrscheinlich, ist eine Herkunft von terre maudite (verfluchtes Land), dem slawischen Wort moch (Moor) bzw. einer verkürzten Aussprache des Wortes Moorjebiet oder die die Ableitung aus der verkürzten Aussprache des Französischen mon habitat (mein Wohnort).

Geschichte

Beginn der Besiedelung

Das Gebiet des heutigen Moabit war ab dem 13. Jahrhundert als Große Stadtheide unter Berliner Verwaltung und diente als Viehweide. Im 15. Jahrhundert wurden die Ländereien westlich Berlins Eigentum der brandenburgischen Kurfürsten, die die wildreichen Wälder südlich der Spree zu ihrem Jagdgebiet, dem Tiergarten, machen. Dem Wachstum der Residenzstadt unter dem Großen Kurfürst Friedrich Wilhelm fallen Teile des Tiergartens zum Opfer, was durch die Erweiterung um den Hinteren Tiergarten nördlich der Spree kompensiert wird. Das gesamte Jagdrevier wird bis 1859 mit einem Wildgatter versehen.

Die Besiedelung des heutigen Moabit beginnt 1685 mit dem Bau des Staakensetzerhaus an der Westgrenze des Wildparks. 1698 überlässt Kurfürst Friedrich III. den auf dem Areal des heutigen Humboldthafens liegenden Weinberg dem Hugenotten Menardié, der hier ein Gasthaus betreibt. Im Jahr 1717 siedelt König Friedrich Wilhelm I. zwischen der heutigen Straße Alt-Moabit und der Spree Hugenotten an. Die Glaubensflüchtlinge sollen hier Maulbeerbäume für die Seidenraupenzucht anpflanzen, was jedoch an der unzulänglichen Qualität der Böden scheitert. So werden die Grundstücke schon zehn Jahre später für andere, meist gärtnerische Zwecke verwendet und es entstehen hier die ersten Sommersitze Berliner Bürger.

In den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts beginnt auch die militärische Nutzung großer Teile des Gebiets von Moabit. Die königlichen Pulverfabriken westlich des Moabiter Weinbergs machen 1717 den Anfang und bis 1734 dehnen sich die militärischen Anlagen bis dicht an die Hugenotten-Kolonie aus. Die Bezeichnung Pulverwiesen für die Spreewiesen südlich der Militäranlagen hält sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts.

Im westlichen Teil des heutigen Moabit, der damals noch zu Charlottenburg gehörte, eröffnet 1735 ein Franzose eine Schenke. Der wegen seiner geringen Größe petit Martin oder berlinisch Martinicken genannte Wirt gibt dem damals unbebauten Feld den Namen Martinickenfelde. Es ist das Gebiet des späteren Fabrikenviertels von Moabit.

Zwei Westfalen erhalten um 1769 Ländereien von Friedrich II. im Gebiet des heutigen Westfälischen Viertels von Moabit. Ihnen wird auferlegt, die Brandenburger darin zu unterrichten, lebende Hecken nach westfälischer Art zur Einfriedung ihrer Höfe anzulegen. Die Westfalen errichten auf ihren Anwesen Gaststätten, die sich steigender Beliebtheit bei der Stadtbevölkerung des ausgehenden 18. Jahrhunderts erfreuen. Moabit ist damit zu dieser Zeit ein Naherholungsgebiet mit ländlichem Charakter.

Industrialisierung

Moabit wurde besonders im ausgehenden 19. Jahrhundert immer stärker bevölkert. 1861 kam es zur Eingemeindung nach Berlin, die besiedelte Fläche nahm zu und viele Großindustrien wurden durch den Neubau von Mietskasernen nach Wedding verdrängt. Die Großindustriellen rechneten sich aus, dass mit Miete mehr Geld zu verdienen sei als mit der Produktion von Gütern. Außerdem sind Mietwohnungen weniger von der wirtschaftlichen Lage abhängig, und bringen immer einen regelmäßigen Ertrag. So wurde aus dem ehemaligen Produktionsgebiet ein reines Arbeiter-Wohnviertel. Lediglich im Westen Moabits sind noch Industrieanlagen wie z. B. das berühmte AEG-Turbinenfabrik erhalten.

Zur geistlichen Betreuung der überwiegend aus Schlesien stammenden katholischen Arbeiter der Moabiter Industriegebiete wurde im Jahr 1867 mit Unterstützung des Fabrikanten August Julius Albert Borsig das erste nachreformatorische Kloster Berlins gegründet, das Dominikanerkloster St. Paulus mit gleichnamiger Pfarrkirche. In den Jahren 1892-93 wurde das heutige Kirchengebäude im Stil der Neogotik nach Plänen von Engelbert Seibertz an der Ecke Oldenburger- / Waldenserstraße errichtet.

Arbeiterbewegung

Große Teile von Moabit sind traditionelle Arbeiterwohnviertel; Teile davon hatten politisch aktive Bewohner, so beispielsweise der rote Beusselkiez oder der benachbarte Rostocker Kiez, und galten nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Jahre 1933 als kommunistische Widerstandszellen.

Bevölkerungsentwicklung

Moabit war lange Zeit so gut wie unbewohnt, die Einwohnerzahl wuchs nur langsam. Nach der Eingemeindung nach Berlin 1861 kam es dann jedoch zu einem raschen Anstieg:

  • 1716: Entstehung der Kolonie Moabit („Alt-Moabit“)
  • 1801: 120 Einwohner
  • 1805: 201 Einwohner
  • 1818: Entstehung von Neu-Moabit, Zusammenwachsen mit Alt-Moabit zu einer Industrievorortgemeinde
  • 1835: 709 Einwohner
  • 1861: etwa 6.534 Einwohner, Eingemeindung nach Berlin
  • 1871: 14.818 Einwohner
  • 1880: 29.693 Einwohner
  • 1910: 190.000 Einwohner
  • 2004: 74.631 Einwohner
  • 2005: 68.908 Einwohner

Der Anteil der Moabiter mit ausländischen Wurzeln betrug Ende 2005 28,9%. Im Durchschnitt weisen in Berlin 13,7% der Einwohner einen Migrationshintergrund auf.

Verkehr

Moabit wird von S-Bahn tangiert und U-Bahn durchquert. Im Norden verläuft der S-Bahnring und hält an den Stationen Beusselstraße und Westhafen. Im Süden schneidet die Stadtbahn mit der Station Hauptbahnhof die Insel. Die U-Bahnlinie 9 durchquert Moabit mittig in Nord-Süd-Richtung mit den Bahnhöfen Westhafen, Birkenstraße und Turmstraße. Zusätzlich verläuft der nördliche Abschnitt des Berliner Regional- und Fernbahnnetzes parallel zur S-Bahn mit Abzweigung zum Hauptbahnhof.

Bauwerke

 
Moabiter Markthalle

Moabit beherbergt einige architektonisch und industriegeschichtlich bedeutende Bauten:

Kirchen

  • Evangelische Kirche St. Johannis, an der Straße Alt-Moabit, erbaut 1835 von Karl Friedrich Schinkel, erweitert 1857 von Friedrich August Stüler. Die Kirche bildet den Point de vue am Ende der einstigen Hauptverbindungsstraße von Berlin (heute Kirchstraße).
  • Evangelische Heilandskirche an der Thusneldaallee zwischen Turmstraße und Alt-Moabit, erbaut 1892-1894 von Friedrich Schulze.
  • Evangelische Reformationskirche an der Ecke Beussel-/Wiclefstraße, erbaut 1905-1907 nach Plänen des Dombaumeisters Georg Schwartzkopff durch Georg Dinklage und Ernst Paulus. Die denkmalgeschützte Kirche soll wegen eines 2004 entstandenen Brandschadens aufgegeben werden und ist vom Abriss bedroht.
  • Evangelische Erlöserkirche an der Gotzkowskybrücke
  • Katholische Kirche und Dominikanerkloster St. Paulus an der Oldenburger Straße (s.o.)
  • Die 1905/1906 nach Entwürfen von Georg Dinklage und Ernst Paulus in roten Backsteinziegeln erbaute evangelische Heilige-Geist-Kirche an der Ecke Perleberger / Birkenstraße


Wirtschafts- und Verkehrsbauten

Wohnbauten

  • Reformmietshaus Sickingenstraße 7/8 von Alfred Messel.
  • Wohnhaus von Hans Kollhoff in der Huttenstraße, 1990er Jahre
  • Der „Stephankiez“ , rund um den Stephanplatz und seinen Hauptadern Stephan-, Havelberger und Stendaler Straße, gilt als ein gut erhaltenes Gründerzeitviertel. Die historische Bausubstanz ist zu etwa 90 % erhalten.

Denkmäler

  • Mahnmal aus COR-TEN-Stahl vor dem Standort der ehemaligen Synagoge, Levetzowstraße 7-8
  • Mahnmal zur Erinnerung an die Deportation jüdischer Bürger auf der Ostseite der Putlitzbrücke, die über den damaligen Güterbahnhof Putlitzstraße stattfand
  • Denkmal mit bronzener Portraitbüste von Professor Wilhelm Schwartz auf dem Spielplatz Wilsnacker Straße (beschädigt)

Bürgerbewegung

In Moabit, im sogenannten Stephankiez, besteht eine Bürgerbewegung, die in Berlin einmalig ist. Aktive Bürger haben sich zum Verein „BürSte“ ("Bürger für den Stephankiez in Mitte") zusammen geschlossen und setzen sich für ihren Stadteil ein. Vorangegangen ist ein wohl einmaliges Projekt, das 100.000 Euro für den Stephankiez"-Projekt. Das Bezirksamt Berlin-Mitte stellte 100.000 Euro zur Verfügung. Von den Bürgern des Stephankiezes wurde eine Bürgerjury gewählt, allein diese entschied was mit den 100.000 Euro gemacht wurde. Bürger, Vereine und Institutionen konnten Projekte einreichen. Nachdem das Projekt zur Zufriedenheit aller abgeschlossen wurde, entwickelte sich aus Mitgliedern der Bürgerjury, aber auch anderen Bürgern, der als gemeinnützig beantragte Verein „BürSte“. Das Ziel der Bürgerinitiative ist,

  • dem Kiez ein Forum zu geben
  • das gemeinsames Leben im Stephankiez zu verbessern
  • die Nachbarschaftshilfe zu fördern
  • Hilfe zur Selbsthilfe für Bürger zu ermöglichen
  • Anjlaufstelle für Bürger, Schulen, Vereine, Geschäfte und Institutionen im Kiez zu sein
  • Angebote für Kinder, Jugend, ältere Menschen und Sozialschwache zu vermehren
  • Die zahlreich vorhandenen Angebote zu bündeln
  • Unabhängiger Vermittler zum Bezirksamt zu sein

Berühmte Moabiter

Literatur

  • Saeger, Olaf: Moabiter Details - Schatten im Paradies, Berlin 1995, ISBN 3925191593
  • Karwelat, Jürgen: Insel Moabit. Eine Dreiviertel-Rundfahrt mit dem Schiff, ISBN 3925702067
  • Engel, Helmut: Das Poststadion in Moabit: Baudenkmal, Sportstätte, Kieztreff
  • Becker, Christine; Jacob Brigitte: Der Stephankiez –Ein Altbauquartier im Wandel-, Transit-Buchverlag, Berlin 1992, ISBN 3-88747-079-6
  • Baudisch, Rosmarie; Cullen, Michael S.: Tiergarten, Colloquium Verlag, Berlin 1991, ISBN 3-7678-0719-X
Commons: Berlin-Moabit – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien