Atlantikwall

historische militärische Küstenbefestigung
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Der Atlantikwall war eine 2.685 km lange Linie von befestigten Stellungen entlang der Küsten des Atlantiks, Ärmelkanals und der Nordsee. Sie wurden im Zweiten Weltkrieg von den deutschen Besatzern in den Ländern Frankreich, Belgien, Niederlande, Deutschland, Dänemark und Norwegen sowie auf den britischen Kanalinseln im Zeitraum 1942 bis 1944 geplant und teilweise erbaut. Der Atlantikwall sollte diese Gebiete vor einer britischen Invasion schützen.

Bunker am Strand Nähe Søndervig, Dänemark
Bunker am Strand Nähe Søndervig, Dänemark
15 cm Kanone in Longues-sur-Mer, Frankreich

Bedeutung des Atlantikwalls im Krieg

Bis zur Invasion der Alliierten (Operation Overlord) waren die Befestigungen in Frankreich, am weitesten fortgeschritten. Insbesondere in der östlichen Normandie - dort erwartete man an der schmalsten Stelle des Ärmelkanales am ehesten eine feindliche Invasion (diese Einschätzung wurde von den Allierten durch Täuschungsmanöver untermauert), die Befestigungen um die Girondemündung wegen der Bedeutung für den Überseetransfer und die Anlagen im Bereich der Spanischen Grenze bei Bayonne/Biarritz waren am weitesten ausgebaut. Hier wurden mit einem riesigen Bauaufwand durch die Organisation Todt und unter Einsatz tausender Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener Bunkeranlagen und Batterien für Geschütze verschiedenster Kaliber errichtet. Eine Vorstellung vom rein zahlenmässigen Umfang der Befestigungen gibt die folgende, unvollständige Liste von Batteriestellungen:

  • Vara mit vier Kanonen im Kaliber 38,0 cm (Kristiansand, Norwegen)
  • Trondenes mit vier Kanonen im Kaliber 40,6 cm (Trondenes, Norwegen)
  • Hanstholm mit vier Kanonen im Kaliber 38,0 cm (Hanstholm, Dänemark)
  • Lindemann mit drei Kanonen im Kaliber 40,6 cm (Pas de Calais, Frankreich)
  • Todt mit vier Kanonen im Kaliber 38,0 cm (Pas de Calais, Frankreich)
  • Großer Kurfürst mit vier Kanonen im Kaliber 28 cm (Pas de Calais, Frankreich)
  • Friedrich August mit drei Kanonen im Kaliber 30,5 cm (Pas de Calais, Frankreich)

Üblicherweise waren die Geschützbatterien mit Kanonen im Kaliber zwischen 10,5 cm und 15,5 cm bestückt, wie die nachfolgende Aufstellung zeigt:

  • Ouistreham mit sechs Kanonen im Kaliber 15,5 cm (Normandie, Frankreich)
  • Mont Fleury mit sechs Kanonen im Kaliber 12,2 cm (russ.)(Normandie, Frankreich)
  • Longues mit vier Kanonen im Kaliber 15 cm (Normandie, Frankreich)
  • Pointe du Hoc mit sechs Kanonen im Kaliber 15,5 cm (franz.)(Normandie, Frankreich)
  • Marcouf mit drei Kanonen im Kaliber 21 cm (tschech.)(Normandie, Frankreich)
  • Azeville mit vier Kanonen im Kaliber 10,5 cm (Normandie, Frankreich)

Außerdem wurde mit dem Blockhaus von Eperlecques der größte Bunkerbau in Frankreich in weiten Teilen fertig gestellt. Dieses Bauwerk sollte als Stützpunkt für den Einsatz der V2 dienen.

Konzept des Atlantikwalls

Insgesamt wurden für den Atlantikwall 8119 Bunker gebaut, aus Effizienzgründen wurden von den verschiedenen Waffengattungen Standard- bzw. Regelbauten entwickelt, die meisten Gebäude entstanden nach diesen Plänen. Die einzelnen Waffengattungen Heer, Luftwaffe und Marine hatten jeweils eigene größtenteils genormte Ein/Ausrüstungsgegenstände. Die Waffengattung bedingte häufig die Bewaffnung der einzelnen Anlagen, so wurde das Würzburg Radar von der Luftwaffe betrieben, die besonders schweren Geschützbatterien und die Seezielbatterien oft von der Marine. Die einzelnen Regelbauten wurden als Module, in Schutzzweck und der Topographie angepasster Anordnung, errichtet. So standen z.B. die Seezielbatterien nahe dem Strand, die Feuerleitstellen erhöht und die Munitions und Mannschaftsanlagen weiter nach hinten gerückt. Verbunden waren die einzelnen Module entweder durch mehr oder weniger befestigte Schützengräben und teilweise durch gedeckte Wege oder Hohlgänge. Ein großer Nachteil des Atlantikwalls war vor allem die geringe Verteidigungstiefe, sie betrug vielerorts nur einige hundert Meter. Wenn der Angreifer die erste Linie durchbrochen hatte folgten im direkten Hinterland nur noch leichte Selbstverteidigungsanlagen der Infrastrukturgebäude, weitere Linien waren nicht fest vorgesehen. Ein Aufbau aus vielen untereinander vernetzen Linien wie bei der Maginotlinie gab es nicht. In der folge war nach einem gelungenen Durchbruch im Strandbereich ein tiefes Eindringen in das Hinterland möglich.

Operation Overlord

Während der Operation Overlord zeigte sich die besonders stark der Nachteil der geringen Verteidigungstiefe. Nur mittels "befestigter Strände" die massive Überlegenheit an Material, Information und Mannschaften der Allierten auszugleichen, "ihn ins Meer zurückzuwerfen", stellte sich als fast unmöglich dar, zumal die Landungsstrände im Vorfeld fast alle schwer von See und aus der Luft bombardiert worden waren. War eine erste Bresche geschlagen, konnte der Invasor weit in alle Richtungen vorstoßen. Auf Seiten der Deutschen führten Kompetenzunklarheiten, Fehleinschätzungen, wechselnde Strategien zur Verteidigung des Atlantikwalls sowie die bis zum D-Day vorherschende Annahme, die Invasion würde an der schmalsten Stelle des Ärmelkanals stattfinden, zu weiteren schweren Fehlentscheidungen, die im weiteren Verlauf die Invasion begünstigten.

Die Stellungen des Atlantikwalles in der Normandie hielten der sorgfältig geplanten Invasion der Alliierten nur einen Tag stand (Operation Neptune). Die Anlagen der Französischen Westküste verblieben jedoch länger in deutscher Hand, vor allem diejenigen im Bereich der U-Boot-Anlagen, sie wurden sukzessive nach und nach beseitigt. Sie waren jedoch kein Primärziel, der schnelle Vorstoß auf Paris und dann Berlin hatte Vorrang. Der Atlantikwall spielte im weiteren Verlauf des Zweiten Weltkriegs keine entscheidende Rolle mehr, obwohl die Stellungen von den Deutschen teilweise hartnäckig verteidigt wurden.

Kunst

Der ungarische Künstler Gabor Ösz entwickelte sein bekanntestes Werk The Liquid Horizon als er den Atlantikwall bereiste und fotografierte. Er baute dabei die Bunker, die zur Beobachtung des Meeres gedacht waren, in eine Camera Obscura um, um sie somit auf künstlerische Weise wieder dieser Funktion zuzuführen.[1]

Literatur

  • Dr. Thorsten Heber: Der Atlantikwall 1940 - 1945 Die Befestigung der Küsten West- und Nordeuropas im Spannungsfeld nationalsozialistischer Kriegführung und Ideologie. 930 S., Düsseldorf 2003. Freier Download: http://www.ub.uni-duesseldorf.de/home/etexte/diss/metadata?dissid=613
  • DAWA Nachrichten (Hrsg: Deutsches Atlantikwall-Archiv): halbjährlich erscheinende Zeitschrift mit verschiedenen Artikeln zum Festungsbau, darunter viele Begehungshinweise zum Atlantikwall
  • Harry Lippmann: DAWA Sonderband 5 - Die 5 cm Kampfwagenkanone im Atlantikwall, DAWA Köln 2003
  • Harry Lippmann: DAWA Sonderband 7 - Die Heeresküstenbatterie Azeville (Normandie), DAWA Köln, 2004
  • Jürgen Friese: DAWA Sonderband 8 - Die Stützpunktgruppe Römö (Dänemark), DAWA Köln, 2003
  • Harry Lippmann: DAWA Sonderband 10 - Die Heeresregelbauten des Atlantikwalls (Typenheft mit allen Grundrissen), DAWA Köln, 1986 (7. Auflage 1989)
  • Harry Lippmann: DAWA Sonderband 13 - Panzersperren und andere Hindernisse, DAWA Köln, 1997
  • Harry Lippmann: DAWA Sonderband 14 - Die Stützpunktgruppen Blaavand und Nymindegab (Dänemark), DAWA Köln, 1996
  • Harry Lippmann: DAWA Sonderband 15 - Militärmuseen in Dänemark, (mit vielen Hinweisen auf begehbare Bunkerstellungen), DAWA Köln, 2003
  • Harry Lippmann: DAWA Sonderband 18 - Militärmuseen in BeNeLux, (mit vielen Hinweisen auf begehbare Bunkerstellungen), DAWA Köln, 2001
  • Harry Lippmann: DAWA Sonderband 19 - Militärmuseen in Nordeuropa, (mit vielen Hinweisen auf begehbare Bunkerstellungen), DAWA Köln, 2003
  • Daniel Schellenberger: DAWA Sonderband 26 - Die Stützpunktgruppe Grove (Zentraldänemark), DAWA Köln, 2001
  • Harry Lippmann: DAWA Sonderband 30 - Bildband Heeresregelbauten im Atlantikwall - Teil 1, DAWA Köln, 1998
  • Harry Lippmann: DAWA Sonderband 31 - Bildband Heeresregelbauten im Atlantikwall - Teil 2, DAWA Köln, 2005
  • R. H. Zimmermann: Der Atlantikwall Band 1-3, Schild-Verlag, 1996, ISBN 3-88014-102-9
  • Rudi Rolf, Der Atlantikwall - Die Bauten der deutschen Küstenbefestigung 1940-1945, 1998,Biblio Verlag Osnabrück
  • Rudi Rolf, der Atlantikwall - Perlenschnur aus Stahlbeton, 1983, AMA Verlag
  • Peter Willumsen, Der Atlantik Wall auf Fanö - Fanö im zweiten Weltkrieg, 2004, weXco Verlag, ISBN 87-990043-0-5

Siehe auch: Westwall, Ostwall, Fanø,