Johnny Cash (* 26. Februar 1932 als J. R. Cash in Kingsland, Arkansas, USA; † 12. September 2003 in Nashville, Tennessee, USA) war einer der einflussreichsten US-amerikanischen Country-Sänger und -Songwriter.

Er war für seine markante Bassbariton-Stimme und den sogenannten „Boom-Chicka-Boom“-Sound seiner Begleitband Tennessee Three sowie seine kritischen und unkonventionellen Texte bekannt. Sein musikalisches Spektrum reichte von den 50er Jahren mit Country, Gospel, Rock ’n’ Roll, Blues, Folk und Pop bis hin zum Alternative Country Anfang des 21. Jahrhunderts. Legendär sind seine Konzerte in den Gefängnissen Folsom State Prison und San Quentin Ende der 60er Jahre. Cash trug den Beinamen „Man in Black“.
Biografie
Erste Jahre
J. R. Cash war der Sohn des mittellosen Farmers Ray Cash und dessen Frau Carrie Rivers Cash. Sein Vorname lautet tatsächlich „J. R.“, erst mit Eintritt in die US Air Force wurde aus dem „J.“ ein „John“. Drei Jahre nach seiner Geburt zog die Familie auf eine Farm in Dyess, Arkansas, die der Familie im Rahmen des New Deal unter Präsident Franklin D. Roosevelt günstig zur Verfügung gestellt worden war. Schon im Alter von fünf Jahren arbeitete Cash auf den Baumwollfeldern.
Johnny Cash hatte sechs Geschwister: Roy, Louise, Jack, Reba, Joanne und Tommy. Sein zwei Jahre älterer Bruder Jack starb im Mai 1944 im Alter von 14 Jahren bei einem Unfall mit einer Kreissäge.
Cash begann früh Gitarre zu spielen und Lieder zu schreiben. In seiner Zeit auf der High School trat er bereits bei einem lokalen Radiosender auf. 1950 ging Cash zur Air Force und wurde ein Jahr später als Funker auf einem Abhörposten in Landsberg am Lech in Bayern stationiert. Hier gründete er seine erste Band, die Landsberg Barbarians (Landsberger Barbaren, eine Verballhornung der zweiwöchentlich erscheinenden Zeitung der Air Force Base, der Landsberg Bavarian, wobei „Bavarian“ Englisch für „die Bayern“ ist) und schrieb den Folsom Prison Blues, nachdem er den Film Inside the Walls of Folsom Prison gesehen hatte. Der Legende nach soll Johnny Cash in Landsberg der erste Mensch im Westen gewesen sein, der vom Tod Stalins erfuhr. Tatsächlich hatte seine Einheit lediglich die Aufgabe, die russischen Funksprüche aufzuzeichnen. Verstehen konnte Cash diese nicht, denn er sprach kein Russisch, und zudem waren die Funksprüche verschlüsselt.
Nach Beendigung seiner Militärzeit in Deutschland mit dem Rang eines Oberfeldwebels zog Johnny Cash 1954 nach Memphis (Tennessee) und heiratete Vivian Liberto. Aus dieser Ehe stammen seine Töchter Rosanne (*1955), Kathleen (*1956), Cindy (*1959) und Tara (*1961).
Frühe Karriere
Tagsüber jobbte Cash als Vertreter für Elektrogeräte, abends spielte er zusammen mit den Tennessee Two, dem Gitarristen Luther Perkins und dem Bassisten Marshall Grant (aus denen 1960 mit dem Schlagzeuger W.S. Holland die Tennessee Three wurden) in verschiedenen Clubs in Memphis. Da Cashs Band zu dieser Zeit noch keinen Schlagzeuger hatte, ließ Perkins ein Stück Papier hinter die Saiten der Rhythmusgitarre klemmen; dieses perkussive Schnarren wurde zum typischen Merkmal des berühmten „Boom-Chicka-Boom“-Sounds. Die Bezeichnung ist eine lautmalerische Beschreibung für den schnellen, stampfenden Klang ähnlich dem eines fahrenden Zugs.
Schließlich stellte Cash sich Sam Phillips, dem Besitzer und Produzenten von Sun Records vor, der ihn unter Vertrag nahm. Johnny Cashs erste Single bei Sun Records erschien mit Cry! Cry! Cry! am 21. Juni 1955, auf der B-Seite befand sich Hey! Porter. Seine nächste Veröffentlichung, Folsom Prison Blues, die schon gut einen Monat nach der Debüt-Single erschien, erreichte bereits die Top 5 der Country-Charts. I Walk the Line (1956) schaffte es schließlich auf Platz 1 der Country-Charts und konnte sich auch unter den Top 20 der Pop-Charts platzieren. Aus dieser Zeit stammen auch die legendären „Sun Session“-Aufnahmen des sogenannten „Million Dollar Quartetts“ mit den Rock'n'Roll-Größen Carl Perkins, Jerry Lee Lewis und Elvis Presley, die ebenfalls bei Sun Records unter Vertrag waren.
1956 lernte Johnny Cash hinter der Bühne der Country-Radio-Show Grand Ole Opry in Nashville, die damals noch im Ryman Auditorium aufgezeichnet wurde, seine spätere Ehefrau June Carter von der berühmten Carter Family kennen, die er schon seit seiner Kindheit bewunderte. Zu dieser Zeit begann Cash auch, jedes seiner Konzerte mit den Worten: „Hello, I'm Johnny Cash“ zu eröffnen, was zu seinem Markenzeichen wurde.
Endgültiger Durchbruch und Abhängigkeit
Zum Ende der 50er Jahre ging es mit Johnny Cashs Karriere steil bergauf und er war ständig auf Tournee, was die Ehe mit Vivian Liberto sehr belastete. Cash hielt dem Konzertstress nur schwer stand und nahm nach eigener Aussage 1957 während einer Tour mit den Musikern Faron Young und Ferlin Husky seine erste Benzedrintablette. In der Folgezeit griff er immer häufiger zu Alkohol, Amphetaminen und Barbituraten.
1958 zog Cash mit seiner Familie nach Kalifornien und wechselte zu Columbia Records, die ihm ein lukratives Angebot gemacht hatten. Hier erschien im November desselben Jahres das Album The Fabulous Johnny Cash, das unter anderem den Nr.-1-Hit Don't Take Your Guns to Town enthielt. Mit diesem Album erweiterte Cash sein Klangspektrum um Pop, Folk und Gospel. Das Album Songs of Our Soil, größtenteils bei einer einzigen Session im März 1959 aufgenommen, ist wiederum im Americana-Stil gehalten. Der bekannteste Song hieraus ist Five Feet High and Rising, ein Lied über das Mississippi-Hochwasser, das in den 1930er Jahren beinahe das Haus der Cashs in Arkansas weggerissen hätte. Neben Songs auf Englisch hat Cash zwischen 1959 und 1965 auch Songs in Deutsch und Spanisch aufgenommen.
Am 25. März 1963 nahm Cash den Song Ring of Fire auf, der in seiner Version, unterlegt mit den markanten Mariachi-Trompeten, ein Welthit wurde. Das Lied hatte Merle Kilgore zusammen mit June Carter geschrieben, die darin Cashs Sucht und ihre verbotene Liebe zu ihm beschreibt. Cash und Carter waren beide zu diesem Zeitpunkt noch mit anderen Partnern verheiratet, aber seit langem ineinander verliebt, und seit 1961 wurde Cash von June Carter und der Carter Family auf seinen Tourneen begleitet.
Anfang der 60er Jahre erschienen einige Konzeptalben von Johnny Cash, unter anderem im September 1964 das wütende Bitter Tears, auf dem sich das Aufkommen der amerikanischen Indianerbewegung und die zunehmende Empörung über den Umgang der US-Amerikaner mit den Ureinwohnern des Landes niederschlagen. Auf diesem Album verwendet Cash Stammestrommeln und indianische Gesänge, identifiziert sich mit den Unterdrückten und bezichtigt die US-amerikanischen Präsidenten des Betruges an den Indianern. Ein Höhepunkt des Albums ist The Ballad of Ira Hayes, eine Hymne an den gleichnamigen indianischen Kriegshelden, der als bettelarmer Alkoholiker starb. Mit diesem in kommerzieller Hinsicht riskanten Projekt begründete Cash bei der aufkommenden Protestbewegung und der damit verbundenen Subkultur seinen Ruf als glaubwürdiger Künstler.
Obwohl Johnny Cash seinen Fans das romantische Image vom Outlaw verkaufte, war er nur einige Male kurzfristig wegen kleinerer Vergehen im Gefängnis. Am 27. Juni 1965 verursachte er durch einen defekten Auspuff seines Wohnmobils im Los-Padres-Nationalpark ein Großfeuer, das 205 Hektar Wald vernichtete, er musste 82.000 Dollar Schadenersatz zahlen. Am 4. Oktober 1965 wurde er auf dem Internationalen Flughafen von El Paso, Texas, verhaftet, als er in seinem Gitarrenkoffer über 1.000 Amphetamintabletten von Mexiko in die USA geschmuggelt hatte.
Seine Tablettenabhängigkeit war auf dem Höhepunkt angekommen, was zur Scheidung von Vivian Liberto, Gewaltausbrüchen auf der Bühne und einigen Konzertabsagen führte. Cash magerte auf 70 kg bei einer Größe von 1,87 m ab, seine Stimme wurde brüchig. 1967 teilte er sich für einige Zeit ein Appartement mit dem Country-Sänger Waylon Jennings, der ebenfalls tablettensüchtig war. Dann kaufte Cash ein Haus am Old Hickory Lake in Hendersonville in der Nähe von Nashville, das später House of Cash genannt wurde.
Anfang Oktober 1967, nachdem er mehrere Tage nicht gegessen und geschlafen hatte, zog Cash sich in die Nickajack-Höhle in der Nähe von Chattanooga zurück und legte sich dort hin, um zu sterben. Er schrieb in seiner Autobiographie, dass ihm dort irgendwann klar wurde, dass er seinen Todeszeitpunkt nicht selbst bestimmen könne. Zitat: „Ich würde sterben, wenn Gott die Zeit für gekommen hielt, und nicht, wenn ich es wollte.“
June Carter und ihre Eltern standen Cash bei seinem nun folgenden schwierigen Entzug zur Seite und schirmten ihn vor allem von Leuten ab, die ihm Tabletten besorgt hatten. Am 11. November 1967 gab Cash an der Highschool von Hendersonville sein erstes Konzert in nüchternem Zustand seit mehr als zehn Jahren. Kurze Zeit später erfüllte sich für Johnny Cash einer seiner größten Wünsche, die Aufnahme zweier Live-Alben in einer Strafanstalt. Das erste dieser Alben, Johnny Cash at Folsom Prison vom Januar 1968, belegte Platz 1 der Country-Album-Charts.
Nachdem sich June Carter wegen Cashs Abhängigkeit lange geweigert hatte, ihn zu heiraten, nahm sie am 22. Februar 1968 seinen Heiratsantrag, den er ihr auf der Bühne während eines Konzertes in Ontario in Kanada machte, an. Sie heirateten am 1. März 1968 in Franklin, Kentucky.
Beim zweiten Live-Album aus einem Gefängnis wurde der im August 1968 bei einem Hausbrand verstorbene Cash-Gitarrist Luther Perkins durch Bob Wootton ersetzt, der Cash bis an dessen Lebensende begleiten sollte. Der Erfolg des Folsom-Prison-Albums wurde von Johnny Cash at San Quentin mit der Nr. 1 Single A Boy Named Sue noch übertroffen und erreichte sowohl in den Country- als auch in den Pop-Album-Charts Platz 1. Dieser Auftritt in der Strafanstalt San Quentin in Kalifornien am 24. Februar 1969 verhalf Cash zu internationaler Bekanntheit. Ein Filmmitschnitt des britischen Fernsehsenders „Granada Televison“ wurde von den großen Sendeanstalten wegen Cashs gesellschaftskritischer Aussagen zunächst jedoch nicht ausgestrahlt.
Am 5. Dezember 1969 spielte Cash vor 21.000 Zuschauern im ausverkauften Madison Square Garden in New York. Das dazugehörige Live-Album wurde erst 2002 veröffentlicht. Mit Cash auf der Bühne waren Carl Perkins, die Statler Brothers, die Carter Family und sein Bruder Tommy Cash. June Carter Cash fehlte bei diesem Auftritt, da sie schwanger war. Am 3. März 1970 wurde das einzige gemeinsame Kind von Johnny und June, John Carter Cash, geboren.
The Man in Black
Am 7. Juni 1969 hatte The Johnny Cash Show beim US-amerikanischen Sender ABC Premiere. Die im Ryman Auditorium aufgezeichnete Fernsehsendung wurde jeden Samstagabend zur besten Sendezeit ausgestrahlt. Gäste in der ersten Ausgabe waren unter anderem Bob Dylan, mit dem Cash befreundet war, seit sie in den späten 60ern in New York Nachbarn gewesen waren, und Joni Mitchell. Den Statler Brothers verhalf Cash zur Karriere, indem er sie als Hausband der Show engagierte. Weitere berühmte Gäste waren u. a. Neil Young, The Monkees, Stevie Wonder und Ray Charles, sowie viele Größen aus der Country-Szene. Auch Country-Sänger und Songwriter Kris Kristofferson wurde durch einen Auftritt in Cashs Show populär. Die Show lief erfolgreich bis 1971.
In den frühen 70ern begann Cash, nur noch in schwarzer Kleidung aufzutreten, was ihm den Beinamen „Man in Black“ einbrachte. Seine Kleidung stand in starkem Kontrast zu den sonst üblichen farbenfroh-kitschigen Hemden der Country- und Western-Musiker dieser Zeit. Im Juni 1971 veröffentlichte Cash den gleichnamigen Song, um seinem Publikum zu erklären, warum er nur noch Schwarz trug:
Zitat aus Man in Black:
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Mitte der 70er Jahre sank Cashs Popularität langsam, trotzdem verkauften sich 1975 von seiner Autobiografie Man in Black 1,3 Millionen Exemplare. Cash übernahm in dieser Zeit auch erste Fernsehrollen, beispielsweise 1974 in der Folge Schwanengesang der Krimi-Reihe Columbo.
Highwaymen – Die 80er Jahre
1980 erhielt Johnny Cash die höchste Auszeichnung in der Country-Musik. Er wurde in die Country Music Hall of Fame aufgenommen und war mit 48 Jahren der jüngste lebende Künstler, dem diese Ehre zuteil wurde.
Im Juni 1980 erschien Cashs Album Rockabilly Blues, bei dem ihn im Studio der New Wave-Musiker Nick Lowe, Ehemann von Cashs Stieftochter Carlene Carter, begleitete. Ähnlich konzipiert war auch Cashs nächste Produktion, das Album Johnny 99 vom September 1983, auf dem Cash mit Johnny 99 und Highway Patrol Man unter anderem zwei Coverversionen von Bruce Springsteens gerade veröffentlichtem Album Nebraska sang.
Bereits seit Ende der 70er Jahre griff Cash erneut zu Tabletten, bis ihn seine Familie im Dezember 1983 dazu überredete, ins Betty Ford Center, eine Suchtklinik in Kalifornien zu gehen. Nach einem sechswöchigen Aufenthalt wurde er am 31. Januar 1984 entlassen und nicht wieder rückfällig.
Cash hatte weiterhin Fernsehauftritte, beispielsweise noch im selben Jahr im Bürgerkriegsepos Fackeln im Sturm, in dem er den Abolitionisten John Brown spielte oder später in den 90er Jahren zusammen mit seiner Frau June Carter Cash in der Western-Serie Dr. Quinn mit Jane Seymour in der Hauptrolle. Auch auf der Leinwand war er immer wieder zu sehen, beispielsweise 1986 als Frank James an der Seite von Kris Kristofferson im Film „Die letzten Tage von Frank und Jesse James“.
Johnny Cash gehörte mit seiner rebellischen Art und seinen Liedern über Strafanstalten und Revolverhelden seit Ende der 60er Jahre zu den Wegbereitern der sogenannten Outlaw-Bewegung, die sich gegen die immer glatter werdenden Country-Pop-Produktionen Nashvilles auflehnte. Im Mai 1985 schlossen sich die erfolgreichsten Mitstreiter dieser Bewegung, Waylon Jennings, Willie Nelson und Kris Kristofferson mit ihrem Freund und Vorbild Johnny Cash zusammen und gründeten The Highwaymen. Mit dem Album Highwayman und dem gleichnamigen Titelsong erreichte Cash das erste Mal seit mehr als 10 Jahren wieder Platz 1 der Country-Charts. 1986 erschien Cashs einziger Roman Man in White über die Wandlung vom „Saulus zum Paulus“.
Im Jahr 1988 musste sich Cash einer doppelten Bypass-Operation unterziehen. Gleichzeitig erlebte seine Karriere gegen Ende der 80er Jahre ihren Niedergang, der auch mit der Umstrukturierung einer sich rein an Marktgesetzen orientierenden Countrymusik-Industrie zusammenhing. Alte Stars wie George Jones, Dolly Parton und eben Cash waren zumindest im Mainstream nicht mehr gefragt. Radiosender und Plattenfirmen ignorierten Künstler, die sich im Hinblick auf den Publikumsgeschmack wenig flexibel zeigten. Mit dem parodistischen Song Chicken in Black arbeitete Cash aktiv an der Demontage der eigenen Legende. Sein Plattenvertrag mit Columbia Records lief aus, es folgte ein Vertrag mit Mercury/PolyGram, aber diese Produktionen waren kommerziell wenig erfolgreich. Das wohl wichtigste Album aus dieser Zeit ist Water From the Wells of Home vom November 1988, auf dem Cash Duette mit bekannten Künstlern wie Linda & Paul McCartney, den Everly Brothers, Emmylou Harris und seinen Kindern Rosanne und John singt.
Das Comeback – American Recordings
Johnny Cash wurde 1992 in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen und galt für viele jüngere Rockmusiker nach wie vor als Ikone, obwohl er seit Anfang der 90er Jahre keine nennenswerten Alben mehr veröffentlicht hatte. So schrieb die irische Rockband U2 für Cash den Song The Wanderer, den er für ihr 1993 veröffentlichtes Album Zooropa einsang.
1994 bot ihm Rick Rubin, der eigentlich als Produzent von Hip-Hop- und Metalbands wie Run-DMC, den Beastie Boys oder Slayer bekannt war, einen Plattenvertrag an. Für das erste gemeinsame Album mit dem Titel American Recordings machten die beiden viele Experimente. Zunächst wurde in Rubins Wohnzimmer ein Demoband nur mit Johnny Cash und seiner akustischen Gitarre produziert, dann arbeitete Cash mit verschiedenen Konstellationen von Bands zusammen, um herauszufinden, wie der „neue“ Cash-Sound klingen sollte. Schließlich entschieden Cash und Rubin sich für die minimalistische Version, wie sie auf dem ursprünglichen Demoband zu hören war. Sie setzten ein Konzert im Viper Room in Los Angeles an und verwendeten die Live-Versionen zweier Songs für das Album. Eröffnet wird American Recordings mit Delia's Gone, einer Ballade über einen Mörder, in der Tradition von Cashs düstersten Songs. Mit dem dazugehörigen Video, in dem Topmodel Kate Moss die Hauptrolle spielt, wurde Cash schließlich auch dem jüngeren „MTV-Publikum“ bekannt. Eines der weiteren Highlights des Albums ist Bird on a Wire, ein Song, der ursprünglich von Leonard Cohen stammt.
Für das zweite Album Unchained im Jahr 1996 holte sich Cash Begleitmusiker von Tom Petty & the Heartbreakers, den Red Hot Chili Peppers und Fleetwood Mac. Als Höhepunkte dieses Albums gelten Tom Pettys Southern Accent und das inbrünstig gesungene Spiritual. Bei den Aufnahmen zu diesem Album ging es Cash gesundheitlich schon so schlecht, dass er zwischendurch immer wieder Pausen einlegen musste.
Auf dem im Oktober 2000 erschienen Album American III – Solitary Man klingt Cashs sonst so fester Bariton erstmals brüchig; auffällig zu hören ist dies bei Tom Pettys I won’t back down. Einer der für Johnny Cash ungewöhnlichsten Titel auf diesem Album ist Nick Caves The Mercy Seat, der Monolog eines in der Todeszelle wartenden Strafgefangenen und nach Cashs eigenen Angaben einer seiner Lieblingssongs.
Mit Johnny Cashs letztem zu Lebzeiten veröffentlichten Album, American IV - The Man Comes Around vom November 2002 gelang ihm mit einem 2. Platz in den Country-Charts noch einmal ein großer Erfolg. Cashs Gesang ist hier fragil, zurückhaltend und würdevoll. Man hört ihm an, dass er schwer krank ist, die Gebrochenheit seiner Stimme passt jedoch zum Grundton des Albums, das vorwiegend von Liebe, Tod und dem Leben danach handelt. Mit dem Titelsong The Man Comes Around machte Cash deutlich, dass er nach wie vor auf der Höhe seiner Schaffenskraft als Songwriter war. Das Video des Nine Inch Nails-Coversongs Hurt wurde mit dem MTV Video-Music-Award und einem Grammy ausgezeichnet. Beim letzten Song des Albums, We’ll Meet Again, unterstützte ihn gesanglich und instrumental die gesamte „Cash-Gang“ inklusive des Personals. Diese vier letzten Alben von Johnny Cash der American-Recordings-Reihe fanden weltweit auch außerhalb der Countryszene große Anerkennung.
Krankheit und Tod
Im Oktober 1997 wurde Johnny Cash bei einem Auftritt in Flint, Michigan beinahe ohnmächtig, als er ein Plektrum aufheben wollte. Die anschließende Untersuchung ergab zunächst den Verdacht, dass Cash an der Parkinson-Krankheit leide. Es dauerte lange, bis die Ärzte schließlich herausfanden, woran Cash wirklich erkrankt war. Anfang 1999 diagnostizierte man bei ihm das Shy-Drager-Syndrom, eine Parkinson-ähnliche Krankheit, die nicht heilbar ist. Wenig später teilte man ihm mit, dass er doch nicht am Shy-Drager-Syndrom erkrankt sei, sondern an autonomer Neuropathie, einer Erkrankung des Nervensystems, bei ihm vermutlich infolge von Diabetes. Cash äußerte später, er habe gewusst, dass er nicht an einer Krankheit leidet, die ihn geistig schwächen würde. Cash kämpfte gegen die Krankheit an, und im Frühjahr 1999 teilte er der Zeitung USA Today mit, dass er sich vorgenommen habe, den Namen der Krankheit zu vergessen und ihr keinen Raum in seinem Leben zu geben. Er wolle positiv denken und nicht glauben, dass er eines Tages behindert sein werde.
Am 6. April 1999 wurde ihm zu Ehren im Hammerstein Ballroom in Manhattan, New York City das Konzert An All Star Tribute To Johnny Cash aufgezeichnet, bei dem viele Weltstars seine Lieder sangen. Es wurde am 18. April 1999 beim amerikanischen Fernsehsender TNT ausgestrahlt. Cash trat, stark geschwächt und zur Verwunderung und Freude des Publikums, auch selbst auf. Es war sein letzter Auftritt auf einer großen Bühne, danach spielte er nur noch im Carter Family Fold, einer gemeinnützigen Einrichtung der Carter-Familie zur Erhaltung traditioneller Musik in Bristol, Virginia.
Cash musste mehrmals mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert werden. Im Oktober 2001 wurde er so krank, dass die Ärzte ihn für eine Woche in ein künstliches Koma versetzen mussten. Des Weiteren litt Cash durch starkes Asthma ständig unter Atemnot, außerdem war seine Sehkraft durch ein Glaukom stark zurückgegangen.
Am 15. Mai 2003 starb Johnny Cashs Ehefrau June Carter Cash im Alter von 73 Jahren an den Folgen einer Herzklappenoperation. Die beiden waren 35 Jahre miteinander verheiratet. Bei ihrer Beerdigung saß Cash bereits im Rollstuhl. Zehn Tage nach Junes Tod sagte Cash, er müsse wieder ins Studio und weiterarbeiten: „Ich möchte Musik machen und arbeiten, so gut ich kann. Sie würde das wollen, und ich will es auch.“ Seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte Johnny Cash am 5. Juli 2003 bei einem Konzert im Carter Family Fold.
Gut zwei Monate später telefonierte Rick Rubin zum letzten Mal mit Cash, um ihm mitzuteilen, dass er ihm Abmischungen für die CD-Box Unearthed schicken würde. Johnny Cash konnte sie sich nicht mehr anhören. Er starb am nächsten Tag, dem 12. September 2003, im Alter von 71 Jahren im Baptist Hospital in Nashville an Lungenversagen. Johnny Cash wurde neben seiner Frau auf dem Friedhof Hendersonville Memory Gardens nahe seinem Wohnhaus in Hendersonville, Tennessee, bestattet.
Das letzte Musikstück, das Cash drei Wochen vor seinem Tod am 21. August aufgenommen hatte, ist ein Traditional namens Engine 143. Sein House of Cash mit angeschlossenem Tonstudio in Hendersonville, in dem er mit seiner Frau 35 Jahre lang gelebt und gearbeitet hatte, wurde im Januar 2006 von dem Sänger Barry Gibb von den Bee Gees gekauft.
Nach Cashs Tod
Am 16. Dezember 2003 kam eine 5-CD-Box mit dem Titel Unearthed in den Handel, auf der über 60 unveröffentlichte Songs aus den American Recordings Sessions enthalten sind, u. a. auch Neuinterpretationen von Klassikern wie Cat Stevens’ Father & Son oder Heart of Gold von Neil Young. Unter den Aufnahmen finden sich auch Duette mit den Musikergrößen Joe Strummer, Tom Petty und dem Rock'n'Roll-Veteran Carl Perkins.
Nach Cashs Tod wurden Hunderte von Bändern in einem Büro hinter den Aufnahmestudios des House Of Cash gefunden. Einige davon hatte er als "Personal Files" gekennzeichnet, es handelt sich dabei um unzählige private Solo-Aufnahmen aus den 70er und 80er Jahren. 49 Songs davon wurden am 26. Mai 2006 als Doppel-CD mit dem Titel Personal File - Homerecordings erstmals veröffentlicht. Die CD enthält eine Sammlung von Titeln, die von klassischen Folk- & Gospel-Interpretationen über Cashs persönliche Lieblingslieder bis hin zu eigenen Songs reicht.
Am 4. Juli 2006 erschien bei Lost Highway Records mit American V - A Hundred Highways das fünfte Album der American Recordings-Reihe. Es enthält erneut Cash-Interpretationen von bekannten Songs wie beispielsweise Gordon Lightfoots If You Could Read My Mind oder Don Gibsons A Legend in My Time, aber auch eigene Lieder wie den letzten von Cash geschriebenen Song Like the 309. Das Album wurde mit Gold ausgezeichnet und erreichte Platz 1 in den amerikanischen Country-Alben-Charts - das bis dahin letzte Cash-Album, dem dieses gelang, war das Album Johnny Cash at San Quentin aus dem Jahr 1969. Zu Cashs Song God's Gonna Cut You Down erschien im Dezember 2006 ein „Tribute“-Video, in dem viele seiner Freunde und Musikerkollegen wie Bono, Billy Gibbons, Keith Richards, Johnny Depp, Dennis Hopper, Kid Rock oder Kris Kristofferson auftreten.
Biografischer Film
Im Jahr 2005 inszenierte James Mangold ein Biopic über Johnny Cash mit dem Titel Walk the Line. Der Film umfasst die Jahre 1944 bis 1968, vom Tod von Cashs Bruder Jack bis zum Heiratsantrag an June Carter vor Publikum. Die Hauptrollen spielen Joaquin Phoenix als Johnny Cash und Reese Witherspoon als June Carter.
Walk the Line wurde 2006 mit drei Golden Globes ausgezeichnet und für fünf Oscars nominiert; Reese Witherspoon erhielt den Oscar als „Beste Hauptdarstellerin“.
Trivia
- Um die Narbe auf Cashs rechter Wange rankten sich viele Gerüchte, bis er im November 2002 zu Gast in Larry Kings Talkshow war und dort erklärte: „I had a cyst removed when I was in the air force, that's all about“ („Mir wurde während meiner Armeezeit eine Zyste an dieser Stelle entfernt, das ist alles.“)
- Den Großteil des Textes für seinen Hit Folsom Prison Blues (1955) entnahm Johnny Cash wörtlich dem Stück Crescent City Blues (1954) von Gordon Jenkins, wurde dafür wegen Plagiats verklagt und musste eine Ausgleichszahlung von $ 75.000 leisten.[1]
- Emmylou Harris hat der Liebe zwischen Johnny Cash und June Carter (und ihrer Freundschaft mit den beiden) ein musikalisches Denkmal mit ihrem Song Strong Hand (Just One Miracle) auf dem Album Stumble Into Grace gesetzt.
Diskografie
Im Laufe der Jahre sind unzählige Veröffentlichungen von Johnny Cash erschienen. Eine Diskografie inklusive Chartplatzierungen der Auskopplungen, Abbildungen der Cover, Tracklistings und Songtexte findet sich auf dieser Website.
Alben
50er
60er
70er
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80er
90er
ab 2000
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Die bedeutendsten Auszeichnungen
Jahr | Org. | Award | Titel |
---|---|---|---|
1967 | Grammy | Best Country & Western Performance | |
1968 | CMA | Album Of The Year | "Johnny Cash At Folsom Prison" |
1968 | Grammy | Best Male Country Vocal Performance | "Folsom Prison Blues" |
1969 | CMA | Album Of The Year | "Johnny Cash At San Quentin Prison" |
1969 | CMA | Entertainer of the Year | |
1969 | CMA | Male Vocalist Of The Year | |
1969 | CMA | Single Of The Year | "A Boy Named Sue" |
1969 | CMA | Vocal Group Of The Year | "Johnny Cash / June Carter" |
1969 | Grammy | Best Male Country Vocal Performance | "A Boy Named Sue" |
1970 | Grammy | Best Country Performance By A Duo Or Group | "If I Were A Carpenter" |
1985 | ACM | Single Of The Year | "Highwayman" |
1994 | Grammy | Best Contemporary Folk Album | "American Recordings" |
1997 | Grammy | Best Country Album | "Unchained" |
1999 | Grammy | Lifetime Achievement Award | Auszeichnung für Cashs Lebenswerk |
2000 | Grammy | Best Male Country Vocal Performance | "Solitary Man" |
2002 | Grammy | Best Male Country Vocal Performance | "Give My Love To Rose" |
2003 | CMA | Album Of The Year | "American IV: The Man Comes Around" |
2003 | CMA | Music Video Of The Year | "Hurt" |
2003 | CMA | Single Of The Year | "Hurt" |
1977 | Nashville Songwriters Hall of Fame |
1980 | Country Music Hall of Fame |
1992 | Rock and Roll Hall of Fame |
Literatur & Quellen
- Johnny Cash: Man in Black: His Own Story in His Own Words (Englisch). Zondervan, 1975, ISBN 999243158X
- Johnny Cash: Man in White (Englisch). Harper Collins, 1986, ISBN 0062501321
- Johnny Cash & Patrick Carr: Cash. Die Autobiographie. Palmyra, 2004, ISBN 3930378582
- Franz Dobler: The Beast in me. Johnny Cash. Kunstmann, München 2002, ISBN 3-88897-302-3
- Jason Fine (Hrsg.): Cash. Heyne, München 2005, ISBN 3-453-12019-1
- Walter Fuchs: Johnny Cash. Pabel-Moewig, Rastatt 1989, ISBN 3-8118-3416-9
- Reimer Hinrichs: Auf der Suche nach Johnny Cash: eine Biographie. LIT, Münster 2004, ISBN 3-8258-7360-9
- Reinhard Kleist: Cash - I See a Darkness, Comic-Biographie, Carlsen-Verlag, 2006, ISBN 3551768374
- Michael Streissguth: Johnny Cash at Folsom Prison: The Making of a Masterpiece (Englisch). Da Capo Press, 2004, ISBN 0306813386
- Steve Turner: Ein Mann namens Cash. St.-Johannis-Druckerei, 2005, ISBN 3501015100
- Dave Urbanski: The Man Comes Around: The Spiritual Journey of Johnny Cash (Englisch). Relevant Books, 2003, ISBN 0972927670
Anmerkungen
- ↑ Bruce Jenkins: Goodbye. In Search Of Gordon Jenkins, Berkeley 2005, S. 280f. (mit Textvergleichstafel)
Weblinks
- Offizielle Webpräsenz (Deutsch)
- Offizielle Webpräsenz (Englisch)
- Franz Dobler (in telepolis): Vielleicht gibt's keinen Gott: Aber sein ist der beste Sänger
- Vorlage:PND
- Vorlage:IMDb Name (Englisch)
Personendaten | |
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NAME | Cash, John R. |
ALTERNATIVNAMEN | Cash, Johnny |
KURZBESCHREIBUNG | US-amerikanischer Country-/Alternative-Country-Sänger |
GEBURTSDATUM | 26. Februar 1932 |
GEBURTSORT | Kingsland, Arkansas, USA |
STERBEDATUM | 12. September 2003 |
STERBEORT | Nashville, Tennessee, USA |