Außerparlamentarische Opposition

Opposition außerhalb des Parlamentes
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Außerparlamentarische Opposition beschreibt eine Opposition (Gegensatz, Widerstand; lat. Stellung gegenüber), die außerhalb des Parlaments stattfindet, weil sie entweder in den im Parlament vertretenen Parteien (noch) kein Sprachrohr hat, oder auch gar nicht haben will.

Abgrenzung zur parlamentarischen Opposition

Im Unterschied zur außerparlamentarischen Opposition steht die Opposition der Parteien, die zwar im Parlament vertreten, nicht jedoch an der Regierungsbildung beteiligt sind. Im Einzelfall kann es auch dazu kommen, dass kleinere Parteien bei einer Wahl nicht genug Stimmen erhalten, um wieder ins Parlament einzuziehen. Die FDP ist in ihrer Geschichte mehrfach nicht in Länderparlamenten vertreten gewesen, ohne dass man sie deshalb zur "außerparlamentarischen Opposition" im allgemeinen Sprachgebrauch gerechnet hat.

In Staaten ohne demokratisch gewähltes Parlament und ohne frei organisierte Parteien äußert sich die Opposition häufig im Bereich der Kunst (Schriftsteller, Theater), der Kirche oder zum Beispiel innerhalb von Umweltschutzgruppen. Im Extremfall bleibt nur die Möglichkeit illegaler Untergrundarbeit und des Widerstandes.

Außerparlamentarische Opposition in Deutschland

Eine außerparlamentarische Opposition kann sich in Deutschland vor allem auf die durch das Grundgesetz (Artikel 5, 8 und 9) geschützte Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit und das Recht zur Bildung von Vereinigungen berufen, um ihre Forderungen öffentlich zu artikulieren. Neue politische Strömungen beginnen ihre Arbeit meist erst außerhalb der Parlamente und kommen etwa über die Kommunalpolitik und Länderparlamente unter Umständen bis in den Bundestag oder sogar bis in die Bundesregierung. Ein Beispiel für diesen Weg ist die Partei der Grünen, die als Bündnis 90/Die Grünen in einer Koalition mit der SPD seit 1998 die Regierung stellt.

Die APO seit den 1960er Jahren

In der Bundesrepublik Deutschland verstärkte sich ab Mitte der 1960er Jahre mit der Studentenbewegung, die insgesamt mit der APO oft synonym gesetzt wird, die bis dahin bedeutendste außerparlamentarische Opposition in Deutschland (die sich selbst im Kürzel APO nannte). Ihre besonders in den Universitätsstädten regen Aktivitäten erreichten in den Jahren 1967 und 1968 ihren Höhepunkt. Die häufig in Bezugnahme auf diese Zeit ihrer Hochphase auch 68er-Bewegung genannte studentische APO wurde im wesentlichen getragen durch den SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund).

Die APO entwickelte sich aus der Opposition gegen die seit 1966 regierende Große Koalition aus CDU und SPD unter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) und die von dieser Regierung geplante Notstandsgesetzgebung, die jedoch ob dem Fehlen einer nennenswerten parlamentarischen Kontrolle der Regierung (die verhältnismäßig kleine FDP war einzige parlamentarische Oppositionspartei) letztlich auch gegen die Proteste der APO durchgesetzt wurde. Die somit nahezu fehlende Opposition im deutschen Bundestag begünstigte denn auch das Erstarken der APO.

Des Weiteren forderte die APO eine Demokratisierung der Universitätspolitik (ein Motto der Studentenbewegung, das die Verkrustung der Strukturen an den Hochschulen aufzeigen sollte, war: "Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren"). Sie kritisierte auch die gesellschaftliche Verdrängung der Verbrechen des Nationalsozialismus durch die Vätergeneration. Außerdem schloss sie sich den weltweiten Protesten gegen den Vietnamkrieg an und solidarisierte sich mit der nordvietnamesischen Guerilla gegen die USA. Neben anderen Protagonisten der revolutionären Befreiungsbewegungen der so genannten "Dritten Welt", wie zum Beispiel Che Guevara, war auch der Anführer der vietnamesischen Revolution und Begründer der vietnamesischen kommunistischen Partei Ho Chi Minh eine Art Idol der Studentenbewegung. Bei vielen Demonstrationen Ende der 1960er Jahre wurde immer wieder "Ho-Ho-Ho-Chi-Minh" als Parole skandiert.

Sehr bald waren es nicht nur einzelne Politikfelder, in denen die Studentenbewegung in die gesellschaftliche Diskussion eingriff. Sie weitete ihre Kritik aus und forderte grundsätzliche gesellschaftliche Veränderungen in einem sozialistisch-revolutionären Sinn. Neue Formen des Zusammenlebens wurden ausprobiert, ebenso wie neue Formen des Protests und der politischen Aktion. Hierbei machte besonders die "Kommune 1" mit Wortführern wie Fritz Teufel, Dieter Kunzelmann und Rainer Langhans von sich reden. Ihre politischen Happenings und Aktionen führten mehrfach zu Gerichtsverfahren, die ebenfalls als Plattform für spektakuläre Protest-Auftritte genutzt wurden.

Unterstützung und theoretische Orientierung fand die APO teilweise auch durch Intellektuelle und Philosophen wie etwa Ernst Bloch, Theodor W. Adorno, Herbert Marcuse, des Vertreters des französischen Existenzialismus Jean Paul Sartre und anderen (vgl. auch Frankfurter Schule und Kritische Theorie).

Insgesamt blieb die westdeutsche APO im wesentlichen beschränkt auf eher junge Menschen (Studenten, Schüler). Sie konnte in der Arbeiterschaft und im bürgerlichen und kleinbürgerlichen Milieu der Bundesrepublik Deutschland kaum Fuß fassen.

Dies war in Frankreich anders. Dort kam es zeitweise zu Solidarisierung der Gewerkschaften mit der Studentenbewegung, was im Mai 1968 zu einer beinahe revolutionären Situation und im Gefolge von schweren Unruhen, Straßenkämpfen und Massenstreiks zu einer Staatskrise führte. Einem der Protagonisten der deutschen und der französischen APO, dem deutsch-französischen Aktivisten und späteren Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit, wurde 1968 auf Initiative von Staatspräsident Charles de Gaulle zeitweilig die Einreise nach Frankreich verweigert.

Wandel in der Form

Ein Wendepunkt in der Geschichte der westdeutschen APO trat ein, als am 2. Juni 1967 während der Demonstrationen gegen den Staatsbesuch des iranischen Kaisers Schah Reza Pahlevi der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen wurde. Die Studentenbewegung radikalisierte sich zunehmend und wandte sich auch verstärkt gegen die Springer-Presse, namentlich die Bild-Zeitung, die für die aufgeheizte Stimmung gegen die APO in der Bevölkerung verantwortlich gemacht wurde. Ein knappes Jahr nach dem Tod von Benno Ohnesorg wurde einer der prominentesten Wortführer des SDS, Rudi Dutschke vom rechtsgerichteten Josef Bachmann, der durch die Parolen der Bild-Zeitung aufgehetzt war, durch Pistolenschüsse schwer verletzt. Dutschke überlebte das Attentat, starb aber 1979 an den Spätfolgen der Verletzungen, die eine Epilepsie bei ihm verursacht hatten.

Nach 1969 spielte die APO in der bisherigen Form keine nennenswerte Rolle mehr in der Bundesrepublik Deutschland, wenngleich es auch weiterhin außerparlamentarische Oppositionsaktivitäten gab. Neue soziale Bewegungen griffen seit den 1970er Jahren zumindest einzelne Politik- und Gesellschaftsbereiche auf, die teilweise auch schon durch die Studentenbewegung thematisiert worden waren. Neu hinzu kamen ab der 1970er Jahre die Themenbereiche und außerparlamentarischen Aktionsfelder Umweltschutz (Ökologie, Ökobewegung) und Atomenergie (Anti-Atomkraft-Bewegung, siehe Atomkraftgegner), wo sich auch viele ehemalige APO-Aktivisten wieder fanden.

Ende des SDS und Gründung der Grünen

Der SDS spaltete sich nach 1968 auf. Es entstanden verschiedene miteinander konkurrierende linke Zirkel und kleine kommunistische Splitterparteien (K-Gruppen), die in der politischen Landschaft, zumindest auf parlamentarischer Ebene ohne nennenswerten Einfluss blieben.

Der von Rudi Dutschke propagierte "Marsch durch die Institutionen" wurde in gewisser Weise von jenen umzusetzen versucht, die 11 Jahre später, 1980, die Partei "Die Grünen" als eine Organisationsform der Anti-Atomkraft-, der Friedensbewegung und anderer neuer sozialer Bewegungen der 70er und 80er Jahre bildeten. Deren Gründer waren vielfach schon in der APO aktiv. 1983 wurden die Grünen in den Bundestag gewählt, wo sie sich als parlamentarisches Spielbein der "Bewegung" verstanden, dabei ihre Wurzeln und ihren Schwerpunkt zunächst weiterhin in den Neuen Sozialen Bewegungen sahen. Innerhalb weniger Jahre etablierten sich die Grünen zusehends als parlamentarische Kraft. Schon in der Anfangsphase nach der Parteigründung spaltete sich ein rechtskonservativer Parteiflügel ab. Grundlegende Konflikte zwischen so genannten "Fundis" (Fundamentalisten) und "Realos" (Realpolitikern) führten jedoch bis Anfang der 1990er Jahre auch zu Austritten prominenter Ökosozialisten aus der Partei. Die damit einher gehende Anpassung und zunehmende Kompromissbereitschaft der Grünen gegenüber den herkömmlichen gesellschaftspolitischen Strukturen brachte den Grünen einerseits einen verstärkten Wählerzuwachs, andererseits jedoch auch bis in die Gegenwart auch zunehmenden Widerspruch in den außerparlamentarischen Bewegungen ein, auf die sie sich einst beriefen - und dies bis heute teilweise noch immer tun. Insbesondere, seit sie als Bündnis 90/Die Grünen ab 1998 in der Koalition mit der SPD an der Bundesregierung beteiligt waren / sind und in dieser Koalition auch originäre Themen und Anliegen der ehemaligen APO in den Augen Vieler nicht mehr oder zu wenig vertraten und vertreten, richteten sich zunehmend auch Demonstrationen der neuen außerparlamentarischen Bewegungen auch gegen die Politik der Grünen, vor allem nach deren Zustimmung zur Kriegsbeteiligung im Kosovo-Krieg 1999 und dem Afghanistan-Krieg 2002.

Radikalisierte Splittergruppen

Ein kleiner Teil von APO-Aktivisten um Andreas Baader, Gudrun Ensslin unter anderem, zu denen später auch die Journalistin Ulrike Meinhof stieß, ging nach einigen Brandanschlägen auf Kaufhäuser unter anderem in den illegalen Untergrund und organisierte als RAF (Rote Armee Fraktion) das, was sie den "bewaffneten Widerstand" nannten. Banküberfälle, Entführungen und schließlich auch Mordanschläge auf Protagonisten der deutschen Wirtschaft, Politik und Justiz gingen bis in die 1980er Jahre auf das Konto der RAF und anderer ähnlicher Untergrundgruppen wie etwa der "Bewegung 2. Juni" oder den Revolutionären Zellen (RZ).

Ein ebenfalls kleiner Teil der APO, der zum Teil zuerst ebenfalls den RAF-Terroristen nahestand, fand sich später auf Seiten der extremen Rechten wieder. Für diesen Personenkreis steht beispielhaft der Rechtsanwalt Horst Mahler, der die NPD im Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vertrat, ihr aber später vorwarf, zu sehr dem "System" verhaftet zu sein.


Siehe auch: Grundgesetz (Quellentext), Demokratische Grundrechte, 68er-Bewegung, Neue soziale Bewegungen, Soziale Bewegung, Neue Linke, K-Gruppen


Österreichische Situation:


Als damals erst 6-jähriger Schulbub aus Wien erlaube ich mir hier festzustellen, daß die 68er in Österreich:

a) keinen nennenswerten Rückhalt fanden, Österreich war neutral und

  daher an keinem aktuellen Krieg beteiligt  

b) hatte Österreich 1966 nach fast 2 Jahrzehnten von der Großen

  Koalition bis 1987 Abschied genommen, es gab zuerst eine 
  bürgerliche Alleinregierung (66 - 70), dann eine sozialistische
  Minderheitsregierung (70/71), der eine sozialistische Allein-
  regierung (71 - 83) folgte, sodann noch eine von SPÖ und FPÖ
  (1983 - 86)

c) entpuppte sich die bürgerliche Alleinregierung der zweiten

  Hälfte der 60er Jahre als überraschend reformfreudig, wurde
  z. B. 1969 die stufenweise Einführung der 40 Stundenwoche
  beschlossen (bis 1975 in diversen Etappen realisiert),
  wurde 1967 das Familienlastenausgleichsgesetz beschlossen,
  wurde Wien 1967 Sitz der UNIDO, ein weiterer Schritt in
  Richtung "3. UNO-Stiz Wien", 1979 mit dem Vienna International
  Center, dem UNO-Amtssitz endgültig realisiert.

d) auch aus 1967 stammt die große Rundfunk- und Fernsehreform

  mit der Einführung des Jugendsenders "Österreich 3", daher
  mußten Jugendliche nicht mehr auf RTL ausweichen, um Beat-
  Musik zu lauschen.
  Auch die erste Kindersendung zum Mitmachen "Das kleine Haus"
  gab es ab 1968 - die "Urmutter" aller Kindersendungen

e) Zusammenfassend kann die 68er-Bewegung in Österreich

  als "Lüfterl" bezeichnet werden, aber dafür gibt es einige
  Änderungen in der Denkweise, die auf die 60er-Bewegung
  zurückführen sind, darunter auch die Errichtung der 
  europäischen Jugendburg Streitwiesen durch Proponenten
  vorwiegend aus den Reihen des Österreichischen Pfadfinder-
  bundes. Von dieser Bewegung gingen auch schon andere 
  Reformen aus, z. B. die Durchsetzung der Idee des Mutter-
  tags im Jahre 1923.
  Fernsehsendungen wie "Elternschule", "Am dam des",
  das schon erwähnte "Kleine Haus" oder "Prisma" von Dr.
  Traude Brandstaller (federführend und vorbildhaft im Sinne
  der Frauengleichberechtigung) haben ihre Wurzeln ebenso
  in den 60er-Jahren.

Für den Inhalt dieses Beitrags verantwortlich: Peter Thomas Suschny, Österreichisches Werbemuseum, http://www.werbemuseum.at/buch.htm (dort kann auch der komplette Beitrag von Dr. Traude Brandstaller nachgelesen werden).