ESP ist die Abkürzung für Elektronisches Stabilitätsprogramm, einer Technik in Kraftfahrzeugen, die mittels elektronischer Sensoren und Computer dem Schleudern in Kurven durch gezieltes Abbremsen einzelner Räder gegensteuert.

Englisch liest sich das Kürzel Electronic Stability Program, es ist ein Warenzeichen von Bosch; andere Abkürzungen sind CST (bei Ferrari), DSC (bei BMW und Mazda), FDR (beim ADAC), MASC Mitsubishi, MSP (bei Maserati), PSM (bei Porsche), VDC (bei Alfa Romeo und Subaru), VSA (Honda), VSC (bei Toyota und Lexus).
ESP beinhaltet stets ein Antiblockiersystem ABS, teils auch eine Antriebsschlupfregelung ASR.
Technik und Funktionsweise
Dieses Fahrerassistenzsystem erhöht die Sicherheit von Pkw. Durch gezieltes Bremsen einzelner Räder versucht das System, ein Schleudern des Fahrzeugs im Grenzbereich zu verhindern und dem Fahrer so die Kontrolle über das Fahrzeug zu sichern. ESP verhindert durch gezieltes automatisches Abbremsen einzelner Räder sowohl das Übersteuern als auch das Untersteuern eines Fahrzeugs.
Damit das ESP auf kritische Fahrsituationen reagieren kann, vergleicht das System permanent (bis zu 150mal pro Sekunde) den Fahrerwunsch mit dem Fahrzustand.
Der Lenkwinkelsensor liefert den Fahrerwunsch hinsichtlich der Fahrtrichtung. Motormanagement, die ABS-Drehzahlsensoren und der Gierratensensor (Gierrate, Querbeschleunigung) liefern die Signale zur Interpretation des Fahrzeugverhaltens.
Wenn eine wesentliche Abweichung des berechneten Fahrzustandes vom Fahrerwunsch festgestellt wird, greift das System ein. Ein Übersteuern wird durch Abbremsen des kurvenäußeren Vorderrades, ein Untersteuern hingegen durch Abbremsung des kurveninneren Hinterrades korrigiert.
Die Radposition spielt dabei eine doppelte Rolle: Einerseits erzeugt die Bremskraft auf der kurveninneren Seite ein Giermoment, das das Eindrehen unterstützt, und umgekehrt. Andererseits verliert ein gebremstes Rad an Seitenführungsfähigkeit, d.h. Bremskraft an der Hinterachse unterstützt das Eindrehen, und umgekehrt. Einseitige Bremseingriffe an der Vorderachse können am Lenkrad spürbar sein. Dieser Effekt kann als Komfortminderung ausgelegt werden, deshalb lassen manche Hersteller die Vorderachse erst eingreifen, wenn die Korrektur an der Hinterachse sich als nicht wirksam genug erweist.
Zusätzlich kann ESP auch die Motorleistung drosseln, um die Fahrzeuggeschwindigkeit zu verringern und ein Durchdrehen der Antriebsräder zu verhindern. Von Beginn an wurden die ESP-Systeme auch mit einer Traktionskontrolle verbunden, die ein durchdrehendes Antriebsrad abbremst und so das Antriebsmoment auf das andere Rad verlagert. Neben der zusätzlichen Sensorik (siehe oben) ist für das ESP die Trennung aller Radbremskreise erforderlich, damit jedes Rad einzeln abgebremst werden kann.
Es gibt nur wenige Spezialfälle, bei denen das ESP gelegentlich „stört“. Dazu gehört das Fahren mit Schneeketten, auf steilen, verschneiten Steigungen (wegen Nichtzulassung des benötigten hohen Schlupfs), gewolltes Driften in Kurven, schnelles Beschleunigen und allgemein das absichtliche Fahren im Grenzbereich. Hier bemerkt der Fahrer beispielsweise eine Drosselung der Motorleistung. Daneben eignet sich ESP auch dazu, Schwächen in der Fahrwerksauslegung und -abstimmung zu korrigieren.
Aus diesen Gründen ist die Aktivierungsschwelle abhängig von der Marken- und Produktphilosophie des jeweiligen Herstellers, beispielsweise eine etwas spätere Aktivierung bei Porsche. Daneben lässt sich ESP bei vielen Herstellern abschalten. Bei einigen aktiviert es sich allerdings wieder, wenn das Bremspedal im Grenzbereich getreten wird. Geschieht dies, regelt das ESP das Fahrzeug bis zum stabilen Fahrzustand und schaltet sich dann wieder ab. Dies ist im Fahrzeuginneren zwar nicht visuell erkennbar, allerdings in Form eines "Ruckelns" spürbar. Bei anderen lässt sich die Aktivierungsschwelle über einen Schalter nur von früh/vorsichtig auf spät/sportlich verschieben. Die Mechanismen sind dabei teilweise undokumentiert (Beispiel BMW: Halten der DSC-Taste für bis zu 2,5 Sekunden schaltet DSC in den agileren DTC-Modus, deaktiviert das DSC/ESP bei Tastenbetätigung über 3 Sekunden. Durch nochmaliges Drücken der DSC-Taste kommt man in den normalen Modus des DSC. Bei Tastendrücken länger als 10 Sekunden wird das DSC aus Sicherheitsgründen bis zum Neustart in den Normalmodus versetzt). Da ESP- und ABS-Funktionen sowohl über die elektronische Regelung als auch über mechanische Teilsysteme zusammenarbeiten, lässt sich das System nicht mehr mit dem Ziehen einer Sicherung deaktivieren, ohne das Bremssystem auf Notlauffunktionen zu reduzieren.
Beispiel einer Fahrsituation
Ein PKW fährt eine Rechtskurve. Droht ein Ausbrechen des Hecks durch eine Lastwechselreaktion, durch ein Aufschaukeln des Fahrzeugs mittels schneller Lenkwinkeländerung, durch starke Leistungserhöhung bei heckgetriebenen Fahrzeugen (Leistungsübersteuern) oder durch eine Änderung des Reibwerts im Kurvenverlauf, bremst das ESP das Rad vorne links ab. Dadurch wird ein Giermoment nach links erzeugt, das dem Übersteuern des Fahrzeugs entgegenwirkt. Das Rad vorne links und damit die Vorderachse verlieren außerdem durch die Bremsung an Seitenführungskraft (vgl. Kammscher Kreis), was das Einlenkmoment und damit das Übersteuern des Fahrzeugs zusätzlich abschwächt.
Geschichte und Ausblick
Schon vor der Einführung von ESP gab es Regelsysteme, die in bestimmten Situationen das Fahrzeug stabilisierten. Mit ABS waren Fahrzeuge auch bei Vollbremsungen lenkbar, mit der ABS-Erweiterung ASR ergab sich insbesondere bei heckgetriebenen Fahrzeugen ein Stabilitätsvorteil. Bei den allradgetriebenen 4MATIC-Modellen des Mercedes W124 wurden die Daten des Lenkwinkelsensors ausgewertet. Bei erkannten hektischen Lenkbewegungen wurde durch Ansteuerung der beiden Lamellensperren versucht, die Fahrzeugstabilität zu verbessern. Eine umfassende, gezielte Verbesserung der Stabilität in allen Fahrsituationen konnte jedoch erst durch die Einführung von ESP erzielt werden.
Vorreiter bei der Entwicklung von ESP waren die Firmen Bosch und Mercedes-Benz. Es wurde erstmalig 1995 bei den Modellen der S-Klasse und des Roadsters (Mercedes W140 und Mercedes-Benz R129) in Serie eingeführt. Bei der Mercedes-Benz A-Klasse (Stichwort: Elchtest) wurde das Fahrzeugverhalten u. a. durch ein serienmäßiges ESP (ab 1997) verbessert. Nach Prognosen von Bosch wird in den nächsten Jahren jeder zweite Personenwagen in Westeuropa ein ESP besitzen (Stand: 2004).
Grund für die vergleichsweise schnelle Verbreitung des ESP im europäischen Fahrzeugbau ist vermutlich der serienmäßige und aufpreisfreie Einsatz in den kleinen Baureihen „A-Klasse“ und „Smart“ von Mercedes-Benz. Dadurch ließen sich Aufpreise für das ESP in den höheren Fahrzeugklassen nicht mehr rechtfertigen und wegen des uneingeschränkt positiven Images des ESP wurde der Einbau - auch für die Wettbewerber - obligatorisch.
Inzwischen existiert eine Weiterentwicklung mit der Bezeichnung ESP II. Dabei wird vom Steuergerät zusätzlich zum automatischen Bremseingriff über eine elektrohydraulische Überlagerungslenkung auch ein automatischer Lenkeingriff durchgeführt.
Zusatzfunktionen des ESP
Die folgenden Zusatzfunktionen des ESP sind nicht in allen Fahrzeugen verfügbar und hängen von der Version des ESP ab:
- BAS, Bremsassistent: Erkennt dass der Fahrer eine Vollbremsung machen möchte, und löst diese aus. Nimmt der Fahrer die Pedalkraft wieder zurück schaltet er ab.
- EBV, Elektronische Bremskraftverteilung: Verteilt die Bremskraft immer optimal an die einzelnen Räder und beugt so instabilen Fahrsituationen vor.
- RSC, Roll Stability Control: Verhindert ein Überschlagen des Fahrzeuges durch Gaswegnehmen und Abremsen einzelner Räder.
- Anhänger-ESP: Ist im Zugfahrzeug oder im Anhänger integriert und verhindert ein Schleudern des Anhängers durch gezielte Bremsungen.
- Bremsbereitschaft: Geht der Fahrer abrupt vom Gas, werden die Bremsbeläge schon leicht an die Scheibe gelegt, um bei der eventuell folgenden Vollbremsung die Ansprechzeit zu verkürzen.
- Trockenbremsen: Alle paar Minuten werden bei Nässe die Bremsbeläge leicht an die Bremsscheiben angelegt, um trockene Bremsscheiben und somit ein optimales Ansprechen der Bremse zu erhalten. (Nässe wird erkannt durch den Betrieb der Scheibenwischer oder einem aktivierten Regensensor)
- Anfahrassistent: Ab einem bestimmten Neigungswinkel des Fahrzeugs hält die Bremse trotz „Loslassens“ des Bremspedals das Fahrzeug noch kurze Zeit fest, um ein Anfahren ohne Zurückrollen zu ermöglichen.
- Fading Kompensation: Trotz extrem heißer Bremse erhöht sich der nötige Pedaldruck nicht.
- Soft Stop: Reduziert kurz vor dem Stillstand die Bremsleistung und verhindert so ein Rucken des Fahrzeuges beim Anhalten.
- Überlagerungslenkung: Verhindert das Schiefziehen des Autos auf seitenverschieden griffiger Fahrbahn durch Gegenlenken. Diese Funktion erfordert zusätzliche Funktionen und Eingriffsmöglichkeiten in das Lenksystem des Fahrzeuges.
Verbreitung
Bei Neufahrzeugen betrug die Ausrüstungsquote mit ESP im Jahre 2004 in Deutschland 64 % (Stand 16. Februar 2005). Vom Pkw-Gesamtbestand in Deutschland sind dagegen (Stand: März 2005) erst ca. 23 % (Schätzung des ADAC) bzw. 15–20 % (Schätzung Bosch) mit ESP ausgestattet. In der unteren Mittel- bis Oberklasse kann man in Deutschland bei Neufahrzeugen von einer nahezu 100%igen Ausstattung ausgehen, in den darunter liegenden Klassen liegt die Ausstattungsrate kostenbedingt erheblich darunter, obwohl gerade diese Fahrzeuge wegen ihres geringen Massenträgheitsmoments von ESP besonders profitieren würden. Im Februar 2006 hat der VDA eine Empfehlung zur Selbstverpflichtung aller Deutschen Automobilhersteller zur Serienausrüstung von ESP in allen Fahrzeugen ausgesprochen. ESP rettet nachweislich Leben und sollte in keinem Auto mehr fehlen. Stand 2005 alle in D neu zugelassenen Kfz: 72%. Stand 1. Halbjahr 2006 alle neu in D zugelassenen Kfz: 75% (obere Mittelklasse und Oberklasse: 100%, Kompakte: 96%, Kleinwagen: 27%, Kleinstwagen 30%, dagegen in Westeuropa laut Bosch 42%. Innerhalb von Europa nimmt Deutschland nach Bosch-Angaben den Spitzenplatz bei der ESP-Ausrüstung ein. Bei Bussen beträgt die Ausstattungsquote bei Neuzulassungen (März 2005) etwa 50 %, bei LKW dagegen nur 5 %. Dies liegt vor allem an der höheren Komplexität des Systems bei Nutzfahrzeugen und damit erheblich höheren Kosten.
Wertung
Obwohl es schwierig ist, die Daten der Verkehrsunfälle entsprechend auszuwerten, wird die Verminderung der Verkehrsunfälle sowie die Abnahme der schweren Verletzungen von Autofahrern im Straßenverkehr in den letzten Jahren eindeutig auch der Einführung des ESP zugeschrieben. Dies beweisen eine große Anzahl weltweiter Studien. ESP vermeidet das Schleudern von Fahrzeugen, denn Schleudern ist zu einem hohen Anteil ursächlich für Unfälle mit Schwerverletzten und Verkehrstoten. Eine Studie von Mercedes hat ergeben, dass die Unfälle ihrer Autos seit der serienmässigen Ausstattung mit ESP um 15% zurückgegangen sind. Nach einer Studie von Volkswagen ließe sich die Anzahl der bei Verkehrsunfällen getöteten Fahrzeuginsassen um rund 25% reduzieren, wenn alle Fahrzeuge mit ESP ausgestattet wären. ESP wird bei Unfallforschern vom Sicherheitsgewinn her als mit dem Sicherheitsgurt und dem Airbag vergleichbar angesehen.
Siehe auch: EBS
Weblinks
- ESP-System-Anbieter: Robert Bosch GmbH, Continental Automotive Systems, TRW Automotive