Ehrenamt

Engagement in öffentlichen Funktionen, aber auch Freiwilligentätigkeit
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Ein Ehrenamt im ursprünglichen Sinn ist ein öffentliches Amt, zu dem man in vielen Fällen auch verpflichtet werden kann, das teilweise auch aberkannt wird. Es gibt für ein Ehrenamt kein Gehalt, oft aber eine Aufwandsentschädigung.

Beispiele für diese Ehrenämter sind:

Im weiteren Sinn ist Ehrenamt jede durch Wahl verliehene Funktion im Vorstand eines Vereins. Vereinsvorstände haften für die Finanzen des Vereins.

Seit einigen Jahren versteht sich Ehrenamt generell als unentgeltliches Handeln im gemeinnützigen Bereich und heißt zunehmend auch „Freiwilligenarbeit“, „bürgerschaftliches Engagement“ oder „zivilgesellschaftliches Engagement“. Im englischen Sprachraum heisst es durchgehend volunteering, was den freiwilligen Charakter betont. Hierzu gehört auch die Mitarbeit als einfaches Mitglied in Vereinen, die eine Vereinsatzung vorgeben kann und die verpflichtend oder mit Geld zu ersetzen ist. Wie bei der Nachbarschaftshilfe stellt der Arbeitsaufwand eine geldwerte Leistung dar (was aus Kapitalmangel der Vereine jene Schattenwirtschaft stärkt, die den Staatshaushalt sowohl ent- als auch wegen des fehlenden Bruttosozialproduktes belastet).

Jeder Dritte in Deutschland engagiert sich ehrenamtlich (siehe Ergebnisse vom Freiwilligensurvey oder der Enquête-Kommission zum bürgerschaftlichen Engagement). Ehrenamtliches Engagement ist mindestens so schwer zu definieren wie Arbeit, die Ergebnisse von Datenerhebungen zum Ehrenamt hängen davon ab.

Datei:Habitat Hurricane Strapping Volunteer.JPG
Hurrikan-Vorsorge durch Ehrenamtliche
Datei:Image-PrestigeVolunteersInGaliciaCoast.jpg
Reinigung der Küste durch Freiwillige nach Ölpest

Geschichte des Ehrenamts

Ehrenämter waren und sind nicht nur mit Pflichten, sondern auch mit Rechten verbunden. Schon seit der Frühzeit gab es aus Ehre vergebene Titelverleihungen, die für Vorteile in der sozialen Hierarchie oder für Vermögensvorteile angenommen wurden. Aus rein sozialen Gründen handelten meistens Frauen, angefangen bei der Adoption eines verwaisten Verwandten.

Im Mittelalter war die Titelverleihung eine verbreitete Form zur Gewinnung von Vasallen, später auch zur Einbindung von Ständen. Die eigentliche Form des sozialen Ehrenamtes entstand aus der christlichen oder sozialen Verantwortung, war oftmals aber noch mit der Sicherung der eigenen Versorgung verknüpft.

1788 entstand in Hamburg das „Hamburger Armensystem“: Die Stadt wurde in 60 Bezirke mit je drei ehrenamtlichen Armenpflegern eingeteilt.

Am 9. Juli 1852 erließ Elberfeld eine neue Armenordnung - als „Elberfelder System“ künftiges Vorbild der Armenpflege im gesamten Deutschen Reich. Die Stadt wurde in 26 wiederum in Quartiere unterteilte Bezirke aufgeteilt. Für jedes Quartier war ein ehrenamtlicher Armenpfleger zuständig. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickeln ehrenamtlich tätige Bürger die kommunale Armenpflege in Deutschland und schaffen damit die Grundlage für die moderne Sozialarbeit.

1957 gründete sich die Aktion Gemeinsinn e. V. in Bonn (während einer Spezialtagung über Werbung und Ethik in der Evangelischen Akademie Bad Boll): zur Förderung des Ehrenamts in der Bundesrepublik Deutschland nach dem amerikanischen Vorbild "National Advertising Council".

Rolle des Ehrenamtes in Deutschland

In Deutschland sind 23 Millionen Menschen über 14 Jahre ehrenamtlich in Vereinen, Verbänden, Initiativen oder Kirchen tätig. Viele Bereiche des öffentlichen und sozialen Lebens würden ohne Ehrenamtliche kaum mehr existieren. Neben Betreuung von Kindern und alten Menschen zählen dazu: Dienste bei Tierschutz, Berghütten, Bewährungshilfe, Telefonseelsorge, Caritas und Diakonie, Hilfsorganisationen, Umsonstladen, Hausaufgabenhilfe; Helfer wie Grüne Damen und Herren in vielen Spitälern, Altenheimen und Behinderteneinrichtungen; in Sport- und anderen Vereinen. Die Freiwilligen Feuerwehren, wichtigste Stütze der aktiven Gefahrenabwehr in Deutschland, haben ausschließlich ehrenamtliche Mitglieder. Auch den Katastrophenschutz der Bundesrepublik Deutschland gewährleisten größtenteils ehrenamtliche Kräfte.

Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder vergleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten oder der nebenberuflicher Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen im Dienst oder im Auftrag einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer unter §5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftssteuergesetzes fallenden Einrichtung zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke (§52-54 der Abgabenordnung) bis zur Höhe von 1.848 Euro jährlich sind steuerfrei.

Das Jahr 2001 war das internationale Jahr der Freiwilligen mit zahlreichen Aktionen auf Bundes- und Landesebene. Bund, Länder aber auch Kommunen versuchen auf vielfältige Weise, die Freiwilligenarbeit bzw. das Ehrenamt zu stärken. Freiwilligenagenturen dienen dazu Einsatzstellen zu suchen und zu vermitteln.

 
Unterstützung einer Wahlkampagne durch Ehrenamtliche

Auch wenn außer dem Verlust des jeweiligem Gehaltes noch immens hohe Kosten wie für die Ausbildung zu einem Rettungshelfer bei Hilfsorganisationen anfallen können, überdies bezahlte Stellen vielerorts fehlen, werden Ämter trotzdem über längere Zeit betrieben, in manchen Fällen sogar zur Lebensaufgabe gemacht.

In Deutschland sind langfristige Bindungen an Ehrenämter üblich, obschon sich Konzentrationen des Ehrenamts, wie in Gewerkschaften und Kirchen leicht tendenziell aufzulösen scheinen. Fachleute sehen hierfür Gründe, verglichen mit den USA, wo sich öfter nur für bestimmte Projekte leichter Freiwillige finden. Beispielsweise um als Firma an einem Wochenende eine bestimmte Schule anzustreichen. In Frankfurt am Main etwa sind solche Kurzzeit-Aktionen als „Frankfurter Freiwilligentag“ bekannt. Die Definition des Ehrenamtes schließt oft auch die unbezahlte Familienarbeit mit alten Angehörigen ein und in den USA, aber auch in Deutschland, die Teilnahme an einem freiwilligen sozialen Jahr, wobei die Teilnehmer in den USA bis hin zu mehreren hundert Dollar Entschädigung bekommen können. In Deutschland erhalten die Freiwilligen Unterkunft, Verpflegung und Taschengeld, die Übernahme der Versicherungskosten sowie gegebenenfalls Kindergeld.

Ehrenamt in anderen Ländern

Der Stellenwert des Ehrenamts in einem Land hängt von mehreren Faktoren ab, wie Geschichte, Tradition und Stand des öffentlichen Sozialsystems. Ein Beispiel für eine hohe ehrenamtliche Beteiligung der Bevölkerung sind die USA. Die ersten Pioniere waren sehr auf gegenseitige private Hilfe angewiesen. Die vorherrschenden Religionen in den USA bieten selten die Wohltätigkeit von Klöstern oder sonstigen religiösen Einrichtungen an. Die Demokratie ist schon relativ alt und das öffentliche Sozialsystem weniger als in Europa entwickelt. Einigermaßen vergleichbare Zahlen über den Anteil der erwachsenen Bevölkerung in europäischen Ländern, die ehrenamtlich tätig ist, findet man auf der Website der europäischen Nichtregierungsorganisation CEV (Centre Européen du Volontariat/The European Volunteer Centre, siehe Weblinks) in Brüssel, die für verschiedene EU-Länder Studien über den Stand des Ehrenamtes macht. Die verwendeten Definitionen für die ehrenamtliche Tätigkeit sind allerdings uneinheitlich und entstammen nationalen Quellen. Immerhin scheint es plausibel, wenn unter den großen EU-Ländern das Vereinigte Königreich an der Spitze steht, gefolgt von Deutschland, Frankreich und Polen.

Motive ehrenamtlich Engagierter

Hauptmotiv des freiwilligen Engagements ist das Bedürfnis der Bürger/innen zur gesellschaftlichen Mitgestaltung (wenigstens oder gerade im Kleinen). Dazu kommt der Wunsch nach sozialen Kontakten und sozialer Einbindung. Altruistische Motive, Spaß zu haben und mit sympathischen Menschen in Kontakt zu kommen, stehen im Vordergrund der konkreten Erwartungen an die freiwillige Tätigkeit. „Für drei Viertel ... ist es darüber hinaus wichtig, Kenntnisse und Erfahrungen zu erweitern. Ein möglicher beruflicher Nutzen ist dagegen nur für eine Teilgruppe von rd. 20 % von Bedeutung“ (Rosenbladt/Picot 1999). An der Situation hat sich 2004 nicht viel verändert. Allerdings nimmt bei jungen Leuten und Arbeitslosen die so genannte Interessensorientierung (eigene Interessen und Probleme sowie der berufliche Nutzen als Hintergrund des Engagements) deutlich zu. (Übernommen aus dem Artikel Freiwilligensurvey)

Oft gleicht die Art des Engagements bezahlte Berufstätigkeit aus: Wer beispielsweise in der Buchhaltung arbeitet, will ehrenamtlich mit Menschen zu tun haben. Oder es werden Tätigkeiten gewählt, in denen man im „normalen Leben“ nicht gebrauchte fachliche Fähigkeiten und Kenntnisse angewenden - oder falls ohne bezahlte Arbeit immerhin eine ausüben kann. Das CEV (siehe Weblinks) fand als zusätzliche Gründe das Streben nach „lebenslangem Lernen“ („a Lifelong Learning Policy“) und die Hoffnung auf einen Weg (zurück) in (Voll-)Beschäftigung („Volunteering as a route (back) to employment“).

Förderung des Ehrenamts

Der Staat fördert ehrenamtliches Engagement in unterschiedlicher Weise.

Steuerliche Förderung

Ehrenamtlich Tätige können Aufwandsentschädigungen erhalten. Oft sind sie pauschaliert und auch im Rahmen bestimmter Grenzen steuerfrei (Beispiele: Übungsleiterpauschalen bei Sportvereinen oder die Entschädigungen für Kommunalpolitiker oder Schöffen).

Versicherung

Vielfach versichern Vereine und Institutionen die ehrenamtlich Tätigen gegen Unfall- und Haftpflichtschäden. Die Bundesländer Hessen und Nordrhein-Westfalen bieten darüber hinaus einen Versicherungsschutz für die, die bei ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit sonst keinen hätten.

Auszeichnungen

Bei den Vergabekriterien für Orden und Auszeichnungen spielt ehrenamtliches Engagement meist eine große Rolle. Mit der Ehrenamtscard zeichnet das Land Hessen Menschen aus, die mindestens 5 Stunden pro Woche ehrenamtlich tätig sind. Sie bietet den Inhabern eine Reihe von Vergünstigungen.

Besondere Aspekte ehrenamtlichen Engagements

Netzwerke

Verschiedene Vereine und Verbände haben sich zu Netzwerken zusammengeschlossen, um die Möglichkeiten und die rechtlichen Rahmenbedingungen für freiwillige Arbeit zu verbessern. Sie bieten auch Plattformen für Kommunikation und Informationsaustausch und binden Wissenschaft und Forschung ein, die sich mit Rahmenbedingungen und Wandel des Ehrenamtes im Dritten Sektor befasst und inzwischen auch eine umfangreiche Literatur zum Themenfeld hervorgebracht hat. Weiterhin gründeten sich in jüngster Zeit Projektbüros und lokale Netzwerke, die auch Beratungsangebote für Ehrenamtliche vorhalten (z.B. die hessische Landesehrenamtsagentur). Eine Variante des Ehrenamtes ist beispielsweise die Arbeit in Selbsthilfegruppen - zugleich eher ein Fall von gegenseitiger Hilfe (was in die schwierige Definition von wer hilft wem, was ist Freundschaft, was ist Ehrenamt, hinein reicht).

Internet und neue Medien

Auch die Arbeit vieler Open Source- und Open Content-Projekte, wie beispielsweise der Wikipedia, wird zum größten Teil ehrenamtlich geleistet und stellt so eine neue Form von bürgerschaftlichem Engagement dar; denn es entstehen öffentliche Güter in Form von freier Software und freien Inhalten, die allen unentgeltlich zur Verfügung stehen.

Wer ein Ehrenamt hat, ist auch finanziell großzügiger - so fand eine Studie des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Der Anteil der Spendensumme am Jahresnettoeinkommen ist indes weit unter dem Durchschnitt. Den Rahmen der Studie bildet ein vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördertes Projekt, Teilergebnisse lagen Ende 2005 vor (Fach­tagung über den Aufbau einer nationalen Spendenberichterstattung).

Für aktuelle und differenzierte Angaben zum Spendenwesen wird eine ständige Spendenberichterstattung gefordert (wie in den USA, Großbritannien oder Kanada, mit verlässlichen Angaben über Spenden bis hin zu den Spendern, für eine aktive Zivilgesellschaft wäre das noch wichtiger).

Verstärktes bürgerschaftliches Engagement kann zur Stärkung des schwindenden Sozialkapitals, zum Empowerment des Individuums und zu einer neuen politisch gefärbten Kultur des „Einmischens“ und Mitgestaltens in Gesellschaft, Kultur und Umwelt führen (siehe auch partizipatorische Demokratie), die einer mit dem Versprechen der staatlichen Rundumversorgung entstandenen Konsum- und Anspruchshaltung und ihren Folgen entgegenwirkt.

Praktika als Ehrenämter

Sie dienten früher dem Einstieg in eine bezahlte, laufen inzwischen oft auf ehrenamtliche Tätigkeit hinaus: „Generation Praktikum“ steht für erhebliches Ansteigen des in manchen Branchen langfristigen Trends: für viel zu viele Bewerber ist viel zu wenig bezahlte Arbeit da. Stichworte etwa: das Heer arbeitsloser Akademiker, Honorare beispielsweise für (freie) Übersetzer, Journalisten, in Malerei, Kleinverlag liegen oft in der Tiefe von Praktikantenvergütungen. Dabei wirkt überhaupt zu praktizieren den psychischen Folgen von Arbeitslosigkeit entgegen.

Ehrenamt und soziale Verantwortung des Staates

Nach der bisher umfassendsten Untersuchung über einen Zusammenhang zwischen wohlfahrtsstaatlichen Aktivitäten und der Bereitschaft, sich persönlich ehrenamtlich zu engagieren (nachzulesen bei Robert D. Putnam, siehe Literatur), gibt es einen direkten Bezug zwischen ihnen. Diese Fallstudie, von den 1960er Jahren bis zur Jahrhundertwende in Großbritannien, Schweden, den Niederlanden, Frankreich, Deutschland und Spanien sowie den USA, Japan und Australien, berücksichtigte die unterschiedlichen Varianten und Ausprägungen sowohl des Wohlfahrtssystems als auch die des persönlichen Engagements in diesen Ländern.

Festgestellt wurde, dass die beiden Länder mit dem höchsten Werten staatlicher sozialer Verantwortung und Wohlfahrtspolitik, die Niederlande und Schweden, auch die höchsten Werte an unentgeltlichem Bürgerengagement aufweisen. In Frankreich zeigte sich ein direkter Zusammenhang zwischen den Kurven politischer Entscheidungen, den Sozialstaat betreffend, und denen der Entwicklungen im Vereinssektor: die Spitzen- und die Tiefstwerte korrespondieren jeweils miteinander. Ähnliche Tendenzen wurden in den USA, in Schweden und Australien gefunden.

Zieht sich hingegen ein Staat aus seiner sozialen Verantwortung zurück, wie dies etwa in den USA und in Deutschland zu beobachten ist, sinkt die Bereitschaft sich ehrenamtlich zu betätigen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn feste Stellen in sozialen Projekten gestrichen und durch ehrenamtliche ersetzt werden sollen.

Kritik

Ambivalenz der staatlichen Förderung

Kritisch ist der Stellenwert ehrenamtlicher Arbeit in der gesellschaftlichen Gegenwartssituation zu betrachten. Einerseits liegt nahe zu vermuten, dass unbezahlte Arbeit bei ständig steigender Verschuldung der öffentlichen Haushalte und steigenden Kosten im sozialen und Gesundheitsbereich einiges von den nicht mehr bezahlbaren Aufgaben übernehmen soll, die in den letzten Jahrzehnten in den Bereich staatlicher Fürsorge fielen. So wurden beispielsweise Sozialleistungen für kognitiv beeinträchtigte Personen in England mit der Begründung, die Versorgung würde durch ehrenamtliches Engagement kostengünstiger und selbständig organisiert, massiv gekürzt. Es können jedoch nicht alle sozialen Aufgaben ehrenamtlich organisiert werden, was sich in diesem Fall gezeigt hat.

Unter diesem Aspekt richtet sich Kritik gegen die Förderung ehrenamtlichen Engagements durch den Staat, um seinen Haushalt zu entlasten: Ehrenamtliche als willkommene „Melkkühe“, in Verbindung mit Kritik der Finanzierung seines Haushaltes (z.B. zu geringe Besteuerung der Reichen) oder der Verwendung der Haushaltsmittel (z.B. zu hohe Ausgaben für militärische Rüstung.)

Andererseits ist ehrenamtliches Engagement, das zugunsten derjenigen erbracht wird, die davon direkt profitieren, zu begrüßen oder eventuell sogar notwendig, wenn solche Arbeit wegen Unbezahlbarkeit sonst entfiele. Dass es „indirekte“ Profite gibt, etwa wenn Wohlhabende nicht ganz besonders und sei es über Stiftungen oder andere materielle Leistungen (neben Steuern) teilhaben - solche Gerechtigkeitsfragen sind kein Argument gegen staatliche Förderung ehrenamtlichen Engagements.

Daneben muss berücksichtigt werden, dass entsprechendes politisches Handeln auch das Ziel haben kann, Subsidiarität zu stärken.

Problematik der Integration in geldvermittelte Leistungssysteme

In gewisser Hinsicht kann also die Etablierung ehrenamtlichen Engagements Ausnutzungscharakter haben: auf gesamtgesellschaftlicher (wie vorstehend angedeutet), aber auch auf Organisationsebene: Ehrenamtliche z.B. stützen nicht nur indirekt einen zu umfangreichen Verwaltungsapparat einer gemeinnützigen Einrichtung, sie tragen auch zu deren Fortbestand bei. Umgekehrt kann der Einsatz von Ehrenamtlichen zu Lohndumping führen: Diejenigen, die für ihre Arbeit bezahlt werden, erhalten ein geringeres Entgelt, als angemessen wäre, indem sie zum Teil durch Ehrenamtliche ersetzt werden. (Obwohl oftmals eine Finanzierungsstrategie (nicht immer wirklich im Interesse des Gemeinwohls, sondern manchmal zur Bedienung partikularer Interessen), ist dies auch ein struktureller Nebeneffekt, insofern unentgeltliche Leistungen in geldvermittelten Leistungssystemen, so auch auf dem Arbeitsmarkt, ein Störfaktor sind.)

Der Lohndruck auf Professionelle und eventuell ihre Verdrängung vom Arbeitsmarkt ist ähnlich problematisch wie auch subventionierte Tätigkeiten, z. B. 1-Euro-Jobs.

Ehrenamtliche sind bisweilen ungenügend auf ihre Einsätze vorbereitet, schlecht ausgesucht oder schlecht betreut.

Definitionsprobleme, soziale Anerkennung

Der Begriff des Ehrenamts hat gegenüber anderen Bezeichnungen Vorzüge. Es muss eher Wohlhabenden „eine Ehre“ sein, anderen keine bezahlte Arbeit wegzunehmen. Oder die ehrenamtliche Tätigkeit ist ehrenvoll, wertet sozial auf, lässt statt monetärer Entgeltung soziale Anerkennung verdienen. Was nicht bei allen ehrenamtlichen Tätigkeiten und Leistungen in der Gesellschaft gleich erfolgt. Auch bei Aufwandsentschädigungen und kleinen Vergünstigungen unterscheiden sie sich sehr. Nur institutionalisierte Ehrenämter etwa haben auch Vergünstigungen wie Fahrgeld, regional Ehrenamtscards (so genannt in Hessen) für kostenlose oder ermäßigte Eintritte in Museen etc. (siehe link) Gleichwertiges informelles Engagement „im Dunkel“ fällt oftmals nicht auf (bei ohnehin motivierten, wohlhabenden Menschen auch stimmig). Während ehrenamtliches Engagement über den Klee gelobt wird, haben etwa Hausarbeit, Krankenpflege und Kindererziehung, je nach dem auch als unentgeltliche Dienste für die Gesellschaft zu verstehen, oft zu wenig Anerkennung.

Auch im Rahmen lohnabhängiger Beschäftigung entstehen oftmals informell zusätzliche Beiträge zum Gemeinwohl: etwa wo man - im Interesse eines gemeinnützigen Unternehmensziels - eine geringere Entlohnung oder unbezahlte Überstunden akzeptiert. Engagement am Arbeitsplatz kann einem Vergleich mit ehrenamtlichem Engagement manchmal standhalten.

Eine genaue Definition, was ehrenamtliches Handeln wesentlich ausmacht, im Unterschied zum Engagement anderer Sorte, ist daher kaum möglich, ohne dass Kritiker solcher Definition auftreten. Bei der Lektüre diesbezüglicher Literatur ist daher immer zu berücksichtigen, wie ehrenamtliches Handeln definiert wird, um darauf bezogene Untersuchungen richtig einzuordnen und zu bewerten.

Die (fachwissenschaftlichen) Begriffe bürgerschaftliches Engagement und zivilgesellschaftliches Engagement oder Freiwilligenarbeit als Ersatz für "ehrenamtliches" Engagement haben die notorische Unschärfe des eigentlich gemeinten nicht aufheben können. Darüber hinaus ist die Frage entstanden, ob bürgerschaftliches Engagement und zivilgesellschaftliches Engagement Synonyme sind oder nicht. Wenn man von Engagement in einer Bürgergesellschaft oder Zivilgesellschaft spricht, scheint die synonyme Verwendung gerechtfertigt. Hingegen ist Engagement für Bürgergesellschaft bzw. Zivilgesellschaft, etwa im Sinne von „mehr“ Bürgergesellschaft oder Zivilgesellschaft, oder im Sinne von Verbesserung entsprechenden gesellschaftlichen Lebens, nicht ohne weiteres gleichsetzbar, da diese Begriffe aus unterschiedlichen Traditionen politischen Denkens stammen.

Gegenüber dem „ehrenamtlichen Engagement“ sind „zivilgesellschaftliches“ oder „bürgerschaftliches Engagement“ umfassendere Begriffe, mit denen auch Engagement durch Geldspenden gemeint ist. Im Kontrast zu solchem Engagement hat ehrenamtliches Engagement den Charakter der Zeitspende.

Siehe auch

Literatur

  • Karin Beher, Reinhard Liebig, Thomas Rauschenbach: Strukturwandel des Ehrenamts. Gemeinwohlorientierung im Modernisierungsprozeß. Juventa Verlag, Weinheim und München 2000, ISBN 3-7799-1406-9
  • Sebastian Gradinger: Service Clubs - zur Institutionalisierung von Solidarität und Sozialkapital. Universität Trier, 2006 [1]
  • Gerhard Igl, Monika Jachmann, Eberhard Eichenhofer: Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement im Recht - ein Ratgeber. Leske + Budrich, Opladen 2002, ISBN 3-8100-3575-0
  • Ernst Kistler, Heinz-Herbert Noll, Eckhard Priller (Hg.): Perspektiven gesellschaftlichen Zusammenhalts. Empirische Befunde, Praxiserfahrungen, Meßkonzepte. Edition Sigma, Berlin 1999, ISBN 3-89404-459-4
  • Lebendige Seelsorge, Heft 3/2006 der Zeitschrift zum Thema „Ehrenamt im Wandel“ [2]
  • Harald A. Mieg, Theo Wehner: Frei-gemeinnützige Arbeit: Eine Analyse aus Sicht der Arbeits- und Organisationspsychologie (Harburger Beiträge zur Psychologie und Soziologie der Arbeit Nr. 33). Technische Universität Hamburg-Harburg, Arbeitswissenschaft, 2002 [3]
  • Robert D. Putnam (Herausgeber): Gesellschaft und Gemeinsinn. Sozialkapital im internationalen Vergleich. Gütersloh 2001, ISBN 3892048401
  • Doris Rosenkranz, Angelika Weber (Hg.): Freiwilligenarbeit. 2002, ISBN 3-7799-0732-1
  • Andrea Schumacher: Im Anruf des Guten. Zur Wertorientierung des Menschen im kirchlichen Ehrenamt. Institut zur Förderung der Glaubenslehre, München 2002, ISBN 3-936909-99-7
  • Christina Stecker: Vergütete Solidarität und solidarische Vergütung. Zur Förderung von Ehrenamt und Engagement durch den Sozialstaat. Reihe Bürgerschaftliches Engagement und Nonprofitsektor, Bd. 8., Leske + Budrich, Opladen 2002, ISBN 3-8100-3484-3
  • Stephan Würz: Freiwilligenarbeit in den USA. In: LandesEhrenamtsagentur Hessen (Hg.): Dokumentation der Fachexkursion Freiwilligenarbeit in den USA im Mai 2004. Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-00-015822-7 (auch mit amerikanischen Links und Literaturnachweisen)
Wiktionary: Ehrenamt – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen