Bäckerjungensage

auf drei historischen Ereignissen beruhende Sage aus Andernach
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Die Linzer hatten eine gewaltige Wut auf die Andernacher. Der Kaiser hatte nämlich die wichtigste Einnahmequelle der Stadt, den Rheinzoll, nach Andernach zurückverlegt.

Deshalb wollten Sie den Andernachern eins auswischen. Die Linzer wussten nämlich, dass die Andernacher abends gerne und lang feiern und morgens nicht aus den Federn kamen. Nicht umsonst nannte man sie deshalb die „Andernacher Siebenschläfer“.

Die Linzer fackelten deshalb nicht lange und kamen zwischen Tag und Dunkel den Rhein herauf. Und was taten die Andernacher? Sie schliefen. Sogar der Nachtwächter im Rheintor sägte gerade ganz lautstark an einem dicken Ast. Er hatte auch gut sägen, denn tagsüber arbeiteten fleißige Tierchen für ihn. Das waren seine Bienen, von denen batterieweise Körbe auf der grauen Stadtmauer standen. Aber gerade auf die hatten es die einzigen Andernacher abgesehen, die um diese Zeit schon wach waren.

Das Fränzchen und der Döres, 2 Bäckerjungen, die es allerdings faustdick hinter den Ohren hatten, sie waren mit dem Ausfahren der Brötchen fertig und wollten partout noch etwas anstellen. Der Döres hatte auch schon eine Idee!

Man könnte ja die Bienenkörbe des Nachtwächters zukleben. Das Gesicht von ihm wäre morgends umwerfernd wenn er sieht das seine Bienen nicht fliegen.

Aber da hörten sie was. Durch den Nebel klang Waffengeklirr, Schritte von festen Stiefeln und dazwischen auch schon mal ein Kommando: ´“Rammbock nach vorne, Hellebarden bereit, zieht Schwerter.“ Und als dann noch einer rief: „Fertig machen zum Angriff“, da wurde es den beiden angst und bange. Zum Läuten der Sturmglocke war es zu spät. „Die Binne,“ schrie wieder der Döres, „ronne met denne Dinge.“ Sie nahmen die ganzen Körbe und warfen sie von der Mauer den Angreifern entgegen. Und die lieben Tierchen, in ihrer Nachtruhe gestört, stachen um sich wie wild. Einige Linzer waren auch noch so dumm und zerschlugen in ihrer Wut die Bienenkörbe; um so böser wurden die summenden Bienen.

„Jell, domet hat ihr net jerechnet, jetzt liert ihr mol die fliejenden Bataillone von Annenach kenne“, rief der Franz, als er sah, wie erfolgreich die Attacken der gereizten Bienenvölker verliefen.

Die Linzer schrieen vor Pein und machten einen solchen Krach, dass sogar der Nachtwächter wach wurde und endlich Alarm schlug. Die Linzer hatten nur noch eine Sorge: ab und weg und sie kamen nie mehr in böser Absicht zurück.

Die dankenden Andernacher haben ihre Retter dafür im Rheintor verewigt. Dort halten sie noch heute treue Wache. Ab und zu schmunzeln sie jedoch und zwar über das, was sich alles so im „Ströösje“ abspielt.

Hintergrund

Diese Sage stammt keineswegs aus dem Volksmund. Sie hat vielmehr einen literarischen Hintergrund. Karl Simrock veröffentlichte die Erzählung 1869 in seinen Rheinsagen. Bereits 1855 hatte der Andernacher Wilhelm Reuter ein Gedicht mit dem gleichen Sujet veröffentlicht. Noch interessanter wird die Geschichte, wenn man liest, was der Koblenzer Friedrich Wilhelm Carové 1816 den Brüdern Grimm schickte. Bei ihm sind die Gestalten im Rheintor keine Bäckerjungen sondern Bierbrauer, die im Schwedenkrieg die Stadt dadurch gerettet haben sollen, dass sie heißes Wasser auf die Angreifer schütteten. Carové war übrigens von Februar bis August 1816 in Andernach Einnehmer der Rheinschiffahrtsgebühren. Er saß also schon an der Quelle.

Bei den Steinfiguren im Rheintor handelt es sich jedoch weder um Bäckerjungen noch um Bierbrauer. Vielmehr stehen hier zwei Kriegerfiguren aus der Zeit der Frühromanik.