Theodor Lessing

deutscher Philosoph und Publizist
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Theodor Lessing (* 8. Februar 1872 in Hannover, † 30. August 1933 in Marienbad (ermordet)) war ein deutsch-jüdischer Philosoph und politischer Publizist.

Leben

Theodor Lessing wird als Sohn eines assimilierten deutsch-jüdischen Ehepaares aus dem gehobeben Bürgertum geboren. Der Vater ist ein Arzt der gehobenen sozialen Schichten in Hannover, die Mutter ist die Tochter eines Bankiers. Die Schulzeit erlebt er selber als unglücklichen Lebensabschnitt, er ist ein mäßiger Schüler und kann nur mit Schwierigkeiten 1892 sein Abitur ablegen. Er unterhält eine Jugendfreundschaft mit Ludwig Klages, die von diesem 1899 aber beendet wird (in wie weit Klages später deutlich werdender Antisemitismus der Grund dafür ist, ist nicht endgültig geklärt).

Nach dem Abitur beginnt er ein Studium der Medizin in Freiburg im Breisgau, Bonn und zuletzt München, wo er dann - den Neigungen gemäß, die er schon als Schüler zeigte - zu Literatur, Philosophie und Psychologie wechselt. Er schließt sein Philosophiestudium mit einer Dissertation über den russischen Logiker Afrikan Spir ab.

Eine geplante Habilitation an der Universität Dresden scheitert am Widerstand, der dem Juden, Sozialisten und dazu öffentlichen Verfechter des Feminismus dort entgegengebracht wird. Die darauf folgenden Jahre bringt er sich ohne feste Stellung als Aushilfslehrer und Vortragsredner durch (unter anderem hält er Einführungen in die moderne Philosophie in der Wartehalle des Dresdener Hauptbahnhofs).

1907 kehrt er nach Hannover zurück, wo er Privatdozent an der Technischen Hochschule für Philosophie wird, welche allenfalls ein Randfach an dieser Einrichtung ist.

Mit seinen medizinischen Kenntnissen aus der Studienzeit meldet sich Lessing zu Beginn des Ersten Weltkriegs freiwillig zum militärärztlichen Dienst, um dem Kampfeinsatz an der Front zu entgehen. Er dient während dieser Zeit als Lazarettarzt und arbeitet als Lehrer. Nebenbei schreibt er Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen. Das Erscheinen dieses Buches wird aber während des Krieges von der Militärzensur verhindert, da Lessing in diesem in eindeutiger Weise gegen den Krieg Position bezieht. Es wird erst 1919 veröffentlicht.

Nach dem Krieg kehrt Lessing auf seinen Privatdozentenposten in Hannover zurück und baut ab 1919 die dortige Volkshochschule mit seiner Frau auf. Daneben entfaltet er ab 1923 eine umfangreiche publizistische Tätigkeit. Er veröffentlicht, vor allem in den beiden republikanisch-demokratischen Tageszeitungen Prager Tageblatt und Dortmunder Generalanzeiger, Artikel, Essays, Glossen und Feuilletons und wird dadurch zu einem der bekanntesten politischen Schriftstellern der Weimarer Republik.

Aufmerksamkeit erregt 1925 sein Bericht über den Prozess gegen den Serienmörder Fritz Haarmann, den er als Augenzeuge verfolgt. Er macht die dubiose Rolle der hannoveraner Polizei (Haarmann war ein Polizeispitzel) in diesem Fall öffentlich.

Im selben Jahr schreibt er eine Charakterstudie über den Kandidaten für das Amt des Reichspräsidenten und späteren Wahlgewinner Paul von Hindenburg, in der er vor der Wahl dieses Mannes warnt. Hindenburg selbst schildert er als eine biedere, intellektuell anspruchslose Persönlichkeit, hinter der er aber gefährliche politische Kräfte wirken sieht:

Ein Philosoph würde mit Hindenburg nun eben nicht den Thronstuhl besteigen. Nur ein repräsentatives Symbol, ein Fragezeichen, ein Zero. Man kann sagen: 'Besser ein Zero als ein Nero'. Leider zeigt die Geschichte, dass hinter einem Zero immer ein künftiger Nero verborgen steht. (aus Hindenburg, erschienen im Prager Tageblatt am 25. April 1925)

Dieser Artikel bringt ihm die hasserfüllte Gegnerschaft aus deutschnationalen und völkischen Kreisen ein. Es wird zum Boykott seiner Vorlesungen aufgerufen, seine Entfernung von der Universität gefordert und schließlich kommt es zu gewalttätigen Übergriffen gegen ihn. Aus der Öffentlichkeit und besonders aus dem universitären Milleu erfährt er nur schwache Unterstützung. Unter diesem Druck vereinbaren Lessing und das preußische Kultusministerium die Einstellung der Lehrtätigkeit und die unbefristete Beurlaubung.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 beginnt Lessing seine Flucht aus Deutschland vorzubreiten. Am 1. März selben Jahres flüchtet er mit seiner Familie in die Tschechoslowakei und lässt sich dort im berühmten Kurbad Marienbad nieder. Von hier aus setzt er seine publizistische Tätigkeit in deutschsprachigen Auslandszeitungen fort. In Deutschland wird eine Belohnung für denjenigen ausgesetzt, der ihn entführt und den deutschen Behörden übergibt.

Lessing wird in seinem Exil schließlich am 30. August 1933 im Alter von 61 Jahren von nationalsozialistischen Mördern durch das Fenster seines Arbeitszimmers erschossen.

Philosophie

Lessing steht in der Tradition des philosophischen Pessimismus und Willensmetaphysik eines Arthur Schopenhauer. Die Grunderfahrung des Menschen in der Welt seien Not und Leiden. Doch anders als z.B. Schopenhauer reagiert Lessing auf diese Erkenntnis nicht mit Rückzug ins Private oder Weltabgewandheit, sondern - entgegen den persönlichen Neigungen - mit einer Philosophie der Tat.


Literatur

  • Rainer Marwedel: Theodor Lessing 1872-1933. Eine Biographie, Frankfurt am Main 1987
  • Ich warf eine Flaschenpost ins Eismeer der Geschichte (Sammelband mit Essays und Feuilletons; Herausgegeben und eingeleitet von R. Marwedel), Frankfurt am Main 1986

Werke (u.a.)

  • Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen, 1919
  • Haarmann. Die Geschichte eines Werwolfs, 1925
  • Einmal und nie wieder, Erinnerungen, aus dem Nachlass herausgegeben 1935