Long-Term Capital Management (LTCM) war ein 1994 von John Meriwether (früherer Vize-Chef und Leiter des Rentenhandels bei Salomon Brothers) gegründeter Hedge-Fonds. Unter den Direktoren waren auch Myron Scholes und Robert C. Merton, denen 1997 der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen wurde.
Erfolg
Auf ihrem Höhepunkt Anfang 1998 verfügte LTCM über Eigenkapital von 7,3 Milliarden USD und zahlte Ende 1998 2,7 Milliarden USD an die Anleger als Rendite zurück. Die minimale Anleger-Investition betrug zehn Millionen USD mit einer Mindestlaufzeit von drei Jahren, praktisch ohne eine Möglichkeit, Informationen über die Art der Geschäfte des Fonds zu bekommen. Aufgrund des hohen Anlagekapitals durch 80 Investoren wurden 1995 keine neuen Investoren mehr aufgenommen. LTCM finanzierte seine Investments fast ausschließlich über Fremdkapital und musste dafür geringe Sicherheiten hinterlegen. Strategisch wurde in Fixed-Income Arbitrage spekuliert, die aufgrund der sich nähernden Währungsunion eine Konzentration auf Preisdifferenzen zwischen unterschiedlichen festverzinslichen Wertpapieren wie z.B. italienischer Staatsanleihen bei gleichzeitigem Verkauf deutscher Bundesanleihen war. Der Fonds kaufte auch 30-jährige US-Treasuries mit einer Restlaufzeit von 10 Jahren und betrieb parallel durch Leerverkauf den Aufbau einer Short-Position von neu emittierten zehnjährigen US-Staatsanleihen. In den ersten drei Jahren entstand nach Abzug aller Kosten eine Rendite von 30% bis 40%.
Die LTCM hatte Anfang 1998 rund 4 Mrd. USD Eigenkapital, während ein Portfolio für 125 Mrd. USD als Leerverkauf dem gegenüberstand. Die Wertpapiere waren Sicherheiten, um noch mehr Fremdkapital zu leihen, damit für Derivate, die auf dem Wert des britischen Pfunds basierten, Obligations- und Optionsgeschäfte eingegangen werden konnten. Die Wertpapiere umfassten russische und amerikanische Schatzbriefe sowie dänische Grundstückshypotheken. Die Derivate erreichten am Ende einen Wert von 1,25 Billionen USD. Dieser Nominalwert stand einem Eigenkapital von 4 Mrd. USD gegenüber.
Mathematisches Konzept
Mit Hilfe eines mathematischen Modells (Black-Scholes-Modell) wurden die Kursentwicklung berechnet und prognostizierte einen Krisenfall mit einer Wahrscheinlichkeit von einer Milliarde Jahre, doch konnten sie den menschlichen Faktor nicht in ihre komplizierten mathematische Formeln mit einfließen lassen. Ein klassisches Börsenmodell stammt aus der Molekülphysik und beschreibt die Bewegung eines Moleküls. Nach der Theorie wird der Aktienkurs wie ein Molekül durch Gasteilchen von den Transaktionen der Akteure beeinflusst. Bei einem Kauf gibt es eine Bewegung nach oben und bei einen Verkauf eine kleine Bewegung nach unten. Dieser Prozess kann durch die Brownsche Bewegung beschrieben werden. Das Modell geht von der Annahme aus, es handle sich um kleinere Kauf- und Verkaufszyklen. Dem Black Scholes Option Pricing Model liegen diverse finanzmathematische Annahmen zugrunde, von denen folgende als fragwürdig einzustufen sind:
- Das dem BS-Option-Pricing-Modell zugrunde liegende Modell des Wiener Prozesses geht von der Annahme kleiner Kauf- und Verkaufszyklen aus. Es berücksichtigt keine großen Bewegungen, die auf den Finanzmärkten durch Großhändler, einen Dominoeffekt oder Überreaktion der (Klein-)Anleger verursacht werden können. Auch fließen in die Berechnung keine "Spekulationsblasen" ein. Diese sind überbewertete Bereiche auf den Finanzmärkten, die jederzeit wie die Dotcom-Blase platzen können.
- Aktienrenditen sind normalverteilt und homoskedastisch verteilt. Fatalerweise sind Aktienrenditen jedoch nicht, normal- sondern fat-tail verteilt, was bedeutet, dass extreme Kursausschläge deutlich wahrscheinlicher sind, als es eine Normalverteilung impliziert. Außerdem scheinen diese eine Heteroskedastizität aufzuweisen.
- Aktienrenditen sind stochastisch unabhängig voneinander bzw. weisen eine Korrelation von 0 auf. Auch diese Annahme ist empirisch betrachtet zweifelhaft, da in "normalen" Marktbedingungen die täglichen Aktienrenditen eine schwach negative Korrelation aufweisen. In extremen Marktsituationen hingegen scheinen Aktienrenditen signifikant positiv zu korrelieren, d.h. dass ein extrem fallender Markt ein starkes Abwärtsmomentum aufzuweisen scheint.
- Die Volatilität einer Option ändert sich stetig; im klassischen Black-Scholes Option Pricing Modell ist jedoch die Berechnung mittels einer durchschnittlichen bzw. konstanten Volatilität erforderlich.
Krise
Zur Krise kam es durch starke Turbulenzen auf den Finanzmärkten durch die offene Wirtschaft und die Währungskrise in Russland 1998. Große Fonds und Portfolios wurden aufgrund der Russlandkrise verstärkt in sichere US-Staatspapiere (US-Treasury Bonds) verlagert, so dass der Spread zwischen Swap-Rate und den Treasury Bonds stark stieg. Da LTCM auf eine Verringerung dieser Spreads spekulierte kam es zu massiven Verlusten. Gleichzeitig wussten inzwischen viele Marktteilnehmer von LTCMs Positionen und Problemen. Da LTCM früher oder später seine Positionen glatt stellen musste, trieben viele Marktteilnehmer den Spread immer weiter auseinander. Im August 1998 verringerte sich das Eigenkapital auf 2,1 Mrd. USD und LCTM veräußerten in der Folge einen Großteil der Anlagen zu Schleuderpreisen. Über Kreditmechanismen wirkte die Hebelwirkung (Leverage) so stark in die Verlustrechnung, dass eine Kettenreaktion auf die internationalen Finanzmärkte befürchtet wurde, da aufgrund des Rückganges des Kapitals im August auf 2,1 Mrd. USD ein Nennwert von 1,25 Billionen USD gegenüber stand. Da nicht genug Eigenkapital zum Ausgleich vorhanden war und LTCM eine Zahlungsunfähigkeit bevorstand, musste eine Rettungsoperation eingeleitet werden. In dieser Situation war ein Zusammenbrechen des amerikanischen und internationalen Finanzsystems zu befürchten.
- US-Notenbankchef Alan Greenspan musste die Leitzinsen senken.
- Es wurde entschieden, dass LTCM frisches Kapital von jeweils etwa 300 Millionen Dollar (insgesamt 3,75 Milliarden USD) von den neuen Investoren bekommen sollte und die LTCM zu 90% mit einer neuen Geschäftsleitung übernehmen solle.
Unter den Akteuren bei dem Treffen zur Rettung LTCM in der New Yorker Zentralbank am 23. September 1998 waren unter anderem William J. McDonough, Präsident der New Yorker Federal Reserve System (Fed), Sanford I. Weill, der Vorsitzende der Travelers Group, Jon Corzine, der Hauptteilhaber von Goldman Sachs, David Komansky, der Vorsitzende von Merrill Lynch, Douglas A. Warner, der Vorsitzende von JPMorgan Chase & Co. und auch Bankchefs der Deutschen und der Dresdner Bank.
Zitat
„Die Märkte können länger irrational sein als man Geld hat.“
Siehe auch
Wirtschaftsskandale:
- Enron, durch Bilanzfälschung einer der größten Unternehmensskandale (USA)
- Quantum Funds, ein Hedge-Fond
- Heuschreckendebatte, vergleichendes Verhalten „anonymer Investoren“