Kurt Gödel (* 28. April 1906 in Brünn, Österreich-Ungarn, heute Brno, Tschechien; † 14. Januar 1978 in Princeton, New Jersey) war Mathematiker und Logiker. Gödel wird von vielen als der bedeutendste Logiker des 20. Jahrhunderts angesehen. Er hat maßgebliche Beiträge im Bereich der Prädikatenlogik (Entscheidungsproblem) sowie zum klassischen und intuitionistischen Aussagenkalkül geleistet.
Jugend und Studium
Gödel stammte aus einer wohlhabenden großbürgerlichen Familie in Brünn in Mähren. Die Stadt hatte zur Geburtszeit Gödels eine deutschsprachige Bevölkerungsmehrheit und lag bis 1918 im österreichischen Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie (heute: Tschechien). Seine Eltern waren Marianne (geb. Handschuh) und Rudolf August Gödel. Sein Vater war ein zu Wohlstand gelangter Textilunternehmer. Der Vater war katholisch, die Mutter evangelisch, die Kinder der Familie wurden evangelisch erzogen. Gödel, der, verursacht durch rheumatisches Fieber, in seiner Kindheit oft unter einem schlechten Gesundheitszustand litt, zeigte trotzdem schulische Bestleistungen. 1912 trat Gödel in die Privat-Volks- und Bürgerschule ein, vier Jahre später in das deutschsprachige Kaiserliche und Königliche Staatsrealgymnasium. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Stadt Brünn 1918/1919 Teil der neu gegründeten Tschechoslowakischen Republik. Gödel, der kaum Tschechisch sprach, fühlte sich in dem neu gegründeten Staat nicht heimisch und, wie er seinem späteren Biografen John D. Dawson sagte, wie ein „österreichischer Verbannter in Tschechoslowakien“. Er nahm 1923 die österreichische Staatsbürgerschaft an, zog zum Herbst 1924 nach Wien und schrieb sich dort zunächst im Studiengang für Theoretische Physik ein. Er beschäftigte sich im darauffolgenden Jahr hauptsächlich mit physikalischen Themen. Außerdem besuchte er auch die philosophische Vorlesung von Heinrich Gomperz sowie die Vorlesung über die Zahlentheorie von Philipp Furtwängler. Diese beiden Professoren gaben Gödel die entscheidenden Impulse, sich intensiv mit den Grundlagen der Mathematik auseinanderzusetzen, welche auf der formalen Logik sowie der Mengenlehre beruhen. Kurz nach Beginn seines Studiengangs begann er den Wiener Kreis zu besuchen, einen akademischen Zirkel, der von Moritz Schlick ins Leben gerufen wurde und sich mit den methodischen Grundlagen des Denkens und somit den Grundlagen jedweder Philosophie auseinandersetzte. Die Gespräche mit den anderen Mitgliedern der Gruppe, von denen insbesondere Hans Hahn, Karl Menger sowie Olga Taussky für Gödel von besonderer Bedeutung waren, führten ebenfalls zur Erweiterung seines mathematischen Wissens. Auch in familiärer Hinsicht waren die Treffen des Zirkels für ihn von Bedeutung, da er hier 1927 zum ersten Mal seine spätere Frau Adele Porkert traf. Als er im Juli 1928 mit seinem Bruder in eine neue Wohnung innerhalb Wiens zog, befand sich diese zufälligerweise direkt gegenüber der Wohnung von Adele Porkert. Bedingt durch diese Nachbarschaft gingen die beiden erst jetzt eine Beziehung ein, die allerdings durch Kurts Eltern aufgrund gesellschaftlicher Vorbehalte gestört wurde. Adele Porkert stammte aus kleinbürgerlichen Verhältnissen und war wenig gebildet. Sie war fast 7 Jahre älter als Gödel und bereits einmal verheiratet gewesen. Daher betrachteten Gödels Eltern die Beziehung als Mesalliance, was diese veranlasste, sie zunächst geheimzuhalten und erst 1938 nach dem Tod von Gödels Vater zu heiraten.
Gödels wissenschaftliche Leistungen (1929–1938)
Fasziniert von den Gesprächen im Wiener Kreis besuchte Gödel das Mathematische Kolloquium von Karl Menger und wurde hier mit den aktuellen Grundlagenproblemen der Mathematik und Logik sowie insbesondere mit dem Hilbertprogramm zur vollständigen Beweisbarkeit der Mathematik vertraut gemacht. Unter anderem gehörte deshalb die erste Auflage der Schrift Grundzüge der theoretischen Logik von David Hilbert und Wilhelm Ackermann zu seiner Lektüre, die die hauptsächliche Grundlage für seine eigene Dissertation über die Vollständigkeit des engeren Kalküls der Prädikatenlogik erster Stufe (genauer Titel: Über die Vollständigkeit des Logikkalküls) von 1929 werden sollte. Die Doktorwürde wurde Kurt Gödel für diese erstklassige Arbeit am 6. Februar 1930 verliehen.
Die dreißiger Jahre waren für Gödel hauptsächlich von wissenschaftlicher Arbeit geprägt, die zunächst in Zusammenhang mit der Durchführbarkeit des Hilbert-Programms stand. Hatte Gödels erste Arbeit noch als ein Hinweis auf die Durchführbarkeit des Vorhabens zu einem vollständigen logischen Beweis der Mathematik gelten können, so war seine bedeutendste Arbeit, die er im Jahr 1931 veröffentlichte, das Ende des Traums von David Hilbert. In der Arbeit, die den Titel Über formal unentscheidbare Sätze der Principia mathematica und verwandter Systeme trug, bewies Gödel den Unvollständigkeitssatz. Dieser besagt, dass in einem widerspruchsfreien Axiomensystem, dass genügend reichhaltig ist um den üblichen Aufbau des Zahlsystems, der Mengenlehre und insbesondere der Analysis sicherzustellen, es immer Aussagen gibt, die aus diesem weder bewiesen noch widerlegt werden können. (Einfaches Paradoxon, welches das logische Grundproblem verdeutlicht: Beweis des Satzes: „Dieser Satz ist nicht beweisbar.“) Erst durch die Einführung eines mächtigeren Formelsystems ω, das k umfasst, kann k selbst vollständig bewiesen werden - im einfachsten Fall dadurch, dass der Satz selbst zum Axiom gemacht wird und wie es praktisch häufig in der Mathematik geschieht, wenn man beweist dass aus Satz A der Satz B folgt. Das ambitionierte Hilbert-Programm zur vollständigen Axiomatisierung der Mathematik war jedoch mit Gödels Satz gescheitert.
Durch seine bahnbrechende Arbeit und die verblüffenden Resultate, die aus ihr folgten, wurde Gödel schließlich als einer der führenden Logiker seiner Zeit anerkannt. Das führte unter anderem dazu, dass Gödel von seinem amerikanischen Kollegen Oswald Veblen nach Princeton in das neugegründete Institute for Advanced Study eingeladen wurde. Von 1933 bis 1934 reiste er zum ersten Mal nach Amerika und wurde dort gemeinsam mit James Alexander, John von Neumann und Oswald Veblen Gründungsmitglied der Fakultät. Allerdings begann sich in dieser Zeit seine psychische Erkrankung, die er wahrscheinlich latent seit seinen Kindheitstagen in sich trug, zum ersten Mal in der Form von depressiven Stimmungen und hypochondrischen Zwangsvorstellungen bemerkbar zu machen. Diese seelische Belastung war jedoch nur auf persönliche Einflüsse zurückzuführen. Die aus unserer heutigen Sicht immer bedrohlicher werdende politische Situation in Europa wurde damals nur von den wenigsten registriert und Gödel interessierte sich dafür überhaupt nicht.
Als Gödel im Frühjahr 1934 nach Wien zurückkehrte, hatte er bereits die Einladung für eine weitere Dozententätigkeit in Princeton erhalten. Der Tod seines Mentors Hans Hahn und der zunehmende Verfall seiner Gesundheit durch seine unvollständige Ernährung führten dazu, dass er sich statt dessen im Herbst 1934 für eine Woche in ein Sanatorium begeben musste. Nach diesem Aufenthalt, der ihm genügend Erholung brachte, begann sich Gödel mit der Kontinuumshypothese zu beschäftigen, deren relative Widerspruchsfreiheit er 1940 beweisen konnte. Zu diesem Thema arbeitete Gödel unter anderem mit John von Neumann zusammen. Er versuchte auch die Unabhängigkeit der Kontinuumshypothese von den übrigen Axiomen der Mengenlehre zu beweisen (was mit dem Beweis der Widerspruchsfreiheit also zur Folge hätte, dass dieser Satz im Rahmen der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre nicht beweisbar, aber auch nicht widerlegbar wäre). Hier kam ihm aber 1963 der US-Amerikaner Paul Cohen zuvor, der dafür die Fields Medal erhielt. Gödel, dem Cohen seinen Preprint unter der Tür seines Büros durchgeschoben hatte, erkannte den Beweis nicht nur sofort an, sondern sagte auch, dass Cohen einen Beweisweg (seine "forcing" Methode) eingeschlagen habe, an den er nie gedacht hätte. Mit seinem Beweis, der nicht nur die Unabhängigkeit der Kontinuumshypothese, sondern auch des Auswahlaxioms zeigte, fand Cohen auch erste konkrete Beispiele für die formal unentscheidbaren Aussagen aus "Gödels Theorem".
In den 50er Jahren gab er die erste Lösung der Allgemeinen Relativitätstheorie mit geschlossenen zeitartigen Weltlinien an (Schilpp (Hrsg.) "Albert Einstein" 1955), die also zeigt, dass "Zeitreisen" rein theoretisch in dieser Theorie möglich wären.
Seine Gesundheit verschlechterte sich mit zunehmendem Alter immer mehr. Bereits 1935 verbrachte Gödel mehrere Monate in einer psychiatrischen Klinik. Als der von Gödel sehr geachtete Moritz Schlick 1936 durch einen ehemaligen Studenten ermordet wurde, erlitt Gödel einen Nervenzusammenbruch.
Amerika
1938 heiratete Kurt Gödel schließlich Adele Porkert. Als Österreich an das Deutsche Reich angeschlossen wurde, verlor Gödel aufgrund der Umstellung des Bildungsystems seine österreichische Dozentur. Er versuchte eine adäquate akademische Stelle im nunmehr deutschen Bildungssystem zu erhalten, die entsprechenden Anträge wurden jedoch sehr schleppend bearbeitet. Als er in Wien als Jude angepöbelt wurde und man ihn obendrein zum Dienst in der deutschen Wehrmacht einberief, fasste er den endgültigen Entschluss, seine bisherige Heimat zu verlassen und nach Amerika auszuwandern. Dank seiner amerikanischen Freunde und der Bemühungen seiner Frau konnte er im Frühjahr 1940 das Dritte Reich über die Transsibirische Eisenbahn durch die Sowjetunion und Japan verlassen.
Nach seiner Einreise in die USA und dem Beginn seiner Arbeit in Princeton begann sich Gödel immer mehr mit philosophischen Problemen zu beschäftigen und sich von der formalen Logik abzuwenden. 1941 verfasste er seine letzte Arbeit zu einem logischen Problem, die er aber erst 1958 veröffentlichte. 1942 lernte Gödel Albert Einstein näher kennen und begann mit ihm über physikalische Probleme wie die Relativitätstheorie oder über philosophische Themen zu diskutieren. Zwischen den beiden entwickelte sich eine enge Freundschaft, die bis zum Tod von Einstein anhielt. Neben wenigen weiteren Bekanntschaften vereinsamte Gödel aber in den vierziger und fünfziger Jahren aufgrund seiner fortschreitenden psychischen Krankheit - vorwiegend Paranoia, vor allem die Angst, durch Essen vergiftet zu werden, immer mehr. Er erhielt erst 1953 eine Professur in Princeton, da er vor allem von Hermann Weyl und Carl Ludwig Siegel wegen seines merkwürdigen Verhaltens als ungeeignet angesehen wurde. In den sechziger Jahren hörte er auf, Vorlesungen zu geben, und seine Krankheit ließ ihm immer weniger die Möglichkeit, zu arbeiten oder gesellschaftlich zu interagieren. Obwohl er während dieser gesamten Zeit weiterhin als einer der führenden Logiker galt und man ihm entsprechende akademische Anerkennung in der Form von Auszeichnungen gewährte, konnte das natürlich seinen Zustand nicht verbessern. 1970 versuchte er zum letzten Mal zu publizieren. Die Schrift musste jedoch zurückgenommen werden, da er aufgrund der Wirkung von Psychopharmaka viele Fehler einfach übersehen hatte.
Seine letzten Lebensjahre, die für ihn furchtbar gewesen sein müssen, verbrachte Gödel zu Hause in Princeton oder in verschiedenen Sanatorien, aus denen er einige Male flüchtete. Lediglich die Fürsorge seiner Frau, die dafür sorgte, dass er sich wenigstens halbwegs normal ernährte, hielt ihn am Leben. Als Adele Gödel 1978 aufgrund eines Schlaganfalls selbst in ein Krankenhaus eingeliefert wurde, musste sie hilflos zusehen, wie ihr Mann immer mehr abmagerte. Als sie nach sechs Monaten wieder entlassen wurde – inzwischen an einen Rollstuhl gefesselt – lieferte sie Kurt Gödel bei einem Körpergewicht von unter 40 kg sofort in ein Krankenhaus ein; leider zu spät. Kurt Gödel verstarb wenige Wochen später an Unterernährung und Entkräftung.
Mathematisches Werk
Gödel hat die folgenden grundlegenden Theoreme der Logik bewiesen:
- Gödelscher Vollständigkeitssatz
- Gödelscher Unvollständigkeitssatz
- Das Auswahlaxiom und die Kontinuumshypothese sind zu den restlichen Axiomen der Mengenlehre widerspruchsfrei.
- Die Existenz Gottes hat Gödel mit Hilfe seines ontologischen Gottesbeweises durch formale Logik zu beweisen versucht.
- Nach Gödel sind außerdem benannt: Gödel-Isomorphismus, Gödelnummer
Siehe auch: Gödel, Escher, Bach
Literatur
Schriften (Auswahl)
- Kurt Gödel: Über die Vollständigkeit der Axiome des logischen Funktionenkalküls. Dissertation 1929. In: Monatshefte für Mathematik und Physik Akademische Verlagsgesellschaft, Leipzig 36.1930, 2, S.349-360. (Auch in: Erg. 3.1932, S. 12 - 13)
- Kurt Gödel: Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme I. in: Monatshefte für Mathematik und Physik. Akademische Verlagsgesellschaft, Leipzig 38.1931, S.173-198.
- Kurt Gödel: Diskussion zur Grundlegung der Mathematik, Erkenntnis 2. in:Monatshefte für Math. und Physik. Akademische Verlagsgesellschaft, Leipzig 39.1931-32, S.147-148.
- Kurt Gödel: Russels mathematische Logik, in: Whitehead/Russell, Principia Mathematica, Vorwort, S. V - XXXIV. Suhrkamp 1986, ISBN 3-518-28193-3.
- (Hrsg.) Solomon Feferman u. a.: Kurt Gödel. Collected Works. Vol. I-III. Clarendon Press, Oxford 1986, ISBN 0-1951-4720-0, ISBN 0-1951-4721-9, ISBN 0-1951-4722-7 (Die komplette Sammlung aller von Gödel jemals verfassten veröffentlichten und unveröffentlichten Schriften in Deutsch und Englisch)
Sekundärliteratur
- Karl Sigmund, John Dawson, Kurt Mühlberger: Kurt Gödel - Das Album/The Album. Vieweg 2006, ISBN 3-8348-0173-9
- Ernest Nagel, James R. Newmann: Der Gödelsche Beweis. Scientia Nova, Oldenbourg 2003, ISBN 3-486-45214-2
- Douglas R. Hofstadter: Gödel, Escher, Bach. Ein Endloses Geflochtenes Band. Dt. Taschenbuch Verlag, München 1991, ISBN 3-423-30017-5
- Max Woitschach: Gödel, Götzen und Computer. Eine Kritik der unreinen Vernunft. Poller, Stuttgart 1986, ISBN 3-87959-294-2
- Wolfgang Stegmüller: Unvollständigkeit und Unentscheidbarkeit. Die metamathematischen Resultate von Goedel, Church, Kleene, Rosser und ihre erkenntnistheoretische Bedeutung. Springer, Wien 1973, ISBN 3-211-81208-3
- Sybille Krämer: Symbolische Maschinen. Die Idee der Formalisierung in geschichtlichem Abriß. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1988, ISBN 3-534-03207-1
- Ludwig Fischer: Die Grundlagen der Philosophie und der Mathematik. Felix Meiner, Leipzig 1933.
- John W. Dawson jr.: Kurt Gödel. Leben und Werk. Springer, Wien 1999, ISBN 3-211-83195-9
- Gianbruno Guerrerio: Kurt Gödel. Logische Paradoxien und mathematische Wahrheit. Spektrum der Wissenschaft, Biografie. Spektrum, Heidelberg 2002, 1, ISBN 3-936278-04-0
- Palle Yourgrau: Gödel, Einstein und die Folgen. Vermächtnis einer ungewöhnlichen Freundschaft. C.H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52914-3
- Jaakko Hintikka: On Gödel. Wadsworth Philosophers Series, 2000. (Englisch) ISBN 0-534-57595-1
- Goldstein, Rebecca: Kurt Gödel. Jahrhundertmathematiker und großer Entdecker. Piper, München 2006, ISBN 3-492-04884-6
- Ed Regis "Who got Einsteins Office? - Eccentricity and Genius at the Institute of Advanced Study", 1988
Weblinks
- Vorlage:PND
- Artikel über Adele in der „Presse“
- Hervorragender Einstieg in die Zusammenhänge des Unvollständigkeitssatzes
- Kurt Gödel Society Wien (englisch)
- Langer Artikel über Gödel im TIME-Magazin von Douglas Hofstadter (englisch)
- Notices of the American Mathematical Society 2006, Tribute to Gödel
Personendaten | |
---|---|
NAME | Goedel, Kurt |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Mathematiker und Logiker |
GEBURTSDATUM | 28. April 1906 |
GEBURTSORT | Brno (ehemaliges Brünn) |
STERBEDATUM | 14. Januar 1978 |
STERBEORT | Princeton, New Jersey, USA |