Als Adipositas bzw. Übergewicht (auch: Fettsucht oder Obesitas) wird eine chronische Erkrankung bezeichnet, die weltweit in Besorgnis erregendem Umfang zunimmt und die laut WHO als die am meisten unterschätzte und vernachlässigte Gesundheitsstörung unserer Zeit gilt. Schätzungen zufolge ist die Adipositas aufgrund ihrer unmittelbaren Folgeerkrankungen in den Industrieländern für 5% aller Gesundheitskosten verantwortlich.
Die Adipositas ist mit- und hauptverantwortlich für ein gehäuftes Auftreten von Hypertonie (Bluthochdruck), Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), Herzinfarkten, Schlaganfällen, Brustkrebs, Gallenblasenerkrankungen und Gicht sowie das Obstruktive Schlafapnoesyndrom. Die Gefährlichkeit einer Venenschwäche/Venenthrombose, ebenfalls durch Übergewicht bedingt, wurde lange Zeit verkannt. Die Adipositas stellt ein weltweit dermaßen zunehmendes Problem dar, dass die WHO ebenso wie die CDC inzwischen von einer globalen Epidemie bzw. Pandemie sprechen, die ebenso ernst genommen werden sollte wie jede zum Tode führende Infektionskrankheit.
Auch die seelischen Folgen der Adipositas sind gravierend. Eine amerikanische Statistik besagt, dass Übergewichtige im Durchschnitt weniger verdienen und eine geringere Chance haben, jemals geheiratet zu werden.
Definition
BMI
Als Übergewicht wird eine über das normale Maß hinausgehende Vermehrung des Körperfettes verstanden. Als Berechnungsgrundlage dient der Body Mass Index (BMI), der das Körpergewicht (Masse in Kilogramm) in Relation zur Körpergröße (Quadrat der Körperlänge in Metern) setzt.
Für die Beurteilung des Erkrankungsrisikos wird außerdem der Bauchumfang gemessen. Bei Frauen sollte er unter 80 Zentimeter, bei Männern unter 90 Zentimeter liegen.
Beispiel: Für eine 70 Kilogramm schwere Person wird das Körpergewicht durch das Quadrat von 1,70 m geteilt: BMI = 70 : 1,70² = 24,22
Als Kenngrößen dienen folgende Bezeichnungen:
- Untergewicht: Ein BMI unter 18,5; niedriger Risikofaktor
- Normalgewicht: Ein BMI zwischen 18,5 und 24,9; durchschnittlicher Risikofaktor
- Prä-Adipositas (Übergewicht): ein BMI von 25 bis 29,9, gering erhöhter Risikofaktor
- Adipositas Grad 1 (engl. Obesity): ein BMI von 30 bis 34,5; erhöhter Risikofaktor
- Adipositas Grad 2: BMI von 35 bis 39,9; hoher Risikofaktor
- Adipositas Grad 3: Ein BMI von 40 und höher; sehr hoher Risikofaktor
Idealgewicht: Bei Frauen ein BMI von 22, bei Männern ein BMI von 24 Seit einiger Zeit wird das Idealgewicht nicht mehr als unbedingt notwendig angesehen. Es genügt ein subjektives "Wohlfühlgewicht", das allerdings im Rahmen des Normalgewichts liegen sollte.
Diese Einteilung erfolgt, um jene Personen zu identifizieren, die einer besonderen Gefährdung ausgesetzt sind, die bereits oben erwähnten Erkrankungen zu entwickeln. Es ist allerdings zu beachten, dass der BMI nicht uneingeschränkt für alle Personen verwendet werden kann: Da Muskeln schwerer sind als Fett, haben Bodybuilder häufig ein hohes Körpergewicht und damit einen BMI, der Übergewicht oder mehr angibt. Um solche Fehlinterpretationen zu verhindern, muss evtl. zusätzlich das Muskelmasse/Fett-Verhältnis berücksichtigt werden. Auch bei Kindern und Jugendlichen wird der BMI zur Diagnosestellung herangezogen, allerdings unter Zuhilfenahme geschlechts- und altersabhängiger Bewertungskurven (Perzentilen) modifiziert.
Broca-Formel
Eine veraltete Formel zur Bestimmung und Einteilung des Körpergewichts ist die Broca-Formel (nach dem französischen Arzt Paul Broca):
Formel: Körpergröße in Zentimeter - 100 = Soll-Gewicht in Kilogramm
Beispiel: 170 cm Körpergröße - 100 = 70 Kilogramm Soll-Gewicht
Das Idealgewicht liegt für Frauen 15 % unter dem Soll-Gewicht, für Männer 10 % darunter. Ab 20 % über dem Soll-Gewicht spricht man von Fettsucht.
Epidemiologie
Die Adipositas als komplexes Krankheitsbild betrifft alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen und beschränkt sich keineswegs auf die Industrieländer. Waren im Jahre 1995 weltweit noch 200 Millionen Erwachsene adipös, so waren es im Jahre 2000 schon 300 Millionen, davon 115 Millionen in Entwicklungsländern. Waren in Österreich 1991 noch 8,5% der Erwachsenen adipös, so waren es im Jahre 2000 schon 11%. Europaweit sind 10-20 % der Männer und 15-25 % der Frauen adipös. Dabei wird ein Anstieg der Adipositasprävalenz Richtung Süden und Osten beobachtet. Dies gilt auch für Österreich - mit der höchsten Anteil an Übergewichtigen im Osten des Landes und dem niedrigsten Anteil in Tirol und Vorarlberg.
In Deutschland wird seit Jahrzehnten ein Anstieg der Prävalenz beobachtet. So wies im Jahre 1999 nur noch die Hälfte bis ein Drittel der Bevölkerung einen medizinisch gewünschten BMI bis 24,9 auf. Studien aus den Jahren 1998 und 1999 zufolge waren 18,3 bis 245% der Bundesbürger miteinem BMI größer/gleich 30 adipös und 31,1 bis 48,7 % mit einem BMI zwischen 25 und 29,89 mäßig übergewichtig.
Am 27. April 2004 teilte das Statistische Bundesamt mit, dass bereits 49 % der Deutschen über 18 Jahre im Jahr 2003 Übergewicht hatten. Das war ein Prozentpunkt mehr als 1999.
Ursachen
Üblicherweise werden folgende Gründe für das vermehrte Auftreten einer Adipositas verantwortlich gemacht:
- Fehl- und Überernährung, auch durch unzureichende Information
- Bewegungsmangel
- Genetische Faktoren (Vererbung, "familiäre Disposition")
- Essstörungen
- Endokrine Erkrankungen wie Schilddrüsen-Unterfunktion, Cushing-Syndrom oder eine Leptinresistenz
- Medikamente
- β-3-Rezeptordefekt
Wie die epidemiologischen Daten zeigen, nimmt die Adipositas in allen Ländern zu, in denen ein ausreichendes Nahrungsangebot zumindest für Teile der Bevölkerung vorhanden ist.
Mögliche genetische Ursachen werden mit dem Argument verneint, dass sich der Genpool der Bevölkerung in den vergangenen ein bis zwei Jahrzehnten nicht signifikant geändert habe. Dies wird von anderer Seite mit dem Hinweis auf einen über Jahrmillionen wirksamen Selektionsdruck in Frage gestellt: Der Selektionsdruck machte den Menschen zum Meister im Energiesparen. Schon vor Jahrtausenden wurde er dort sesshaft, wo eine günstige Umgebung Ackerbau und bequemere Ernährung zuließ. Im Wesentlichen geschieht heute nichts anderes. Die Sesshaftigkeit bezieht sich auf die eigenen vier Wände, zu denen auch das Auto gezählt werden kann. So sei es kein Wunder, dass keine der zahlreichen angebotenen Diäten etwas fruchtet, dass kein Programm zur Reduktion des Übergewichts bislang erfolgreich war.
In Betracht gezogen werden sollten auch psychologische Zusammenhänge im Hinblick auf das in Europa und Nordamerika übliche attraktive Waren-Überangebot und der verbreiteten Unterbeschäftigung. Letztere entsteht teils durch Arbeitslosigkeit, teils durch Verschiebungen von körperlicher hin zu mehr administrativer und geistiger Tätigkeit.
Behandlung und Therapie
Wer eine genetische Disposition zur Adipositas hat, wird es zwar schwerer haben als andere, schlank zu bleiben, aber es ist trotzdem möglich. Ernährung ist in hohem Maße eine Gewohnheitssache. Man kann sich leicht falsche Ernährungsgewohnheiten (zu viel, zu fett) angewöhnen, aber ebenso (schnell) kann man sie sich auch wieder abgewöhnen.
Da Bewegungsmangel als ein wichtiger Faktor für Übergewicht identifiziert ist, stellen Sport bzw. Bewegung einen sehr wichtigen Bestandteil bei der Bekämpfung von Adipositas ist dar, weil dies neben dem Fettabbau durch Energieverbrauch auch zu einer Verminderung des gewohnheitsmäßigen Hungergefühls führt.
Siehe auch:
- Adipositaschirurgie
- Bestimmung des Muskelmasse/Fett-Verhältnisses: Bioelektrische Impedanzanalyse
- Diät
Weblinks
- Diäten, Fasten, Hungern bei dmoz.org
- Fast jede(r) Zweite in Deutschland hat Übergewicht (Pressemitteilung vom 27. April 2004 des Statistischen Bundesamtes)
- Deutsche Adipositas Gesellschaft (DAG)
- Fragen und Antworten zu Adipositas
- "Fettleibigkeit - Der 486-Kilo-Mann" (Bericht aus dem Stern)