Gesundheitswesen in der Schweiz
Überblick
Wichtigste offizielle Informationsquelle zum Gesundheitswesen in der Schweiz ist das Bundesamt für Gesundheit.
a) Krankheit In der Schweiz ist jeder Einwohner (d.h. Einheimische und aufenthaltsberechtigte Ausländer) obligatorisch für die Behandlungskosten bei Krankheit versichert (KVG, Krankenversicherungsgesetz). Die Zahlung der Prämie ist aber Sache des Versicherten. Mit den EU-Staaten bestehen Verträge, die die gegenseitige Übernahme der Behandlungskosten bei Notfällen regeln. Als Versicherungsnachweis dient das "Formular E111", das man in allen EU-Staaten und der Schweiz vom Krankenversicherer beziehen kann.
Die Krankenversicherungen sind privatwirtschaftliche Unternehmen; es gibt keine staatliche Krankenkasse. Jede Krankenkasse ist aber gesetzlich verpflichtet, jeden in die Grundversicherung aufzunehmen, der einen entsprechenden Antrag stellt und im Tätigkeitsgebiet der Kasse Wohnsitz hat. Der dadurch möglicherweise entstehende Wettbewerbsnachteil von Kassen, die mehr ältere und/oder kranke Mitglieder haben, wird mit einem speziellen Fonds teilweise ausgeglichen. Für die Zusatzversicherung (d.h. alle Leistungen, die über die gesetzliche Grundversicherung hinausgehen) sind die Kassen hingegen frei, welche Verträge sie mit wem abschliessen wollen. Dachverband der Krankenversicherer ist Santésuisse.
Die Finanzierung der staatlichen Krankenhäuser erfolgt einerseits durch Bezahlungen der Behandlungen, andererseits durch Zuschüsse der Kantone oder Gemeinden. Wegen dieser teilweisen kantonalen Finanzierung verlangen alle staatlichen Krankenhäuser von Einwohnern des Standortkantons niedrigere Taxen als von Auswärtigen. Wegen dieser unterschiedlichen Kosten deckt die gesetzliche Grundversicherung jeweils nur die Behandlung in der allgemeinen Abteilung in einem Krankenhaus im Wohnkanton. (Ausnahmen gelten in Notfällen und da, wo eine bestimmte Leistung im Wohnkanton gar nicht angeboten wird, wie z.B. Herzchirurgie oder Neurochirurgie, die auf Zentren beschränkt ist). Dachverband der Schweizer Krankenhäuser ist H+
Die Finanzierung der Privatkrankenhäuser erfolgt dagegen in der Regel nur aus den Behandlungstaxen, die deswegen markant höher sind als die in den allgemeinen Abteilungen der staatlichen Krankenhäuser. Die gesetzliche Grundversicherung deckt deswegen die Behandlung in Privatkliniken nicht.
Ambulante Behandlungen dagegen werden von der Grundversicherung in der ganzen Schweiz und bei jedem zugelassenen Leistungserbringer gedeckt. Dies sind neben freipraktizierenden Ärzten auch Ambulatorien der staatlichen und privaten Krankenhäuser. Dachverband der Ärzte ist die FMH (Foederatio Medicorum Helveticorum, Vereinigung der Schweizer Ärzte).
b) Unfälle Für Behandlungskosten bei 'Unfällen' ist jede(r) Angestellte obligatorisch versichert (UVG, Unfallversicherungsgesetz). Es gibt einerseits eine staatliche Unfallversicherung (SUVA, Schweizerische Unfallversicherungs-Anstalt), andererseits bieten auch die meisten privaten Versicherungskonzerne Unfallversicherungen nach UVG an. Es ist Sache des Arbeitgebers, alle Angestellten zu versichern, wobei je nach Pensum nur Unfälle während der Arbeit oder auch Unfälle in der Freizeit versichert werden müssen. Die Prämien für Betriebsunfälle werden nur vom Arbeitgeber getragen. Die Prämien für Freizeitunfälle dagegen werden vom Arbeitnehmer getragen. Wer nicht angestellt ist und auch keine private Unfallversicherung möchte, kann sich bei der Krankenkasse gegen Unfälle zusätzlich versichern lassen.
c) Zahnarzt Zahnarztbehandlungen werden von den Krankenkassen nicht getragen. Man kann privat eine Zahnarztversicherung abschliessen, aber diese ist sehr teuer und wird nur selten genutzt.
Zahlen und Daten zur Gesundheit in der Schweiz
Beschäftigte im Gesundheitswesen gesamt 2002: | 437000 oder 5970 pro 100000 Einwohner |
Davon Ärzte: | 14408 oder 197 pro 100000 Einwohner |
Krankenhäuser: | 572 oder 8 pro 100000 Einwohner. |
Kosten pro Behandlungstag im Krankenhaus durchschnittlich: | 906 Franken. |
Kosten gesamtes Gesundheitswesen 2001: | 46 Milliarden Franken, 21% mehr als 1996. |
Lebenserwartung bei der Geburt: | 82.8(f) bzw. 77.2(m) Jahre. |
Lebenserwartung im Alter von 65 Jahren: | 20.9(f) bzw. 17.1(m) Jahre. |
Säuglingssterblichkeit | 5 von 1000 Knaben, 4 von 1000 Mädchen |
Todesursachen (von insgesamt ca. 62500 Todesfällen im Jahr 2000):
- Herz/Kreislauf 40%
- Krebskrankheiten 26%
- Unfälle und Gewalt 3.8%
- Suizide 2.2%
Unfälle 2001
- Strassenverkehr: 75300
- Sport: 284500
- Zuhause 166300
Kostenvergleich des Gesundheitswesens, 2002
- USA: 14.6% des BIP (Bruttoinlandsprodukt)
- Schweiz: 11.2% des BIP
- Deutschland: 10.9% des BIP
- Frankreich: 9.7% des BIP
- Italien: 8.5% des BIP
- Grossbritannien: 7.7% des BIP
In kaufkraftbereinigten US-Dollars, 2002 1. USA 5267 2. Schweiz 3446 3. Norwegen 3409 4. Luxemburg 3065 5. Kanada 2931 6. Deutschland 2817 7. Island 2807 8. Frankreich 2736 9. Niederlande 2643 10.Dänemark 2583
Finanzierung
In der Schweiz wird bei Angestellten die Prämie der Unfallversicherung direkt vom Lohn abgezogen und ist in der Höhe vom Lohn abhängig. Der Prozentsatz hängt von der Branche ab. Die Krankenkasse hingegen muss jeder selbst bezahlen und die Höhe der Prämie ist nicht vom Lohn abhängig, sondern wird von der Krankenkasse nach Genehmigung durch das BAG festgelegt. Menschen mit niedrigem Einkommen bekommen allerdings einen staatlichen Zuschuss zu den Prämien.
Von den gesamten Kosten des Gesundheitswesens werden rund 2/3 direkt oder indirekt durch die Privathaushalte, nur noch 17% durch die öffentliche Hand getragen.
Zusätzlich zahlt jeder erwachsene Patient die ersten 300 Franken an Arzt- und Krankenhausrechnungen pro Jahr selbst. Diese so genannte Franchise kann man freiwillig auf bis zu 1500 Franken (2500 Franken ab 2005) pro Jahr erhöhen, und bekommt dafür eine gewisse Prämienermässigung. Dazu kommen 10% jeder ambulanten Behandlung, die der Patient ebenfalls selber Zahlen muss (Selbstbehalt).
Kostenexplosion und Patentrezepte
Wie in den meisten westllichen Ländern ist auch in der Schweiz die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen ein Dauerthema mit wechselnden Schuldzuweisungen und immer neuen Ideen, wie man die Trendwende herbeiführen könne. Nicht ohne Ironie ist dabei, dass häufig US-Amerikanische Rezepte ins Feld gebracht werden (ungeachtet der Tatsache, dass das amerikanische Gesundheitssystem ja weltweit das einzige ist, das noch teurer ist als das der Schweiz - und das mit wesentlich schlechterem sozialem Standard), oder dass das deutsche System der Finanzierung aus Lohnprozenten als Vorbild gebracht wird, während umgekehrt deutsche Gesundheitspolitiker immer mal wieder das Schweizer System der Kopfprämien vorschlagen.
Tatsache ist, dass sich der Staat in den letzten Jahren aus der Finanzierung vor allem der Spitäler weitgehend zurückgezogen hat, so dass die Krankenkassen einen immer höheren Anteil übernehmen müssen, was sich wiederum in schmerzhaft steigenden Prämien niederschlägt, deren Anstieg weit über dem Anstieg der eigentlichen Gesundheitskosten liegt. Tatsache ist auch, dass der Gesundheitssektor einer der wichtigsten Arbeitgeber des Landes ist (allein in den Spitälern arbeiten 150000 Menschen), so dass sich Einsparungen im Gesundheitswesen teilweise durch Stellenabbau in einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen - und damit indirekt wiederum Anstieg der Krankheitskosten - niederschlägt.
Tatsache ist sicher auch, dass die Gesundheitskosten in den letzten Jahrzehnten schneller angestiegen sind, als die allgemeine Teuerung, schneller auch als das BIP. Wenn dieser Trend sich fortsetzt, sind Finanzierungsprobleme in der Tat zu erwarten - spätestens dann, wenn die Kosten des Gesundheitswesens 100% des BIP überschreiten ... Die Gründe für diesen Anstieg sind Gegenstand heftiger Diskussionen. Nebst dem medizinischen Fortschritt, der Alterung, dem Föderalismus, der Macht der Interessenverbände, der Kommerzialisierung und der gestiegenen Anspruchshaltung der Konsumenten und Leistungserbringer wird auch die zu hohe Arzt- und Spitaldichte angeführt.
Die politischen Gegenmassnahmen konzentrierten sich bisher (abgesehen vom oben beschriebenen Rückzug des Staates aus der Finanzierung der Krankenhäuser) vor allem auf die freipraktizierenden Ärzte. Beispielsweise ist aktuell (seit 2002) ein Zulassungsstop in Kraft, der bewirkt, dass grundsätzlich keine neuen Praxen mehr erlaubt werden.
Weitere diskutierte Massnahmen sind die Aufhebung des Vertragszwangs (Versicherungen sollen nur noch die ihnen genehmen, qualitativ gut arbeitenden und günstigen Ärzte bezahlen müssen), eine "Altersguillotine" und strengere Zulassungsbestimmungen. Dazu kommen auf Patientenseite eine Erhöhung der Franchise und des Selbstbehalts sowie eine Reduktion des Grundleistungskatalogs.
Tarife
Die Preise ärztlicher Behandlungen sind strikt reglementiert. Es wurde in den letzten Jahren ein schweizweit gültiges Tarifwerk (Tarmed) entwickelt, das jeder medizinischen Leistung eine gewisse Zahl von "Taxpunkten" zuordnet. Damit wären theoretisch Arztrechnungen in der ganzen Schweiz gleich. Allerdings wurde der Taxpunkt je nach Kanton unterschiedlich festgelegt, so dass ein- und dieselbe Behandlung beispielsweise im Thurgau viel billiger ist als in Genf oder Zürich. Oder umgekehrt, dass ein Arzt für ein und dieselbe Arbeitsleistung in Genf oder Zürich deutlich mehr verdient als im Thurgau oder in Schaffhausen.