Familienpolitik
Unter Familienpolitik versteht man politische Maßnahmen und Steuerungselemente, die das Ziel haben, Familien mit Kindern zu unterstützen oder zu entlasten. In manchen europäischen Staaten sollen durch gezielte familienpolitische Massnahmen auch die fallenden Geburtenraten aufgefangen und stabilisiert werden. Die Familienpolitik gilt als Teilbereich der Sozialpolitik bzw. Bevölkerungspolitik.
Familienpolitische Maßnahmen in der Bundesrepublik Deutschland
Aufgrund des föderalen deutschen Regierungssystems sind Bund und Länder für verschiedene Teilbereiche zuständig, daher können diese auch von Bundesland zu Bundesland differieren. So hat z. B. Sachsen-Anhalt eine sehr hohe Abdeckung mit Kindertagesstätten, andere Bundesländer jedoch eine sehr geringe.
Bundesebene:
- Kindergeld
- Steuerfreibeträge durch Kinder (1)
- Ehegattensplitting
- Bafög
- Kündigungsschutz für werdende Mütter
- Elternzeit (vormals Erziehungsurlaub)
(1) Der Kinderfreibetrag ist, als steuerliche Freistellung des Existensminimums des Kindes, entgegen viele Meinungen keine Familienförderung, sondern ein Grundrecht. Der Betreuungsfreibetrag jedoch ist eine Familienförderung.
Länderebene:
- Begrüßungsgeld (Einmalzahlung für jedes Neugeborene)
- Ganztagesbetreuungseinrichtungen
- Kindergärten
Zudem unterscheiden sich die familienpolitischen Ansätze der Parteien und Denkrichtungen. Während Konservative eher die Ehe mit evtl. daraus resultierenden Kindern als Hauptziel der Fördermaßnahmen ansehen, gehen andere Denkrichtungen davon aus, dass allein das Gebären von Kindern, unabhängig vom Partnerschaftsstatus der Eltern, Anspruch auf familienfördernde Leistungen generiert.
Die Tatsache, dass es in Deutschland von Jahr zu Jahr weniger Kinder gibt, stellt die Erfolge und Ernsthaftigkeit der bisherigen Familienpolitik letztendlich in Frage.
Die Familienpolitik in der früheren DDR
Die völlige Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs und die kostenfreie Kontrazeption hatten 1972 zu einem Absinken der Geburtenzahlen in der DDR geführt, denen 1976 mit ergänzenden familienpolitischen Maßnahmen erfolgreich gegengesteuert wurde. Für die Mütter mit ehelichen und unehelichen Kindern gab es folgende Regelungen, die bis 1990 in Kraft blieben:
- die Vollversorgung mit Krippen, Kindergärten und Schulspeisung;
- kürzere Wochenarbeitszeiten für Mütter mit mehr als einem Kind ohne Lohneinbußen (z. B. 3 ¾ Stunden pro Woche für Vollzeitangestelle; zwei Unterrichtsstunden pro Woche weniger für Lehrerinnen);
- längere Jahresurlaubszeiten für Mütter mit mehr als einem Kind (zwei bis fünf Tage, je nach Kinderzahl);
- seit 1976 26 Wochen bezahlter Schwangerschaftsurlaub und Wochenurlaub;
- Freistellung der Mutter aus dem Arbeitsprozess (seit 1976 ab 2. Kind bezahlt bis Ende 1. Lebensjahr), ausgedehnt mit Arbeitsplatzgarantie praktisch bis zum 3. Lebensjahr des Kindes;
- Pflegeurlaub zur Betreuung kranker Kinder bis 14 Jahren für Mütter und Väter im Umfang von 4-13 Wochen; für Alleinerziehende und für Eltern mit mehr als einem Kind dabei Zahlung von 70-90 % des Nettoverdienstes;
- ein bezahlter Hausarbeitstag pro Monat für alle Mütter, verheiratetete Frauen und Frauen über 40 Jahre (und alleinerziehende Väter);
- Zahlung von Kindergeld und Anrechnung von zusätzlichen Arbeitsjahren auf den Rentenanspruch der Frauen; einmalige Geburtenbeihilfe von 1000 M seit 1972
- Familiengründungsdarlehen (5000 M zinsfrei mit Krediterlass von 1000 M bei Geburt des 1. Kindes, 1500 M beim 2. Kind, 2500 M beim 3.).
Es waren vor allem diese genannten Maßnahmen, die dazu geführt hatten, dass in der DDR von einem ausgesprochen kinderfreundlichen Klima gesprochen werden konnte.
Zwiespältig in ihren Auswirkungen war (und wurde deshalb von breiten Teilen der Bevölkerung sehr kritisch betrachtet) auch in der DDR die besondere Unterstützung der so genannten kinderreichen Familien mit vier und mehr Kindern. Eine Unterstützung, die beim Bezug einer Wohnung, durch Mietzuschüsse und durch die Versorgung mit knappen Konsumgütern und Dienstleistungen sowie bei der Bereitstellung von Arbeitsplätzen wirksam werden konnte. Auch in der DDR gab es unter diesen Familien einen Teil, der sich zur Asozialität hin bewegte und diese „besonderen Unterstützungen“ schamlos ausnutzte und ausbeutete.
Waren 1974 in DDR bei Abschluss eines Studiums 20 % Mütter und 24 % Väter, so betrug ihr Anteil 1986 33 % bzw. 43 % und weitere 14 % der Absolventinnen waren zu diesem Zeitpunkt schwanger. Hinzuzufügen ist noch, dass das Durchschnittsalter dieser Hochschulabsolventen in der DDR rund zwei Jahre niedriger lag als in der alten Bundesrepublik.
Familienpolitik in der Schweiz
Auf Bundesebene gehört die Familienpolitik zum Aufgabenbereich des EDI. Umgesetzt wird sie jedoch meist auf kantonaler Ebene.
Maßnahmen im Bereich der Familienpolitik:
- Kinderabzug bei den Steuern
- Kinderzulagen
- Mutterschutz
Literatur
- Franz Schultheis: Sozialgeschichte der französischen Familienpolitik. Frankfurt/Main: Campus 1988 (= Forschungsberichte des Instituts für Bevölkerungsforschung und Sozialplanung, Universität Bielefeld 14).